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Messias-Syndrom

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24.06.2010
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Messias-Syndrom

Sie schielt auf den klaffenden Schnitt über meinem rechten Auge und möchte wissen, ob ich mir die Verletzungen in meinem Gesicht selbst zugefügt habe. Dann schiebt sie mir ihren Kugelschreiber in den Mund und sagt, dass neben den beiden Schneidezähnen auch ein Backenzahn fehlt.
„Schon ok“, sage ich und versuche dabei zu lächeln. „Es gibt Schlimmeres.“
Mit jedem Wort tropft etwas Blut auf mein frisch gebügeltes Hemd. Ich wische mit dem Rücken meiner Hand darüber und lächle weiter.
„Irgendwie werde ich aus Ihnen nicht schlau“, sagt sie und macht sich ein paar Notizen auf ihrem Klemmbrett.

Sie ist hübsch. Nicht mehr so hübsch wie die Frauen aus den Magazinen, aber für ihr Alter ist sie erstaunlich gut in Schuss. Vor 10 Jahren hätten sich noch Blätter wie 'Playboy' oder 'Penthouse' um sie gerissen, aber inzwischen ist sie zu alt und der kleine Bauchansatz unter ihrer Bluse ist deutlich zu erkennen.

„Ich würde Ihnen wirklich gerne helfen“, sagt sie. Und dann: „Schenken Sie mir ein wenig Vertrauen. Reden Sie mit mir.“
„Ich habe Ihnen alles erzählt“, sage ich. „Bei mir ist soweit alles in Ordnung“.
Ich versuche gelangweilt zu seufzen, stattdessen stößt meine Zunge durch die Zahnlücke und zerstäubt frisches Blut in der sengenden Hitze.
Sie beobachtet mich, mit diesen schwarz funkelnden Augen und sie schiebt sich nachdenklich den Kugelschreiber in den Mund. Ich frage mich, ob das, was zwischen uns beiden existiert, die einzig wahre Liebe ist.
Mein Speichel und mein Blut.
Denn ich bin das Heil, das hinwegnimmt die Sünden der Welt.
Folge mir und du wirst ewig leben.
Trinke von mir und du empfängst die Absolution.
Esse von mir und ich werde für immer bei dir sein.

„Sie müssen dringend zum Arzt“, sagt sie.
„In zwei, vielleicht drei Tagen ist alles wieder in Ordnung“, sage ich und zeige auf die kreisförmig violette Verfärbung, die sich wie ein Tintenfisch um mein geschwollenes Auge legt. „Ich muss einfach besser aufpassen, die Augen offen halten. Verstehen Sie?“
„Ich soll Ihnen die Geschichte also glauben“, sagt sie. „Zwei Männer prügeln Sie am helllichten Tag an einer Bushaltestelle zu Boden. Ohne Grund. Und kein Mensch sieht oder hört etwas?“
„So ähnlich ist es gewesen“, sage ich. Und ich nicke und fühle mich schlecht.
Lügner.
Scharlatan.
Folge mir und du zerfällst zu Staub.
Das ist die einzige, die echte Wahrheit.

„Was treiben Sie eigentlich den ganzen Tag?“, sagt sie.
„Sie meinen, wenn ich nicht gerade an Bushaltestellen herumstehe und mich verprügeln lasse?“ Ich warte auf ihr Lächeln, auf diesen kurzen Moment, wenn ihre perfekt weißen Zähne durch die Lippen blitzen wie kleine Diamanten.
„Ich bin Programmierer“, sage ich. „Ich arbeite an der Börse: High Frequenzy Trading. Ich entwerfe Programme, mit denen sich Aktien im Millisekunden-Bereich handeln lassen.“
Ihr hübsches Köpfchen nickt und ich füge verständnisvoll hinzu: „Ziemlich kompliziert das Ganze.“
„Und in Ihrer Freizeit?“, sagt sie. „Sie haben doch Freizeit?“
„Oh ja“, sage ich. „Ich sehe mir gern alte Filme an, oder ich lese.“
Oder ich schneide mir die Pulsadern auf.
Oder ich tacker mir die Eier an den Couchtisch.
„Was lesen Sie?“, sagt sie.
„Hemingway, Ellis, Miller. Die Großen“.

