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Thema des Monats Mich zu holen

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25.02.2010
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Mich zu holen

Jochen sah müde aus, wie er dort auf den Stufen zum Vorgarten saß. Ein dünner Rauchfaden wand sich seinen Hemdsärmel hinauf, die Zigarette war bereits zur Hälfte verglüht.
„Mach Dir keinen Kopf! Das wird schon wieder.” Als ob er der Typ wäre, der sich schnell einen Kopf machte. Und was genau meinten alle, wenn sie das wird schon wieder sagten? Was sollte wieder werden? Er warf die Zigarette weg und ging nach drinnen. Die Luft war warm und feucht, es roch nach Desinfektionsmitteln. Der Kammerjäger war noch nicht lange weg.

Was passiert mit mir? Was ist das?

Er nahm die Seiten, die er so oft gelesen hatte, ein weiteres Mal zur Hand. Was er las, setzte ihm zu – mit jedem erneuten Lesen wieder. Jedes Wort ließ die Unruhe ein Stück weiter in ihn hineinkriechen, bis sie einen Punkt ihn ihm erreichte, den er selbst nicht kannte und sich dort festkrallte. Doch diese beiden Fragen waren es, die ihn verfolgten. Die mit jedem seiner Herzschläge in ihm widerhallten. Die ihn im Wachen und im Schlaf beschäftigten.

Letzten Freitag:
Ich kam spät nach Hause. Der Tag war anstrengend, und ich war froh, mich in meinen Sessel lümmeln zu können. Nichts weiter als ein Teil des dunkeln Zimmers zu sein. Selbst nach acht Jahren Projektleitung bin ich nicht gelassener geworden. Immer noch schaffen sie es, mich nervös und wütend zu machen. Diese verdammten Idioten!

Die ersten Zeilen konnte er längst auswendig. Ja, sie ließ sich viel zu schnell aus der Ruhe bringen. Er sah sie vor sich, wie sie, wie immer, wenn sie über die Arbeit sprach und sich dabei über sich selbst ärgerte, den Kopf schüttelte. Sie wirkte mutlos, in seiner Vorstellung noch mehr als gewöhnlich. Sie hatte immer Schwierigkeiten, ihre Gefühle in Worte zu fassen. Ihren wirbelnden Gedanken Struktur zu verleihen, und sich ihrer Umwelt mitzuteilen. Warum hatte sie diesen Text geschrieben, statt mit ihm zu sprechen? Jedes Mal kam er zu dieser Frage und jedes Mal nagten Zweifel an ihm: Hatte sie es versucht? Er hatte sich seit Wochen zu wenig Zeit für sie genommen, seine Arbeit über ihre Beziehung gestellt, wie sie ihm einmal vorwarf.
Er hoffte, sie käme zur Tür herein, risse ihm die Blätter aus den Händen, entsetzt darüber, dass er seine Nase in ihre Privatsphäre steckte. Wie gern stritte er jetzt mit ihr!

Ich war müde. Wie nach einem Marathon.
Irgendwann, eher weil sich der Aufruhr des Tages in mir nicht legte, als aus Hunger, ging ich zum Kühlschrank. Ich inspizierte den Inhalt in der Hoffnung, ein leichtes Abendessen zu finden. Doch wie schon so oft vorher, landete das, was ich Tage zuvor frisch gekauft hatte, in einer Mülltüte, und ich kehrte, nur mit einem Apfel in der Hand, ins Wohnzimmer zurück.
Freitagabend, Jochen saß noch im Büro, oder war er bereits unterwegs nach Berlin? Mir war klar, dass mit diesem Abend nichts mehr anzufangen wäre, und so schaltete ich sinnlos durch die Programme. Der Apfel war trocken und mehlig, also legte ich ihn nach ein paar Bissen zur Seite und überließ mich meiner schlechten Laune. Als die Anspannung des Tages sachte eingenickt war, fielen mir die Augen zu.

Es war an der Zeit, sich in die Welt des Schlafes zu flüchten und die Batterien wieder aufzuladen. Ich brachte den Apfel also in die Küche und stopfte ihn in die Mülltüte, zu den übrigen verdorbenen Lebensmitteln.
Wieder einmal nahm ich mir vor, meine Ernährung zu ändern und betrachtete dabei den Plastikbeutel, der zugeknotet darauf wartete, zur Mülltonne getragen zu werden.
Da sah ich, am Fußboden vor der Küchenzeile, eine Made liegen. Sie rollte ihren weißen, fetten Körper schwerfällig hin und her.

Mit einem Stück Küchenkrepp bewaffnet näherte ich mich diesem widerlichen Ding und machte mich bereit, den Störenfried durch die Abflussrohre zur Hölle zu schicken.
Dann fixierte ich die Schranktüre. Wäre ich nicht so müde und ausgelaugt gewesen, hätte mein Blick ein Loch in das Holz gebrannt. Doch nach der Mühsal der letzten Wochen, musste ich die Türe öffnen, um hinein sehen zu können. Ich wusste: wo eines dieses Scheißdinger war, waren andere nicht fern. Und tatsächlich, im muffigen Dunkel unter der Spüle lagen noch mehr dicke Larven herum. Ich fluchte laut, als ich den Bio-Mülleimer, das Zwiebelkörbchen, den Knoblauchtopf und jede Menge Flaschen mit unterschiedlichsten Putzmitteln von ihren Plätzen nahm und unter jedem Teil weitere dieser beinlosen Drecksviecher fand.
Nicht das, dachte ich. Nicht heute. Nicht noch so spät.

Zwei Stunden später lag ich endlich in meinem Bett, die vom Desinfektionsmittel rauen Hände dick eingecremt. Gerne hätte ich noch geduscht, die Bilder der letzten Stunden vom heißen Wasser abwaschen lassen, doch ich war einfach zu fertig.
Also legte ich die Hände, obwohl ich sie über jede vernünftige Zahl hinaus gewaschen hatte, neben meinen Körper auf die Bettdecke, argwöhnisch darauf bedacht, mich nicht damit zu berühren.
Ich hatte jeden Winkel der Küche gereinigt, ob ich Maden dort gefunden hatte oder nicht. Den Rest der Wohnung hatte ich stichprobenartig durchsucht, aber, dem Himmel sei Dank, nichts mehr gefunden.

Jochen stellte sich die hell erleuchtete Wohnung vor. Sah Julika erschöpft und ausgelaugt von Zimmer zu Zimmer gehen. Sah die Erleichterung in ihrem Gesicht, wenn sie etwas anhob und darunter nichts als Schatten fand.
Für die nächsten Zeilen hatte sie mehrere Anläufe gebraucht. Hatte mehrere Worte aufgeschrieben und dann, vielleicht nachdem sie alle laut ausgesprochen hatte, wieder durchgestrichen.

Die Luft prickelte auf meiner Haut wie nach einem Sommergewitter. Ich schwamm so weit oben, dass ich meine Sorgen nicht mehr erkennen konnte; ganz frei, zwischen den Sternen. Mit mir wanden sich andere nackte Köper im leeren Raum. Sie schienen mich nicht zu bemerken. Ich schloss die Augen.
Eine Hand fasste mich am Arm und lenkte meinen schwerelosen Körper zu sich herum. Ich erschrak
nicht, denn ich hatte darauf gewartet. Fühlte den fremden Körper, der sich mir näherte. Ein Knie an meiner Wade, Haar an meiner Schulter, eine zweite Hand an meiner Hüfte. Die Sanftheit der Berührung ließ mich schaudern. Ich gab mich dem Gefühl hin, und meine Aufmerksamkeit folgte der Gänsehaut, die sich von den Stellen der Berührungen über meinen Körper ausbreitete und in den Brustwarzen traf. Alles war straff und heiß.
Die Hände streiften über die aufgestellten Härchen meiner Haut, der fremde Körper passte sich der Form des Meinen an, Arme und Beine umschlangen mich, ich tastete nach dem erigierten Schwanz, der sich mir in den Rücken drückte …

Er sah auf und richtete seinen Blick auf das Fenster. Erwartete fast, Julikas empörten Gesichtsausdruck zu sehen. Es stand ihm nicht zu, das zu lesen. Ihm nicht und keinem anderen. Diese Zeilen waren wie Tagebucheinträge, und er hatte ihr Vertrauen missbraucht, als er sie las. Aber es war inzwischen ohnehin zu spät für derlei Gedanken.

Ich erwachte. Die Konturen sammelten sich im schwachen Licht des Schlafzimmers zu einem bekannten Bild. Verdammt! Was hatte mich geweckt? Ich versuchte, in meinen Traum zurückzukehren. Ich wollte weiter träumen. Ich hatte mir diesen Traum verdient. Doch es war bereits zu spät, ich war wach.
Also ließ ich meine Hände erkunden, was die fremden Hände hätten erkunden sollen. Nur langsam und auf Umwegen näherten sich meine Finger dem Ziel. Ich war überrascht, wie bereit ich schon war, und ärgerte mich erneut darüber, aufgewacht zu sein. Was hatte mich geweckt? Meine Gedanken durchstreiften die Wohnung, dabei fielen mir die Maden wieder ein. Ich ließ die Hände sinken. Das Schöne war dem Ekel gewichen.
Eine Weile lag ich still und folgte der Wut meiner Gedanken in die Nacht hinaus. Ich wartete darauf, wieder einschlafen zu können, doch mein Körper verriet mich, forderte das ein, das ich ihm versprochen hatte. Sollte er es bekommen. Ich fasste hart nach meinen Brüsten und streichelte mich mit der anderen Hand ohne jede Raffinesse.

Er versuchte, das Bild ihrer Hände aus seinem Kopf zu verbannen. „Hör auf damit”, ermahnte er sich. „Reiß dich zusammen, das ist nicht der richtige Moment!” Gerne hätte er sich ein Glas Wein eingeschenkt, doch alleine fühlte er sich wie ein Eindringling in dieser Küche. Wo war sie nur?
Er wollte ohne sie nicht bleiben, also nahm er einen Stift und ein Blatt Papier und schrieb:

Hallo Süße,
ich mache mir schreckliche Sorgen. Wo bist Du? Bitte ruf mich sofort an, wenn Du zurück bist!

Er überlegte lange, dann fuhr er fort:
Ich weiß nicht, ob Du wegen mir weg bist. Ich weiß, ich hätte mir mehr Zeit für uns nehmen müssen. Es tut mir leid. Bitte lass uns darüber reden, aber lass mich nicht eine Minute länger warten!
Jochen

Nach kurzem Zögern fügte er noch hinzu:
Ich hab sogar schon mit der Polizei gesprochen.

Er legte den Zettel gut sichtbar in die Mitte des Tisches und verzog das Gesicht, als er sich an das Bild erinnerte, das sich ihm bot, als er das Haus betreten hatte. Dann konzentrierte er sich wieder auf die Zeilen ihrer Handschrift.

