Was ist neu

Mia

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29.07.2009
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Mia

„Wie konnte das denn passieren? Dieser Verhütungscomputer soll doch angeblich so sicher sein."
Fassungslos starrte Kai seine Frau Jenny an und ließ sich dann langsam auf dem Stuhl nieder. Jenny liefen ein paar Tränen die Wange hinunter, müde zuckte sie die Achseln.
„Vielleicht hast du das nicht richtig gemacht? Hol doch mal die Beschreibung.“
„Das nützt jetzt auch nichts mehr. War ja klar, dass ich jetzt schuld bin, weil ich technisch zu blöde bin.“ Jenny wurde laut.
„So meinte ich das doch nicht“, versuchte er zu besänftigen.
Zerknirscht stand er auf, wollte sie in den Arm nehmen. Jenny wandte sich ab.
„Lass mich. Ich will jetzt meine Ruhe.“
„Jetzt tu doch nicht so, als hätte ich nichts damit zu tun.“
Jennys Körper schüttelte sich, sie schlug die Hände vors Gesicht und fing laut und hemmungslos an zu weinen.

Kai kannte seine Frau, jeder Tröstungsversuch wäre jetzt ins Leere gelaufen. Also hielt er den Moment aus und wartete. Regungslos stand er vor ihr. Nach einer Weile zog sie kräftig die Nase hoch und schaute ihm fest in die Augen.
„Gleich morgen mache ich einen Termin bei Doktor Lauberbach. Ich will das so schnell wie möglich hinter mich bringen.“
Kai versuchte seine Erleichterung nicht allzu deutlich zu zeigen.
„Soll ich die Kinder abholen?“, fragte er.
Sie nickte und wendete sich dann dem Kochfeld zu, rührte das Gulasch im Topf Runde um Runde.
Etwas unschlüssig stand Kai noch da. Dann strich er ihr kurz und liebevoll über den Rücken.
„Bis gleich. Ich liebe dich“, flüsterte er.
Sie rührte reaktionslos weiter.

Als die Tür ins Schloss gefallen war, ließ sie ihren Tränen wieder freien Lauf, schaltete die Herdplatte auf niedrigste Stufe und schmiss den Kochlöffel in die Spüle. Dann versuchte sie sich zusammen zu reißen und noch schnell ein wenig aufzuräumen, bevor die Kinder nach Hause kamen.

Die Kinderzimmer waren klein und gemütlich. Zu klein für eine weitere Person.
„95 qm, nicht gerade groß, aber für uns drei reicht das alle mal“, hatte Kai damals gesagt, als sie sich für die kleine Doppelhaushälfte am Ortsrand entschieden hatten.

Sie hatte Kai vor zehn Jahren über einen gemeinsamen Freund kennengelernt.
„Das ist Kai“, stellte Rainer ihn damals vor.
Jenny war hin und weg von dem Mann mit den blonden Locken. Klug war er und sein Humor war einzigartig. Das war er. Das wusste sie sofort klar. So musste der Vater ihrer Kinder sein, diese Wärme musste er ausstrahlen, diesen Humor müsste er haben, diese Locken.

„Ich will dich heiraten, Kinder kriegen, ein Haus bauen, mit dir alt werden. Das ganze spießige Programm“, gestand Kai ihr ebenfalls nach ein paar Monaten.
„Ich will einen Hund, vier Katzen und mindestens drei Kinder. Mia, Lilly und Emma, wenn es Mädchen werden. Tim, Jan und Ben, falls es Jungs werden. Aber auf jeden Fall will ich eine Mia. Ich wollte als Kind schon immer ein Mädchen mit diesem Namen haben“, antwortete sie und lachte.

Sie heirateten zwei Jahre nach ihrer ersten Begegnung. Jenny war da bereits im vierten Monat mit ihrer Tochter schwanger. „Lass sie uns Lilly nennen“, bettelte Kai und Jenny gab nach.
„Na gut, aber das nächste Mädchen heißt auf jeden Fall Mia“, forderte sie. Drei Jahre später kam Tim auf die Welt.

Nächstes Jahr würde Jenny sich einen Job suchen, dann könnten Sie die Zwischentilgungen erhöhen und sich zusätzlich noch einen Urlaub mehr im Jahr erlauben. Weihnachten hatten sie den Kindern den Wunsch nach einer Katze erfüllt.
„Jetzt ist unsere Familie komplett“, hatte Jenny gemeint.


„Da seid ihr ja. Wir können sofort essen.“ Der Tisch war bereits gedeckt, als Kai mit den Kindern nach Hause kam.
„Wie war es in der Schule, meine Große?“ Liebevoll strubbelte Jenny ihrem Sohn die Locken und drückte erst ihm und dann Lilly einen Kuss auf den Kopf.
„Ganz okay, ich will jetzt spielen“, sagte Lilly.
„Wenn du mit deinen Hausaufgaben fertig bist“, antwortete Jenny und füllte die Teller. Sie fragte, wie der Sachkundeunterricht gelaufen war und ob Lilly ihr Kakaogeld abgegeben hatte. Sie versuchte aufmerksam zuzuhören, als Tim ihr von seinem neuen besten Freund im Kindergarten erzählte und half ihm zwischendurch die Erbsen mit der Gabel aufzunehmen.

Nach dem Essen spielten die Kinder im Garten, Jenny räumte die Küche auf. Kai zog sich in sein Arbeitszimmer zurück, um ein paar Telefonate mit dem Büro zu erledigen. Jenny schnappte sich Putzeimer und Schwamm. Akribisch wischte sie die Küchenschränke von außen, räumte den Kühlschrank und letztendlich den Geschirr- und die Gewürzschrank aus und wienerte ohne Pause die ganze Küche. Nach dem Abendessen brachte sie die Kinder ins Bett. Lange saß sie erst an Lillys und dann an Tims Bett, las Bücher und sang beiden etwas vor.

Danach ging sie Duschen und zog sich in ihr Schlafzimmer zurück. Kai schaute nach ihr.
„Alles in Ordnung?“
„Ja, alles okay. Ich bin ja morgen beim Arzt“, beruhigte sie ihn und versuchte ein Lächeln zustande zu bringen.
„Ich kann mitkommen?! Wenn ich meine 10 Uhr Konferenz verschiebe, geht das.“
„Nein, lass mal gut sein. Ich mach das schon. Ich will jetzt nur schlafen.“
„Bist du dir sicher, dass wir nicht doch noch einmal drüber reden sollten?“
„Natürlich, bin ich sicher. Wir waren uns doch einig. Nächstes Jahr gehe ich wieder arbeiten. Die Kinder sind langsam aus dem Gröbsten raus. Meinst du, ich fange jetzt noch mal von vorne an? Außerdem haben wir doch auch gar keinen Platz mehr.“ Sie redet schnell und aggressiv.
„Ich weiß. Ich meine ja nur.“


