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Melanie
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Melanie war eigentlich nicht das, was man klassischerweise als ein 'Tier' sich zu bezeichnen vornehmen wollte.
Ihr fehlte so manch ein animalisches Attribut, doch andererseits bedeutete gerade dieser Umstand ein Unverwechselbares, das gleichsam Rillen in sie schabte, Rillen, die meiner Liebe Haftgrund erboten.
Oft lagen wir beisammen, und ich genoss ihre Nähe, ihren Atem, wenn ich ihn auch nicht hören konnte oder gar spüren.
Manchmal spielten wir Schach, aber sie schien nicht sonderlich daran interessiert: Ich gewann ausnahmslos und ohne jeden Kampf.
Ich möchte nicht verschweigen, dass ich ihren wahren Namen gar nicht kannte, sofern sie denn einen trug. 'Melanie' schien mir passend - kaum mehr als ein Bauchgefühl. Überdies war mir nicht möglich zu bestimmen, welch geschlechtlichen Ufers Kind sie war.
Oder, ob überhaupt. Ich überließ mich auch hier meinem Empfinden, das tendierte, sie dem der weiblichen Seite zuzuchlagen.
Melanie aß nichts, und meine Versuche, sie wenigstens dazu zu überreden, etwas Flüssigkeit aufzunehmen, endeten im Prinzip nie.
Lieder, die sie sang - und kluge Worte, die sie ersann - nie erreichten sie mein Ohr und nie die Rezeptoren meiner Seele.
Doch gerade diese Unaufdringlichkeit, das Behutsame des absichtlichen Danebenzielens, all dies zog mich an, ja, verbrachte mich in glückstaumelnde Zustände!
Melanie ist gestern von mir gegangen.
Sie hat keine Nachricht hinterlassen und darin keinen Grund.
Aber ich bin mir sicher, dass dieser Grund genau der war, dessentwegen ich sie geliebt habe
und immer lieben werde.
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