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Melancholie

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15.08.2014
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Melancholie

Die schneeschweren Bäume zogen in schwarz-weißen Bändern an meinem Blickfeld vorbei und bildeten einen faszinierenden Stummfilm, der zu meiner melancholischen Stimmung passte.
Sie wirkten gequält, als habe man ihnen über viele Jahre zu viel zugemutet und sie somit erschöpft. Trotz alledem strahlten sie eine Würde und Weisheit aus, die mich beeindruckte und dazu veranlasste, dass ich meine Augen nicht von ihnen wenden konnte.
In Gedanken versunken hielt ich meinen Blick starr aus dem Fenster gerichtet und war regelrecht enttäuscht, als die vertraute Kulisse verschwand und die tristen Hochhäuser der Stadt vor mir auftauchten. Die – doch in gewisser Weise angenehme – Melancholie verschwand und machte einer tiefen Traurigkeit Platz, die langsam und zähflüssig durch meine Adern floss und sich in meinem ganzen Körper ausbreitete. Mir wurde kalt und ich zog meine Wolljacke enger um mich.
Sie vermochte nicht mich zu wärmen und zu allem Überfluss begannen nun auch noch meine Lippen zu zittern und warme Tränen bahnten sich den Weg über meine roten Wangen. Ich wusste weder was mich so unglücklich machte noch hatte ich eine Ahnung wo genau ich mich in diesem Moment befand. 'Irgendwo zwischen hier und dem nirgendwo', gab ich mir selbst die sarkastische Antwort und musste fast schon lachen.
Was eigentlich ein Ausdruck der Freude sein sollte klang aus meinem Mund wie eine Lästerei über das Glück selbst, also versiegelte ich meine Lippen wieder und wandte den Kopf erneut in Richtung Fenster.
Inzwischen hatten wir die Vorstadt verlassen und nun zogen Häuser an mir vorbei, die von größerem Reichtum erzählten, der jedoch schon vor langer Zeit verschwunden war. Sie waren die Schatten einer Zeit, in der das Glück noch für jeden den gleichen Preis gekostet hatte und es in Massen vorhanden war, sodass man es nicht von anderen stehlen musste.
Die großzügig mit Stuck verzierten Villen und ihre verwilderten Vorgärten boten einen einsamen und verlassenen Anblick, auch wenn hinter dem ein oder anderen – nicht von Vorhängen verdeckten – Fenster eine Gestalt zu erahnen war, die vermutlich der Bewohner des jeweiligen Gebäudes war.
Wieder schlich sich ein leichtes Lächelt auf meine Lippen, doch dieses Mal ließ ich es gewähren und verbannte es nicht sofort wieder in die leeren Tiefen meines Herzens. Ich hatte mir schon vor längerer Zeit das Recht genommen, wirklich glücklich zu sein, denn meiner Meinung nach hatte ich es nicht verdient.
Doch wie mir immer und immer wieder versichert wurde, starb eine Seele, wenn man ihr nicht ab und an Mal ein kleines Stückchen Freude gönnte, also hatte ich keine andere Wahl als dem Lächeln zu erlauben, mein Gesicht für einen kurzen Augenblick zu einer freudlosen Grimasse zu entstellen.
Man sorge sich um mich, musste ich mir immer und immer wieder von Menschen anhören, die mich weder kannten, noch wirklich interessierten. Ich war alleine und das war auch gut so. Keinem Menschen konnte das zugemutet werden, was ich mir zumutete. Ich wollte alleine sein und fühlte mich dennoch einsam. Einsam und verlassen, wie die zugewachsenen Fassaden der vorbeiziehenden Villen.
Ich zog mich selbst aus dem Meer verstörender Gedanken, die versuchten auf mich einzudringen und merkte, dass wir auch diese Phase der Stadt hinter uns gelassen hatten und wieder auf freies Feld zufuhren.