„Sowas kann passieren. Sie sind in der 9. Woche.“
Bedrückt saß Jenny am nächsten Tag in der Praxis von Frau Doktor Lauberbach.
„Machen Sie sich so bald wie möglich einen Termin in der Klinik, nachdem Sie bei der Beratung waren. Ich mache die Unterlagen fertig. Vieleicht kommt für sie gleichzeitig eine Sterilisation in Frage?“, schlug die Ärztin vor.
Jenny starrte sie an. „Muss das sein?“
„Um Gottes Willen nein. Das ist nur ein Vorschlag. Ich dachte, sie möchten keine Kinder mehr. Das wäre dann ein Abwasch. Aber wir können danach auch über andere Methoden sprechen. Jetzt gehen Sie erst mal zu Pro Familia. Es wird schon alles wieder gut.“

Eine Arzthelferin betrat das Büro und bat Frau Doktor Lauberbach nach einer schwangeren Patientin zu sehen, der bei der Blutabnahme plötzlich übel geworden war.
„Momentchen. Ich bin gleich wieder da.“
„Kein Problem, Frau Doktor. Ich warte.“

Während Jenny wartete, schweifte ihr Blick auf die vielen Karten an der Wand. Geburtsanzeigen mit Babyfotos und Dankeswünschen der stolzen Mütter. Zweimal hatte Jenny ihr auch so eine Karte geschickt. „Wir sind glücklich über die Geburt von Lilly“ und „Lilly ist jetzt eine große Schwester – Tim ist da“. Jenny suchte die Wand nach den Fotos ihrer Kinder ab und fand Lillys als erstes. Mit wachem Blick und riesengroßen blauen Augen schaute sie in die Kamera. „Schon ein richtiges kleines Model“, hatte Kai damals gemeint, als er das Foto schoss.

Ob sie genauso hübsch werden würde? Ob sie die gleichen Locken hätte? Kais lange Finger? Lillys Dickkopf oder Tims verträumtes Wesen? ging Jenny durch den Kopf.

Die Ärztin kam wieder und sie besprachen die Einzelheiten. Mit der Überweisung in der Hand verließ Jenny die Praxis.


Die Beraterin bei Pro Familia war nett und verständnisvoller als gedacht. Jenny erzählte von ihren Kindern, den schwierigen und risikoreichen Schwangerschaften und wie sie die Pille auf einmal nicht mehr vertragen hatte. Seit sie die 40 überschritten hatte, kämpfte sie ständig mit Migräne.
„Lass das ganze Hormonzeugs. Hol dir einen Zykluscomputer, der ist super und total zuverlässig“, hatte ihr eine Mutter aus dem Kindergarten geraten.

Sechs Monate ging es gut, dann war Jennys Regel plötzlich ausgeblieben. „Hormonschwankungen“, dachte sie. „Vielleicht kommst du in die Wechseljahre“, witzelte Kai. Als sie sich zwei Tage hintereinander übergeben musste, bekam sie Angst. Der Schwangerschaftstest brachte Klarheit.
„Sowas kann passieren“, sagte die Beraterin noch zum Abschied.


Der Eingriff fand fünf Tage später in der Uniklinik statt. Morgens brachten Kai und sie die Kinder zum Kindergarten und in die Schule. Nachmittags sollte sich die Oma kümmern. Sie erzählten Kais Mutter etwas von einem kleinen Eingriff an den Eierstöcken, eine Routinesache.

Tapfer und wortlos folgte Jenny den Anweisungen des Anästhesisten, eine Schwester hob ihre Beine in die Schalen, der Arzt begrüßte sie kurz und setzte sich vor sie. Jenny schloss die Augen und versuchte an etwas anderes zu denken, während man ihr Ungeborenes absaugte. Aber es gelang ihr nicht.

Ob sie etwas merkte? Ob es ihr wehtat?
Jenny dachte daran, wie Lilly letzte Woche gestolpert war und sich das Knie aufgeschürft hatte. Jenny hatte sie in die Arme genommen, getröstet und ihr die Tränen von den Backen geküsst, wie man es als Mutter tut. Mütter beschützen ihre Kinder.

Jenny schluchzte. Eine Schwester streichelte ihren Arm und flüsterte beruhigend auf sie ein.
„Alles gut, ist gleich vorbei.“
Danach schob man sie in einen separaten Raum, in dem sie sich ausruhen sollte. Die Schwester tätschelte noch eine Weile ihre Hand, aber Jenny wollte alleine sein.

Kai hatte die Kinder abgeholt, war mit ihnen im Fastfood Restaurant etwas essen gewesen und brachte sie dann zu seiner Mutter. Er wartete auf Jennys Anruf, damit er sie abholen konnte.

Als Jenny aufstehen durfte, zog sie Trainingshose und Strickjacke über und rief Kai an.
„Ich warte unten am Kaffeeautomat im Foyer auf dich“, sagte sie gefasst.
„Ist gut, Liebes. Ich bin in zehn Minuten bei dir“, meinte er zärtlich.

Jenny verließ die Station und irrte erst etwas orientierungslos durch die unübersichtlichen Flure. Als sie die Tür zum Treppenhaus fand, blieb sie wie angewurzelt stehen. Farbige Pfeile an der Wand wiesen zur Neugeborenen Station. Ohne weiter darüber nachzudenken, machte sie sich auf den Weg dorthin.

Jenny betätigte den automatischen Türöffner und trat ein. Sie hörte Babyweinen, Stimmen, eine Mutter schob ihr Neugeborenes im Babybettchen vor sich her. Die Tür zum Kinderzimmer stand offen. Es waren nicht viele Babys im Zimmer. In der Klinik wurde Rooming In großgeschrieben. Die meisten Mütter versorgten ihre Kinder auf dem Zimmer. Jenny hatte Tim damals nicht eine Nacht ins Kinderzimmer gebracht.

Zögernd trat sie ein. Eine Schwester kehrte ihr den Rücken zu und wickelte eines der Babys. Jenny steuerte das Bettchen eines kleinen Mädchens an. Es machte gerade die Augen auf und bewegte hungrig den kleinen Mund, dabei wimmerte es leise. An dem Bett war von außen ein Schild angebracht. Eingerahmt in rosa, stand der Name, das Geburtsgewicht, Größe, Geburtsdatum und genaue Uhrzeit darauf. Das kleine Mädchen war erst ein paar Stunden alt. Jennys Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen. Sie unterdrückte die Tränen und griff nach der Flasche mit dem Sterillium, die neben der Wickelstation stand und rieb sich gründlich die Hände ein. Dann strich sie dem Kind mit zitternder Hand langsam über das Gesicht und versuchte es zu beruhigen, dabei summte sie kaum hörbar die Melodie eines Kinderliedes. So hatte sie Lilly und Tim als Baby immer beruhigen können.

Wie groß sie wohl gewesen wäre? Wie hätte sie sich angefühlt? Wie hätte sie gerochen?

Sie erschrak, als plötzlich eine ältere Schwester hinter ihr auftauchte.
„Wollen Sie die Kleine mit auf ihr Zimmer nehmen?“
Jenny wirbelte herum.
„Ein Mädchen, gell? Wie heißt sie denn?“, fragte die Schwester fröhlich. „Ich bin Schwester Irmgard und habe jetzt Nachmittagsdienst.“
Sie setzte ihre Brille auf und schaute Jenny freundlich an.
„Ich glaube sie hat Hunger“, bemerkte sie, als die Kleine lauter jammerte.
"Wie heißt ihr kleines Mädchen denn nun?“
„Mia“, flüsterte Jenny zögernd. „Sie hieß Mia.“
Dann ließ sie die verdutzte Schwester stehen und rannte Richtung Ausgang.

 
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Moin Engelchen,
zuerst ein paar Kleinigkeiten. Habe manchmal einen Vorschlag gemacht, fällt mir leichter als es theoretisch zu begründen. Die Rechtschreib-Korrekturen ohne Gewähr – nicht unbedingt meine Stärke.

Zerknirscht stand er auf, wollte sie in den Arm nehmen. Jenny wand sich aus seiner Umarmung.
Doppelung = Arm nehmen - Umarmung

Kai kannte seine Frau, jeder Tröstungsversuch wäre jetzt ins Leere gelaufen.
Vielleicht besser: Kai kannte seine Frau. Jeder Versuch, sie zu trösten, wäre jetzt ins Leere gelaufen.

Also hielt er den Moment aus und wartete.
Vielleicht besser: Er hielt sich einen Moment zurück und wartete.

Regungslos stand er vor ihr und verharrte bis sie sich beruhigte.
Regungslos und verharrte sind ja fast das gleiche. Vielleicht reicht eins von beiden.

Nach einer Weile zog sie kräftig die Nase hoch und schaute ihm fest in die Augen.
Eigentlich ist „die Weile“ ja schon rum, er wartet ja, bis sie sich beruhigt hat. Kann vielleicht auch ohne „Weile“ das gleiche ausdrücken.

…rührte den Gulasch im Topf Runde um Runde.
das Gulasch

Etwas unschlüssig stand Kai noch da. Dann strich er ihr kurz und liebevoll über den Rücken.
etwas/noch/dann = klingt nicht so gut. Vielleicht besser: Unschlüssig stand Kai hinter ihr, strich kurz und liebevoll über ihren Rücken.

Sie rührte reaktionslos weiter.
reaktionslos kling komisch = Vielleicht besser. Sie rührte weiter. Reagierte nicht.

Klug war sie und ihr Humor war einzigartig. Das war sie. Das war ihm sofort klar.
Viermal war.

Außerdem haben wir doch auch garkeinen Platz mehr.
gar keinen

Sowas kann passieren.
so was – im weiteren Verlauf des Textes ein zweites Mal

Sie fragte, wie der Sachkundeunterricht gelaufen war und ob Lilly ihr Kakaogeld abgegeben hatte.
Letztes Wort: hätte = umgangssprachlich / habe = ganz korrekt

Morgens brachten Kai und sie die Kinder zum Kindergarten und in die Schule.
Klingt als wenn sie beide zuerst zum Kindergarten und dann in die Schule gebracht würden.
Das „und sie“ verstehe ich nicht. Wenn sie zusammen die Kinder wegbringen, dann = Morgens brachten sie gemeinsam …

Er wartete auf Jennys Anruf, damit er sie abholen konnte.
Warum wartet er und fährt nicht gleich hin. Das wird nicht ersichtlich.

An dem Bett war von aussen ein Schild angebracht.
außen

Eingerahmt in rosa, stand der Name, das Geburtsgewicht, Grösse, Geburtsdatum und genaue Uhrzeit darauf.
Größe

Sterilium = Sterillium

So, das war der einfache Teil. Jetzt wird’s schwierig. Schwangerschaftsabbruch ist eine fürchterlich emotionale Sache. Da deine Protagonistin scheinbar nicht aus religiösen Gründen Probleme hat, geht es um die persönliche, emotionale Verarbeitung. Wie und warum sich die beiden und vor allem die Frau dazu entschlossen haben, wird nicht so ganz klar. Ein direkter Druck scheint vom Mann nicht ausgegangen zu sein, wirtschaftlich wäre es auch nicht nötig. Gut, sie hat zwei schwere Schwangerschaften gehabt, aber das die jetzt lebensbedrohend waren, schreibst du nicht.
Da fehlt mir hier etwas an Grundlage, um den späteren Verlauf zu verstehen (oder besser mit durchleben zu können). Und genau hier fängt das Dilemma für mich an. Wenn ich keine ausreichende Grundlage bei einem so schwerwiegenden Entschluss erkennen kann (oder nachfüllen kann), wird das folgende Geschehen (gut und kurz von dir beschrieben) schwer einordbar.
Da ist die Sache mit dem Namen. Der Mann überredet sie, die zweite Wahl zu nehmen. Okay. Eine Tiefenwirkung kann ich da nicht erkennen.
Mit meinem ältesten Sohn war ich alleinerziehend (er ist jetzt 28), sein Bruder kam 10 Jahre später und deren Geschwisterkind (vermutlich wieder Bruder) wird erst im März geboren. Eine namentliche Wertung ist bei einer so intensiven Beziehung wie zwischen Eltern und Kind (schon gar wenn sie den ganzen Tag anwesend sind) kaum vorstellbar. Das Kind ist das Kind und wird nicht gegen ein anderes aufgerechnet. Klar, vermutlich hast du das auch nicht so sagen wollen, aber für mich kam es so rüber, da es ja einer der wenigen Hinweise ist.
So wie du die Frau beschreibst, könnte ich mir gut vorstellen, dass der Konflikt ein massiverer sein müsste. Quasi kurz vor dem Eingriff vom OP-Tisch hüpfen. Es geht aber alles seinen geregelten Gang. Aber vielleicht wolltest du das ja auch zeigen. Mir fehlt halt nur der Druck, dem die Frau ausgesetzt ist. Ich sehe ihn nicht.
Das mit der Kinderschwester, die aus dem Urlaub wieder da ist, halte ich für unwahrscheinlich. Ich habe das schon vor vielen Jahren anders erlebt und würde mich sehr wundern, wenn es so einfach ist, ein Kind zu entführen. (was ja deine Protagonistin wohl nicht getan hat – so ganz klar war es mir allerdings nicht, da von dem Kind dann nicht mehr die Rede ist) Wirklich relevant für die Geschichte ist das aber ja ohnehin nicht.
Mehr fällt mir nicht ein. Das Positive nannte ich weiter oben so nebenbei. Du hast kurz und knapp einzelne Szenen hintereinander gereiht. Das gefiel mir sehr gut. Das offene Ende auch (vorausgesetzt es kommt vorher noch mehr Substanz an die Geschichte). Sie lässt sich leicht lesen und konzentriert sich auf das Wesentliche.
Herzlichst

Heiner

 

Hey Engelchen211,

ich kann mich nur zu Teilen meinem Vorredner anschließen, nämlich, das mir die Gründe nicht so ganz klar geworden sind, wieso und weshalb.

