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Meine Mitmenschen und Ich, oder: ...

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12.01.2003
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Meine Mitmenschen und Ich, oder: ...

Meine Mitmenschen und ich
oder: Ich und meine Mitmenschen, oder: Ich

Vom Diktat scheinintellektuellen Gedankenguts


Ich empfinde viel. Sehr viel sogar. Ich möchte sagen, dass ich ein äußerst empfindsamer Mensch bin. Wenn andere Menschen zu mir sprechen oder wenn sie untereinander sprechen und ich zuhöre oder vielleicht auch wenn sie nicht sprechen ... höre ich eine Unmenge an Zwischentönen heraus, interpretiere sie meistens richtig, im Sinne einer höheren Werteordnung, und bin imstande, Gefühle zu denken und Gedachtes zu fühlen.

Ich weiß nicht, wann das angefangen hat, aber ich schätze, dass ich schon als kleines Kind etwas Besonderes war. Bereits im Alter von wenigen Jahren, kamen mir die Redeweisen und Handlungen meiner Eltern, anderer Erwachsener und auch der Kinder in meiner Umgebung, mitunter sehr grotesk vor. Eine ungemeine Kälte ging von ihnen aus. Nicht aus Boshaftigkeit oder Dummheit, vielmehr wurde mir damals schon bewusst, dass sie einfach nicht so viel empfanden wie ich und ich begann, insgeheim Mitleid für sie zu hegen. Stilles Mitleid, da sie jeglicher Konfrontation mit Aversion und wahrscheinlich auch Aggression begegnet wären.
Leider muss ich auch zugeben, dass es Zeiten gab, in denen ich Abneigung ihnen gegenüber empfand und schämte mich dafür. Allerdings waren das Phasen, in denen mir meine besondere Gabe in diesem Ausmaß noch nicht so bewusst war. Erst später, erkannte ich, dass sie ja schließlich nichts dafür konnten und meine negativen Gefühle einfach fehl am Platze waren.

Ich musste viel erleiden in meinem Leben und dabei bin ich doch noch so jung. Manchmal frage ich mich, ob es einen Grund für all diese Pein gibt und warum ausgerechnet ich auserwählt sein soll, diese Schmerzen zu erdulden.
Ich fühle so tief, erfreue mich an scheinbaren Nichtigkeiten und weine bereits bittere Tränen, wenn andere noch lange ein Lachen auf ihren Lippen tragen. Von Zeit zu Zeit wünschte ich, ich wäre wie sie. So unbeschwert, frei, einfach und doch standfest und selbstsicher, in ihrem scheinbar so falschem Tun und Sein. Und ich weiß nicht wie, aber immer dann, wenn ich kaum noch Hoffnung in mir trage, und beinahe schon bereit bin, den letzten Schritt zu tun, ereilt mich die Gewissheit, einer höheren Bestimmung folge leisten zu müssen. Und ich bin dankbar.

Ich bin dankbar, angesichts dieses großen Geschenks, dessen ich mich wissend oft nicht würdig genug erweise und dennoch danach strebe, mein Bestes, mein Leben zu geben, um dieser Welt zu dienen und bedingungslose Liebe zu schenken. Ich weiß, ich habe viel zu geben und die lieben Menschen um mich, die ich gerne meine Freunde nenne, wissen das auch zu schätzen.
Ich habe mich lange Zeit gefragt, was denn Liebe nun eigentlich wirklich ist, bis ich einen Menschen fand, der so rein und hoffnungsvoll ehrlich ist, sich an den gleichen Dingen wie ich erfreuen kann und ebenso zärtlich, wie hingebungsvoll ist, wie ich.

Fortan war es uns ein leichtes, die Welt gemeinsam an unserem Glück teilhaben zu lassen. Denn mit jedem Funken, den wir imstande waren zu schlagen, um unser kleines Leben zu erhellen, wuchs auch unser Mut, das Licht nach außen zu tragen und den Horizont unserer nächsten sinnbildlich zu erweitern. Und so verspürten wir auch ihrerseits große Dankbarkeit, derer wir wiederum mit Demut begegneten.

Manchmal kommt mir von anderen Menschen zu Ohren, dass sie uns für etwas seltsam halten. Das kann ich natürlich gut nachvollziehen, haben sie doch auch nie diese tiefen Gefühle empfunden, die uns so hoch tragen. "Orientierungslos", "sexbesessen" oder gar "pervers" wurden wir von den einen genannt, "aufdringlich", "langweilig" und "egozentrisch" von den anderen. Adjektive, die nur recht einfältigen und offensichtlich lieblosen Wesen über die Lippen kommen. "Borniert" und "verklemmt" fiele mir als Antwort ein, wäre ich nur annähernd so stumpf wie sie. Wie immer, wenn ein scheinbares Sicherheitsgefühl über Leidenschaft und Freiheitsdrang triumphiert, vernebelt es den Blinden die Sinne und lässt sie in Neid und Missgunst verfallen, während wir längst in andere Gefilde entschweben.
In stillen Stunden lache ich über sie. Sie, die sie nie das Herz eines anderen in sich trugen, in Selbstgerechtigkeit verfallen, je näher sie dem Abgrund kommen und ums Verrecken nicht den Schneid aufbringen, auch nur einmal über ihren erbärmlichen kleinen Tellerrand hinauszusehen. Diese Kretins der Bourgeoisie, geistiges Lumpenproletariat, unsensibel, hohl und derb. Abscheuliche Widerwärtigkeit im Einklang mit trostloser Selbstüberschätzung kranker Gesellschaftsgeschwüre, inzestuös vermehrt und unausrottbar verankert, in den Festen todgeweihter Dekadenz. Wie ich sie doch im Grunde meines Herzens hasse, meine Mitmenschen.

Aber Toleranz lässt sich eben nicht erlernen. Eine zwar bittere aber leider wahre Erkenntnis, an der ich schon oft zu zerbrechen drohte und nur Dank unbändiger Kraft der Liebe ...

Halt doch bitte einfach dein blödes Maul.

Sehen Sie ... muss ich das wirklich noch weiter kommentieren? Ich denke, nein - fühle -, dass wir uns verstehen. Haben Sie noch einen schönen Tag.

 

Geschichte wurde nach Absprache mit dem Autor von Satire nach Philosophisches verschoben.

 

Hi Morphin,

Danke für's Lesen und ... äh, Nicht-Kommentieren. :(

... aber dann bist Du offensichtlich über Dein eigenes Anliegen gestolpert.
Welches Anliegen hab ich denn deiner Meinung nach verfolgt?

Denn da stellt sich mir eine Frage: Sind Wortwiederholungen und Schachtelsätze aus Prinzip schlecht oder lässt du sie gelten, wenn sie im Kontext zum Inhalt einer Geschichte stehen?

Grüße
Visualizer

 

Gut, dann weiß ich zumindest, dass mein "Anliegen" mehr oder weniger verstanden worden ist, also doch jetzt auch "Danke für's Kommentieren!".

Empfindest du den Text auch eher "philosophisch", denn satirisch? Ist es mir wirlich nicht gelungen, diesen selbstverliebten kleinen Gnom arg genug zu überzeichnen, dass man es als Satire anerkennen kann? Oder ist es zu subtil? Oder einfach nur zu schwach?
Denn Gamdschie hat gemeint, er sähe nicht wirklich satirische Ansätze darin und hat diese Rubrik vorgeschlagen. Und ich hab spontan zugestimmt, weil ich den Gedanken witzig fand, dass mein Protagonist von sich aus wohl genau diese Rubrik gewählt hätte, um seine Ergüsse zu veröffentlichen. Er (der Protagonist, egal ob männlich oder weiblich), der so viel zu geben hat, weil er ja so wahnsinnig interessant und sensibel ist. Und weil es gar so viel ist, hielt ich die Wiederholungen für angebracht, auch wenn ich ein "geben" jetzt doch durch "schenken" ersetzt habe.

Man sieht vielleicht, es steckt ein persönliches Statement in diesem Text (nein, nicht nur der eine kursive Satz am Ende) und dachte also doch, dass es als Satire akzeptabel wäre. Na wie auch immer, für mich isses jedenfalls eine. (Und jetzt noch mehr, da sie unter "Philosophisches" steht). :D

Grüße
Visualizer

 

Hallo Visualizer,

Dein Protagonist ist der Anti-Philosoph, er sucht nicht den `Punkt, an dem die Welt einheitlich begriffen werden kann`, sondern er hält sich für den Punkt, der alles begriffen hat...

Für mich keine Philo- aber ganz schön geschrieben...

Tschüß... Woltochinon

 

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