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Menschenzweifel und Naturschönheit

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03.01.2016
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Menschenzweifel und Naturschönheit

Als der junge Mann an jenem Mittag in den Schein der glühenden Sonnet trat, schreckte er geblendet zurück in den dunklen, kühlen Hauseingang, der wie der Eingang zu unterirdischen Katakomben in einer Arena wirkte, aus dem die grölende und schreiende Menge das Auftauchen der wilden Tiere sehnend erwartete, denn das würde von ihnen als tumbe Masse ab- und die Konzentration auf die blutige Auseinandersetzung dort unten lenken.
So dachte der junge Mann und lurte aus seinem schattenhaften Versteck auf die von Hitze glimmende Straße, die sich dunstig zwischen den Häuserreihen zu beiden Seiten dahinstreckte und im Schatten der überhängenden Dächer lagen manchmal Leute dösend mit Hüten über den Gesichtern.
Die Stadt war erfüllt von der Stille der Hitze.
Für einen kurzen Moment lauschte der junge Mann der Stille, forschte ihren Höhen und Tiefen, ihrer Intensität nach und erkundete die Komplexität derjenigen in ihrem lückenlosen Dasein. Aber dann wagte er sich doch in die heiße Stille hinaus, welche ihn, als er schließlich aus dem Hauseingang hinaustrat, wie eine Glocke umfing.
Das einzige Geräusch, das ihn währen seines Gangs zwischen den stillen ocker- und erdfarbenen Häuserreihen erreichte, war das dann und wann einsetzende Zirpen der Zikaden, deren Ruf aus ihren kühlen Verstecken in den krüppeligen Bäumen erklang.
‚In der letzten Zeit waren schon einige schrecklich-schöne Erlebnisse,´ dachte er. ‚Da wären schon einige gute Geschichten rausgekommen. Hätte ich nur mal was gemacht. Hätte ich nur mal was angepackt… Aber diese Hitze lähmt.´
Und so ging er langsam sinnend die Straße entlang und nahm sein Umfeld nicht wahr, denn er bedachte, ob wirklich die Hitze für sein ausbleibendes Schreiben verantwortlich war oder die Faulheit, die ihn daran hinderte, die die Gedanken einschränkte in ihrer Bewegung mit zunehmender Dauer.
Die Straße stieg an, was ihn aus seinem gedankenvollen Gang riss, denn in Zuge dessen hatten sich seine Schritte verlangsamt. Als er nun am Fuße des kleinen Hügels angelangte und die Straße dementsprechend steiler wurde, beschleunigte er die Schritte in einem Maße, das die Hitze zuließ und erklomm den Hügel in relativ kurzer Zeit, vorbei an den geduckten Flachdachhäusern, der Pflastersteinstraße, die bald in einen einfachen Feldweg mündete und schließlich auf eine Freifläche oberhalb der letzten Häuser, auf der grüne und gelb vertrocknete Gräser im Wied wiegten und ab und an vereinzelte Ziegen, die grasten.
Ganz oben stand ein Eichenbaum, ganz allein; darunter eine Bank auf der eine alte Frau saß. Allein schlafend. Auf der Bank. Im Schatten. Regungslos. Versunken in den Traum der Jugend.
Er setzte sich auf die Bank neben die alte Frau und betrachtete die sich bewegenden Schatten der im Wind wiegenden Blätter mit den sonnigen flecken dazwischen, wie sie über den Boden vor ihm dahin- und auch manchmal seine ausgestreckten Beine mit dem hell-dunkel Muster überzogen.
Der Wind kühlte sein verschwitztes Gesicht und bis auf das Rauschen desselben war es still. Es war die heißeste Stunde des Tages. Nichts rührte sich außer der Wind.
Die unter ihm ausgebreitete Stadt lag regungslos da wie ein großer, majestätischer, dösender Löwe, doch in jedem Moment bereit sich auf den Herannahenden zu stürzen. Aber jetzt war sie ruhig.
Nachdem der Schweiß etwas getrocknet war und die Hitze im Schatten erträglich wurde, beobachtete er die alte Frau neben ihm. Ihr Atem ging gleichmäßig, der Kopf war etwas nach vorne gesenkt und manchmal flatterten ihre Augenlider. Auf ihrem Schoß lag ein aufgeschlagenes Buch.
Ihr Gesicht war von Runzeln und Falten überzogen, wirkte wie das Relief eines Gebirges und das weiße Haar war zu einem Zopf am Hinterkopf zusammengebunden.
Er wollte sie gerne ansprechen, aber gleichzeitig scheute er sich sie zu wecken. So schloss er die Augen, döste vor sich hin, schritt auf der Grenze von Traum und Realität entlang. Schattenhafte Bewegungen drangen durch seine Lider, er war irgendwo – mal da, mal dort – und plötzlich eine sanfte Stimme, die sagte:
„Guten Tag.“
Er schlug die Augen auf. Es war einige Zeit vergangen. Später Nachmittag. Die alte Frau hatte ihm ihr Gesicht zugewandt und blickte ihn an.
„Guten Tag“, sagte sie noch einmal.
„Guten Tag.“
Ihre Augen waren grau-blau und klar. Er berappelte sich. Jetzt war er wieder voll da.
„Das ist das erste Mal, dass ich jemanden hier oben treffe.“
„Ach, wirklich?“
„Ja, ja. Jeden Tag gehe ich hier hinauf und lese und betrachte die Stadt und das Land und manchmal schlafe ich ein, so wie heute, aber bisher bin ich hier noch niemandem begegnet.“
„Ich hoffe ich störe Sie nicht.“
„Nein, nein“, sagte sie schnell und überzeugend.
„Gut, dann bleibe ich noch etwas. Es ist sehr schön hier.“
„Ja, wahrhaftig.“ Und dann fragte sie:
„Warum kamen sie gerade heute hier hoch, an so einem heißen Tag?“
„Die Hitze hat mich in meiner Wohnung wie gelähmt und ich wollte nur hinaus, frei atmen, die Gedanken entwirren und bin durch Zufall hier hinauf gelangt.- Wissen Sie, ich schreibe eigentlich, aber seit es so heiß ist komme ich zu nichts – sei es aus Faulheit oder tatsächlich der extremen Wärme geschuldet – und es ist nicht so das ich keine Einfälle hätte, aber sie in einer guten Weise auf das Papier zu bringen will mir zur Zeit nicht gelingen und aus Angst, dass es nicht gut werden könnte, beginne ich erst gar nicht.- Ich dachte mir, dass es vielleicht helfen könnte aus der Stadt zu gehen, in die Natur. Mir geht es dann oft besser. Ich werde dann klar in meinen Gedanken.“
Sie schaute ihn lange an, dann erwiderte sie trocken:
„Sie scheinen mir ja ihr Vertrauen in sich verloren zu haben. Aber ich kann Ihnen sagen, dass dies ein guter, wenn nicht sogar der beste Platz ist, um seine Gedanken zu entwirren. Warum denken Sie denn, dass ich mir jeden Tag die Mühe auf mich nehme und hier hinaufwandere!“
„Ja, ich glaube Ihnen. Es ist auch schon besser.“
Er wandte seinen Blick von ihr ab und schaute wieder auf die Stadt unter ihnen und die ersten Lichter flammten in Gassen und Häusern und Straßen auf. Hier oben war es noch deutlich heller, denn die Stadt lag in einem Kessel. Die Sonne hatte deutlich an Intensität und Stärke verloren und befand sich schon weit im Westen – was für ein seltsamer immer gleicher Gang von Ost nach West das ist, dachte er sich – und färbte sich langsam rötlich.
‚Was für ein schöner Anblick, die alltägliche Wanderung der Sonne. Besonders am Anfang und am Ende des Tages. Ich sollte öfter hier hinaufgehen. Es ist wirklich schön hier. Beruhigend. Friedlich. Und das Hinaufgehen bringt den Geist in Schwung, die Inspiration kommt vom Gesehenen in den Straßen und hier oben auf dem Hügel.´
So dachte er und genoss den Ausblick auf die Stadt, die Sonne, die Wiese.
„Setzen sie sich einfach mal hin und fangen an zu schreiben. Dann wird schon etwas gutes dabei rauskommen.“ Sie unterbrach ihn in seiner Gedankenschwebe.
„Ja das werde ich tun, wenn ich zurück bin.“
Langsam wurde es auch hier oben dunkler und die Dämmerung setzte ein. Immer mehr Lichter schimmerten aus der Stadt und erhellten den dunkelnden Himmel.
„Ich werde jetzt gehen. Einen schönen Abend wünsche ich Ihnen“, sagte er und stand auf und ging langsamen Schrittes aus dem Schatten des Eichenbaums hinaus. Dann drehte er sich um und winkte der alten Frau und sie winkte zurück und in den Hauch der Nacht flüsterte er: „Ich werde wieder kommen, wenn es Ihnen recht ist.“
Dann ging er den irdenen Weg durch die Wiese mit den grünen und gelb vertrockneten Gräsern zurück, während auf der anderen Seite des Kessels langsam die flammend-rote Sonnenscheibe verschwand und den Himmel in leuchtende Farbtöne tauchte. Darüber wollte er schreiben. Wie war eigentlich ihr Name gewesen?
Die orangen-gedämpften Lichter der Straßenlaternen kamen in sein Blickfeld, leuchteten schön und gemütlich. Seine Füße betraten die harte Pflastersteinstraße und seine Schritte hallten durch die Straßen und Gassen der löwenartigen Stadt, die jetzt aber viel ungefährlicher wirkte, hallten durch die Wälder und Wiesen um die Stadt, die im Dunkel der Nacht ruhig dalagen.

 
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Hey DrGonzo

Ein herzliches Willkommen auch von mir.

Als der junge Mann an jenem Mittag in den Schein der glühenden Sonnet trat, schreckte er geblendet zurück in den dunklen, kühlen Hauseingang, der wie der Eingang zu unterirdischen Katakomben in einer Arena wirkte, aus dem die grölende und schreiende Menge das Auftauchen der wilden Tiere sehnend erwartete, denn das würde von ihnen als tumbe Masse ab- und die Konzentration auf die blutige Auseinandersetzung dort unten lenken.
So dachte der junge Mann

Der erste Satz ist unglaublich lang und dann soll der Protagonist das alles (inkl. „Als der junge Mann…) auch noch gedacht haben? Zum Satz selbst: lange Sätze können funktionieren, wenn der Leser sanft vom einen Bild zum anderen, von einem Gedanken zum nächsten geführt wird, und wenn es keine Stolperfallen, wie - „ab- … und wo ist endlich das Verb? – gibt. Hier haben wir zuerst die Sonne, dann den Hauseingang, dann einen Vergleich mit einer Arena, dann plötzlich ein Gedanke, der zu diesem Vergleich gehört – hier bleibe ich spätestens stecken. Nimm das auseinander und straffe.

Versteck auf die von Hitze glimmende Straße, die sich dunstig zwischen den Häuserreihen zu beiden Seiten dahinstreckte und im Schatten der überhängenden Dächer lagen manchmal Leute dösend mit Hüten über den Gesichtern.

Auch hier: Mitten im Satz wechselst du von den Häuserreihen über die Dächer zu den Leuten. Da solltest du die Leser m.E. besser führen.

Die Stadt war erfüllt von der Stille der Hitze.
Für einen kurzen Moment lauschte der junge Mann der Stille, forschte ihren Höhen und Tiefen, ihrer Intensität nach und erkundete die Komplexität derjenigen in ihrem lückenlosen Dasein. Aber dann wagte er sich doch in die heiße Stille hinaus, welche ihn, als er schließlich aus dem Hauseingang hinaustrat, wie eine Glocke umfing.
Das einzige Geräusch, das ihn währen[d] seines Gangs zwischen den stillen ocker- und erdfarbenen Häuserreihen erreichte

Achte auf Wortwiederholungen. Vor allem bei zentralen Begriffen. Sonst stellt sich beim Leser die bekannte: „Ja, ich hab’s begriffen, es ist still“-Reaktion ein. Und dann war mir das Forschen in den Höhen und Tiefen der Stille too much. Ich weiss, was du meinst, es gibt ja auch die paradoxe Formulierung „der Stille lauschen“ – aber eben, ich stelle mir dann den Protagonisten vor, wie er sagt: „Jetzt klingt die Stille sehr tief.“

Und so ging er langsam sinnend die Straße entlang

langsam und sinnend

Und so ging er langsam sinnend die Straße entlang und nahm sein Umfeld nicht wahr, denn er bedachte, ob wirklich die Hitze für sein ausbleibendes Schreiben verantwortlich war oder die Faulheit, die ihn daran hinderte, die die Gedanken einschränkte in ihrer Bewegung mit zunehmender Dauer.
Die Straße stieg an, was ihn aus seinem gedankenvollen Gang riss, denn in Zuge dessen hatten sich seine Schritte verlangsamt.