Kein einziger Baum war zu sehen, nur Felder und Wiesen, die im Frühling einen saftig grünen, im Sommer unendlich farbenreichen und im Herbst rotbraunen Anblick bieten mussten, doch jetzt waren sie lediglich stumpf und grau, unter einer dünnen Schneedecke vergraben. An einigen Stellen waren sie aufgewühlt, weil kleine und größere Tiere versucht hatten, etwas essbares zu finden, die Versuche jedoch nach einigen misslungenen Anläufen aufgegeben hatten. Vereinzelt konnte ich Büsche ausmachen, die einzeln oder in kleinen Grüppchen neben den Feldern standen, als würden sie über sich wachen und jedem Reisenden den Zusammenhalt demonstrieren, der ihm wohl fehlen musste, da er sich alleine auf den weiten Weg gegeben hatte.
Eine vorsichtige Berührung an der Schulter ließ mich wieder auftauchen und ich erschrak, als das schlecht rasierte aber freundliche Gesicht eines Mannes in den vierzigern vor mir auftauchte. Es dauerte einen kurzen Moment, bis ich verstand was er von mir wollte. Ich nickte nur und kramte in meiner Tasche nach der Fahrkarte, während der Geruch seines strengen Schweißes und eines undefinierbaren Rasierwassers in meine Nase stieg und mich regelrecht benebelte.
Er nahm die Karte entgegen, studierte sie mit geübter Geste und gab sie mir dann schief lächelnd zurück.
Nachdem auch ich mir ein Zucken der Mundwinkel abgerungen hatte, drehte er sich um und wünschte mir noch lautstark eine schöne Weiterreise, bevor er die Türe des Abteils wieder schloss.
Ich saß alleine in einem Abteil für vier Leute. Entweder herrschte im Moment kein Mangel an Sitzgelegenheiten, oder meine abweisende Aura hatte die anderen Menschen im Zug davon abgehalten, sich zu mir zu setzen.
Ich hatte nicht die geringste Idee, wie lange ich noch fahren musste, um mein vorläufiges Ziel zu erreichen, also beschloss ich für eine Weile die trüben Gedanken beiseite zu schieben und auf die Lautsprecheransagen zu achten, die alle paar Minuten knarzend und mit ausgesprochen schlechter Akustik aus dem kleinen Metallkasten in der Ecke gegenüber von mir ertönten.
Nur wenige Augenblicke später zahlte sich die Entscheidung aus, als mein Reiseziel ausgerufen wurde.
Wortlos und ohne einen Blick zurück auf das Fenster zu werfen, das nun mit ziemlich großer Gewissheit ein kleines beschauliches Dorf zeigte, verließ ich das Abteil, ging schnellen Schrittes zur nächsten Türe und stieg die feucht-glitschigen Stufen herunter, bis ich wieder auf festem Boden stand.
Seit meinem letzten Besuch hatte sich nichts verändert. Der Bahnsteig war immer noch schlecht geteert und an vielen Stellen kaputt, sodass der weiße Trennstreifen nur teilweise sichtbar war. Das kleine Gebäude, in dem sich ein billiger Bäcker und ein Blumendiscounter befanden, war noch immer nicht vollkommen renoviert worden und das Gerüst, welches die Wände umsäumte, war mit einer Schicht unberührten Schnees bedeckt, woraus ich schloss, dass die Arbeiten über die Wintermonate pausiert worden waren.
Der Parkplatz war leer, was ich nicht anders erwartet hatte, schließlich wurde niemand erwartet, denn ich war die Einzige, die aus dem Zug ausgestiegen war.
Der Bahnhof lag eher abgeschieden und konnte sowohl durch eine verschmierte Unterführung, als auch über eine hässliche Betonbrücke erreicht werden.
Ich drehte mich einmal um die eigene Achse und setzte mich dann in Bewegung.
Einen Fuß vor den anderen, ohne richtiges Ziel und wieder ganz in meiner melancholischen Stimmung versunken. Ich wusste nicht, was ich hier sollte und wohin ich als nächstes gehen sollte, aber für den Moment waren diese Gedanken nichts als ein schwacher Nachhall in meinem leeren Kopf.

 

Hej Selena Penrose,

Einen Fuß vor den anderen, ohne richtiges Ziel und wieder ganz in meiner melancholischen Stimmung versunken. Ich wusste nicht, was ich hier sollte und wohin ich als nächstes gehen sollte
Ich hab mir das mal raus gepickt, weil es stellvertretend stehen kann, für das, was die Geschichte erzählt.
Dass dazwischen noch eine Stadt und ein Fahrkartenkontrolleur auftaucht und dass Winter ist, spielt kaum eine Rolle.

Mein Eindruck ist, dass Du mehr als das oben Zitierte nicht sagen wolltest.
Ich kann nachvollziehen, dass es sich gut anfühlen mag, das dann in so eine Form zu bringen und find das als Versuch, ein Gefühl zu beschreiben auch legitim. Für eine Geschichte, auch wenn es eine kurze ist, fehlt mir da Handlung, Spannung und Intensität. Ein Zug, ein Bahnhof, jemand, der einsam und melancholisch ist, das alles sind unter Umständen gut Zutaten, aber nicht wenn die Hauptsache fehlt. In Deinem Text bleibt alles zu vage. So fällt es mir als Leserin schwer, da Interesse zu haben.

Lass Dich nicht entmutigen, vllt liest Du hier mal einiges mit und schaust, was Dir an anderes Geschichten gefällt und was nicht, das kann sehr aufschlussreich sein.

Ich wünsch Dir noch viel Spaß hier,

Gruß,
Ane

 

Schwierig, dieses Stückchen Beschreibungsliteratur zu beurteilen,

liebe Selena –
und damit erst einmal ein herzliches willkommen hierorts –

und selbst, wenn ein „melancholischer“ Klang darinnen liegt - was heute als Melancholie (= schwarze Galle) zwischen Depression und Manie bezeichnet wird, ist oft nur eine üppige Portion Selbstmitleid, die jeden mal in der dunklen Jahreszeit überfallen kann – was nichts wider Deine ruhige Erzählweise sagen will. Was mir aber besonders auffällt ist, dass Du die Kommaregeln zu kennen scheinst und – wie hier in einem Satz – dann doch nicht beachtest:

Ich hatte nicht die geringste Idee, wie lange ich noch fahren musste, um mein vorläufiges Ziel zu erreichen, also beschloss ich[,] für eine Weile die trüben Gedanken beiseite zu schieben und auf die Lautsprecheransagen zu achten, die alle paar Minuten knarzend und mit ausgesprochen schlechter Akustik aus dem kleinen Metallkasten in der Ecke gegenüber von mir ertönten.
Hier verwechselstu die Vorsilbe ge- mit der Silbe be-
…, da er sich alleine auf den weiten Weg gegeben hatte.
Besser: „… begeben hatte.“
Hier ist dann das Alter auch zu substantivieren
… und ich erschrak, als das schlecht rasierte[,] aber freundliche Gesicht eines Mannes in den [V]ierzigern vor mir auftauchte.
…, bis ich verstand[,] was er von mir wollte.

Hier nun ist auch mal ein Komma entbehrlich
Entweder herrschte im Moment kein Mangel an Sitzgelegenheiten[…] oder meine abweisende Aura hatte die anderen Menschen im Zug davon abgehalten,
(die Konjunktion ersetzt das Komma doch vorzüglich, oder?)

Auch hier kommt’s zu einer Verwechselung

…, woraus ich schloss, dass die Arbeiten über die Wintermonate pausiert worden waren.
Nicht die Arbeiten, sondern die Arbeiter pausieren. Die Arbeit, ob Singular oder Plural, wird oder werden eingestellt.

Alles kein Beinbruch, meint der

Friedel

 

Hey -

ich mag deine Art, die Dinge zu beschreiben und ich finde den Stil angenehm, weil ausufernd (wobei ich das normalerweise nicht ab kann :) ).
Aber auch mir fehlt es an der Handlung -
Du benutzt sehr viele schöne Bilder; mit den leer stehenden Villen, die langsam verfallen oder den lebhaften Farbbeschreibungen sind ja nur ein paar davon genannt.

Aber an dieser Stelle

warme Tränen bahnten sich den Weg über meine roten Wangen
hats sich für mich fast ein bisschen sehr pathetisch angehört (oder einfach zu dick aufgetragen?). Woher weißt der Erzähler (naja, eher eine "sie", nicht wahr?), wie seine Wangen aussehn? (Ich vermute, eine Spiegelung, aber najaaa -) Darüber denkt man doch nicht nach, oder? Also ich würds vermutlich einfach nicht machen, weil man in solchen Situationen viel zu sehr auf sein Inneres konzentriert ist. [Ansonsten kann das Ganze sehr schnell eben nach Selbstmitleid riechen].

Wenn du aber beschreiben würdest, warum der Erzähler nun dieser Stimmung verfallen ist und dann beispielsweise Rückblenden einbauen würdest, in denen sich die tatsächliche Handlung abspielte, könnte - meiner Meinung nach - echt was Gutes draus werden; deine Beschreibungen finde ich nämlich (solange nicht allzu dick aufgetragen ;) ) sehr schön! Aber ein bisschen Spannung muss in einer Geschichte (ebenso wie eine sich entwicklende Handlung) durchaus drin sein.

Die Bilder haben mir soweit aber gut gefallen!

Gruß
Liv.

 

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