Was ist neu

Menschen ändern sich

Mitglied
Beitritt
09.09.2001
Beiträge
290
Zuletzt bearbeitet:

Menschen ändern sich

Das Telefon klingelte.

"Birgit. Birgit Staller. ... Du erinnerst dich an mich? ... Ich bin zufällig in der Stadt und da fiel mir ein, dass du hier wohnst und ich dachte ... Ich weiß, es ist sehr kurzfristig, aber ... Heute Abend, ja. ... Im Bahnhofshotel. ... Bis dann!"

Ich legte den Hörer wieder auf.

Birgit Staller. Wie lange war das her? 20 Jahre? Eher mehr. Ich rechnete im Kopf nach und kam auf fast 30.

Ich war damals mit ihrer Schwester zusammen gewesen. Conny. Cornelia. Ein großes, schlankes Mädchen mit langem, dunkelblondem Haar. Sie 15, ich 17 - ihre Schwester Birgit müsste zu der Zeit so um die 12 oder 13 gewesen sein. Kleiner, rundlicher, mit Babyspeck, gewiss, aber insgesamt schon fraulicher in ihren Formen als die ältere Conny. In den folgenden Jahren hatte ich beide einige wenige Male wiedergetroffen und sie hatten sich nicht zu ihrem Nachteil verändert. Dann war ich aus der norddeutschen Provinz in eine süddeutsche Landeshauptstadt gezogen. Der Beruf hatte es gewollt und es hatte sich gelohnt.

Weshalb meldete sie sich nach all diesen Jahren? Vielleicht stimmte es, dass sie zufällig in der Stadt war. Vielleicht stimmte es, dass sie sich plötzlich an mich erinnert hatte. Vielleicht - vielleicht auch nicht. Vielleicht hatte sie Hintergedanken. Vielleicht versuchte sie, eine verpasst geglaubte Chance der Vergangenheit einzuholen. Manche Menschen wurden seltsam, wenn sie älter wurden und sich an ihre Jugend erinnerten.

Ihre Stimme war ein angenehmer, reibender Alt gewesen. Dazwischen ein paar hellere Lacher. Sympathisch. Weiblich. Vielversprechend.

Waschen, rasieren, Deo, After Shave. Welche Hose, welches Hemd, welche Jacke? Der zwanglose Lederblouson, oder doch lieber ein Jackett? Gar das teure aus italienischem Ziegenleder?

Ob sie noch so aussah, wie ich es in Erinnerung hatte? Wenn nicht ... Einen Versuch war es wert und sie gegebenenfalls abblitzen zu lassen dürfte kein Problem sein.

Bus oder Auto? In der Stadt benutzte ich meist den Bus. Die 12 fuhr alle 10 Minuten in Richtung Bahnhof. Andererseits sorgte mein Porsche für Eindruck. Selbst denjenigen, die sich über Männer und Sportwagen mokierten, imponierte es, wenn ich erklärte, dass er ein Oldtimer mit einer niedrigen Seriennummer war und dass ich regelmäßig zu den von dem Hersteller organisierten Treffen eingeladen wurde. Die Vorstellung, in einem eleganten, offenen Wagen an einer Zusammenkunft der vermeintlichen High Society teilzunehmen, faszinierte speziell die Frauen und war ein sicherer Weg für mich, bei ihnen Pluspunkte zu sammeln.

Ein Blick durch die Wohnung. Sie war sauber, aufgeräumt, und das Bett war frisch bezogen. Auf dem Beistelltisch neben der Couch standen Gläser und eine Flasche Wein. Das Alles nur für den Fall, dass sich die Verabredung später am Abend hierher verlagern sollte. Es konnte nicht falsch sein, sich diese Option offen zu halten.

Ich betrachtete mich im Spiegel und lächelte. Ich war älter geworden, aber ...

Das Telefon klingelte.

"Conny. Cornelia Hartmann. ... Cornelia Staller. Du erinnerst dich? ... Meine Schwester ... Ja, Birgit. Sie ruft mich fast jeden Tag an und erzählt mir, was sie so tut und was sie vorhat. ... Du hast sie lange nicht gesehen, oder? ... Es gibt da ein paar Dinge, die du wissen solltest. Deshalb habe ich mir von der Auskunft deine Nummer raussuchen lassen. ... Achte darauf, dass sie mit dem Rücken zur Wand sitzt. ... Wegen den Männern in Schwarz. ... Nein, nein, sie glaubt nicht an Außerirdische. Aber an die Männer in Schwarz glaubt sie. ... Sei vorsichtig mit dem, was du sagst, hörst du? Ihre Stimmungen wechseln oft. ... Himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt. ... Der Arzt hat ihr Tabletten verschrieben, aber sie nimmt sie nicht. ... Und sie regt sich schnell auf. Vor allem, wenn es nicht so läuft, wie sie will, und ich weiß, dass sie besondere Vorstellungen von dem heutigen Abend hat. ... Ja - sie wird dann aggressiv und hin und wieder schlägt sie auch zu. Und glaub' mir, da steckt Kraft dahinter. ... Obwohl
Kraft nicht der richtige Ausdruck ist. Gewicht wäre passender. ... Bitte. Keine Ursache. Schließlich ist sie meine kleine Schwester."