Meine Reaktion: Der Autor will, dass ich merke, dass der Protagonist nachdenkt. Mach das zurückhaltender, vertrau deinen Lesern.

beschleunigte er die Schritte in einem Maße, das die Hitze zuließ

„…Schritte, soweit es die Hitze zuliess“ gefiele mir besser.

Versunken in den Traum der Jugend.

Da habe ich ein Problem mit der Perspektive. Bisher dachte ich, dass aus der Sicht des Protagonisten erzählt wird. Aber der weiss nicht, was die Frau träumt.

Er berappelte sich.

Das passt m.E. nicht zur Stimmung des Textes.

Wissen Sie, ich schreibe eigentlich, aber seit es so heiß ist komme ich zu nichts – sei es aus Faulheit oder tatsächlich der extremen Wärme geschuldet – und es ist nicht so das ich keine Einfälle hätte, aber sie in einer guten Weise auf das Papier zu bringen will mir zur Zeit nicht gelingen und aus Angst, dass es nicht gut werden könnte, beginne ich erst gar nicht.

Würde ich alles streichen. Ein knapper Dialog passt besser zu den beiden Figuren und zur Geschichte, finde ich. Und die Info haben wir ja schon.

Dann wird schon etwas gutes dabei rauskommen

Etwas Gutes

Wie war eigentlich ihr Name gewesen?

Der Name der Frau. Sonst bezieht sich das „ihr“ auf die Sonne.

Wenn du entschlackst, dann wird das ein ruhiger, stimmungsvoller Text. Eine Geschichte, die mich packt, wäre das aber meiner Meinung nach auch dann noch nicht. Mir fehlt es da noch an innerem Ringen, an Konflikt, etwas das mich in die Geschichte reinzieht.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo Peeperkorn,
vielen Dank für all deine Anmerkungen. Ich finde alle sehr gut und werde sie noch korrigieren.
Nur bei deinem ersten und zweiten Kritikpunkt bin ich anderer Meinung, beziehungsweise habe ich das bewusst so gewählt.
Der eher komplizierte, spröde und unübersichtliche Satzbau des ersten Absatzes ist bewusst so gewählt, weil er die Gedanken des Protagonisten, auch in ihrer Unstrukturiertheit und Sprunghaftigkeit, wiedergeben soll.
Bei deinem zweiten Kritikpunkt finde ich, dass es nicht zu kompliziert ist. Der Protagonist blickt ja aus der Tür und sieht die Szenerie. Natürlich könnte man das durch eine Hauptsatzfolge trennen, aber für mich wäre das dann eine Beschreibung und nicht das, was der Protagonist wirklich sieht und wie er es sieht.

Beste Grüße,
drgonzo

 

Hallo DrGonzo

Der eher komplizierte, spröde und unübersichtliche Satzbau des ersten Absatzes ist bewusst so gewählt, weil er die Gedanken des Protagonisten, auch in ihrer Unstrukturiertheit und Sprunghaftigkeit, wiedergeben soll.

Kann ich gut nachvollziehen, ja. Bedenke aber auch, dass der Anfang einer Geschichte den Leser möglichst packen und in Bann ziehen sollte - vor allem hier im Forum, wo täglich mehrere Geschichten gepostet werden. :)
Nicht dass ich der Meinung bin, dass du das unbedingt ändern solltest. Nur so als Anregung. Und eine zweite Anregung: Um mehr Leser und Kommentare für die eigenen Geschichten zu gewinnen, lohnt es sich, fremde Geschichten zu kommentieren. Man lernt dabei sehr viel. Und die anderen natürlich auch.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

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