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Menschen - Begegnung - Hoffnung - Vergessen - Solitude

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15.11.2002
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Menschen - Begegnung - Hoffnung - Vergessen - Solitude

MenschenBegegnungHoffnungVergessenSolitude

„ If my memories of her has an expiration date, so let it be 10.000 years ...”
Wong Kar-Wei (chunking express)


MenschenBegegnungHoffnungVergessenSolitude
(v.Daigoro)

Sechzig Minuten in der Stunde,
Vierundzwanzig Stunden am Tag,
Sieben Tage die Woche,
Vier Wochen im Monat,
zwölf Monate im Jahr ...
...doch nur eine Sekunde scheint wirklich zu zählen. Heute zumindest. Die Menschen in der Großstadt. Straßen, Kreuzungen, Autos, Hupen, Menschen, Stop And Go, schnell, langsam, schnell, langsam. Alle gehen aneinander vorbei, manche starren dich an, manche ignorieren dich. Manche schauen kurz und geben dann vor, dich nicht zu beachten, doch durch die Spiegelung am Fenster in der U-Bahn sehe ich, dass manche einen dann doch heimlich beobachten. Alle sich gegenseitig. Nicht aus Neugier und Verachtung, sondern oftmals nur aus einem Grund. Einsamkeit. Grau, trist, Regen, Wolken, kurzer Wind, es riecht nach Abgas, Fastfood und Zigaretten, nach Baustelle und Benzin, nach Parfüm und Restaurants. Nur ein Geruch von gebrannten Mandeln erinnert mich daran, dass es Weihnachten ist. Ja, es riecht nach Winter. Die blaugraue Stimmung überträgt sich auf die Menschen, oder die Stimmung der Menschen machen die Stadt so blaugrau? Vielleicht. Keiner lächelt, alle sitzen starr und still in der Bahn. Schauen ziellos vor sich her, geistesabwesende Blicke beherrschen den Raum. Keiner lacht, alle haben ein Ausdruck im Gesicht, als würden sie nur noch aus Leid, Alltag, Frust, Streß, Müdigkeit und Leere bestehen. Das schlimme daran? Ich gehöre dazu. Ich habe mich anstecken lassen, von dieser Großstadtkrankheit, dieser Melancholie, diesem Verlangen nach innerer Wärme und Fülle an Leben und Liebe. Da ist sie wieder diese kleine Einsamkeit, die sich durch imaginäre Kälte in meinem Herz breit macht. Ich drehe meine Musik lauter und die Drum’n’Bass-Musik schallt krachend aus den Kopfhörern. Man dreht sich nach mir um , man schaut mich entsetzt an, dann wieder weg. Keiner lacht. Ich versuche doch nur zu vergessen, wie ihr alle auch, oder etwa nicht? Nächste Station, die Tür geht auf ...da steht sie vor mir.

Wir blicken uns genau in die Augen und dann wieder ignorierend an uns vorbei. Diese eine Sekunde wurde so laut in meinem Kopf, lauter als meine hämmernde Musik. Auch wenn ich um mich sehe, ich hab nur ein bewegliches Erinnerungsfoto von diesem Gesicht und von diesen Augen in meinem Kopf. Ich gehe nach oben und schaue noch einmal sehnsüchtig zurück, mit der Hoffnung ihr Gesicht nie wieder zu vergessen.
Sie schaut auch noch einmal und dann wieder ignorierend weg.

Jetzt sitze ich hier. Still und stumm, starre ziellos vor mir her. Und ...ich hab immer noch diese Sekunde im Kopf. Das Gesicht verschwindet langsam. Ich kann mich nicht mehr an alles erinnern. Hab nur noch die Augen in Erinnerung. Sie waren so schön, die Farbe lässt sich nicht genau definieren. Daher befürchte ich, dass was ich mir erhoffte, wird nicht in Erfüllung gehen ... ich werde sie vergessen. Zurück bleibt die kleine Kälte im Innern. Klein aber deutlich spürbar. Ich nehme mein Buch in die Hand und schreibe auf:

Für eine Sekunde haben wir uns gesehen.
Für einen Moment lang war sie unendlich.
Nach einer Minute denken wir kurz darüber nach.
Nach einer Stunde ist es uns vielleicht fast egal.
Nach einem Tag haben wir das Gesicht vergessen.
Nach einer Woche bleibt nur ein einziges Detail übrig.
Nach einem Jahr glauben wir, uns irgendwo schon einmal begegnet zu sein ...
... doch wir haben diese eine Sekunde vergessen.


1Jahr später.

Ich suche ein schönes Abendkleid, weil der Weihnachtsball für mich immer was besonderes ist. Nur dieses Jahr will ich nicht so auffallen, weil ich allein bleiben will. Allein mit meiner kleinen Trauer und der Einsamkeit. Alles hat er mitgenommen. Zurück gelassen, hatte er mich und diese Einsamkeit. Woran ich das merke? An dieser kleinen Kälte im Innern. Ich drehe meine Musik lauter, um es zu verdrängen. Die Leute drehen sich nach mir um, schauen mich merkwürdig an, dann wieder weg. Die Bahn hält, die Tür geht auf ...ich gehe hoch und schaue mich um. Ich hab zu spät bemerkt, dass da diese Person gerade an mir vorbei gegangen ist. Dieser traurige Blick, seine Melancholie. Den kenne ich irgendwoher, ...
...doch woher ..?
Ich schaue noch einmal sehnsüchtig zurück, mit der Hoffnung dieses Gesicht nie wieder zu vergessen.

 

Hi Killerkind,

hast du schön eingefangen diese graunasse Stimmung in der U-Bahn, schnell und mit vielen Bildern.
Im zweiten Absatz stört mich das Wort `ignorierend`,
und ich finde den dritten könnte man ganz weglassen. Vielleicht sogar den vierten auch- die Wirkung wird dann größer.
Aber nur vielleicht. :-)
Hat mir aber gut gefallen, schönes Thema, diese Augenblicke.

liebe Grüße, alex.

 

hi alexandra,
danke für die Kritik. Es kann passieren, daß es besser wird, wenn ich es raus nehme. Aber ich brauche vielleicht noch etwas von dieser langen Form, damit man sich etwas länger damit beschäftigt, und nicht mit einem Ruck durch ist. Außerdem war das ein Versuch von the Story inside the Story. Beim nächsten versuche ichs.
bye
daigoro

 

hallo Daigoro!

Die gleichgültig, leblose Hektik der Großstadt und der Ubah bringst Du super gut rüber! Ich kenne das, die unendlichen Eindrücke, Gegensätze, die an einem voreibrauschen, von denen man sich dennoch nicht berühren lässt... und dann - einen Moment... und man vergisst ihn... gut gemacht!

Alex hat aber recht, acuh mir würde der 2. Absatz, glaube ich, ohne das ignorierend besser gefallen. Diese Wort wirkt irgendwie gekünstelt in dem Satz, es passt nicht zum restlichen Text,meiner Ansicht nach.

Schöne Grüße, Anne :)

 

Hi Maus,
Danke für deine Meinung und dein Kompliment.
Ich habe ewig nach einem Wort gesucht, das das ausdrück, wen man sich kurz anschaut, zwar einander interessant findet, aber dann dennoch wegschaut, als wäre nichts. SO als würde man denken, einer von vielen, wird doch sowieso nichts, oder die interessiert sich doch bestimmt nicht für mich. Dann schaut man in das Spiegelbild in der U-bahn und findet sich durch dieses hässlich kalte Neonlicht so hässlich, ... , dann erst recht weg gucken.

:rolleyes:

Aber schön, wenn jemand schreibt, daß er sich da in das hinein versetzen kann, was ich da zu beschreiben versucht habe.
LG
daigoro:)

 

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