... und konzentriert sich auf das Wesentliche.

Das Gefühl hatte ich nicht. Der Konflikt spielt sich ja im Inneren ab und sollte die Handlung treiben. Bei Dir wird die Handlung aber getrieben von: Kindern in die Kita bringen, Erbsen essen - Familienalltag halt (Außensicht) und die Frau bekommt relativ wenig Raum. Also für mich wird das Wesentliche hier hinter Unwesentlichem zurückgehalten.

„Wie konnte das denn passieren? Dieser Computer soll doch angeblich so sicher sein."

Ist das Absicht, dass der Leser erst mal an einen normalen Computer denkt?

Jenny liefen ein paar Tränen die Wange hinunter, müde zuckte sie die Achseln.

Weil ich diesen Satz überhaupt nicht dazugepackt bekam. Computer kaputt und sie flennt - äh? Und dann soll sie noch die Betriebsanleitung lesen ...

Also Du steigst in die Geschichte ja unmittelbar ein, aber dabei lässt Du den Leser unwissend, der weiß gar nicht, was da los ist, also kann er nicht miteinsteigen und bleibt verwirrt vor dem ersten Absatz stehen.

„Gleich morgen mache ich einen Termin bei Dr. Lauberbach. Ich will das so schnell wie möglich hinter mich bringen.“
Kai versuchte seine Erleichterung nicht allzu deutlich zu zeigen.
„Soll ich die Kinder abholen?“, fragte er.

So, sie weint und im nächsten Moment ist die Entscheidung gefallen. Ich will das hinter mich bringen ... Ich denke, hier solltest Du den Leser ein Stück mehr in ihren Kopf reinlassen. Und dann verfolgt sie dieser Schnellschuss von Entscheidung sicher noch eine Weile, beim Gulaschrühren, beim Zähneputzen, im Bett. Der Mann hat auch gar keine Meinung zum Thema, außer dass er froh zu sein scheint, dass sie zum Abbruch tendiert? Aber macht er sich gar keine Sorgen, wie es ihr mit dieser Entscheidung geht?

„Papi, Papi“, schrie Tim und lief Kai in die Arme.
„Hallo mein Großer.“
Es war ihm ein Bedürfnis, seinen Jüngsten heute fest zu drücken. Zärtlich strich er dem 4jährigen Tim eine blonde Locke aus dem Gesicht. Beide Kinder hatten Jennys Löwenmähne geerbt. Vom ersten Moment an, war er verliebt in diese Locken gewesen.

Sie hatten sich vor zehn Jahren über einen gemeinsamen Freund kennengelernt.
„Das ist Jenny“, stellte Rainer sie damals vor.
Kai war hin und weg von der Frau mit den vollen Lippen und den strahlend blauen Augen. Klug war sie und ihr Humor war einzigartig. Das war sie. Das war ihm sofort klar. So eine Frau ließ man nicht mehr gehen.


Hier fängt der Text schon zum ersten Mal an zu stocken. In Hinsicht auf das eigentliche Thema passiert eigentlich nix. Davon gibt es einige Absätze.

Und wo Du aufhörst, fängt es erst an. Ich gehe nicht davon aus, dass sie das Baby mitnimmt, aber ne Menge Zeugs in ihrem Kopf. Und dass verarbeitet sich eben sehr langsam und dann hat es Auswirkungen auf das Familienleben. Jetzt wäre es an der Zeit, den Familienalltag genauer zu betrachten, schaffen die beiden es, oder gehen die daran zu Grunde? Wie sieht sie ihre Kinder ab diesem Zeitpunkt an - immer noch so unbefangen, oder steckt in jedem der Kinder für sie sowas wie ein leiser Vorwurf? Wie fühlt es sich an, wenn sie Mütter mit Kinderwagen auf der Straße sieht? Wie geht der Mann mit der Situation um? Der Fragenkatalog ist unendlich und vor Dir liegen so viele interessante Möglichkeiten ...

Aber wahrscheinlich war Dir wichtig, die Phase des Entschlusses in den Mittelpunkt zu setzen, nur leider bekomme ich recht wenig von ihrem inneren auf und ab mit. Wirklich leider, denn ich hätte gern daran teilgenommen. Also, da sind so Ansätze, die aber so fix abgehandelt werden. Der Mann fragt nochmal kurz nach, sie schaut auf die Kinderfotowand in der Praxis und beim Abbruch denkt sie an das aufgeschürfte Knie. Da wünschte ich mir ein paar mehr Zeilen.

Ich hoffe ich hab Dich jetzt nicht erschlagen. Ich hatte beim Lesen ein wenig das Gefühl, die Autorin traut sich nicht so recht ran an ihre Protagonistin, sie hält den Erzähler lieber ein wenig auf Abstand und schildert so rechts und links das Tagesgeschehen. Aber das lese ich dann halt auch und komme ebenfalls nicht an die Frau.

Beste Grüße Fliege

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Heimee,

Wie und warum sich die beiden und vor allem die Frau dazu entschlossen haben, wird nicht so ganz klar.
Och, ich finde schon, dass es klar wird. Sie ist über 40, die Kinderplanung ist abgeschlossen und nun wird sie eben nochmal schwanger. Zum einen hat sie sofort mütterliche Gefühle und hat schon ein Bild zu ihrem Kind, auf der anderen Seite ist sie sich mit ihrem Mann einig, dass ein drittes Kind nicht mehr passst.
Da ist die Sache mit dem Namen. Der Mann überredet sie, die zweite Wahl zu nehmen. Okay. Eine Tiefenwirkung kann ich da nicht erkennen. Mit meinem ältesten Sohn war ich alleinerziehend (er ist jetzt 28), sein Bruder kam 10 Jahre später und deren Geschwisterkind (vermutlich wieder Bruder) wird erst im März geboren. Eine namentliche Wertung ist bei einer so intensiven Beziehung wie zwischen Eltern und Kind (schon gar wenn sie den ganzen Tag anwesend sind) kaum vorstellbar. Das Kind ist das Kind und wird nicht gegen ein anderes aufgerechnet. Klar, vermutlich hast du das auch nicht so sagen wollen, aber für mich kam es so rüber, da es ja einer der wenigen Hinweise ist.
Hä??? Wieso wertet sie die Kinder gegeneinander auf nur weil sie dem ungeborenen Kind einen Namen gibt? Würde sie es austragen, würde es Mia heissen, weil sie den Namen immer sehr schön fand. Ich finde schon, dass das sehr deutlich aussagt, dass die Frau eine Bindung zu diesem ungeborenen Kind hat und es zeigt auch ihre innere Zerrissenheit.

Aber vielleicht wolltest du das ja auch zeigen.
Genau! Das wollte ich zeigen.


Mir fehlt halt nur der Druck, dem die Frau ausgesetzt ist.
Eben, der Druck ist einfach, dass ihre Kinderplanung abgeschlossen ist, punkt.

Das mit der Kinderschwester, die aus dem Urlaub wieder da ist, halte ich für unwahrscheinlich. Ich habe das schon vor vielen Jahren anders erlebt und würde mich sehr wundern, wenn es so einfach ist, ein Kind zu entführen.
Es war nicht ihre Absicht jemanden zu entführen. Natürlich kommt man ganz leicht ins Kinderzimmer!!! Wenn Schwestern im Kinderzimmer anwesend sind, kann man da einfach reinspazieren. Sie hat einen Jogger an (wegen der OP) und die Schwester hat gerade ihren Dienst aufgenommen, kennt das Baby noch nicht (da erst ein paar Stunden alt) und denkt, sie ist eine Mutter. Ich habe selber meine Kinder in der Klinik bekommen. Das Kinderzimmer wurde nur abgeschlossen, wenn keine Schwester anwesend war.

Danke für deinen Komm

lg Engelchen


Hallo Fliege,

Ist das Absicht, dass der Leser erst mal an einen normalen Computer denkt?
War das zu irritierend? Gut, dann werde ich das ändern.

So, sie weint und im nächsten Moment ist die Entscheidung gefallen. Ich will das hinter mich bringen ... Ich denke, hier solltest Du den Leser ein Stück mehr in ihren Kopf reinlassen. Und dann verfolgt sie dieser Schnellschuss von Entscheidung sicher noch eine Weile, beim Gulaschrühren, beim Zähneputzen, im Bett. Der Mann hat auch gar keine Meinung zum Thema, außer dass er froh zu sein scheint, dass sie zum Abbruch tendiert? Aber macht er sich gar keine Sorgen, wie es ihr mit dieser Entscheidung geht?
Hm....ich dachte, es geht schon sehr klar hervor, dass die beiden sich schon seit längerem einig sind, dass die Kinderplanung abgeschlossen ist. Deswegen auch der Alltagsklimbim. Sie ist 40, hat zwei Kinder, die Schwangerschaften waren schwer und im Haus ist auch kein Platz mehr. Sie will das Kind nicht, aber Muttergefühle kann man dann doch nicht ganz abschalten.

Ich habe bewusst nicht in der Ich-Form geschrieben, weil ich nicht ganz so tief rein wollte.

Aber wahrscheinlich war Dir wichtig, die Phase des Entschlusses in den Mittelpunkt zu setzen,
stimmt....

nur leider bekomme ich recht wenig von ihrem inneren auf und ab mit.
das ist nicht gut :-(

Ich werd nochmal in mich gehen. Danke !

lg
Engelchen

 

Moin Engelchen,

Hä??? Wieso wertet sie die Kinder gegeneinander auf nur ...
Habe mich wohl sehr missverständlich ausgedrückt. Entschuldige.
Fliege hat meine Leserstimmung besser eingefangen und wiedergegeben als ich es konnte.
Herzlichst.

Heiner

 

Hallo Engelchen!

Ich hoffe, dass du es nicht als Unverschämtheit betrachtest, aber ich habe mir erlaubt, deine Geschichte zu kürzen. So wäre sie knackiger. Ich habe vieles gekillt, hoffentlich siehst du das nicht als Verstümmelung an. Guck mal, ob du mt dieser Art Kritik was anfangen kannst. Lies die Geschichte und vergleiche sie mit der ersten Version. Es ist immer noch die gleiche Geschichte, deine Idee, deine Worte ...


Liebe Grüße

Lollek


„Wie konnte das denn passieren? Dieser Verhütungscomputer soll doch so sicher sein."
Kai starrte seine Frau Jenny an und ließ sich auf dem Stuhl nieder. Jenny liefen Tränen übers Gesicht. Sie zuckte die Achseln.
„Vielleicht hast du das nicht richtig gemacht? Hol doch mal die Beschreibung.“
„Das nützt jetzt auch nichts mehr. War ja klar, dass ich das jetzt schuld bin."
„So meinte ich das doch nicht.“
Er stand auf, wollte sie in den Arm nehmen.
„Lass mich.“
„Jetzt tu doch nicht so, als hätte ich nichts damit zu tun.“
Jennys Körper schüttelte sich, sie schlug die Hände vors Gesicht und fing an zu weinen.

Kai kannte seine Frau, jeder Tröstungsversuch wäre jetzt ins Leere gelaufen. Also hielt er den Moment aus und wartete. Nach einer Weile zog sie kräftig die Nase hoch und schaute ihm fest in die Augen.
„Gleich morgen mache ich einen Termin bei Dr. Lauberbach. Ich will das so schnell wie möglich hinter mich bringen.“
Kai versuchte, seine Erleichterung nicht zu zeigen.
„Soll ich die Kinder abholen?“, fragte er.
Sie nickte und wendete sich dann dem Kochfeld zu, rührte das Gulasch im Topf Runde um Runde.
Etwas unschlüssig stand Kai noch da. Dann strich er ihr kurz über den Rücken.
„Bis gleich. Ich liebe dich“, flüsterte er.
Sie rührte.

„Papi, Papi“, rief Tim und rannte in Kais Arme.
„Hallo mein Großer.“
Es war ihm ein Bedürfnis, seinen Jüngsten heute fest zu drücken. Zärtlich strich er dem 4jährigen Tim eine blonde Locke aus dem Gesicht. Beide Kinder hatten Jennys Löwenmähne geerbt. Vom ersten Moment an, war er verliebt in diese Locken gewesen.

„Ich will dich heiraten, Kinder kriegen, ein Haus bauen, mit dir alt werden. Das ganze spießige Programm“, gestand er, ein paar Monaten nachdem sie sich kennengelernt hatten.
„Ich will einen Hund, vier Katzen und mindestens drei Kinder. Mia, Lilly und Emma, wenn es Mädchen werden. Tim, Jan und Ben, falls es Jungs werden. Aber auf jeden Fall will ich eine Mia.

Sie heirateten zwei Jahre nach ihrer ersten Begegnung. Jenny war da bereits im vierten Monat schwanger. „Lass sie uns Lilly nennen“, bettelte Kai und Jenny gab nach.
„Na gut, aber das nächste Mädchen heißt auf jeden Fall Mia“, forderte sie. Drei Jahre später kam Tim auf die Welt.

Die Wohnung wurde zu eng, sie kauften sich eine kleine Doppelhaushälfte am Ortsrand mit guter Infrastruktur, Kindergarten- und Schule in direkter Nähe. Finanziell ging es ihnen gut. Weihnachten hatten sie den Kindern den Wunsch nach einer Katze erfüllt.
„Jetzt ist unsere Familie komplett“, hatte Jenny gemeint.

Nach dem Essen liefen die Kinder in ihre Zimmer. Jenny räumte die Küche auf. Kai zog sich in sein Arbeitszimmer zurück. Jenny schnappte sich Putzeimer und Schwamm. Akribisch wischte sie die Küchenschränke von außen, räumte den Kühlschrank und letztendlich den Geschirr- und die Gewürzschrank aus. Nach dem Abendessen brachte sie die Kinder ins Bett. Lange saß sie erst an Lillys und dann an Tims Bett, las Bücher und sang beiden etwas vor.

Danach ging sie Duschen und zog sich in ihr Schlafzimmer zurück. Kai schaute nach ihr.
„Alles in Ordnung?“
„Ja, alles okay. Ich bin ja morgen beim Arzt“, beruhigte sie ihn und versuchte ein Lächeln zustande zu bringen.
„Ich kann mitkommen?! Wenn ich meine 10 Uhr Konferenz verschiebe, geht das.“
„Ich mach das schon. Ich will jetzt nur schlafen.“
„Bist du dir sicher, dass wir nicht doch noch einmal drüber reden sollten?“
„Natürlich bin ich sicher. Wir waren uns doch einig. Nächstes Jahr gehe ich wieder arbeiten. Die Kinder sind langsam aus dem Gröbsten raus. Meinst du, ich fange jetzt noch mal von vorne an? Außerdem haben wir doch auch gar keinen Platz mehr.“
„Ich weiß. Ich meine ja nur.“


„Sie sind in der 9. Woche.“
Bedrückt saß Jenny am nächsten Tag in der Praxis von Frau Dr. Lauberbach.
„Machen Sie sich so bald wie möglich einen Termin in der Klinik, nachdem Sie bei der Beratung waren. Ich mache die Unterlagen fertig. Vieleicht kommt für sie gleichzeitig eine Sterilisation in Frage?“, schlug die Ärztin vor.
Jenny starrte sie an. „Muss das sein?“
„Um Gottes Willen nein. Das ist nur ein Vorschlag. Ich dachte, sie möchten keine Kinder mehr. Das wäre dann ein Abwasch.“

Eine Arzthelferin betrat das Büro und bat Frau Dr. Lauberbach nach einer schwangeren Patientin zu sehen, der bei der Blutabnahme plötzlich übel geworden war.
„Momentchen. Ich bin gleich wieder da.“
„Kein Problem, Frau Dr. Ich warte.“

Während Jenny wartete, schweifte ihr Blick auf die vielen Karten an der Wand. Geburtsanzeigen mit Babyfotos und Dankeswünschen der stolzen Mütter. Zweimal hatte Jenny ihr auch so eine Karte geschickt. „Wir sind glücklich über die Geburt von Lilly“ und „Lilly ist jetzt eine große Schwester – Tim ist da."
Jenny suchte die Wand nach den Fotos ihrer Kinder ab und fand Lilly. Mit wachem Blick und riesengroßen blauen Augen schaute sie in die Kamera.

Der Eingriff fand fünf Tage später in der Uniklinik statt. Morgens brachten sie die Kinder zum Kindergarten und in die Schule. Nachmittags sollte sich die Oma kümmern. Sie erzählten Kais Mutter etwas von einem kleinen Eingriff an den Eierstöcken.

Jenny folgte den Anweisungen des Anästhesisten, eine Schwester hob ihre Beine in die Schalen, der Arzt begrüßte sie kurz und setzte sich vor sie. Jenny schloss die Augen und versuchte an etwas anderes zu denken, während man ihr Ungeborenes absaugte.

Ob sie etwas merkt? Ob es ihr wehtut?, fragte sich Jenny. Sie dachte daran, wie Lilly letzte Woche gestolpert war und sich das Knie aufgeschürft hatte. Jenny hatte sie in die Arme genommen, getröstet und ihr die Tränen von den Wangen geküsst, wie man es als Mutter eben tut. Mütter beschützen ihre Kinder.

Jenny schluchzte. Eine Schwester streichelte ihren Arm und flüsterte beruhigend auf sie ein.
„Alles gut, ist gleich vorbei.“
Danach schob man sie in einen separaten Raum, in dem sie sich ausruhen sollte. Die Schwester tätschelte noch eine Weile ihre Hand, aber Jenny wollte alleine sein.
Als Jenny aufstehen durfte, zog sie Trainingshose und Strickjacke über und rief Kai an.
„Ich warte unten am Kaffeeautomat im Foyer auf dich“, sagte sie.
„Ist gut, Liebes. Ich bin in zehn Minuten bei dir“, sagte er.

Jenny verließ die Station und irrte durch die unübersichtlichen Flure. Als sie die Tür zum Treppenhaus fand, blieb sie stehen. Farbige Pfeile an der Wand wiesen zur Neugeborenen Station. Ohne weiter darüber nachzudenken, machte sie sich auf den Weg dorthin.

Jenny betätigte den automatischen Türöffner und trat ein. Sie hörte Babyweinen, Stimmen, eine Mutter schob ihr Neugeborenes im Babybettchen vor sich her. Die Tür zum Kinderzimmer stand offen. Es waren nicht viele Babys hier. Die meisten Mütter versorgten ihre Kinder auf dem Zimmer. Jenny hatte Tim damals nicht für eine Nacht ins Kinderzimmer gebracht.
Zögernd trat sie ein. Eine Schwester kehrte ihr den Rücken zu und wickelte eines der Babys. Jenny steuerte das Bettchen eines kleinen Mädchens an. Es machte gerade die Augen auf und bewegte hungrig den kleinen Mund, dabei wimmerte es leise. An dem Bett war von aussen ein Schild angebracht; Name, Geburtsgewicht, Grösse, Geburtsdatum, Geburtszeit. Das kleine Mädchen war erst ein paar Stunden alt. Jenny griff nach der Flasche mit dem Sterilium, die neben der Wickelstation stand und rieb sich gründlich die Hände ein. Dann strich sie dem Kind langsam über das Gesicht und versuchte es zu beruhigen, deshalb summte sie eine Melodie.
Wie groß sie wohl gewesen wäre? Wie hätte sie sich angefühlt? Wie hätte sie gerochen?Sie erschrak, als plötzlich eine ältere Schwester hinter ihr auftauchte.
„Wollen Sie die Kleine mit auf ihr Zimmer nehmen?“
Jenny wirbelte herum.
„Ein Mädchen, gell? Wie heißt sie denn?“, fragte die Schwester.
Sie setzte ihre Brille auf und schaute Jenny freundlich an.
„Ich glaube sie hat Hunger“, bemerkte sie, als die Kleine lauter jammerte.
"Wie heißt ihr kleines Mädchen?“
„Mia“, flüsterte Jenny zögernd. „Sie hieß Mia.“
Dann ließ sie die verdutzte Schwester stehen und rannte Richtung Ausgang.

 

Hallo Herr Lollek,

danke für deine Version. Joah, ich find, sie ist wirklich knackiger und kürzer und dadurch nicht schlechter. Ich werde mal sehen, ob ich auf all die gekürzten Stellen wirklich verzichten kann und will :)

Eigentlich wollte ich an die Geschichte nochmal ran, um die Kritik von Fliege und Heimee aufzunehmen, bezüglich Jenny. Dann habe ich halbherzig angefangen umzuschreiben, fand aber, dass ich die Geschichte eben gerade nicht so haben wollte.

Ich wollte keine Geschichte, in der es darum dreht, dass sich eine Frau nicht sicher ist, ob sie das Kind kriegen soll oder nicht. Hier gibt es kein Überlegen. Die Entscheidung steht von Anfang an (wegen zu alt, wegen schon zwei Kinder, wegen Haus zu klein, wegen passt einfach nicht mehr). Nun macht sie den Prozess durch, den wohl viele Frauen durchmachen, wenn sie abtreiben. Sie sind einfach traurig und wenn man als Frau schon Kinder hat, hat das Ungeborene ein Gesicht und in diesem Fall auch einen Namen.

lg und danke !
Engelchen

 

Dann habe ich halbherzig angefangen umzuschreiben, fand aber, dass ich die Geschichte eben gerade nicht so haben wollte.
Dann lass es besser sein.
Ich werde mal sehen, ob ich auf all die gekürzten Stellen wirklich verzichten kann und will
ja, du kannst es ja auch einfach für weitere Geschichten mitnehmen und die so lassen ... Ich würde eben mehr Raum für Interpretationen empfehlen, weil dann jeder die Geschichte individuell lesen kann. Für mich gibt ein Satz mehr her, wenn dort nicht steht, dass jemand laut, hemmungslos und verzweifelt weint. Es reicht, wenn dieser jemand einfach nur weint und ob er das verzweifelt tut, das kann ich mir denken...

 

Moin Engelchen, ich will nicht nerven, aber mein Kommentar ziehlte nicht darauf ab, der Frau eine nicht gefällte Entscheidung anzudichten.

Wie und warum sich die beiden und vor allem die Frau dazu entschlossen haben, wird nicht so ganz klar.
Ich habe durchaus verstanden, dass die Frau (gemeinsam mit ihrem Mann) sich dazu entschlossen haben, nur ... siehe Zitat oben.

Herzlichst Heiner

 

Hi Heiner,

doch, ich finde es geht ziemlich klar hervor:

Nächstes Jahr würde Jenny sich einen Job suchen, dann könnten Sie die Zwischentilgungen erhöhen und sich zusätzlich noch einen Urlaub mehr im Jahr erlauben. Weihnachten hatten sie den Kindern den Wunsch nach einer Katze erfüllt.
„Jetzt ist unsere Familie komplett“, hatte Jenny gemeint.

]„Bist du dir sicher, dass wir nicht doch noch einmal drüber reden sollten?“
„Natürlich, bin ich sicher. Wir waren uns doch einig. Nächstes Jahr gehe ich wieder arbeiten. Die Kinder sind langsam aus dem Gröbsten raus. Meinst du, ich fange jetzt noch mal von vorne an? Außerdem haben wir doch auch garkeinen Platz mehr.“ Sie redet schnell und aggressiv.

„Um Gottes Willen nein. Das ist nur ein Vorschlag. Ich dachte, sie möchten keine Kinder mehr.
Jenny erzählte von ihren Kindern, den schwierigen und risikoreichen Schwangerschaften und wie sie

Die Familienplanung ist abgeschlossen, Punkt. Mag für Abtreibungsgegner nicht nachvollziehbar sein, aber es geht doch klar hervor, finde ich.

lg
Engelchen

 

nochmal hallo Lollek,

Für mich gibt ein Satz mehr her, wenn dort nicht steht, dass jemand laut, hemmungslos und verzweifelt weint. Es reicht, wenn dieser jemand einfach nur weint und ob er das verzweifelt tut, das kann ich mir denken...
ja, genauso sehe ich das eigentlich auch!!! Für mich war eigentlich auch klar, dass jede Frau mit Kindern eigentlich sofort nachvollziehen kann, was in der Prot vorgeht, auch ohne dass ich ihre Gedanken ausschlachte. Deswegen die Distanz, die Fliege aber z.B. bemängelt hat.
Ich habe jetzt noch mal abgeändert, lasse den Text erstmal sacken sonst verrenn ich mich in die falsche Richtung.

lg und schönen Sonntag Engelchen

 

Hallo Engelchen211,

erstmal vorweg, den Text auf gar keinen Fall nach den Meinungen der Kritiker umstricken, da kann nur was halbherziges bei rum kommen, weil es dann ja nicht mehr die Geschichte ist, die Du erzählen wolltest.

Die Entscheidung ist also aus xy- Gründen als Vernunftsentscheidung gefallen. Die Gründe lieferst Du dem Leser aber erst ein paar Absätze später. Der Leser steigt wie folgt in die Geschichte ein - Test sagt schwanger - Frau ist durch den Wind und heult und möchte allein sein. Und welcher Leser soll da jetzt davon ausgehen, dass da eine emotionslose, berechnende Entscheidung getroffen wurde? Er hat nur das Bild dieser sehr emotionalen Frau vor sich und das trägt er natürlich durch die Geschichte und baut darauf seine Erwartungen auf. Und darauf zielte meine Kritik, wenn ich meine, ich will mehr zu dem Moment im Badezimmer.

Für mich war eigentlich auch klar, dass jede Frau mit Kindern eigentlich sofort nachvollziehen kann, was in der Prot vorgeht, auch ohne dass ich ihre Gedanken ausschlachte. Deswegen die Distanz, die Fliege aber z.B. bemängelt hat.

Mir geht es doch nicht um Adjektive vor dem weinen, ob sie nun weint oder verzweifelt weint oder hemmungslos oder was weiß ich. Ich will wissen, was ihr in diesem Moment durch den Kopf geht und das scheint ja wohl zu sein - Familienplanung abgeschlossen, sie will nicht noch mal von vorn, sie will arbeiten etc.

Und Distanz zwischen Autor und Protagonist - das hat nichts mit Eigenerfahrung der Leser zu tun. Das hat auch nichts mit ausschlachten zu tun. Es ist einfach etwas, was ich beim Lesen spüre und mir die Figuren ebenfalls auf Abstand hält. Also, ich komm an die Frau nicht recht an, mit anderen Worten, hier läuft kein Kopfkino bei mir, auch nicht, wenn ich das alles schon selbst durchlebt hätte.

Aber wie gesagt, Deine Geschichte und meine Empfindung. Die können ganz verschiedene Wege gehen. Kein Problem.

Lieben Gruß Fliege

 

hallo Fliege,

danke nochmal für deinen Kommentar. Ich weiss schon, was du meinst. Mich erschreckt, dass die Entscheidung der Frau als emotionslos und berechnent bewertet wird. Denn das ist es eigentlich nicht...hm....vieleicht verlange ich da einfach doch zuviel vom Leser!?

Für sie ist das schon eine Vernunftsentscheidung, die sie vor sich verantworten muss und was sie unglücklich macht. Das wollte ich eigentlich ausdrücken. Sie hat ja ständig das ungeborene Kind in Gedanken, fragt sich, wie es wohl aussehen würde, wie es riechen würde, hat ein schlechtes Gewissen, dass sie für ihre geborenen Kinder sorgt und Mutter ist, aber ihr Ungeborenes nicht von ihr beschützt wird, sondern abgetötet.

Ich glaube, ich muss den Text erstmal eine Weile Ruhe lassen und ggf. später überarbeiten. Im Moment habe ich das Gefühl ich verenne mich zu sehr, wenn ich jetzt zuviel dran rumbastele.

Lg Engelchen

 

Hallo Engelchen211

Als ich in den letzten Tagen mal den Titel anklickte, stand da anstelle der Geschichte nur Fehler. Ich las dann die Kommentare, was mich dadurch vorbelastete aber auch neugierig auf den Inhalt der Geschichte zurückliess. Nun da sie überarbeitet wieder vorliegt, versuchte ich sie ohne Vorbehalte zu lesen. Mein Eindruck:

Die Geschichte scheint mir wirklich aus dem Leben gegriffen, eine ungeplante Schwangerschaft, die existenzielle Fragen in doppelter Hinsicht aufwerfen kann. Auch wenn es heute zur Tagesordnung bei den Gynäkologen gehört, ist es für die Eltern und besonders die Frau wohl meist eher kein leichter Entscheid.

Wie du die Geschichte aufrollst und mit Details versiehst, scheint sie mir glaubhaft dargestellt. Ein leichtes Unbehagen kam mir gegen Ende auf. Es schien mir trotz der Ausschmückungen und berechtigter teilweiser Gefühlsunterdrückung der Prot. etwas nüchtern, eher berichtend. Doch meine getrübte Stimmung wurde durch das Ende aufgelöst, als Jenny dem fremden Baby den Namen Mia gab. Da stimmte für mich die Geschichte. Ich könnte mir aber vorstellen, dass der Inhalt abgerundeter wirkte, wenn der innere Zwiespalt von Jenny, ihre Gefühle, ein wenig transparenter wären.

Noch ein paar Kleinigkeiten:

War ja klar, dass ich das jetzt schuld bin, weil ich technisch zu blöde bin.“

Dass das, erscheint mir unnötig.

Außerdem haben wir doch auch garkeinen Platz mehr.“

gar keinen

„Kein Problem, Frau Dr. Ich warte.“

In der wörtlichen Rede scheint mir die Ausschreibung des Titels, Doktor, angezeigt.

Insgesamt gern gelesen.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

hallo Anakreon,

Als ich in den letzten Tagen mal den Titel anklickte, stand da anstelle der Geschichte nur Fehler.
Joah, da war ich einfach zu doof.. Ich wollte ein paar Zitate aus meinem Text kopieren um einen Kommentar zu antworten und wunderte mich, dass meine Antwort ganz oben stand....Also habe ich meine "Antwort" gelöscht und neu geschrieben und garnicht gerafft, dass ich meine Geschichte gelöscht habe :D

Wie du die Geschichte aufrollst und mit Details versiehst, scheint sie mir glaubhaft dargestellt.
das freut mich !

Ein leichtes Unbehagen kam mir gegen Ende auf. Es schien mir trotz der Ausschmückungen und berechtigter teilweiser Gefühlsunterdrückung der Prot. etwas nüchtern, eher berichtend. Doch meine getrübte Stimmung wurde durch das Ende aufgelöst, als Jenny dem fremden Baby den Namen Mia gab. Da stimmte für mich die Geschichte.
Puh, wie schön, dass du die Geschichte genauso empfindest, wie ich sie beim Schreiben empfunden habe. So wollte ich das !! Eine Frau, die eine nüchterne Entscheidung trifft, es mit sich selbst ausmacht und doch innerlich zerbricht, weil sie schon eine Verbindung zum Kind aufgebaut hat.

Ich könnte mir aber vorstellen, dass der Inhalt abgerundeter wirkte, wenn der innere Zwiespalt von Jenny, ihre Gefühle, ein wenig transparenter wären.
Wie gesagt, ich lass den Text jetzt erstmal sacken und überarbeite ihn später ggf. diesbezüglich . Der Rest wird sofort geändert !

Danke für deinen Kommentar !
lg Engelchen

 

Hallo Marai,

aber sie macht mich traurig.
Das tut mir leid, freut mich aber auf der anderen Seite aber auch, weil die Geschichte bei dir funktioniert hat und Emotionen erwecken konnte.

Ich hätte mich gefreut, wenn die Geschichte am Schluss eine andere Wendung genommen und Jenny dem werdenden Kind doch noch eine Chance gegeben hätte.
Manche Geschichten haben nun mal kein Happy End.

danke fürs Lesen
Engelchen

 

Hallo Engelchen,

mich hat Deine Geschichte berührt. Ich empfinde die Charaktere als glaubwürdig, die Dialoge stimmig (natürlich spaltest Du hier das lesende Publikum die Abtreibungsbefürworter und Leute, die "immer einen anderen Weg" finden.), aber die Personen handeln mE glaubwürdig und das empfinde ich bei einer derart ernsten Thematik als essentiell. Die inneren Konflikte der Frau werden nicht plakativ aufgezählt, sondern dem Leser in vielen Facetten nahegebracht.
Der Schluss ist stark.

Grüße
Anne

 

hallo Anne,
danke fürs Lesen und für deinen positiven Kommentar! Schön, dass die Geschichte bei dir funktioniert hat!
lg Engelchen

 

Hi Engelchen,
jetzt bin ich über Deine Geschichte gestolpert und habe sie in einem Rutsch durchgelesen.
Zufälligerweise ist genau das Thema Abtreibung im Moment bei mir zu Hause ein Thema. Nein, nicht was Du jetzt denkst :-)), sondern meine Tochter hat in den Herbstferien für Religion ein Referat vorbereitet und zwar zum Thema Abtreibung. Deshalb.

Ich fand Deine Geschichte berührend, die Charaktere nachvollziehbar, auch der Konflikt Deiner Prota. Das Ende hat mir gut gefallen, wo der Schmerz herauskommt beim Ansehen der Neugeborenen.

Eines ist mir aufgefallen:

Das wusste sie sofort klar.

Entweder "Das wusste sie sofort" oder "Das war ihr sofort klar"

Ansonsten gerne gelesen.

Tschüss,
Giraffe :gelb:

 

hallo Giraffe,

schön mal wieder mit dir zu kommunizieren :) Danke für dein positives Feedback !!!!

lg Engelchen

 

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