Ich legte auf.

Ich setzte mich auf die Couch im Wohnzimmer und starrte Löcher in die Luft.

"Ach du liebes Bisschen", murmelte ich. "Ach du liebes Bisschen!"


(c) by StarScratcher, Mai 2002

 

Hallo Roswitha,

Wann kommt die Fortsetzung?
<g> Damit liegt die Anzahl derjenigen, denen irgendwie ein "Ende" fehlt, zu denjenigen, denen es nicht fehlt, bei 2:2.

Klaus

 

Hi Scratcher,
ich finde schon, das die Geschichte ein Ende hat, halt ein offenes, was mich aber nicht weiter stört. Du überlässt es halt dem Leser, sich zu überlegen, wie er in der Situation reagieren würde. So war es jedenfalls bei mir. Ich würde wohl nicht mehr hingehen, alleine weil ich mir durch die beiden Anrufe ziemlich verarscht vorkommen würde.
Sonst kann ich soviel an deiner Geschichte nicht kritisieren, sie haut einen nicht vom Hocker, aber sie stößt einen auch nicht völlig ab. Wie sol ich es sagen: Die Story ist gut geschrieben, aber fesselt mich, vielleicht durch den Inhalt, nicht länger als das ich sie lese. Doch gerade durch das Ende schaffst du etwas, was der Text sonst nicht schaffst, du lässt den Leser darüber nachdenken, wie er sich verhalten würde. Das gelingt dir mMn gut.

Saludo, Gam.

 

Hallo Klaus!

Ich finde auch nicht, daß Deiner Geschichte der Schluß fehlt. Mehr an Schluß würde das eigene Sinnieren des Lesers nicht mehr so herausfordern, wie es Dein Text in der jetzigen Form tut.

Soweit ich mich Gamdschie in diesem Punkt auch anschließe, soweit möchte ich mich vom restlichen Gesagten in seinem Posting wieder distanzieren.

Ich finde schon, daß der Protagonist sich sein eigenes Urteil bilden sollte. Vielleicht war ja der Anruf von Conny nur eine Eifersuchtshandlung und sie wollte Birgit absichtlich schlechter machen als sie ist oder sie vergönnt es ihr einfach nicht.

Sich ein eigenes Urteil zu bilden finde ich immer richtig und fair. Jemanden aufgrund des subjektiven Urteils eines Dritten zu verurteilen, abzuschreiben, finde ich nicht richtig.

Deine Geschichte liest sich gut flüssig, auch Rechtschreib- oder Tippfehler sind mir keine ins Aug gesprungen.

Was mir noch auffiel: Es geht hauptsächlich um Körperlichkeiten, gefühlsmäßige Erinnerungen sind kaum vorhanden. Aber vielleicht ist das ja bei vielen Männern wirklich so, daß erst die Hülle perfekt sein muß, bevor der Inhalt überhaupt angeschaut wird. Dann paßt es wohl so...

Liebe Grüße
Susi

 

Hallo Häferl,

Es geht hauptsächlich um Körperlichkeiten, gefühlsmäßige Erinnerungen sind kaum vorhanden
Hätte ich die Ich-bin-ein-Ladykiller-Attitude des Protagonisten doch wohl noch stärker herausstellen sollen ... denn dann würdest du dich darüber nicht wundern.

Ich gestehe: ich konnte mich nicht entscheiden, ob ich eine (Anti-)Romantik-Story oder eine Humoreske schreiben sollte. Herausgekommen ist dabei eine seltsame Mischung. Weder Fisch noch Fleisch.

Klaus

 

Hi Klaus!

die Ich-bin-ein-Ladykiller-Attitude des Protagonisten
- Die ist mir aber wirklich völlig verborgen geblieben und ich kann sie auch jetzt, wo Du mich drauf hinweist, nicht finden.

Aber die Geschichte paßt schon so... Man kann sie halt verschieden betrachten. ;)

Alles liebe
Susi

 

Mir gehen die Geschehnisse einfach zu hoppla hopp. Total seltsam. Da ruft einer an, der einen seit dreißig Jahren nicht mehr gesprochen hat und mit dem wechselt man dann nur drei Sätze am Telefon und verabredet sich sofort für ein Treffen? :eek: Äußerst merkwürdig.