Dabei hatte ich seit zehn Jahren kein Buch mehr in der Hand.
Es gab eine Zeit, in der ich Bücher geradezu verschlungen habe. Jeden Tag ein Buch, manchmal auch zwei oder drei Tage für die dicken Wälzer. Aber je älter ich werde, desto weniger interessieren sie mich. Irgendwie habe ich es satt, ständig darüber zu lesen, wie beschissen und abgründig das Leben sein kann. Oder wie verdammt lustig. Wenn du in der Scheiße sitzt, finde dich damit ab. Hör auf zu jammern und bring deinen Arsch in Bewegung. Und wenn die Sonne nur für dich strahlt und alles happy ist, dann solltest dir ernsthafte Gedanken über deinen Drogenkonsum machen, du verlogenes Stück Scheiße.

„Kennen Sie 'Der alte Mann und das Meer'?“, sagt sie.
„Klar“, sage ich.
„Was halten Sie davon?“
„Hemingway? Ich denke, es ist sein schlechtestes Buch“, sage ich und sie runzelt die Stirn.
„Kommen Sie“, sage ich. „Ein alter Mann segelt übers Wasser und fängt einen Fisch. Und zurück im Hafen haben längst die Haie den verdammten Fisch gefressen. Der alte Idiot hätte sich am besten gleich zu den Viechern ins Meer werfen sollen.“
„Sie meinen, es lohnt sich nicht zu kämpfen?“, sagt sie.
„Das habe ich nicht gesagt.“, sage ich. „Ich meine: was weiß ein sterbender Fischer aus einem Kuhdorf am Arsch der Welt über das Leben. Oder das Kämpfen. Er ist ein Versager. Ich glaube, nicht mal die Haie hätten ihn gefressen.“
„Sie tun mir leid“, sagt sie.
„Ok“, sage ich. „Ich habe verstanden. Na los, tun sie es. Schlagen Sie mich.“
„Was?“, sagt sie und sieht mich an, als hätte ich soeben den letzten Funken Hoffnung an das Gute im Menschen aus ihrer Seele gesaugt.
„Sie sollen mich schlagen“, sage ich und halte ihr den Kopf hin. „Nicht so schüchtern. Ich weiß, dass Sie es gerne tun würden. Geben Sie mir eine.“

Ihr Gesicht hat die Farbe von Wachs und ihre Augen spiegeln sich im Licht wie schwarz polierter Stein. Sie sagt kein Wort.
„Gut“, sage ich. „Wenn Sie eine Chance nicht erkennen, weil Sie zu blöd sind, dann muss ich es selber erledigen.“
Ich trage für solche Notfälle ein Skalpell bei mir. Mit der linken Hand straffe ich die Haut unter meinem geschwollenen Auge und mit der rechten steche ich durch das dünne Fleisch meiner Wange. Ich ziehe das Skalpell an den Zähnen entlang nach vorne, bis die Klinge auf eine Lücke trifft.
„Sehen Sie das?“, sage ich und spucke wieder Blut. „Das hier ist das echte Leben. Kein Gesäusel über elende Fischer und den verzweifelten Kampf mit der Natur. Wenn du den Schmerz noch spüren kannst, weißt du, dass du noch nicht tot bist. Alles andere ist Bullshit.“
Ich fühle mich schlecht .
Ich fühle mich wie das Furunkel am Arsch dieser Welt.
Ich habe längst vergessen, was mir heilig ist.

„Ich denke, Sie sollten jetzt besser gehen“, sagt sie und starrt auf den Boden.
„Ok“, sage ich. „Alles klar. Wie Sie möchten.“
Ich stehe auf und der Teppich knirscht unter meinen Schuhen. Am Türrahmen warte ich und werfe ihr ein letztes groteskes Lächeln zu.
„Nächste Woche zur gleichen Zeit?“, sage ich.
„Wir sollten telefonieren“, sagt sie und sieht mich dabei nicht mal an.
„In Ordnung“, sage ich und schließe die Tür.
Für einen kurzen Moment drücke ich mein Ohr gegen das hell lackierte Holz und meine Wange hinterlässt einen schmatzenden Fleck.
Ich lausche.
Ich lächle.
Irgendwie werde ich aus ihr nicht schlau.

 

Hi Downer,

Ich weiß nicht genau, was ich davon halten soll. Viel story ist da ja jetzt nicht drin. Der Typ spricht mit einer Frau, liebt sie offenbar und hat sich ihr zu liebe geprügelt (oder versteh ich das falsch?). Aber irgendwie fehlt mir da der Bezug zum Horrorgenre, aber egal.

Formalia:

Du scheinst sehr große Probleme mit der Zeichensetzung bei direkter Rede zu haben. Das hatte ich anfangs auch, deswegen hier einige Beispiele:

„Schon ok“, sage ich und versuche dabei zu lächeln, „Es gibt Schlimmeres“.

Anstelle des zweiten Kommas wäre ein Punkt besser wie du ihn auch später öfters verwendest.
Der Punkt nach "Schlimmeres" gehört in die wörtliche Rede, danach folgt nichts mehr.

„Schenken Sie mir ein wenig Vertrauen. Reden Sie mit mir“.

Hier ebenfalls Punkt am Ende des Satzes, aber noch vor das Anführungszeichen, also:

„Schenken Sie mir ein wenig Vertrauen. Reden Sie mit mir.“

Das hast du sehr häufig in deinem Text, aber nach einmal Redigieren ist es auch drin. War in meiner Anfangszeit genauso:)

„Ich habe Ihnen alles erzählt“ sage ich.

hier hast du das Komma weggelassen. Besser wäre:

„Ich habe Ihnen alles erzählt“, sage ich.
Dabei ist allerdings zu beachten, dass kein Satzzeichen in der wörtlichen Rede ist, ausgeschlossen davon sind Fragezeichen und Ausrufungszeichen.

Und ich nicke und fühle mich schlecht.

Das "und" hier ist überflüssig, auch das wiederholt sich ein oder zweimal im text. Musst du mal schauen.

Stil

Deine Wortwahl ist manchmal ein wenig eigenartig.

Sie schielt

Warum schielt sie? kann sie nicht richtig gucken?

Kugelschreiber

Warum stochert sie ihm mit einem Kugelschreiber im Mund rum und kaut dann anschließend selbst drauf? Abgesehen von dem Hygieneaspekt. Wenn sie Arzt wäre würde sie doch ein Holzstäbchen oder sonst irgentetwas nehmen, aber doch keinen Kugelschreiber.

Was ebenfalls auffällt, du hast manchmal überflüüssige Adjektive und Umschreibungen in deinem Text.

Ich wische mit dem Rücken meiner Hand darüber und lächle weiter.

könnte man z.b. so kürzen:

Ich wische mit meiner Hand darüber und lächle.

Alles, was der Satz aussagen soll, ist gesagt. Ob das jetz der Rücken der Hand war oder die Handinnefläche ist mMn irrelevant.

Ansonsten ist mir die Geschichte ein wenig zu karg. Zu wenig Hintergrund, zu wenig Gedanken. Er jammert nur immer rum und bewundert die Schönheit der Frau. So könnte man die Geschichte zusammenfassen. Da muss mehr Handlung rein! Viel Erfolg beim Überarbeiten.

mfg Leos

P.S.: Heißt der Typ nicht Hemingway? Das weiß ich selbst allerdings nicht genau.

 

Hi Leos,

Danke für die Tipps! Wenn man solange aus der Übung ist, ist aller Anfang schwer. An meiner Zeichensetzung muss ich noch arbeiten. Ich habe den Text durchgesehen und die Fehler ausgebessert. Ich hoffe, ich habe alle erwischt.

Eigentlich wollte ich den Text unter "Spannung/Krimi" veröffentlichen, hielt es aber hier für angebrachter. Oder wäre "Experimente" die richtige Kategorie? Die Übergänge sind so fließend, dass ich mich nicht entscheiden konnte.

Ich werde mir deine Ratschläge zu Herzen nehmen und es nächstes Mal besser machen. Versprochen! Die Handlung ist etwas einfach geraten, auch wenn ich denke, dass mehr unter der Oberfläche steckt als man auf den ersten Blick vermutet. Aber das ist, wie immer, eine Frage des Geschmacks.

P.S. Er schreibt sich tatsächlich "Hemingway". Böser Fehler. :Pfeif:

 
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Moi Downer,

und herzlich willkommen auf KG.de! :)

Ich habe ehrlich gesagt auch gerätselt, ob nicht Spannung/Krimi besser wäre - habe aber gemeint, durch diese ganzen christlichen Bezüge stünde irgendwas Übernatürliches dahinter. Hab's nur nicht deuten können, weil ich die Bibel nicht gelesen habe - falls Dein Prot also ein ganz hehe 'normaler' Mensch ist, könnte ein Verschieben tatsächlich Deiner Geschichte zugute kommen. Allerdings gibt es hier in Horror auch die "Abgründe der menschlichen Psyche, dunkle Gedanken" und so. Hm.
EDIT nach PN: Ja, Thema paßt in die Rubrik, müßte nur etwas deutlicher gemacht werden. Ich hatte mich also bei der Interpretation vertan.

Überleg doch nochmal, worin für Dich der Hauptaspekt besteht, und sag mir per PN Bescheid, ob Du verschieben magst - und wenn, wohin. Vielen Dank.

Experimente
- dafür müßte ich wissen, worin das Experiment besteht, denn es gibt dort nur formale, nicht rein inhaltliche.

P.S. Warum eigentlich ein englischer Titel? Über einer deutschsprachigen Geschichte wirkt das - wenn es keinen besonderen inhaltlichen Grund dafür gibt - leider schnell bemüht.
EDIT: Titel in Absprache mit dem Autor geändert.

Und bevor sich das falsch einbürgert: Formalia ist kein Synonym von Formelles/'Formkram'.

Herzlichst,
Katla

 

Hallo Katla,

leider hat meine Antwort etwas auf sich warten lassen. Ich denke, gerade unter dem Aspekt der "Abgründe menschlicher Psyche" ist die Kurzgeschichte hier recht gut aufgehoben. Es ist vielleicht kein "typischer" Horror, aber mehr noch als Krimi oder Thriller, wie ich finde.

Den englischen Titel habe ich nach einem Song gewählt: Lionel Richie mit "Endless Love". Beim Schreiben hatte ich diesen als Ohrwurm im Hinterstübchen. Ich dachte, der Song wäre so bekannt, dass man den Bezug automatisch herstellt. Aber das war wohl mehr Wunschgedanke als Realität.

Und um ehrlich zu sein, auch ich habe herumgerätselt, ob sich ein deutscher Titel nicht besser eignen würde. Mein Fazit also:

Fragen über Fragen über Fragen :D

 
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Hallo, Downer!

Leider habe ich deine Geschichte nicht verstanden: Wo befindet sich dieser Typ überhaupt? Ist er bei einem Psychiater? Wenn das so ist, warum stochert sie in seinem Mund mit einem Kugelschreiber rum?
Er schneidet sich selbst mit einem Skalpell im Gesicht und sie zeigt keine Reaktion... An dieser Stelle dachte ich, sie wäre seine Gefangene, der Moment mit dem Kugelschreiber passt aber dann nicht so recht.
Na ja, keine Ahnung, vielleicht habe ich verschiedene Andeutungen im Text übersehen...
Ah, und was hat diese Stelle zu bedeuten im Bezug auf den Text - Zitat:

Mein Speichel und mein Blut.
Denn ich bin das Heil, das hinwegnimmt die Sünden der Welt.
Folge mir und du wirst ewig leben.
Trinke von mir und du empfängst die Absolution.
Esse von mir und ich werde für immer bei dir sein.

Also, die Geschichte liest sich flüssig, hat mir sogar gefallen, jedoch den Sinn habe ich nicht verstanden.

Ein paar Sachen noch!

Sie schielt auf den klaffenden Schnitt über meinem rechten Auge und möchte wissen, ob ich mir die Verletzungen in meinem Gesicht selbst zugefügt habe.
- Ist klar, dass das sein Gesicht ist, es steht ja oben "mein Auge".

„Das habe ich nicht gesagt.“, sage ich. „Ich meine: was..."
- Nach "gesagt" kein Punkt.

Und wenn die Sonne nur für dich strahlt und alles happy ist, dann solltest dir ernsthafte Gedanken über deinen Drogenkonsum machen, du verlogenes Stück Scheiße.
- Fehlt hier nicht ein "du"? Also, solltest du dir...

Dann schreibst du nach einer wörtlichen Rede ständig - "sage ich", "sagt sie", das kann man bestimmt durch Synonyme ersetzen, oder an manchen Stellen ganz weg machen.

Und, schreibt man das "ok" in einem Text nicht aus - also, "okay". Ist zwar eine Kleinigkeit, und wenn meine Aussage nicht stimmt, dann vergessen wir das.

mfg
Geert

PS: Ist für mich kein Horror.

 

Servus!

Ich bin irgendwie gehackstückelt, weiß nich so recht, wie ich das finden soll, aber die Tendenz geht deutlich rüber zu mögen. Also, die Szene mit dem Kugelschreiber finde ich nicht so problematisch - ich hab auch schon mal jemanden in den Mund geguckt, der Zahnschmerzen hatte. Allerdings war es in dem Fall ein Kochlöffel. Na ja, lassen wir das:D! So rein von der ganzen Machart her erinnert es mich an ein paar Geschichten von so einem Kerl, der ein Buch geschrieben hat, in dessen Verfilmung Brat Pitt und Edwart Norton eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Macht aber nix, denn ich mag das:D! Der Typ selber könnte natürlich alles mögliche sein, und den Gedanken finde ich auch nicht übel. Das er diese Frau liebt, glaube ich nun nicht, weil er sich ja lediglich eine Frage darüber stellt. Das macht man ständig, wenn man desillusioniert ist, glaub ich. Oder verrrückt. Oder...

Och, mir gefällt Deine Story.
Gruß,
Satyricon

 

Hallo Downer,

ich mochte diesen sehr rotzigen Dialog, der aber an ein oder zwei Stellen stilistisch ausbricht und gar nicht mehr umgangssprachlich klingt. Musste die ganze Zeit an "Fight Club" denken. Da du das wann, wer, wo so ein bisschen offen lässt, habe ich mir zusammengereimt, dass da jemand nach einer Prügelei in der Notaufnahme sitzt und zusammengeflickt wird. Dazu würde auch passen, dass er Börsenfuzzi ist. Also, auch deswegen musste ich an Fight Club denken.

Horror finde ich tatsächlich ein bisschen großzügig ausgelegt, menschliche Abgründe hin oder her ... da ist ja bald jeder finstere Gedanke, den man mal so haben kann, gleich Horror (Scheiße, gleich fängt's an zu regnen und ich hab natürlich keinen Schirm dabei). Müsste man fast eine eigene Unterkategorie für kreieren, "Horror mit menschlichen Abgründen aber ohne Serienkiller und Amokläufer" oder so.

An einer Stelle wird es mir zu platt, da wird der Unterhaltungswert durch die Banalität ausgebremst. Dein Prot sagt da sowas wie "Schmerz zeigt uns, dass wir noch leben". Da würde ich mal schauen, ob ich das weniger "schon tausendfach gehört" verpackt bekomme.

High Frequenzy Trading.

Bisniss-Engeutsch? Frequency.

Dabei hatte ich seit zehn Jahren kein Buch mehr in der Hand.

gehabt

Kein Gesäusel über elende Fischer und den verzweifelten Kampf mit der Natur.

Ja, das ist so eine Stelle. Zu literarisch - elend, verweifelt - das klingt nicht nach einem "normalen" Dialog.


MFG
JC

 

Hallo in die Runde,

leider war ich in letzter Zeit sehr beschäftigt und melde mich erst jetzt, nach langer Abstinenz, zurück. Ich gebs ja zu: es ist eine komische kleine Geschichte, die viel Platz für Spekulationen läßt. Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich versucht habe, die Geschichte komplett aus dem Kontext zu reißen. Es sollte eine Art "Episode" werden, mit offenem Anfang und offenem Schluss, als wäre es ein frei herausgegriffenes Kapitel eines Romans, der sich dann selber zu Ende erzählt. Ich glaube, zumindest in Teilen ist mir das gelungen.

Ich nehme mir eure Kritik zu Herzen und werde die Geschichte noch einmal von Grund auf überarbeiten um etwas mehr Licht ins Dunkel zu bringen. Kann ja nur besser werden ;)

Liebe Grüße
Downer

 

Hi Downer,
Eine sehr gute Story finde ich, gehört auf jeden FAll in Horror, hat eine gewisse ähnlichkeit mit Salems Amputation. Auch hier ist ein Geisteskranker der Mittelpunkt der Geschichte.
Soweit so gut. Die HAuptfigur ist hervorragend geschildert, ich finde auch deine Beschreibungen sehr präziese.
Was verschwommen bleibt, ist die Doktorin und ihre Reaktion. Sie nimmt das alles zu gelassen hin, besonders das Ende, als er sich mit ihrem Skalpell schneidet. Da wäre eine große Chance, derGeschichte mehr Dramatik zu geben.
Auch ich dachte mir bei der Szene mit dem Kugelschreiber, dass sowas nicht gerade hygienisch ist ...
Bis zum Ende hat mich auch noch verwundert, warum die Geschichte"Das Messias Syndrom" heißt.
Wenn ich weiter so darüber NAcdenke, so wirkt die Geschichte fast unfertig, also, vielleicht fällt dir ja nochwas ein.

LG
Bernhard

 

Hi Downer

Mir hat die Geschichte sehr gut gefallen. Kurz, schmutzig, direkt. Liest sich sehr flüssig, vor allem weil auch der Dialog sehr lebendig gestaltet ist.

Besonders gefallen haben mir dabei die gedanklichen Ergänzungen des Protagonisten zu seinem Gesagten, bspw. das hier:

„Und in Ihrer Freizeit?“, sagt sie. „Sie haben doch Freizeit?“
„Oh ja“, sage ich. „Ich sehe mir gern alte Filme an, oder ich lese.“
Oder ich schneide mir die Pulsadern auf.
Oder ich tacker mir die Eier an den Couchtisch.

Was mir nicht so gut gefallen hat, waren die religiösen Bezüge, wie bspw. diese Stelle hier:

Denn ich bin das Heil, das hinwegnimmt die Sünden der Welt.
Folge mir und du wirst ewig leben.
Trinke von mir und du empfängst die Absolution.
Esse von mir und ich werde für immer bei dir sein.

Dieser religiöse Bezug geht vollkommen verloren, als der Protagonist an einer anderen Stelle sehr viel "bodenständiger" über seine Ansichten plaudert:

„Ich meine: was weiß ein sterbender Fischer aus einem Kuhdorf am Arsch der Welt über das Leben. Oder das Kämpfen. Er ist ein Versager. Ich glaube, nicht mal die Haie hätten ihn gefressen.“

und vor allem hier:

„Das hier ist das echte Leben. Kein Gesäusel über elende Fischer und den verzweifelten Kampf mit der Natur. Wenn du den Schmerz noch spüren kannst, weißt du, dass du noch nicht tot bist. Alles andere ist Bullshit.“

Ich sehe hier einen gewissen Widerspruch, der für mich nicht aufgeht. Die Person wirkt jetzt vielmehr wie ein zutiefst hoffnungsloser, enttäuschter, vielleicht depressiver Mensch, der sich selbst Schmerzen zufügen muss, um zu erkennen, dass er überhaupt noch am Leben ist. Aber der "religiöse Spinner" vom Beginn ist verschwunden.

Eine Kleinigkeit noch:

Für einen kurzen Moment drücke ich mein Ohr gegen das hell lackierte Holz und meine Wange hinterlässt einen schmatzenden Fleck.

"schmatzend" ist ja eher ein Geräusch, daher würde ich schreiben "... und meine Wange hinerlässt schmatzend einen Fleck."

Aber wie gesagt, ist echt ne gute Geschichte, die ich gern gelesen hab.

Viele Grüße.

 

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