Der Körper hatte das Sagen, sollte der Geist von ihm aus bleiben, wo er wollte. Und das tat er. In Gedanken lag ich inmitten eines warmen Madenteppichs. Feste Leiber rieben sich an meiner Haut. Trotzig beschwor ich diese Bilder herauf, während mein Fingerspiel noch wütender wurde. Meine Beine umschlossen einen gewaltigen Leib, während sich überall auf mir kleine gierige Wesen räkelten. Stöhnend versank ich unter ihnen, während sie vor Lust vibrierten.
Endlich entlud sich meine gesamte Anspannung in einem kurzen und heftigen Aufbäumen. Befriedigend nur für meinen Körper.
Tatsächlich konnte ich daraufhin wieder einschlafen. Doch in den wenigen Minuten, die ich noch wach lag, schämte ich mich für die absurde Lust und die abnormen Bilder, die ich absichtlich heraufbeschworen hatte. Vor allem aber für den Verrat meines eigenen Körpers.
Den Rest der Nacht schlief ich fest und traumlos.

Jochen war ratlos. Warum stellte sich seine Freundin Sex mit Maden vor? War das tatsächlich nur eine Trotzreaktion auf das sture Bedürfnis ihrer Libido; ausgelöst durch das vorherige Erlebnis? Waren das Seiten eines tierischen Instinktes, die sie sonst vor ihm verbarg?
„Unsinn!”, schalt er sich laut. Er war müde und durcheinander. Mit solchen unsinnigen Fragen käme er nie darauf, wo sich Julika gerade aufhielt und ob es ihr gut ging. Er rieb sich die rot geränderten Augen und las weiter.

Am Wochenende:
Ekel und Scham der Nacht verblassten in den morgendlichen Sonnenstrahlen und verschwanden im Laufe des Samstagvormittages ganz. Da ich keine Maden mehr gefunden hatte, konnte ich das Thema abschließen und mich meinem Wochenende zuwenden. Es war ungewöhnlich warm für den Frühling, und obwohl Jochen nicht bei mir sein konnte, fand ich genug Ablenkung, so dass bis zum Sonntag jede Anspannung der letzten Woche von mir abfiel.

Am Montag:
Ich erwachte kurz vor dem Klingeln des Weckers, war erholt und ausgeruht. Die Woche konnte kommen, ich fühlte mich allen Herausforderungen gewachsen.
Tatsächlich ging mir die Arbeit leicht von der Hand, bis mich, kurz vor Feierabend, ein starker Schwindel erfasste.
„Alles okay mit Dir?”, fragte Clarissa und klang dabei sogar aufrichtig besorgt.
„Geht schon”, erwiderte ich automatisch.
Die Blicke meiner Kollegen folgten mir, als ich den Raum in Richtung Badezimmer verließ, darauf bedacht, meine Schritte sicher wirken zu lassen. Vor dem Spiegel atmete ich mehrmals tief durch, während ich mir kaltes Wasser über die Handgelenke laufen ließ. Mit geschlossenen Augen wartete ich, bis das Gefühl der Schwäche sich legte. Hinter meinen Lidern meinte ich, hunderte, sich windender, blasser Körper zu sehen.
Ich beschloss, früher Schluss zu machen. „Ich gehe etwas essen. Alleine und ganz in Ruhe. Ich brauche nur eine kleine Pause”, sagte ich mir und sah meinem Spiegelbild dabei fest in die Augen. Meine Stimme wurde von den Kacheln der Wände hin und her geworfen und klang, als ob sie aus der Kabine hinter mir käme.
Ich wollte gerade gehen, als meine Augen der Bewegung meiner Hand folgten, mit der ich mich am Dekolleté gekratzt hatte. Überrascht nahm ich die Hand weg und trat näher zum Spiegel. Meine Haut dort war rot und trocken. Auf einer etwa handtellergroßen Fläche nässte die Haut an den Stellen, die ich bereits aufgekratzt hatte. Ich knöpfte meine Bluse bis oben hin zu, dann kehrte ich in den Besprechungsraum zurück. Ich hatte mir in letzter Zeit zu viel zugemutet, wenn sogar mein Körper schon so deutlich reagierte.

Ein paar Stunden später untersuchte ich mich erneut im Spiegel. Natürlich kamen in der Arbeit noch etliche Kleinigkeiten dazwischen, weswegen ich mich doch wieder zu spät auf den Heimweg machte. Da der Schwindel nicht wiederkehrte, vergaß ich darüber auch den Ausschlag. Abends stand ich da, Creme in der Hand, unsicher, ob ich mir damit helfen oder alles verschlimmern würde. Ich hätte unbedingt früher gehen und noch zur Apotheke fahren sollen.
Die Haut war inzwischen so trocken, dass sie stellenweise aufgeplatzt war und rotes, wundes Fleisch zu sehen war. Ich nahm mir erneut vor, meinen Lebenswandel zu verbessern und wollte gleich damit beginnen, indem ich früher zu Bett ging. Eine lange Nacht mit festem Schlaf war oft die beste Medizin. „Morgen, wenn die wunden Stellen nicht besser aussehen, gehe ich zum Arzt”, versprach ich mir selbst.

Vorsichtig schob er seine Fingernägel unter die Meinen. Ein Stück weit nur. Dort, wo die Haut ganz dünn war, konnte er sie so weit hervorziehen, bis er sie zu fassen bekam. Wie er versprochen hatte, tat es nicht weh. Langsam und gleichmäßig zog er so die Haut ab – erst von den Fingern, dann von Händen und Armen. Mein Fleisch darunter war weich und weiß. Deutlich konnte ich das Leben darin pulsieren sehen. Es tat so gut, von der alten Haut erlöst zu werden. Ich stöhnte auf, er lächelte. Dann zog er kräftig an der trockenen Hülle, um mich ganz zu befreien. Sie fiel mir wie ein Mantel von den Schultern und befreite zwei große, blau schimmernde Flügel. Er dreht mich herum, strich über die festen Muskeln, die die Flügel mit meinen Schultern verbanden. Dann drang er hart in mich ein.

Ich schnappte nach Luft. Es war noch dunkel im Zimmer, kein Laut störte die Ruhe der Nacht. Um wieder einzuschlafen, wollte ich mich zur Seite drehen, doch die Bewegung fiel mir schwer. Es schien mir, als hielte etwas meine Schultern umschlossen, also blieb ich am Rücken liegen, und tastete danach.
Ich lief zum Spiegel, machte Licht und starrte auf meinen Hals, zog das Shirt aus und ließ es neben mir zu Boden fallen. Zuerst war ich mehr fasziniert als besorgt, muss ich gestehen. Eine Art Schorf bedeckte fast meinen ganzen Oberkörper. Es schmerzte nicht, wenn ich mich bewegte, doch war dieses Zeug lange nicht so elastisch wie gesunde Haut.
Ich strich mit den Fingerspitzen darüber. Hart und trocken verhinderte es jedes Gefühl. Ich kratzte daran herum, erst vorsichtig, dann heftiger. Versuchte mich davon zu befreien, riss kleine Teile davon ab. Es tat nicht weh, doch das offene Fleisch darunter brannte.

An den Rändern spannte die Haut. Vorsichtig schob ich einen Fingernagel unter den Rand und rechnete mit Schmerz, als ich grob daran zog. Doch war er so fest an mir, ich hätte ebenso versuchen können, mir einen Zehnagel herauszureißen.
Das Gefühl, diesen Panzer am Körper zu haben, war interessant, irritierend und intensiv. Wie konnte das sein? Was konnte das sein? Ich nahm mir vor, die nächsten Tage frei zu nehmen und gleich morgens zum Arzt zu fahren. Ich überlegte noch lange, ob ich schon einmal von etwas ähnlichem gehört hatte. Meine Gedanken gingen in albtraumhafte Visionen über, als ich einschlief. Ich wollte Jochen anrufen, ihn bitten, nach Hause zu kommen, doch diese ungewöhnliche Last hing so schwer an mir, dass mir nichts wichtiger schien, als zu schlafen.

Jochen überlegte. Auf welche Aussagen des Textes konnte er sich verlassen? War Julika verwirrt gewesen, als sie diese Zeilen schrieb? Montag Abend hatten sie doch telefoniert, oder nicht? Suchte er womöglich nach einem Sinn in einer fiktiven Geschichte? Sollte er noch einmal in der Agentur anrufen? Aber sie hatten ihm bereits mehrmals gesagt, dass Julika sich krank gemeldet hatte.

Gestern:
Es kostete mich viel Kraft, die Augen zu öffnen; dauerte so lange, bis ich die Welt der Träume abschütteln konnte. Mein Körper fühlte sich steif an, mein Kopf tat weh, als hätte ich zu viel getrunken. Ich rief kurz in der Agentur an. Etwas stimmte nicht mit mir – ich war mehr als nur müde. Waren all das Fieberträume?

Das Telefon klingelte. Dem Licht nach zu urteilen, war es schon spät, ich musste wieder eingeschlafen sein. Immer noch benebelt, wartete ich ab, bis es verstummte, dann stand ich auf. Ich konnte mich nicht richtig bewegen. Es war, als trüge ich schwere, nasse Kleidung. Was hatte ich geträumt? Von einer Larve?
Nein, kein Traum. Ich stellte mich wieder vor den großen Spiegel. Zu nichts sonst fähig starrte ich mein Spiegelbild an. „Was zum Teufel ist das?” Ich erkannte meine eigene Stimme nicht. Der Ausschlag hatte sich auf Teile des Gesichts, der Oberarme und des Bauches ausgebreitet. An den Stellen, wo er zuerst aufgetaucht war, waren kleine schwarze Pünktchen entstanden, aus denen feine, helle Haare wuchsen, deren Enden in winzige Knospen auszulaufen schienen. Ich empfand Widerwillen gegenüber meinem eigenen Körper.
Ich erinnerte mich an meinen Entschluss, zum Arzt zu gehen, doch wie sollte ich so das Haus verlassen? Welchem Arzt konnte ich mich so zeigen?
Schwach lächelte ich mich an. Ich träumte. Natürlich, ich hatte viele seltsame Träume in letzter Zeit. Das waren meine überspannten Nerven. Ich war schwach und müde, also ging ich zurück zum Bett und legte mich wieder hin. Ein Traum. Nur ein Traum.
Im Bett strich ich über meinen Körper. Über meine weiche, vom Schlaf erhitzte Haut. Über den körnigen Rand des Panzers. Über immer knotigere Flächen, bis zu den feinen Härchen über meiner Brust. Sie waren nicht festgewachsen, hatten keine Wurzeln. Bei der Berührung fielen sie aus und verteilten sich über meine Finger. „Wie Schimmel”, ging es mir durch den Kopf und ich stieß ein krächzendes Lachen aus. Dann weinte ich mich in den Schlaf.

Wieder stand ich vor dem Spiegel, doch dieses Mal war Er bei mir. Er fing meine Tränen auf, benetzte damit meinen gefangenen Körper und flüsterte mir beruhigende Worte zu. Er würde mich holen. Die Kruste knackte und zerbrach, als er sie an meinen Schultern zusammendrückte. Stück für Stück zog er ab, befreite mich, bis der Druck nachließ. Die Haut darunter kribbelte. Pralle kleine Körper brachen sich ihren Weg und fielen mit grässlichen Geräuschen von meinen Schultern zu Boden. Tock. Tock. Ich zerrte am Rest der Hülle, die mich zusammen mit dem Ungeziefer einschloss, doch es schmerzte jetzt so sehr. Er war verschwunden. Ich war wieder alleine; mit hunderten kleiner Monster, die aus meinen Schultern krochen. Ich schrie. Schrie, bis ich das Bewusstsein verlor.

Jetzt:
Ich bin so müde. Fühle mich krank und habe Angst. Es ist mir egal, was die Leute auf der Straße denken könnten. Es ist mir egal, was der Doktor tun könnte, wenn ich ihm gegenübertrete. Ich muss hin, ob ich mich schäme oder nicht. Aber erst schreibe ich das hier noch zu Ende.
Inzwischen erkenne ich meinen Körper nicht wieder. Dunkle, harte Haut mit weißen Härchen, wie feines Fell, das ausfällt, wenn man darüber streicht. Meine Gliedmaßen zu bewegen, ist sehr anstrengend, das Schreiben dauert lange und kostet Kraft. Vielleicht sollte ich den Arzt anrufen? Ja, wenn er käme, müsste ich das Haus nicht verlassen. Das ist gut.

Ich habe angerufen, doch sie wollen mich sehen. Natürlich. Aber erst lege ich mich noch ein wenig hin und ruhe mich aus. Nur kurz. Ich bin so müde.

Er legte die beschriebenen Seiten dorthin zurück, wo er sie gefunden hatte und stützte den Kopf in die Hände. Nach einer Weile stand er auf und sah sich ein letztes Mal um, um sicherzugehen, dass Julika seinen Brief sehen könne, sobald sie den Raum beträte und wandte sich zum Gehen.
Er würde morgen früh wieder herkommen. Unterwegs zur Tür trat er auf etwas. „Ah Scheiße! Doch noch eines von diesen Scheißdingern. Ekelhaft!”
Er nahm die tote Made auf und warf sie draußen in die Mülltonne.

 

Hallo elisabeth

Mir erschien deine Geschichte sehr interessant, dein Wechselspiel zwischen physischen und psychischen Manifestationen, verdeckt durch die Unsicherheit, was mit Julika geschehen war. Die Spannung erschien mir zwar etwas verhalten, aber die Handlung gut lesbar.

Ein dünner Rauchfaden wand sich seinen Hemdsärmel hinauf, die Zigarette in seiner Hand war bereits zur Hälfte verglüht.

Eine ungewöhnlich beschriebene Beobachtung. Hat mir aber gerade in seiner Eigenart gefallen und neugierig gemacht, was sich da im Text noch so verbirgt.

Mir war klar, dass mit diesem Abend nichts mehr anzufangen wäre, und so schaltete ich sinnlos durch die Programme.

Im Kontext zum nachfolgenden Satz, in dem die Anspannung einnickte, las ich dies, sinnlos durch die Programme schalten, amüsiert. Aber es war natürlich klar, es ging um die Programme im TV.

Ich wusste: wo eines dieses Scheißdinger war, waren andere nicht fern. Und tatsächlich, im muffigen Dunkel unter der Spüle lagen noch weitere dieser dicken Larven herum.

Hier kam mir assoziativ der offene Kühlschrank im Film „Ekel“ von Roman Polanski in den Sinn. Meine Güte, wie lange ist das her, als ich ihn mir ansah, wohl über die vierzig Jahre. Doch hier, ahne ich, haben die Zeichen vielleicht eine ganz andere Bedeutung.

Mit zitternden Fingern schreib er:

schrieb

Meine Beine umschlossen einen gewaltigen fetten Laib, während sich überall auf meiner Haut kleine gierige Wesen räkelten.

Hier denke ich, ist Leib das treffendere Wort.

Es schien mir, als hielte etwas meine Schultern umschlossen, also blieb ich am Rücken liegen, und tastete nach danach.

… ich auf dem Rücken liegen, und tastete danach.

Das offene Ende finde ich hier gut. Zu Beginn, mit dem riesenhaften Insekt auf dem Autodach meinte ich, es könnte Julika sein. Aber es war ja das Markenzeichen der Kammerjäger. Eine zweite Eingebung gab mir der Madenteppich, der sich über sie legte, er liess mir Inspirationen aufkommen, auf eine kommende Metamorphose. Doch so klar löst es sich nicht, in meiner Vorstellung als Leser, wurde sie letztlich das Opfer einer Psychose. In der Darstellung der Entwicklung fand ich es sehr gelungen und sich gut in das Thema des TdS einfügend.

Sehr gern gelesen.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo elisabeth

Ich mag Geschichten mit mehreren Ebenen, ist bei KGs ja immer wieder recht beliebt, dass ein Erzähler in der Geschichte die eigentliche Geschichte erzählt oder dass, wie in deinem Fall, die eigentliche Geschichte in einer Art "Tagebuch" festgehalten ist.

Auf der einen Seite bietet das sehr viele Möglichkeiten, ist auf der anderen Seite aber auch in der Umsetzung nicht ganz leicht. Zwei Kritikpunkte möchte ich dazu äussern, die mir beim Lesen deiner Geschichte aufgefallen sind:

Zum einen muss sich die (ich nenne sie mal) "innere Geschichte" sauber in die "äussere Geschichte" einbetten, möglichst nahtlos. Dies ist hier nur bedingt der Fall, da ich es etwas weit hergeholt finde, dass der Arzt einen Schlüssel zu ihrer Wohnung hat. Gut, die beiden duzen sich, also scheint da schon ein engeres Verhältnis zu sein, aber sie führen keine Beziehung. Auch das Auftauchen der Polizei finde ich seltsam - würden die nicht mal erst bei Verwandten / Bekannten nachfragen, bräuchten sie nicht eindeutige Hinweise auf ein Verbrechen, bevor sie in der Wohnung auftauchen? Schliesslich ist Julika eine erwachsene Frau und könnte ja einfach mal zwei Wochen Urlaub machen, ohne ihrem Arzt etwas zu erzählen ... Davon lese ich hier nichts, also ich habe den Eindruck, hier fehlt etwas, damit die Handlung schlüssig erscheint. Auch sind mir die Motive nicht klar, weshalb Julika ihre Verwandlung niederschreibt, gegen Ende hin offenbar unter Schmerzen. Da steht ganz zu Beginn ihrer Aufzeichnungen:

Schreiben hilft. Stimmt doch, oder? Ich schreibe dies hier nicht, um mich jemandem mitzuteilen - es ist ohnehin absurd. Alles werde ich aufschreiben. Um Ordnung in meinen Gedanken zu schaffen. Vielleicht finde ich heraus was mit mir passiert.

Hm, also wenn ich mich in ihre Lage versetze und sich meine Haut langsam in eine Art Panzer verwandeln würde ... ich glaube nicht, dass ich das niederschreiben würde, um Ordnung in die Gedanken zu bekommen. Die Gründe erscheinen mir nicht plausibel genug.

Der zweite Grund, weshalb ich hier Probleme mit den zwei Ebenen habe, ist die Tatsache, dass ein Bindeglied zwischen beiden fehlt. Das ist ja oft der Hauptgrund schlechthin, weshalb man zwei Ebenen in einer KG einführt: Weil beide irgendwie zusammengehören, und das offenbart sich entweder im Laufe der Erzählung oder in einer Art Pointe am Ende. Hier fehlt mir dieser Aspekt; es gibt zwar eine Andeutung am Ende, doch als Bindeglied zwischen beiden Geschichten erscheint mir das zu schwach. Kurzum, ich habe den Eindruck, die gesamte Geschichte wäre stärker, wenn du den äusseren Teil beiseite lassen würdest. Ich hatte anfangs ohnehin Mühe, da rein zu kommen, mit den Maskierten, den Polizisten, mir hat sich das nicht recht erschlossen, worauf es hinausläuft. Klar, man darf vom Leser auch etwas erwarten und muss ihm nicht alles vorkauen, aber gerade den Einstieg in eine Geschichte wünsche ich mir persönlich etwas ... hm, wie soll ich sagen, glatter? Hier war ich nach einer Seite jedenfalls ziemlich verwirrt.

So, jetzt aber genug gemeckert :).

Was mir gut an der Geschichte gefallen hat - und da bin ich nahe bei Anakreon - waren die Obsessionen / Wahnvorstellungen, die mit der körperlichen Verwandlung einhergehen. Besonders den Teil, wo ihre Haut abgezogen wird und zwei Flügel hervorkommen, finde ich toll, auch wie er sich als Traum / Vorstellung direkt in ihre erlebte Wirklichkeit einbettet. Das ist gut gelungen, und so bleibt es offen und dem Leser überlassen, ob er die körperliche Wandlung einfach als zusätzliche Wahnvorstellung oder als reale Ursache für die Fantasien betrachtet, wenn ... ja, wenn da am Ende nicht die kleine weisse Made wäre, die aber vielleicht auch nur eine kleine weisse Made ohne weitere Bedeutung ist.

Generell kann man da noch viel hineininterpretieren, vielleicht verrätst du uns mal, wie du die Sache siehst, aber für mich scheint es fast so, als wünsche sich Julika eine körperliche Wandlung herbei. Natürlich ist sie erschrocken, vielleicht sogar schockiert, aber nicht so sehr, wie man es in einer solchen Situation erwarten würde. Und aus fadenscheinigen Gründen geht sie nicht zum Arzt, also vielleicht ist da ja doch der unterdrückte Wunsch, geboren aus der Unzufriedenheit mit ihrem Leben, sich zu ändern, zu "verwandeln", und sei es in ein Monster. In ihren Träumen deutet sich das ja an, besonders dann, wenn sich ihre sexuelle Frustration in allerlei bizarren Auswüchsen entleert, hier, an solchen Stellen:

Doch in den wenigen Minuten, die ich noch wach lag, schämte ich mich für die absurde Lust, für die abnormen Bilder, dich ich absichtlich heraufbeschworen hatte, und für den Verrat meines eigenen Körpers.

Und je absurder ihre Träume werden, umso mehr schreitet dann auch die äussere Verwandlung voran, die Bezüge sind teilweise auch recht eindeutig, wenn bspw. gleich in ihrem ersten Traum die aufgestellten Härchen erwähnt werden, die ja dann auch später bei dem verwandelten Körper immer wieder genannt werden. Also diesen Wechsel hast du schon sehr geschickt hinbekommen, und die Geschichte bleibt dabei geheimnisvoll.


Bedeutete das, dass das Folgende bedeutungsschwerer war? Dass das bisher Erzählte nur eine Art Einleitung dessen war, was Julika eigentlich aufschreiben wollte?

Die "das/dass"-Dichte erscheint mir hier zu hoch. Ausserdem haben wir die unschöne Doppelung von "Bedeutung".

Er missbrauchte das Vertrauen, das sie in ihn setze, als sie ihn bat einen Zweitschlüssel ihres Hauses zu verwahren.

Also du meinst wohl "setzte", aber irgendwie muss da die Vorvergangenheit rein. "gesetzt hatte" ... "gebeten hatte" klingt dann mit dem doppelten "hatte" nicht schön, evtl. kann man den Satz dann noch ein wenig umbauen.

falls Julika wiederkäme, wenn er bereits gegangen wäre.

"... wenn er bereits gegangen war" klingt hier besser.

Vielleicht hätte ich den Schlüssel, den Du mir gegeben hattest, nicht benutzen sollen, aber die Vorstellung, dass Dir etwas passiert hätte sein können, ging mir nicht aus dem Kopf.

Willst du Jochen absichtlich solch umständliche Konstrukte "in den Mund" legen? Ausserdem: "gegeben hast".

„Unsinn!”, schalt er sich laut.

schallt


Also ich hab die Geschichte ebenfalls gern gelesen, auch weil sie erfreulich fehlerfrei daherkommt, jetzt aber weniger weil sie wahnsinnig spannend oder besonders erschreckend gewesen wäre (das fand ich sie beides nicht), sondern weil du diesen Wahn, in den Julika nach und nach hineinrutscht, unaufgeregt und doch eindringlich beschrieben hast.

Viele Grüsse.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Anakreon,

vielen Dank, dass Du Dir die Zeit genommen hast meine Geschichte zu lesen und zu kommentieren.

Mir erschien deine Geschichte sehr interessant, dein Wechselspiel zwischen physischen und psychischen Manifestationen, verdeckt durch die Unsicherheit, was mit Julika geschehen war.
Das freut mich sehr, denn das hat mich viel Zeit und etliche Anläufe gekostet. So scheint mir dieser Teil zumindest gelungen zu sein, puh.

Die Spannung erschien mir zwar etwas verhalten ...
Wie Schwups später ebenfalls schreibt, lässt die Geschicht wohl keine Spannung aufkommen. Das finde ich ein wenig schade. Ich wollte das Ganze schon ein wenig subtil halten, womit keine reißende Spannung nötig wäre, aber so ein bißchen ...
Was denkst Du woran es dabei fehlt?

Vielen Dank auch für die Hinweise auf die Fehler. Jetzt hab ich die Geschichte bestimmt zehn Mal Korrektur gelesen und trotzdem stecken noch so unsinnige Fehler drin. Naja, dank Dir jetzt nicht mehr.

Doch so klar löst es sich nicht, in meiner Vorstellung als Leser, wurde sie letztlich das Opfer einer Psychose.
Darauf gehe ich gleich noch ein, wenn ich auf Schwups Beitrag geantwortet habe - ganz am Ende meines Posts, im allgemeinen Teil quasi.

Vielen Dank!

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Hallo Schwups,

vielen Dank auch Dir fürs Lesen und für den ausführlichen Kommentar dazu.
Ich habe die Geschichte vergangenen Mai schon in einer ersten Version aufgesetzt und habe sie dann dreimal komplett umgeschrieben. (Zufall, dass sie jetzt ins TdM gepasst hat) Zuerst habe ich sie direkt aus Juliaks Sicht geschrieben. Das war aber viel zu konfus, ich brauchte unbedingt ein wenig Ordnung in dem Psychochaos, an der sich der Leser festhalten kann. Dann habe ich versucht Julika in ein Krankenhaus zu bringen, aber dabei hat die Seite der psychischen Aspekte zu sehr hinten angestanden bzw. wirkte wie künstlich in die Geschichte eingesetzt. Der dritte Versuch war dann im Groben dieser hier. Den hatte ich bis vor kurzem in der Schublade liegen, um dann noch einmal ganz frisch ranzugehen und ihn zu überarbeiten. Die kleine Geschichte hat mich ne ganze Menge Hirnschmalz gekostet bisher, da wäre es doch schade sie nicht noch ganz rund zu schleifen, oder?

Also: Mir war ehrlich gesagt gar nicht bewusst, dass die beiden Ebenen sich verbinden sollten. Ich war so unverschämt und habe den Psychologen nur als Mittel zum Zweck benutzt, nämlich, um die Verwirrung in einem erträglichen Maß zu halten und um ein paar Fragen zu klären, die sich der Leser während der Geschichte stellen könnte.

Zu Deinem ersten Kritik-Absatz. Der Grundgedanke war folgender:
Julika hat keine Verwandte in der Gegend, da sie wegen der Arbeit hergezogen ist. Da engagiert sie sich auch über alle Maßen, dass sie selbst nach drei Jahren noch keine engen Freunde/Vertrauenspersonen hat. Die einzige Person, der sie vertraut, ist ihr Psychologe, Jochen.
Ihm ist auch klar, dass es ungewöhnlich ist 1. überhaupt einen Schlüssel von ihr anzunehmen, aber da es ihr sehr wichtig war und es nur für den Notfall sein sollte, der ja hoffentlich sowieso nie eintreten würde ...

Ich werde ihn ihr zurückgeben, wenn sie wiederkommt, dachte er und zwang sich, nicht weiter über seinen Verstoß nachzudenken.
und 2. dann auch noch Gebrauch davon zu machen. Darum hat er auch so ein schlechtes Gewissen und fühlt sich derart als Eindringling:
Gerne hätte er sich ein Glas Wasser eingeschenkt, doch hielt ihn das Gefühl, ein Eindringling zu sein, davon ab. Er rechtfertigte seine Gegenwart durch die Sorge um Julika.
Auch für Ihn ist es eine Ausnahmesituation, schon weil er an Julika mehr Interesse hat und das auch ausgelebt hätte, wenn sie ihm weiter Anlass dazu gegeben hätte. Das deute ich hier an:
Er hatte daraufhin mit dem Gedanken gespielt, sie an einen Kollegen zu überweisen, um der weiteren Entwicklung ihrer Beziehung nichts im Wege stehen zu lassen. Doch Sie hatten sich seither nicht öfter gesehen, nur der Umgang miteinander war freundschaftlicher geworden. Nicht mehr so distanziert.
Obwohl er also weiß, dass es nicht unbedingt die korrekte Entscheidung ist, beschließt er bei Ihr vrobei zu sehen, ob alles in Ordnung ist (sie ist zwar Erwachsen und könnte im Urlaub sein, aber schließlich hatte sie durch ihre Abwesenheit unentschuldigt zwei Termine bei ihm platzen lassen.
Das war einer von zwei Gründen warum ich ihren Psychologen als zweite Person gewählt habe. Er kennt sie seit Jahren und weiß wie zuverlässig sie ist (was ja ihr Job als Projektleiterin auch suggeriert). Eine solche Person verpasst nicht zweimal hintereinander einen Termin ohne abzusagen, wenn alles in Ordnung ist.

Ohje, ich hatte mich so gefreut, dass ich so viele kleine logische Grundvorraussetzungen versteckt hatte, aber ihren Zweck erfüllen sie wohl doch nicht so ganz.

Jedenfalls kommt er dann hin, öffnet die Türe und stolpert mitten in ein Madeninferno hinein. Natürlich kann er nicht einfach die Türe schließen und wieder gehen, zeiht sich aber auch keine Latexhandschuhe an und macht sich an die Arbeit, sondern holt den Kammerjäger. Weil er aber auch nicht wohnt in dem Haus, in das er den Kammerjäger holt, holt er außerdem die Polizei, damit die sich umsehen. Die müssen kommen und sich umsehen, ob das nun rechtlich gerechtfertigt ist oder nicht.

Wir sind fertig da drinnen. Schließen Sie ab, wenn Sie gehen? Und bitte rufen Sie uns an, sobald Sie etwas hören.
Hier, dachte ich, wird folgendes ausgedrückt: 1. sie haben sich, wie gewünscht umgesehen und nichts komischen entdecken können, 2. sie fordern Jochen freundlich auf das Gebäude jetzt ebenfalls zu verlassen und 3. sie können noch nichts tun in dieser Situation, darum bitten sie Jochen sich zu melden wenn er etwas hört und kümmern sich nicht selbst um Julikas Verbleib.
Das waren die grundlegenden Hintergedanken der Ausgangssituation.

Das Niederschreiben erschien mir insofern logisch, da sie an einem gewissen Punkt merkt, dass sie Schwierigkeiten bekommt Ihre Träume von den tatsächlichen Ereignissen (weil diese auch so phantastisch werden) zu trennen. Durch das Schreiben erhofft sie sich das besser trennen zu können und sicher zu wissen welche Erlebnisse in die Welt der Träume und Phantasien und welche in den Wachzustand gehören. Mir erschien das recht naheliegend, vor allem, da sie, als Projektleiterin gewohnt ist die Dinge schriftlich klar zu strukturieren.

Warum ich mich letztlich dazu entschieden habe den zweiten Erzählstrang einzuführen habe ich oben beschrieben. Am Ende schreibe ich noch was ich mir bei der Geschichte gedacht habe.

So, bevor der Post länger wird als die Geschichte noch ganz kurz ..

Was mir gut an der Geschichte gefallen hat - und da bin ich nahe bei Anakreon - waren die Obsessionen / Wahnvorstellungen, die mit der körperlichen Verwandlung einhergehen. Besonders den Teil, wo ihre Haut abgezogen wird und zwei Flügel hervorkommen, finde ich toll, auch wie er sich als Traum / Vorstellung direkt in ihre erlebte Wirklichkeit einbettet. Das ist gut gelungen, und so bleibt es offen und dem Leser überlassen, ob er die körperliche Wandlung einfach als zusätzliche Wahnvorstellung oder als reale Ursache für die Fantasien betrachtet, wenn ... ja, wenn da am Ende nicht die kleine weisse Made wäre, die aber vielleicht auch nur eine kleine weisse Made ohne weitere Bedeutung ist.
und
Also diesen Wechsel hast du schon sehr geschickt hinbekommen, und die Geschichte bleibt dabei geheimnisvoll.
Das freut mich sehr. Die Darstellung hat mich, wie gesagt, viel Zeit und Mühe gekostet. Freut mich, dass mir dieser Teil zumindest gut gelungen ist.

Danke auch für die Hinweise auf Fehler oder auf Stolpersteine, diese werde ich mir natürlich möglichst schnell vornehmen!

Vielen Dank!

__________________________________________________


So, und zu guter letzt: Das hab ich mir bei der Geschichte gedacht.

Julika ist einsam und taucht bis über beide Ohren in ihre Arbeit ein. Um Stress und Einsamkeit verarbeiten zu können, geht sie regelmäßig zu einem Psychologen, der ihr irgendwann zu einer Art Freund wird. Der einzige, den sie um Hilfe bitten (Möbeltransport) oder ihren Schlüssel anvertrauen würde.
Er könnte sich sogar vorstellen, dass mehr daraus werden könnte und ist schon kurz davor sie als Patientin abzugeben, aber keiner von beiden geht diesen einen Schritt weiter. Obwohl Jochen ein wenig in Julika verliebt ist, kann er die Distanz aufrecht erhalten, die er als Arzt einhalten muss.
Zur Zeit der Geschichte ist Julika ausgebrannt und gereizt und es fällt ihr schwer das Gedankenkarusell (Arbeit, Stress, Einsamkeit) abzustellen. Sie ist an einem Punkt angekommen, von dem aus sie nicht mehr weiter gehen kann.
Völlig ausgelaugt entdeckt sie den ekelhaften Madenbefall in ihrer Küche. Natürlich kann sie das nicht aufschieben, sondern muss sich darum kümmern.
Ihr Nervenkostüm ist zu diesem Zeitpunkt so dünn, dass die Maden ihr nicht nur körperlich sondern auch geistig zusetzen.
Nachdem sie völlig erschöpft ins Bett gefallen ist, vermischen sich Ängste und Sehnsüchte zu einem intensiven Traum. Sie wird praktisch von den Maden "infiziert", um es mal simpel und bildlich auszudrücken.
Da Ihr beide geschrieben habt, dass mir der Wechsel der psychischen und physischen "Mutation" gut gelungen ist, brauche ich darauf nicht näher einzugehen. Auch das warum möchte ich Euch gerne offen lassen, da ich
Schwups Erklärung z.B. sehr schön finde:

Natürlich ist sie erschrocken, vielleicht sogar schockiert, aber nicht so sehr, wie man es in einer solchen Situation erwarten würde. Und aus fadenscheinigen Gründen geht sie nicht zum Arzt, also vielleicht ist da ja doch der unterdrückte Wunsch, geboren aus der Unzufriedenheit mit ihrem Leben, sich zu ändern, zu "verwandeln", und sei es in ein Monster.
Am Ende jedoch verwandelt sie sich tatsächlich ein einen Concon, aus dem abertausende von Maden hervorbrechen. Die Maden, die Jochen etwa eine Woche später findet und vom Kammerjäger beseitigen lässt.
Während er also verzweifelt auf die Rückkehr der Frau wartet, in die er verliebt ist, tritt er die letzte Made (den letzten Teil von Julika) tot.

Hm, so im Groben trifft es das wohl, wenn ich versuche alle sonstigen Nebengedanken außen vor zu lassen.


So, jetzt muss ich mich wohl noch einmal bedanken, wenn ihr zu meiner langen Geschichte auch noch diese lange Antwort gelesen habt haha.

Soll ich Jochen wirklich streichen?
Und was könnte ich tun, um die Geschichte ein wenig spannender oder schrecklicher zu machen?

Danke Euch!

 

Hallo elisabeth

Ich wollte das Ganze schon ein wenig subtil halten, womit keine reißende Spannung nötig wäre, aber so ein bißchen ...
Was denkst Du woran es dabei fehlt?

Darüber hatte ich mir auch schon Gedanken gemacht. Es liegt wohl daran, dass es seitens von Julika zu wenig Widerstände gibt, sie sich doch weitgehend kampflos übermannen lässt. Schwups hatte hinterfragt, wieso sie denn nicht zum Arzt ging. Es gibt natürlich unzählige Gründe, warum dies jemand abwehrt, doch es kommt nicht zum Ausdruck. Denkbar wäre da auch eine ärztliche Fehldiagnose, indem er ihr eine untaugliche Wurmkur verschreibt, die bei dieser Madenart nicht greift. Das Subtile würde ich nicht zerstören, aber den Konflikt in ihr und ihrem Körper noch mit einigen Worten mehr ausreizen.

Um Stress und Einsamkeit verarbeiten zu können, geht sie regelmäßig zu einem Psychologen, der ihr irgendwann zu einer Art Freund wird.

Dieses Motiv ist etwas lau, wenn man die Kosten bedenkt. Auch ist eine therapeutische Sitzung keine Plauderstunde. Dennoch kommt es vor, dass so etwas der Antrieb sein kann. Bei einem seriösen Therapeuten wäre sie aber bald mal wieder entlassen. Eine über die Sitzungen hinausgehende Beziehung verstösst gegen berufsethische Richtlinien, welche solches i. d. R. erst drei Jahren nach der letzten Sitzung für tragbar erachten. Doch desungeachtet kommt es natürlich immer wieder vor. In diesem Zusammenhang dachte ich auch an den klassischen Fall von Jung mit seiner Patientin Spielrein. Aber auch noch ein anderer Aspekt, als Jung damals Freud noch einvernehmlich um eine Analyse seiner Person ersuchte. Freud vermutete bei ihm eine latente Psychose, die er Jung verschwieg, um sie nicht auszulösen. Von dem her hat dein Stoff eher stille aber plausible Hinweise in eine solche Richtung.

Soll ich Jochen wirklich streichen?
Und was könnte ich tun, um die Geschichte ein wenig spannender oder schrecklicher zu machen?

Ich fand die Spaltung der Geschichte nicht so krass wie Schwups, obwohl Gleiches bei andern Texten mir als Leser auch schon verwirrend wurde. Natürlich wirkt Julika etwas wie ein Phantom, da sie nur in ihren Notizen gegenwärtig ist. Die Gewichtung könnte sich möglicherweise etwas verschieben, wenn sie für den Leser auch noch kurz als gegenwärtige Person aufscheint. Auch könnte das Ineinandergreifen spürbarer werden, wenn die Beziehung zwischen den beiden vielleicht eine Nuance vertiefter wäre. Jochens Sorge über die ärztliche Sorgfaltspflicht hinaus noch eine sehr persönliche Note erhielte, die seine Aufdringlichkeit legitimiert. Eine nähere Beziehung bedingte jedoch, dass er zumindest die anfänglichen körperlichen Probleme von ihr kannte und sie vielleicht psychosomatisch zu definieren neigte, keinen Gedanken in die richtige Richtung tat. Es ihm erst beim Lesen ihrer Notizen klar wird, dass auch er versagte.
Die Geschichte könnte natürlich nur in Julikas Perspektive spielen, doch sehe ich es gerade als einen Reiz dieser Geschichte, dass sie nicht einbahnig ist. Also mein bescheidenes Leservotum ist, Jochen beizubehalten.

Also soweit meine Gedanken. Schwups gibt dir sicher auch aus seiner Perspektive noch Hinweise.

Schöne Grüsse

Anakreon

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Elisabeth,

ja, wollüstiger Ekel, was gibt es Schöneres.
Die Verwandlung der Frau, ihre Gedanken und Ängste, ich finde, das ist dir sehr gut gelungen. Auch die Traumsequenzen passen dazu und geben so eine Art Hintergrunderklärung.
Und die Vorstellung, dass sie zum Schluss nur noch ein von Maden wimmelndes Etwas ist, das von den Kammerjägern wegeputzt und von Schuhen zermanscht wird. Grausige Vorstellung. Ich glaub, ich mach gleich mal einen Erkundungsgang in meine Küche!

Auch ohne deine Antwort wurden Einsamkeit und Verzweiflung der Frau für mich deutlich. Ist ja immer gut, das zu wissen.
In deiner Antwort schreibst du, sie ist von der Arbeit so gestresst, dass ihr die Maden auch geistig zusetzen. Auch das kommt gut rüber. Es wirkt tatsächlich so, wie Schwups das schrieb, als ob sie selbst sich die Verwandlung wünscht. Ihr Geist schirmt alles Körperliche ab, jede Lust, jede Freude. Nur Arbeit, keine Freunde, keine Bekannten. Nur Kollegen und ein Therapeut. Und mit dem kann sie auch nichts anfagen, erliebt sie zwar, aber die Therapeutenehre vebietet mehr. Sie schreibt ja oft selbst, dass ihr Körper es ist, der sie im Stich lässt. Der sich ihrer bemächtigt. Der sie dazu bringt, sich zu berühren, obwohl sie sich vor ihren eigenen Händen ekelt.

Irgendwie komme ich aber auch immer auf so einen fies-subtil wirkenden Gott der Made (vielleicht zürnend, weil sie alle weggeputzt hat). Denn es ist ja irgendein Fantasie-Kerl, der sie in der Nacht in Stimmung bringt und der sie letztendlich dann auch dazu bringt, sich mit ihren ansteckenden Madenhänden zu berühren. Er bringt sie sozusagen dazu, die Trennlinie zur Made zu überschreiten. Und begleitet sie bei ihrer Verwandlung immer weiter, bis klar ist, dass sie endgültig zum Madenbehälter geworden ist.
(Es klingt immer so ein bisschen rotzig, wenn ich interpretiere, nicht ernst nehmen, ist einfach meine Art.)
Die Zweideutigkeit, ob sie selbst es ist, die sich verwandlen will oder ob es dieser Madengott ist, der sie holt, gerade diese Zweideutigkeit gefällt mir.
Das hat mir richtig Spaß gemacht , deine Geschichte zu lesen.

Ich finde die Jochenfigur übrigens nicht falsch eingesetzt, sie gefällt mir als Kontrast zu Julikas Verwandlung und/oder Wahnvorstellungen.
Ich kann Schwups Einwände stellenweise nachvollziehen, habe sie aber nicht als so gravierend empfunden. Man könnte die Sache auch so lösen, dass der Schlüssel bei einer Nachbarin hinterlegt ist, was der Th. ev. weiß. Der Therapeut meldet sich bei der Polizei, weil er sich um Julika Sorgen macht. Sie ist nicht erschienen, es passt nicht zu ihrem Charakter, ein verabtwortungsvoller Therapeut würde sich an die Polizei wenden und sie dszu drängen, nachzuschauen. Vielleiht könnte er auch bei ihrer Arbeitsstelle anrufen, dort ist sie auh nicht erschienen, was ihn noch mehr beunruhigt und auch ein Argument füür die Polizei sein könnte. Das könnte man in die Rückblenden einflicken.
Das einzige, was mir nicht einleuchtet, das ist, dass ihm nie die merkwürdige Übereinstimmung zwischen ihrem Aufplatzen, was sie ja als "Einbildung" beschreibt und des Madenbefalls der Wohnung auffällt. Klar würde er nicht drauf kommen, dass sie sich tatsächlich in einen Madenhaufen verwandelt hat, er wüde es als Halluzination/Wahnvorstellung abtun, aber er würde sich doch irgendwie darüber äußern.

Ich finde übrigens nicht, dass jede Geschichte einen richtig tierischen Knalleffekt braucht. Und diese Maden, pfui Deibel, das finde ich schon ganz schön horrormäßig, kann man ja zur Madenphobikerin werden. Aus meiner Sicht müsstest du also nicht unbedingt noch die Spannung steigern. Wenn du das aber doch noch willst, dann würde ich es an der Stelle machen:

Ich war wieder alleine; mit hunderten kleiner Monster, die alle aus meinen Schultern zu kriechen schienen. Ich schrie. Schrie, bis ich das Bewusstsein verlor.

Du konzentrierst dich ja sehr auf die Verwandlung ihres Körpers. Ist ja auch das Hauptthema. Und es vermischt sich schön mit ihren eigenen Wahnvorstellungen. Aber: Die Vorstellung, dass sie zur Behausung etlicher Maden geworden ist, die hat doch aber eine ganz eigene Wucht. Und einen hohen Gruselfaktor. Jedenfalls aus emeiner Sicht. Beschreib das Gewimmel, die sich windenden weißen Körper.
Schon als du ganz am Anfang die eine beschrieben hast, in ganz einfachen Worten, da habe ich schon gedacht, nein das bitte nicht.
Und ich persönlich finde, mehr, als diese Stelle noch aufzumaden, das brauchst du gar nicht.

Zwei Stellen, die mir en passant aufgefallen sind, habe ich dir hiergleichnoch kommentiert.
Habe auch noch ein paar fehlende Kommata auf dem Schirm, aber die finde ich jetzt nicht mehr. Muss gleich weg. Guck einfach noch mal.

also legte ich ihn nach ein paar Bissen zur Seite und überließ mich meiner schlechten Laune, bis die Anspannung des Tages sachte eingenickt war, und mir die Augen schwer wurden.

Anspannung kann nicht einnicken, außerdem werden erst die Augen schwer und dann nickt man ein.

Ich machte mich bereit, den Störenfried aus meinem Leben zu entfernen und durch die Abflussrohre wer weiß wohin zu schicken.

Leben finde ich hier umpassend. Man weiß ja hier noch gar nicht, dass fiese Maden wirklich Teil ihres Lebens werden, im wahrsten Sinne des Wortes.
Also mir wäre hier die Küche einfach nur lieber gewesen, wirkt sonst wie ein Vorgriff. Und den hast du vorjher schon gemacht, und zwar richtig schön mit der fetten weißen Made die schwerfällig sich auf dem Boden windet.

Ja, hat mir Spaß gemacht - im Horrorsinne selbstverständlich.
Liebe Grüße Novak

 

Ich hab die Geschichte jetzt radikal überarbeitet:
Jochen ist nicht mehr der Psychologe, sondern der Freund. Das macht die Situation persönlicher und etwas leichter nachvollziehbar.
Außerdem habe ich Julika ein paar mehr Gefühle ausdrücken lassen und insgesamt um ca. 900 Worte gekürzt.

Vielen Dank für Euer aller Hilfe! Ich hoffe die Geschichte ist jetzt dichter.

Liebe Grüße
elisabeth

 

Meine Beine umschlossen einen gewaltigen Leib, während sich überall auf mir kleine gierige Wesen räkelten. Stöhnend versank ich unter ihnen, während sie vor Lust vibrierten.

Hallo elisabeth,

eine Metamorphose des Ekels schilderstu uns hier, zu der schon incl. der Darstellung der eigenen Intention alles gesagt zu sein scheint. Doch böte sich –
übrigens: der Konjunktiv II gelingt Julika ausgezeichnet, während Jochen immer noch in würde-Konstruktionen herumtappert –

auch eine andere Interpretation an, nachdem ich zunächst über den reichlich umständlichen Umweg Gregor S. schlicht an modischen Burnout dachte. Tatsächlich, so finde ich, fühlt Julika sich lebendig begraben, vielleicht sogar „erschlagen“, und erlebt eine „Entähnlichung“ und Anpassung ans „Un-“Geziefer, welches direkt mit dem Todesfall die Herrschaft über die Leiche antritt und zugleich ins Sachenrecht des Code civil hinabsteigt. Wer Augen hat zu sehen, der beobachtet, wenn Fliegen in und aus allen Öffnungen der Leiche krabbeln, noch bevor die Verwesung begonnen hat. Doch was wir sehen, ist ja nur der kleinere Teil der Verwandlung: die eigentliche Arbeit erledigen fleißige Bakterien, die uns wieder dem natürlichen Kreislauf zuführen.

Es darf aber nicht verschwiegen werden, dass ich auch gegen Ende eine Raupe zu erkennen meinte ...

Bissken von der Kleinkrämerseele – der einfachheithalber in der Reihenfolge ihres Erscheinens:

Ein dünner Rauchfaden wand sich seinen Hemdsärmel hinauf, …
ist ein schöner, alter Ausdruck, der's trifft!, nicht aber unbedingt die Possessivpronomen wie hier
…, die Zigarette in seiner Hand …
und dort
Der Tag war anstrengend, und ich war froh, mich in meinen Sessel lümmeln zu können.
In wessen sonst?

Was er lasKOMMA setzte ihm zu –

Jedes Wort ließ die Unruhe ein Stück weiter in ihn hinein kriechen.
Wird hineinkriechen nicht zusammengeschrieben, wie nachher das Festkrallen? Bin mir aber nicht sicher.

Fein, der gelungene Konjunktiv II, aber die Zeichensetzung!

Er hoffteKOMMA sie käme zur Tür herein, risse …
Weniger dringlich als vorher, aber dennoch der Vorschlag [einer Alternative]:
Wie gern stritte er jetzt mit ihr[!]

Ich war überraschtKOMMA wie bereit ich schon warKOMMA und ärgerte mich erneut darüber, aufgewacht zu sein.
Wie leitet einen vollst. Nebensatz ein; vielleicht wäre die Konstruktion
Ich war überrascht […]und ärgerte mich erneut darüber, aufgewacht [und schon bereit] zu sein
eleganter.

Er versuchteKOMMA das Bild ihrer Hände aus seinem Kopf zu verbannen.

Der Körper hatte das Sagen, sollte der Geist von ihm aus bleibenKOMMA wo er wollte.

… und die abnormen Bilder, dich ich absichtlich heraufbeschworen hatte.
Dich? Mehr sag ich ma’ nich’. Müsst' ich ja auch nicht. Nich'?

Hinter meinen Lidern meinte ichKOMMA hunderteKOMMA sich windenderKOMMA blasser Körper zu sehen.
M. E. Aufzählung von gleichberechtigten Adjektiven.

Ich überlegte noch langeKOMMA ob ich schon einmal von etwas ähnlichem gehört [hätte].

Ich wollte Jochen anrufen, ihn bittenKOMMA nach Hause zu kommen, doch …
Ich erinnerte mich an meinen EntschlussKOMMA zum Arzt zu gehen, …

Natürlich, ich hatte viele komische Träume in letzter Zeit.
Okay, komisch wird vielseitig verwendet. Aber wenn einer hier sagte: „Ja, dann lach doch!“, käme der Zweifel auf.
Hier wird komisch i. S. von seltsam verwendet, warum dann nicht gleich „seltsam“ verwenden?

Tock. Tock.
Wäre Lautmalarei nicht eher entbehrlich?

Gern gelesen vom

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Friedel,

ach herrje, obwohl ich wegen der Kommata immer noch extra zwei bis drei Mal über meine (hier ist das Possessivpronomen berechtigt, richtig? ;o)) Texte lese, fehlen doch immer noch welche. Oder ich meine es zu gut damit ... schwierig.
Aber vielen vielen Dank für Deine detailierten Beobachtungen, ich werde den Text - hoffentlich - noch heute durchgehen.

Darf ich so unverschämt sein und Dich noch fragen wie der Text auf Dich gewirkt hat? Ich meine im Bezug auf den Gruselfaktor, der anderen Lesern offentlichtlich ein wenig gefehlt hat. Hattest Du es ebenfalls so empfunden, dass ich weniger andeuten und mehr beschreiben müsste?

Vielen Dank
elisabeth


So, das meiste habe ich dankbar angenommen und umgesetzt. Zwei oder drei Kleinigkeiten wollte ich aber dennoch so belassen.

Vielen Dank für Deine Hilfe!

 

Nix zu danken,

liebe elisabeth,

aber Possessivpronomen sind nicht grundsätzlich überflüssig, aber manchemal entbehrlich (dehalb auch die Frage im Kommentar).

Darf ich so unverschämt sein und Dich noch fragen wie der Text auf Dich gewirkt hat?
Du darfst doch fast alles ... selbst bei einem, der selten das Genre betritt (aber gerade wohl so'ne Phase hat), aber ich glaubte, es angedeutet zu haben. Ich halte den Gruselfaktor für eh uninteressant. Das Leben liefert Horror genug und bei sebsibleren Leuten, als ich es bin, stellt er sich überm Kopf ein und das bereitestu sehr gefällig und logisch, eins folgt aus dem andern, auf. Da kann ich auf die Frage
Hattest Du es ebenfalls so empfunden, dass ich weniger andeuten und mehr beschreiben müsste?,
antworten: Du hast in der Geschichte den richtigen Ton getroffen (für beide J., klingt wie't rheinische Gott) und bist auch der Logik der Ereignisse gefolgt. Kurz, bevor mir wieder die Zeit wegläuft: Du hast das richtige Maß getroffen!

Gruß aus'm Ruhrigen Niesel vom

Friedel

 

Liebe Elisabeth,
nur eine kurze Rückmeldung wegen zu wenig Zeit. Aber ich weiß, wie das ist, wenn man verändert und überarbeitet und dann gar nicht weiß, ob die Gesch. dadurch wirklich besser geworden ist.
Es war eine gute Idee , Jochen als Freund einzuführen. Spart dir eine Menge Umstand.
Mir gefiel die Geschichte vorher schon gut, und jetzt ist sie noch dichter geworden durch die Kürzung. Ich finde die Mischung aus Andeutung und Beschreibung gut. Und dass du mich gegruselt hast und jetzt gerade auch wieder, das kann ich dir versichern.
Also, hab sie auch beim zweiten Mal sehr gerne gelesen.
Liebe Grüße
Novak

 

Hallo Friedl,

vielen Dank, dass Du Dir noch einmal die Zeit genommen hast. Das mit den Possesivpronomen nehme ich mir schon seit Deinem ersten Post zu meiner ersten Geschichte (das behaupte ich jetzt mal so präzise, sicher bin ich mir nicht) zu Herzen. Hab da schon viel gelernt :o) Aber manchmal brauch ich die einfach, wie z.B. bei dem Sessel. Das andere habe ich aber rausgenommen, und der Satz wurde dadurch definitiv besser.

Du hast das richtige Maß getroffen!
Freut mich außerordentlich!

Vielen Dank

__________________


Hi Novak,

danke, dass Du Dir die Zeit genommen hast, um mir noch einmal zu schreiben.

Es war eine gute Idee , Jochen als Freund einzuführen. Spart dir eine Menge Umstand.
Ja, manchmal geh ich automatisch den Umweg, wo's doch viel einfacher geht. Aber Eure Posts haben mir geholfen, noch den besseren Weg zu finden.

Mir gefiel die Geschichte vorher schon gut, und jetzt ist sie noch dichter geworden durch die Kürzung. Ich finde die Mischung aus Andeutung und Beschreibung gut. Und dass du mich gegruselt hast und jetzt gerade auch wieder, das kann ich dir versichern.
Juhuuu, freut mich sehr!

Vielen vielen Dank!

Hab sogar schon eine Stimme beim Voting :o) Das hatte ich mir gewünscht - muss gar nicht gewinnen, aber zu wissen, dass meine Geschichte jemandem von allen (und ich fand einige der Geschichten wirklich gut!) am besten gefällt, ist irgendwie echt abgefahren. Kuhl ...

Danke Euch dafür, dass ich wieder etwas lernen konnte!
elisabeth

 

Hallo elisabeth!

Die Stimme bei der Umfrage war ich, jetzt kommt endlich auch der Kommentar dazu! :)

Die Entscheidung war gar nicht so einfach, mir haben mehrere der Geschichten zum TdS sehr gut gefallen.

Diese Geschichte fand ich aber am besten (und am gruseligsten). Die Beschreibung der körperlichen Veränderungen ist sehr eindrücklich, und richtig fies fand ich, wie Julikas Träume ihr vorgaukeln, das wäre eine Befreiung und etwas Schönes.

Ich bin wahrscheinlich in der Minderheit mit dieser Meinung, aber ich fand es noch ein bisschen besser, als Jochen ihr Therapeut war (da war ich aber zu müde um zu kommentieren). Ich finde, das hat Julikas Verwundbarkeit und Einsamkeit noch deutlicher gemacht. Allerdings stimmt es schon, jetzt ist die Geschichte noch dichter.

Auf jeden Fall gefällt es mi sehr, dass das was passiert ist sich nur noch anhand von Julikas Brief rekonstruieren lässt, es war auf jeden Fall eine gute Entscheidung, diese Struktur beizubehalten und Jochen nicht ganz zu streichen :).

Ein paar Kleinigkeiten habe ich beim Lesen noch gefunden, also hier der Vollständigkeit halber:

Jedes Wort ließ die Unruhe ein Stück weiter in ihn hineinkriechen, bis sie einen Punkt ihn ihm erreichte, den er selbst nicht kannte und sich dort festkrallte.
in

Nichts weiter als ein Teil des dunkeln Zimmers zu sein.
dunklen

Also legte ich die Hände, obwohl ich sie über jede vernünftige Zahl hinaus gewaschen hatte, neben meinen Körper auf die Bettdecke,
das "über jede vernünftige Zahl hinaus" klingt etwas komisch - vielleicht besser "über jedes vernünftige Maß"?

Ein paar Stunden später untersuchte ich mich erneut im Spiegel. Natürlich kamen in der Arbeit noch etliche Kleinigkeiten dazwischen, weswegen ich mich doch wieder zu spät auf den Heimweg machte.
Das war von der zeitlichen Reihenfolge etwas verwirrend, das ließe sich mit der Vorvergangenheit beheben:
"Natürlich waren in der Arbeit noch etliche Kleinigkeiten dazwischen gekommen ..."

Grüße von Perdita

 

Hi,

Ein dünner Rauchfaden wand sich seinen Hemdsärmel hinauf,
Ein Faden ist immer dünn; das ist natürlich kein Fehler oder so, aber dadurch, dass der Halbsatz hier auch dieses „sich seinen“ hat, wirkt der Satz nicht so gut.

Als ob er der Typ wäre, der sich schnell einen Kopf machte. Und was genau meinten alle, wenn sie das wird schon wieder sagten?
Warum denn „machte“ und nicht „macht“? Ist das grammatikalisch richtig? Also sprachlich ist es auf jeden Fall schwächer. Das ist ja die erlebte Rede, man hört, was er denkt, so ein trotziges: Was die alle wieder haben! Und wenn man die erlebte Rede dann noch mal mittelbar setzt, also das dann gleich wieder durch einen Erzähler in der indirekten Rede filtert, bringt das sofort Distanz rein.
Bei Horror-Geschichten ist es fast immer besser möglichst nah ran zu gehen.

und ging nach drinnen.
Das ist eine umständliche Wendung „Nach drinnen gehen“ – „Reingehen“, ging rein, ging ins Haus, fänd ich besser.

Der Kammerjäger war noch nicht lange weg.
Goethe hat das mal gesagt: Möglichst wenig Negationen. War erst seit kurzem weg. War erst kurz weg. War erst seit einer Viertelstunde weg.
Das ist alles im Einzelnen fast gar nichts, aber in der Summe läppert sich das bisschen, find ich.
Also das war ja kein erster Absatz, bei dem man sagen würde: Das zieht.


Er nahm die Seiten, die er so oft gelesen hatte, ein weiteres Mal zur Hand. Was er las, setzte ihm zu – mit jedem erneuten Lesen wieder. Jedes Wort ließ die Unruhe ein Stück weiter in ihn hineinkriechen, bis sie einen Punkt ihn ihm erreichte, den er selbst nicht kannte und sich dort festkrallte. Doch diese beiden Fragen waren es, die ihn verfolgten. Die mit jedem seiner Herzschläge in ihm widerhallten. Die ihn im Wachen und im Schlaf beschäftigten.
Es sind einfach zu viele Pronomen hier ,Personalpronomen, Reflexivpronomen, dann diese Partikel, so dieser ganze Satz-Kleister, den Sätze brauchen, aber die haben ja für sich keinen eigenen Informationswert. „Die er so oft gelesen hatte“ – da ist „lesen“, das einzig echte Wort, in dem Satz. Und der ganze Absatz ist hier so: ihn, ihm, er, die, ein, dort, hier usw. Es ist hier sehr gehäuft.
Den Namen der Figur wiederholen. Nicht exzessiv, aber bevor man 3mal hintereinander „er“ schreibt, lieber einmal den Namen noch. Und halt mit diesem „ihm“ aufpassen, da kommen schnell Anschlussfehler auch.
Hier ist das Problem bei „Und sich dort festkrallte“ – da ist „die Unruhe“ mit gemeint, grammatikalisch ist es aber „er“. So diese Pronomen-Cluster – ich will keinem was vorschreiben -, das ist etwas, das ich aus meiner eigenen Schreiberei kenne, diese Pronomen-Cluster ,da muss man erbarmungslos sein, die muss man zerschlagen. Das sagt einem so keiner und viele können wahrscheinlich auch nicht den Finger draufsetzen, aber das ist oft ein Grund, warum Leser einem abhauen, so ein unsinnliches Schreiben einfach.

Diese Zeilen waren wie Tagebucheinträge, und er hatte ihr Vertrauen missbraucht, als er sie las.
Ja. Genau so denken Männer. :)
Ich wunder mich immer über so Figuren in Horror- oder Spannungsgeschichten, die scheinen alle immer völlig alle Benimmregeln zu kennen und verinnerlicht zu haben. Vertrauen missbraucht … jo, also wenn ein Mann das Tagebuch einer Frau liest und da gibt’s eine Stelle mit einem erigierten Schwanz, also wenn das nicht die eigene Mutter oder Schwester ist, dann – ich sag nix.
Mir scheinen diese Figuren immer sehr saubere Fingernägel zu haben. Also Stephen King hat gesagt, ein Schriftsteller ist jemand, der es seinem Verstand beigebracht hat, ungehörig zu denken oder so ähnlich.

Jochen war ratlos. Warum stellte sich seine Freundin Sex mit Maden vor? War das tatsächlich nur eine Trotzreaktion auf das sture Bedürfnis ihrer Libido; ausgelöst durch das vorherige Erlebnis? Waren das Seiten eines tierischen Instinktes, die sie sonst vor ihm verbarg?
Ja, das dreimal verfluchte sture Bedürfnis ihrer Libido, ausgelöst durch vorherige Ereignisse!
Mann, mann, mann. Was ist das für eine Figur? Wer denkt denn so? Also mal wirklich vorstellen, das wäre alles real. Was müssen die denn für eine super-nette Beziehung geführt haben, was muss das für ein Mann sein? Ich denke an christliche Pfadfinder oder total platonisch. Seltsam.

Es war, als trüge ich schwere, nasse Kleidung.
Die Erzählkonstruktion des Textes ist ein bisschen ein Problem. Wie schlimm kann es jemandem gehen, wenn er noch Tagebuch führt und den Konjunktiv beherrscht?

Ja, den Typen komplett rausschmeißen und unittelbarer erzählen. Natürlich ist das keine super-originelle Geschichte und die Parallelen zu „Die Fliege“ sind klar, aber das macht nichts. Durch diese Erzählkonstruktion kriegt die Geschichte tatsächlich eine mittelbare Ebene und wirkt anders, irgendwie „realer“ und irgendwie „indirekter“, aber das ist auch ein bisschen albern. Also die verwandelt sich in eine Made, hat Träume, es geht ihr dreckig – und trotzdem führt sie Tagebuch und nichts ändert sich an ihrem Stil? Ach … ich finde, diese Konstruktion täuscht über die Schwächen dieses Plots nicht richtig hinweg und sie führt sogar noch neue ein, aber natürlich wäre eine direkt erzählte Geschichte auch wieder mit neuen Problemen verbunden … schwierig.
Es ist halt auch schon so oft gemacht worden, normal würde ich raten: Klarer erzählen, aber klarer erzählt hat man das halt auch schon gelesen. So Metamorphose-Geschichten sind etwas ganz typisches im Horror, und genau mit dieser völlig diffusen Hintergrund-Sache, darauf wird gar nicht eingegangen. Normal hat man ja noch so ein „Die Strafe passt zum Vergehen“-Ding – eine sehr gefräßige Frau verwandelt sich in eine riesige Schlange oder so, aber hier ist das ja eher zufällig.
Also … ich weiß nicht, der Text ist stilistisch gut, er geht auch kurz in diesen Ekel-Sex-Bereich rein, Maden sind echt eklig, und sauber gearbeitet ist der Text ja auch, aber ich finde hier fehlt schon in der Konzeptions-Phase zu der Geschichte eine gute Idee und diese Erzählkonstruktion … dadurch hebt sich die Geschichte zwar ab, aber ich finde sie trotzdem nicht gut.

Ciao
Quinn

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Perdita,

vielen Dank für Deinen Kommentar!

Die Stimme bei der Umfrage war ich
Was soll ich sagen? Kuhl, danke :o)

Ich bin wahrscheinlich in der Minderheit mit dieser Meinung, aber ich fand es noch ein bisschen besser, als Jochen ihr Therapeut war ...
Hm, ja, es hat - ohne tatsächlich was zu sagen - ein wenig über Julikas Zustand verraten. Aber die Nachteile haben dann doch überwogen.

Auf jeden Fall gefällt es mi sehr, dass das was passiert ist sich nur noch anhand von Julikas Brief rekonstruieren lässt, es war auf jeden Fall eine gute Entscheidung, diese Struktur beizubehalten und Jochen nicht ganz zu streichen.
Gut zu wissen, danke!

Danke auch für die Fehler und Kanten, die Du noch aufgezeigt hast. Um die werde ich mich natürlich so schnell wie möglich kümmern.

Vielen Dank Dir!
elisabeth

__________________________________________________________


Hi Quinn,

danke für Deine ausführliche Kritik. Vor allem dafür, dass Du Dir die Mühe gemacht hast, die für Dich kritisch(st)en Stellen aufzuzeigen und nicht nur allgemein zu kommentieren.

Warum denn „machte“ und nicht „macht“? Ist das grammatikalisch richtig? Also sprachlich ist es auf jeden Fall schwächer.
Mein erster Impuls war, Dir hier zu widersprechen, aber jetzt glaub ich fast Du hast recht.

Goethe hat das mal gesagt: Möglichst wenig Negationen. War erst seit kurzem weg. War erst kurz weg. War erst seit einer Viertelstunde weg.
Das ist alles im Einzelnen fast gar nichts, aber in der Summe läppert sich das bisschen, find ich.
Goethe mag sein Handwerk schon verstanden haben, aber nun sind inzwischen ja einige Jährchen vergangen. Wenn Goethe uns heute sprechen hören würde, wär er wahrscheinlich ziemlich hilflos.
Ja, ich versuche Negationen auch zu vermeiden - wenn ich Konzepte oder Texte für meine Kunden schreibe. Der Grund ist in diesen Dingen auch ganz klar, aber warum in Geschichten?
Ich finde "War erst seit kurzem weg" oder "War erst seit einer Viertelstunde weg" klingt viel ungelenker als "noch nicht lange".

Es sind einfach zu viele Pronomen hier ,Personalpronomen, Reflexivpronomen, dann diese Partikel, so dieser ganze Satz-Kleister, den Sätze brauchen, ...
Jepp, da hast Du recht. Ich mag es immer nicht so den Namen zu oft zu verwenden, aber irgendwie ...
Werd ich nochmal drüber gehen. Absolut.

Hier ist das Problem bei „Und sich dort festkrallte“ ...
Ja, hier bin ich auch immer hängen geblieben. Der ganze Satz ist nicht rund.

Ja. Genau so denken Männer.
Naaa, so ein oder zwei Männer kenn ich schon auch. Und ich behaupte mal: Selbst wenn die grade die allergrößte Scheiße bauen, wissen sie schon auch darum ob das richtig oder falsch ist. Hat natürlich (wie bei Frauen übrigens auch) nichts damit zu tun, ob die Moral letztendlich die Handlung beeinflusst.
Aber dass man ein Tagebuch eigentlich nicht lesen sollte, wissen auch Männer.

Ich wunder mich immer über so Figuren in Horror- oder Spannungsgeschichten, die scheinen alle immer völlig alle Benimmregeln zu kennen und verinnerlicht zu haben. Vertrauen missbraucht … jo, also wenn ein Mann das Tagebuch einer Frau liest und da gibt’s eine Stelle mit einem erigierten Schwanz, also wenn das nicht die eigene Mutter oder Schwester ist, dann – ich sag nix.
Na, wie ich grade schon sagte ... Es ist völlig egal in welcher Art Geschichte sich eine Figur befindet: Die Fingernägel müssen nicht sauber sein, aber wie man sie sauber halten könnte, weiß wohl jeder.
Ob Jochen sich das jetzt denken würde, oder ob es ihm vielleicht irgendwann später mal einfallen könnte, dass es eigentlich unrecht ist ... Darüber kann man streiten und werd ich noch einmal nachdenken.

Ja, das dreimal verfluchte sture Bedürfnis ihrer Libido, ausgelöst durch vorherige Ereignisse!
Mann, mann, mann. Was ist das für eine Figur? Wer denkt denn so? Also mal wirklich vorstellen, das wäre alles real.
Jajaja, okay. Der Punkt geht auf jeden Fall an Dich. Das war ein Überbleibsel des Psychologen, das bei der Überarbeitung eigentlich hätte rausfliegen müssen. Wird nachgeholt.

Wie schlimm kann es jemandem gehen, wenn er noch Tagebuch führt und den Konjunktiv beherrscht?
Hm, über diese ganzen Konjunktivismensens hab ich auch nachgedacht. Keine Ahnung, echt. Wirft man die alle - bis auf ein paar lahme "würde" Konstruktionen in der wörtlichen Rede raus, weils nicht wirklich authentisch ist? Mag schön für den Leser sein, aber echt schade für die Sprache. Ich bin da ehrlich gesagt hin und her gerissen. Klar hast Du recht damit, aber soll man denn echt verhunztes Deutsch verwenden, nur weil die meisten Deutschen nicht mehr fähig sind anständig zu sprechen?
...
Wahrscheinlich ja, wenns um den Fluss der Geschichte geht, richtig?
Is doch scheiße.

Ja, den Typen komplett rausschmeißen und unittelbarer erzählen.
Das haut nicht hin, habs versucht. Kein Mensch kapiert dann was los ist. Und ich mag Geschichten nicht, wo man sich ungefähr alles selbst ausdenken muss. Dann brauch ich nichts zu lesen, dann kann ich auch statt dessen in den Himmel schauen und mir was ausdenken.

Natürlich ist das keine super-originelle Geschichte und die Parallelen zu „Die Fliege“ sind klar, aber das macht nichts.
Glaubs mir oder nicht: Kenn ich net.

... und trotzdem führt sie Tagebuch und nichts ändert sich an ihrem Stil?
Ja, das ist die größte Schwachstelle der Geschichte: Warum führt sie Tagebuch?
Der Stil ändert sich aber schon, wie ich finde. Sie schreibt konfuser, knapper. Wenn das nicht auffällt, hab ich nicht genug draufgehauen.

Normal hat man ja noch so ein „Die Strafe passt zum Vergehen“-Ding ...
Äh, und das fehlt jetzt bei mir oder wie meinst Du das? Ne, sowas brauch ich nicht und will ich nicht. Keine Moral der G`schicht und auch keinen Bezug zu irgendwas. Hab ich noch nie verstanden warum man so etwas denn brauchen sollte, außer die Geschichte gebirt sich eben daraus.

Na, danke jedenfalls noch einmal, in einigen Punkten hast Du mir durchaus weiter geholfen und wirst mich bei meinen nächsten Konzepten ganz sicher begleiten.

Liebe Grüße
elisabeth

 
Zuletzt bearbeitet:

Das haut nicht hin, habs versucht. Kein Mensch kapiert dann was los ist. Und ich mag Geschichten nicht, wo man sich ungefähr alles selbst ausdenken muss. Dann brauch ich nichts zu lesen, dann kann ich auch statt dessen in den Himmel schauen und mir was ausdenken.
Ja, aber entschuldige, das ist doch wirklich der Knackpunkt der ganzen Geschichte.
Da ist eine Frau, die traumatische Erlebnisse durchmacht, denkt, dass sie stirbt, pervertierte sexuelle Phantasien hat, krank wird, mutiert, das geschieht alles innerhalb von einem Tag und sie findet TROTZDEM Zeit, das alles in ein Tagebuch zu schreiben. Schön ordentlich, nicht in Notizen, sondern so, dass jemand anderes, der das Tagebuch liest, einen perfekten Eindruck von ihrer Geschichte bekommt?

Also ... bin ich der einzige, der das völlig unglaubwürdig findet? :) Uh, die Finger fallen mir langsam ab, ich muss wohl vom 10Finger-System auf 2 Finger umstellen!

Es ist schon klar, dass es anders schwerer wäre, aber man kann doch trotzdem nicht sagen: Ja, uh, ich muss das völlig unlogische Erzählkonstrukt nehmen, weil anders würd der Leser vielleicht die Übersicht verlieren.

Also das ist so ein Ding, das du hier hast, mit einem fiktiv realen Erzählrahmen (also eine Figur schreibt etwas in einer Geschichte, das ein anderer liest), dann gelten für den Text auch wieder andere Regeln, dann muss sich der Bewusstseinszustand, die Umstände, Bildung usw. die müssten sich da alle widerspiegeln, das ist schon richtig heftig, wenn man sich sowas wirklich aufbürdet. Da kommt das dann auch mit dem Konjunktiv mit rein. Und dann zu sagen: Ja, der Frau fallen vielleicht die Zähne aus, aber die muss trotzdem noch ordentliches Deutsch schreiben, ich weigere mich als Autorin zur Verlotterung der Sprache beizutragen, ist schon ... nicht unumstritten.

 

Okay,
erstens geschieht das alles nicht innerhalb eines Tages und sie schreibt auch nicht bis zum Tag der Mutation und
zweitens wirkt jede Geschichte schlecht, wenn man unbedingt alles so überspitzt darstellen möchte, wie Du es eben getan hast.

Du würdest nie Tagebuch schreiben. Schon gar nicht, wenn es zeitlich schwierig ist, oder wenn es Dir schlecht geht, oder Du was besseres zu tun hast.
Okay, da gehörst Du sicher der Mehrheit an.
Virginia Woolf hat keinen einzigen Tag in Ihrem Leben verpasst in Ihr Tagebuch zu schreiben. Auch nicht, als sie starke Depressionen hatte - und das bis zu dem Tag an dem sie ins Wasser gegangen ist.
Würde man so auch nicht glauben, aber so wars. Warum? Weil manche Menschen das aus verschiedensten Gründen tun.

Es ist schon klar, dass es anders schwerer wäre ...
Ich kann mich nicht erinnern geschrieben zu haben, dass ich diese Lösung gewählt habe, weil sie einfacher ist.

 

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