Und dann nur über so oberflächlichen Kram nachdenken, finde ich noch seltsamer. Wer würde ernsthaft glauben, daß besagte Dame sich nach 30 Jahren Trennung dafür interessiert, mit dem Protagonisten ins Bett zu springen, obwohl sie ihn besagte lange Zeit GAR nicht gesehen oder gesprochen hatte ? Ist doch lächerlich. Der erste Gedanke, der wohl aufkommen würde, ist wohl der, daß besagte Anruferin wohl wirklich einfach nur gerade in der Stadt ist und alle früheren Bekannten besuchen möchte, ohne Hintergedanken.

Und daß dann nach dreißig Jahren auch noch die Schwester bei dem Typen anruft und eifersüchtig sein soll, nach 30 (!) Jahren wohlgemerkt, das kann doch niemand glauben.

Na, ich weiß nicht, vielleicht bin ich nicht romantisch genug... ;) :p

 

Hallo Klaus,

die Geschichte hab ich zwar schon mehrmals gelesen innerhalb der letzten Monate, mich aber irgendwie nie dazu entschieden etwas dazu zu schreiben. Sie ist wie üblich sprachlich sehr angenehm zu lesen.
Allerdings bleibt sie mir nicht länger im Gedächtnis, als dass ich sie lese. Die Pointe ist ziemlich weit hergeholt, wenn auch originell. Für einen kurzen Moment fühlt man sich unterhalten, aber dann ... ist das Interesse auch wieder weg. Das ist bei anderen Stories von Dir nicht so.
Aber man bereut es nicht, sie gelesen zu haben.

Hätte ich die Ich-bin-ein-Ladykiller-Attitude des Protagonisten doch wohl noch stärker herausstellen sollen
Bloß nicht. Ich finde die auch jetzt schon recht aufdringlich.
Der ganze mittlere Abschnitt ist reichlich dick aufgetragen: Die teuren Klamotten, der Porsche (rot vermutlich ;-), der ganz offen als Anreiz dient, die Eitelkeit des Protagonisten ... vor allem für die Kürze der Story ist das schon eine ganze Menge. Ich denke, die Charakterisierung in diese Richtung ist in jedem Fall ausreichend.

Hm, bei mir findet sich ein Zeilenumsprung mitten im Satz und zwar hier hinter dem "Obwohl":

schlägt sie auch zu. Und glaub' mir, da steckt Kraft dahinter. ... Obwohl
Kraft nicht der richtige Ausdruck ist. Gewicht wäre passender. ... Bitte. Keine Ursache. Schließlich ist sie
Der gehört da wohl nicht hin. Ist mir früher nie aufgefallen, vielleicht liegt's auch an meinen Einstellungen, aber ich hab's mal mit verschiedenen Browsern getestet und er bleibt immer da.

LG
Ginny

 

Wer gräbt denn da meine alten Sünden aus? Ich hatte angenommen, dass dieser Text sanft in den Tiefen von KG.de versickert und nie wieder hoch geholt wird. So kann man sich irren :-) Der Text war eine spontane Idee spontan umgesetzt. (Na ja - spontan für meine Verhältnisse.)

Der ganze mittlere Abschnitt ist reichlich dick aufgetragen: Die teuren Klamotten, der Porsche (rot vermutlich ;-), der ganz offen als Anreiz dient, die Eitelkeit des Protagonisten ... vor allem für die Kürze der Story ist das schon eine ganze Menge.

und

Die Pointe ist ziemlich weit hergeholt, wenn auch originell.

Das macht für mich eigentlich den Witz aus: das überzeichnete Verhalten/Denken des Protagonisten - einfach, normal beginnend und sich bis ins Absurde steigernd -, dann der genauso überzeichnete, absurde Niederschlag - aus dem Nichts kommend und voll treffend.

Nach den Kommentaren bin ich zu dem Schluss gekommen, dass das Ende nicht eindeutig genug ist (lügt Conny oder nicht?), der eigentliche Witz für andere nicht nachvollziehbar ist, und mein Humor halt etwas seltsam ist. Weshalb ich mit dem Gedanken gespielt hatte, den Text löschen zu lassen, aber dann hatte ich mir gesagt, dass der Text sowieso von niemanden wieder hoch geholt wird. <g> So kann man sich irren.

der Porsche (rot vermutlich ;-)

Gut geraten oder gut gegoogelt? :-)

Klaus

 

Ich hatte angenommen, dass dieser Text sanft in den Tiefen von KG.de versickert und nie wieder hoch geholt wird.
Das nehme ich auch bei manchen meiner Stories an ... und hoffe, dass dort niemand meinem Beispiel von hier Folge leistet. ;-)
Gut geraten oder gut gegoogelt? :-)
*hüstel* Das hat mir der Teu... - nein, das hat mir Google verraten.
Allerdings nur dieses Detail. *g*

Ginny

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom