Mitglied
- Beitritt
- 11.02.2002
- Beiträge
- 39
Meine Welt
Ich werde für mein Ziel kämpfen. Nicht heute und nicht morgen, aber irgendwann wird es sie geben: Meine Welt.
*
Ich gehe nachdenklich durch die Straße. Ich träume. Ich träume, dass ich tanze. Die ganze Welt tanzt mit mir. Wir geben uns der Musik hin, bewegen uns zu Höhen und Tiefen. Es ist so friedlich. Menschen lachen gemeinsam. Das Wort Krieg existiert nicht, alle sind fröhlich, Liebe statt Hass, Frieden statt Krieg.
Ich träume vor mich hin, halte die Augen geschlossen, bis ich plötzlich aus meinen Visionen gerissen werde.
„Kannst du nicht aufpassen, du Penner?“
Eine Gruppe Jugendlicher. Einen habe ich eben versehentlich angerempelt.
„Es tut mir wirklich leid, ich war mit den Gedanken woanders.“ Wie immer versuche ich, die Sache friedlich zu lösen.
„Du Wichser brauchst ein paar aufs Maul!“
In mir kocht es.
„Ich rede mit dir, du Hurenbock!“
Der Zorn steigt in mir auf. Ich greife an meinen Hosenbund. Dort befindet sich mein Friedenstifter, eine geladene Beretta.
Ich fange an zu rennen. Sie stürzen hinter mir her. Nicht dass ich jetzt Angst habe, es ist genauso geplant. Menschen sind so herrlich vorhersehbar.
Wir rennen und rennen, bis wir am verlassenen Industriegelände ankommen. Jetzt bleibe ich stehen. Sie bleiben in einem Abstand von zehn Metern vor mir stehen.
Der Anführer der fünfköpfigen Bande tritt nach vorn.
„Jetzt ist Ende, dich schlagen wir tot.“
„Das glaube ich weniger....“ Ich lächele überlegen.
Fünf Schüsse hallen durch die Nacht und durch das Industriegelände. Fünf Körper gehen zu Boden, meiner ist nicht dabei. Ich stehe mit rauchender Beretta vor fünf toten Menschen.
Fünf Menschen, die es nicht verdient haben, in meiner Welt zu leben.
*
Als naiven Idealisten beschimpfen sie mich, als Hippie. Ich kann diese Menschen nicht leiden. Ich denke jedoch, dass sie anpassungsfähig sind. Sie stellen keine Bedrohung für mein Ziel dar.
Es sind Realisten, wie ich eigentlich auch. Auf der anderen Seite sind meine Vorstellungen schon sehr idealistisch, aber keineswegs fiktiv! Mein Ziel ist es, meinen Idealismus zum Realismus der Menschen zu machen. Dafür ist mir jedes Mittel recht, dafür greife ich zur Waffe, dafür töte ich Menschen.
*
Jetzt beginnt leider die Drecksarbeit. Ich muss die fünf Leichen verschwinden lassen. Ich bin immer vorbereitet, mein Rucksack ist voller Hilfsmittel. Als erstes hole ich die Zweiliterflasche Cola heraus, die mit Benzin gefüllt ist. Ich übergieße die Kadaver mit dem Benzin und werfe ein Streichholz. Eine Stichflamme schießt in den Himmel. Das Feuer erfüllt mich mit Wärme. Ich freue mich über weitere fünf tote Aggressoren.
Einen Augenblick schaue ich noch zu, dann ist es Zeit zu verschwinden. Das Feuer könnte jemanden misstrauisch machen.
Ich gehe meines Weges. Ich beginne mit meinem Traum fortzufahren.
Die Welt lacht, alle sind friedlich. Wir tanzen um ein riesiges Lagerfeuer, es werden Schusswaffen verbrannt. Alle sind glücklich...
*
Mit siebzehn begann ich mir ernsthaft Gedanken über die Welt zu machen. Es herrschte soviel Krieg und Elend. Das war schon der Alltag.
Es herrschte aber auch Krieg vor unseren Haustüren. Menschen, die einfach nur herumstressen wollten und Spaß daran hatten, andere zu verletzen. Ich hasste diese Personen. Ich hasste sie und hasse sie noch.
Ich versuchte, eine Masterlösung für dieses Problem zu finden. Ich verrannte mich in Gedanken, die kein Ende zu haben schienen. In meinem Kopf entstand ein Chaos. Mein Schädel war zu klein für meinen Verstand. Ich hatte ständig Kopfschmerzen, da mein Verstand meine Schädeldecke knacken wollte.
Mit Drogen versuchte ich, meinen Horizont zu erweitern wie es immer so schön heißt. Ich hatte Vieles probiert, bevor ich zum Acid kam, nichts half, im Gegenteil, ich hatte das Gefühl, mein Gehirn würde langsamer.
Mein erster Trip war das, was ich mir immer erhofft hatte. Es war, als ob mein Kopf wie ein Ballon anschwoll, damit mein Verstand endlich den Platz hatte, den er benötigte.
Wirre Gedankenfäden wurden fein säuberlich zu einem Knäuel gebunden. Leider lief es nicht immer ganz so kontrolliert ab, aber im Endeffekt hatte es sich gelohnt.
Manchmal nämlich war der Wille in mir, mein Ziel zu erreichen so stark, dass ich mich zu sehr unter Druck setzte und meine Gedanken sich überschlugen, so dass ich nachher auf dem Nullpunkt war und zu keinem Gedankengang mehr fähig war. Dann hing ich immer in einer Art Schleife, die erst nach Tagen verschwand.
Ich hatte aber mehrere Lösungen für mein Problem gefunden, die mir, im Nachhinein, auch hätten so einfallen können.
1. Möglichkeit: Im Film ‚Independence Day’ wurde die Welt von einer fremden Macht angegriffen. Internationale Streitigkeiten wurden beseitigt, die Welt war plötzlich wieder eins. Diesen Zusammenhalt der Menschen wünschte ich mir. Ich musste die ganze Welt unter Hypnose setzen und ihnen einen Angriff von Außerirdischen einreden.
2. Möglichkeit: Psychologen haben gesagt, dass Katastrophen die Menschen Vorurteile und Intoleranz vergessen lassen. Ich müsste eine weltweite Katastrophe herbeiführen. Der Hass der Welt würde sich alleine gegen mich richten.
3. Möglichkeit: Ich bringe jeden Menschen um, der nicht friedlich ist. Ich töte alle Menschen, die mein Vorhaben verhindern wollen.
Die erste Möglichkeit war zwar von der Idee her ganz gut, aber von der Umsetzung fast unmöglich. Die Hypnose müsste über das Fernsehen übertragen werden, das war klar. Nur müsste es in jeder Sprache dieser Welt erscheinen.
Die Welt braucht echt eine Einheitssprache!
Außerdem hätte ich nicht gewusst, wie ich es hätte angehen lassen sollen. Ich konnte keine Hypnose und mit der Technik bin ich auch nicht so vertraut, als das ich die Fernseher der gesamten Welt zu manipulieren imstande wäre.
Die zweite Möglichkeit war echt ganz gut. Nur leider ist der Mensch dumm und vergisst schnell. Nach einem Monat hätte der Alltag uns spätestens wieder gehabt. Das wäre es nicht wert gewesen, den Hass der Welt auf sich zu ziehen für maximal einen Monat Frieden. Es sollte eine dauerhafte Lösung sein.
Die dritte Möglichkeit war die umständlichste und langwierigste. Ich allein gegen das Böse.
Ich würde anfangs nur ein friedliches Umfeld haben, einen Ring. Dieser Ring sollte sich mit der Zeit vergrößern und wenn es das Glück so will bald die ganze Welt umfassen. Ja, die dritte Möglichkeit war die beste und realistischste Möglichkeit von allen.
*
Ich hasse es, wenn ich aus meinen Träumen gerissen werde. Was ist hier wieder los? Oh, ein Mensch schreit um Hilfe. Ich renne los.
Drei gegen einen. Ein Bild, wie ich es ungern sehe. In einer dunklen Gasse haben drei Kerle einen Mann überfallen. Offensichtlich hat er sich gewehrt. Gekrümmt wie ein Embryo liegt er auf dem Boden, die drei treten auf ihn ein. Adrenalin schießt durch meine Venen.
„Verzieh dich, hier gibt’s nix zu gucken...du sollst dich verpissen!!“ Einer der drei droht mir. Er zückt ein Butterfly-Messer und wirbelt gekonnt damit herum.
Mit einem Knieschuss strecke ich ihn nieder. Die beiden anderen machen Anstalten zu gehen.
Es ertönt das Geräusch einer Schusswaffe, und noch drei weitere Male. Die beiden sind tot.
Übrig ist nur noch der dritte im Bunde. Er liegt auf dem Boden und hält sich sein Knie.
„Du Wichser, was hast du gemacht?“
„Nicht gerade niveauvoll deine letzten Worte...“ Es ertönt ein fünfter Schuss und dieser Kleinkriminelle ist ebenfalls tot.
Ich schaue kurz nach dem Opfer, es ist bewusstlos, gut so. Ich drehe mich um und vergewissere mich, ob ich beobachtet werde. Nein, werde ich nicht. Super. Ich lege das Opfer in die stabile Seitenlage und verschwinde.
Der Arme. Gut, dass er kurz bevor er das Bewusstsein verlor noch um Hilfe rief. So konnte ich weitere drei unwürdige Kreaturen ausmustern. Nicht tauglich!
*
Anfangs hatte ich nur ein Messer, mit dem ich meinen Plan umzusetzen versuchte. Ich wusste, dass ich möglichst schnell eine mächtigere Waffe brauchte.
Bald warf mir jemand einen rettenden Anker in Form dieses Möchtegern-Gangsters zu.
Ich ging gerade durch die Straßen, das Messer griffbereit, als ich gepackt und in eine Gasse geschleppt wurde. Ich schaute in den Lauf einer Beretta.
„Jetzt gib mal alles her, was du hast!“ Es war einer dieser Siebzehnjährigen, die es toll fanden, ‚Leute abzuziehen’ und mit Waffen zu hantieren.
„Versucht ihr wirklich mit aller Macht, Amerika zu kopieren? Ist dir das nicht peinlich? Hast du nichts Eigenes?“ Er schaute mich blöd an. Er war gerade im Begriff etwas zu sagen, da rammte ich ihm das Messer unters Kinn. Er röchelte und ließ die Waffe fallen. Ich ergriff sie sofort und bereitete unserem Freund ein schnelles Ende. Sie war tatsächlich geladen.
Ich durchstöberte seinen Rucksack und fand zwölf Packungen mit Munition. Ich wusste, dass das nicht ewig reichen würde, aber für das erste sollte dieser Vorrat genügen.
Mit der Zeit kamen noch zwei Handfeuerwaffen hinzu: Eine Glock und einen Revolver. Am liebsten hatte ich aber meine Beretta. Sie ist wie ein Talisman, wie der erste selbstverdiente Taler von Dagobert Duck.
Große Sorgen hatte ich bei der Beschaffung von Munition. Einmal musste ich in ein Waffengeschäft einbrechen. Ich fühlte mich schlecht dabei, aber es war schließlich zum Wohl der Welt. Außerdem, wer Waffen verkauft, verdient es, bestohlen zu werden.
Warum wurde die Pistole überhaupt erfunden? Der Mensch ist immer auf der Suche nach Mitteln, die andere Menschen schnell töten.
Wie schnell hatten die Deutschen im ersten Weltkrieg das Senfgas entwickelt? Wenn es aber um ein Mittel gegen Krebs oder Aids geht, da fehlen dann plötzlich Zuschüsse und Räumlichkeiten.
Zu welchem Zweck werden biologische, chemische und atomare Waffen überhaupt hergestellt? Damit man sie nicht benutzt? Als Trophäen? Ich verstehe die Menschen nicht...
*
Die Zeit ist gegen mich. Mehr als sechs Milliarden Menschen leben auf der Erde. Ich weiß nicht, wie viele davon sterben sollen. Ich brauche Menschen um mich herum, die meine Meinung teilen, die mir helfen. Wenn ich wenigstens zwei Gleichgesinnte hätte, würde mein Ziel nur noch ein Drittel der Zeit in Anspruch nehmen als jetzt. Ich sollte eine Sekte gründen. Ich hätte das Zeug zum Weltherrscher. Ohne größenwahnsinnig zu scheinen, es wäre das beste, wenn ich Herrscher dieser Welt wäre! Überall würden bunte Blumen wachsen, vielleicht nicht gerade in den Dürreländern, aber sonst überall. Ich würde die bedingungslose Zerstörung Waffen aller Art fordern. Ein Messer ist eigentlich keine Waffe, es hat mehrere Nutzungsmöglichkeiten. Was hat aber eine Pistole bitte für einen Nutzen? Töten und verletzen, mehr nicht!
Des weiteren werden alle Kriegsgeschädigten, besonders der Oststaaten, einer Gehirnwäsche unterzogen. Das Wort ‚Krieg’ existiert nicht in meiner Welt, also auch in keinem Gehirn mehr! Wählt mich!
*
Es gibt Menschen, die werden behaupten, sie seien mit Gewalt groß geworden und können nichts für ihre ‚Mentalität’. Falsch!
Es ist wahr, es gibt Menschen, die von klein auf so manipuliert wurden, dass sie heute kriminell sind. Wer aber halbwegs intelligent ist, ist sich seiner Manipulation bewusst und tut etwas dagegen. Es gibt für alles eine Lösung. Wegziehen, Joga, Drogen...
Jeder ist selbst Schuld, wenn er mit einer gewaltbereiten Einstellung mir vor den Lauf kommt.
*
Ein jeder ist seines Glückes Schmied.
Jeder hat die Möglichkeit die Welt zu verändern, jeder kann etwas tun. Wenn ich bedenke, wie viele zukünftige Generationen ich schon ausgelöscht habe, bestätigt das meine Meinung. Warum lassen sich einige Menschen alles gefallen? Warum wehren sie sich nicht? Ich verstehe das einfach nicht...
Meine Eltern zum Beispiel haben nicht viel aus sich gemacht. Sie sind Marionetten der Gesellschaft. Immer schön im Durchschnitt, bloß nicht auffallen. Das einzig Positive, dass meine Eltern vollbracht haben, war ich. Durch meine Geburt kündigte sich die neue Welt an, die neue friedliche Welt.
Ansonsten gehen sie stur und bräsig ihrer Arbeit nach:
‚Ja, Chef.’, ‚Aber sicher, Chef.’, ‚Sofort, Chef.’
Nein, das ist nichts für mich, ich fühle mich zu Höherem berufen und ich werde es schaffen. Wer bitte soll mich aufhalten?
*
Der Mensch ist böse. Das Morden liegt uns im Blut. Jeder hat schon mal gemordet! Sind Insekten keine Lebewesen? Verdienen sie es nicht zu leben, wie wir Menschen? Jeder hält Hitlers Rassenlehre für bescheuert, dabei erklärt sich der Mensch selbst als höchstes Lebewesen. Woher nimmt er sich sonst das Recht, Tiere zu töten? Insekten werden getötet, weil sie als lästig empfunden werden, Rinder werden geschlachtet, damit wir mehr Abwechslung im Speiseplan haben. Ist das gerecht? Ich bin kein Vegetarier und auch kein Überbleibsel von Hitlers Leuten, ich bin ein Mensch und ich kenne meine Fehler. Ich will mich von keinem der oben genannten Beispiele freisprechen, ich verurteile nur den Rest der Menschen, die mir unterstellen, ich tue böses. Alle Menschen sind Mörder!
*
Schön ist die Nacht. Ich liebe es, im Dunkeln zu spazieren. Es ist so herrlich still, die Leute schlafen. In der Nacht begehe ich allerdings auch die meisten Morde. Personen, die im Schutz der Dunkelheit anderen auflauern, hinterhältig und feige. Allein der Gedanke macht mich rasend.
Eine Gruppe Jugendlicher kommt mir entgegen. Die Beretta ist schussbereit.
„Tschuldigung, hast du mal ne Zigarette?“ fragt einer der Jugendlichen.
„Ja, klar. Hier.“ Ich gebe ihm eine Zigarette, er zeigt auf seine drei Freunde und schaut mich fragend an. Ich verstehe, seine Freunde wollen auch. Ich gebe ihnen die Zigaretten.
„Vielen Dank, Ciao, schönen Abend noch!“
„Ciao! Ebenso!“ So kaputt ist die Welt nun auch nicht, es gibt auch Ausnahmen. Es sind Ereignisse wie diese, die mich weiterhoffen lassen, die mir Kraft geben, mein Ziel zu erreichen.
*
Im Grunde tue ich nichts anderes, als die Vereinten Nationen. Die nennen das Ganze ‚Friedensschaffende Maßnahmen’. Im Klartext heißt das, im Falle eines Krieges wird der Aggressor bekämpft.
Meiner Meinung nach befindet sich unsere Welt im Kriegszustand. Es ist ein Krieg innerhalb der Gesellschaft. Ich bekämpfe die Aggressoren, ich töte sie, genau wie die UN-Truppen.
*
Ich habe bisher unwahrscheinliches Glück gehabt. Die Polizei tappt völlig im Dunklen und hat schon die Bevölkerung um ihre Mithilfe gebeten.
Ich sammle alles auf, was ich finde: Vollgerotzte Taschentücher, Zigarettenkippen, Heroinspritzen, alte Schuhe, alles kann man benutzen, um das Täterprofil zu verfälschen.
Ich habe immer Zigaretten dabei, bin aber kein Raucher. Ich drücke die Zigaretten auf meinen Opfern aus und lege einen gefundenen Zigarettenstummel neben die Leiche, meinen eigenen nehme ich natürlich mit.
Ich habe schon die Sohle eines gefundenen Schuhs der Größe 41 mit Blut beschmiert und ein paar Abdrücke rund um den Tatort gemacht. Meine wirkliche Schuhgröße ist 46.
Die Polizei ist aber auch nicht dumm. Wahrscheinlich wissen sie, dass alle Morde von ein und demselben Täter begangen worden sind. Ich benutze ja auch meistens die selbe Waffe, meine Beretta, aber die Polizei muss jedem Hinweis nachgehen, DNS-Analysen machen und Täterprofile erstellen. Ich mache es ihnen wirklich nicht leicht.
*
Zu viele Köche verderben den Brei.
Wie bereits erwähnt, zählt die Welt mehr als sechs Milliarden Einwohner. Ich habe es schon auf Konzerten erlebt. Je kleiner die Zahl der Gäste ist, desto familiärer wirkt die Veranstaltung, desto leichter ist es, auf Menschen zuzugehen. Bei riesigen Festivals herrscht immer so eine Anonymität. Das Angebot an Menschen ist zu erdrückend.
Genauso ist es auf der Welt. Zu viele Menschen, zu viele böse Menschen. Die Masse an Menschen führt automatisch dazu, dass man ganz großzügig selektiert und die Ansprüche an andere Personen ständig wachsen. Ist ja genug Angebot vorhanden.
Stellen sie sich vor, sie sind auf einer Insel mit einer Person, die ihnen normalerweise gänzlich unsympathisch sein würde. Niemand anderes befindet sich auf der Insel. Werden sie mit dieser Person nicht reden, weil sie sie nicht mögen? Nein, sie werden bereit sein, Kompromisse einzugehen, sie werden solange suchen, bis sie Seiten an diesem Menschen gefunden haben, die sie mögen, sie werden froh sein, dass diese Person bei ihnen ist.
Warum geht das nicht auch ohne Insel? Warum ist die Gesellschaft so?
*
„Ganz ruhig, mein Junge. Her mit deinem Taschengeld!“
Eine Hand verschließt mir den Mund, ein Messer befindet sich an meinem Hals.
„Na, wird’s bald!!“
Ich gebe ihm mein Portemonnaie und er lässt mich los. Er will gerade wegrennen.
„Sie haben meine Uhr vergessen, die ist sehr teuer gewesen.“
Er dreht sich um, guckt mich ratlos an. „Was willst du?“
„Meine Uhr...“ Ich lasse sie in Kopfhöhe baumeln, seine Pupillen verfolgen diese Pendelbewegung. Ich nutze seine geistige Umnachtung und ziehe meinen Friedenstifter.
-Peng-
Aus meinem Rucksack hole ich eine Heroinspritze und steche sie ihm in den Hals. Dann lehre ich noch seine Geldbörse und hole mir meine wieder. Sein leeres Portemonnaie schmeiße ich auf seinen Bauch. Die Polizei wird denken, ich sei ein Junkie, der Geld für seinen nächsten Schuss benötigt. Schnell verlasse ich den Tatort. Ein kurzer Blick in die Straße, keiner da, weiter geht’s.
*
Was ich fühle, wenn ich töte? Ich kann es nicht sagen. Ich könnte niemals aus Spaß morden, es muss schon seinen Sinn haben. Allerdings gibt es immer diesen Moment kurz nachdem ich geschossen habe: Ein böser toter Mensch liegt vor mir, meinem Ziel bin ich ein Stückchen näher. Dieser Moment lässt mich lächeln, es geht mir gut, es wird warm um mein Herz.
Manchmal rede ich mit den Kadavern, wenn die Zeit und der Ort es erlauben. Ich zähle ihnen ihre Fehler auf und gebe ihnen Tipps im Falle einer Reinkarnation. Ich bin mir sicher, dass sie mich hören. Auch wenn ich sie als ‚unwürdig’ und ‚untauglich’ bezeichne, es sind doch Menschen...
*
Spät ist es jetzt. Ich sollte ein wenig schlafen, ich bin auch schon ganz schön müde. Neun Menschen waren es heute, die ihr Leben lassen mussten, neun Aggressoren.
Ich bin zufrieden. Neun ist ein guter Schnitt. Ich will nach Hause, da kommen mir sechs Neo-Nazis entgegen, ich verstecke mich schnell in der Gasse, um meine Beretta nachzuladen. Glück gehabt, sie haben mich noch nicht gesehen. Ich kenne diese Herrschaften vom Sehen und aus Erzählungen, sie schlagen wahllos zu, einfach so zum Spaß. Ich knirsche mit den Zähnen vor Wut. Es fällt mir leichter Menschen zu töten, wenn ich sie gerade dabei erwische, wie sie anderen oder mir Leid zufügen oder zufügen wollen. In diesem Falle bin ich mir aber hundertprozentig sicher, dass diese Personen nichts in meiner Welt verloren haben und dass es richtig ist, sie zu töten.
„Sieg Heil, meine Freunde!“ Sie drehen sich um. Der Zynismus in meiner Stimme ist unverkennbar.
„Guckt ma Freunde, n’ Lebensmüder!“ schreit der eine.
Bevor sie sich auf mich stürzen, zerreißen circa zehn Schüsse die Nachtruhe. Sie sind alle tot. So sind es heute doch noch fünfzehn geworden. Ich grinse, es ist wieder dieser Moment, der mich mit Wärme erfüllt.
*
Momentan ist mein Leben eine Monotonie. Jeden Tag das gleiche: Morden und Träumen. Nur der Glaube an meine Welt, hält mich am Leben. Irgendwann wird es sie geben. Ich brauche einfach mehr Leute, die an mich glauben. Ich habe Weltführungsqualitäten. Man sollte mein Talent nutzen.
Es gibt Menschen, die versuchen, Ursachen zu finden, um das Verhalten der Gesellschaft zu verstehen. Es gibt keine. Sei es Geld, Zeitdruck oder sonst was. Alles ist gut, nur das, was der Mensch daraus macht, ist schlecht. All das wird es in meiner Welt nicht geben. Wenn es Personen gibt, die so geil auf Geld sind, dann sollen sie es haben. Ich werde den Menschen neue Werte vermitteln, ich werde den Kapitalismus zerstören und dem Namen Demokratie alle Ehre machen. In meiner Welt wird es die Herrschaft des Volkes geben. Einmal im Jahr wird es ein Weltfest geben, wo getanzt und gelacht wird. Ohne Gewalt, alle werden friedlich sein. Alles ist möglich, solange es im Bereich des Vorstellbaren ist. Leider gibt es immer noch böse Menschen, die mein Ziel zunichte machen wollen...
*
Es wird sie immer geben. Menschen, die einfach nur herumstressen können. Ich werde sie bekämpfen und ich werde siegen!
Eines Tages wird die Welt gesäubert sein, werden alle friedlich sein. Dann ist mein Traum in Erfüllung gegangen, dann trägt meine Saat endlich Früchte. Dann ist sie perfekt: Meine Welt...