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Mein Zweifel und Ich
Ich fühle mich noch so unvollendet.
Doch trotzdem rede ich vom Frieden. Nun nehme ich mir vor, mich selbst zu lieben und die Verantwortung für mein Glück zu tragen.
Und die unvollendete Stimme in mir spricht und sagt: „Das sind alles nur Ausreden. Du musst gerade für deine Fehler stehen und Buße tun, du musst leiden.“
Und alles in mir reißt sich zusammen und entgegnet: „Ich will mich nicht für den Weg des Schmerzes entscheiden. Es ist so einfach zu leiden. Ich will die Herausforderung annehmen und meine dunklen Schatten als meine akzeptieren, jeden Schritt in Achtsamkeit mit ihnen pflegen. Sollen sie doch da sein, so laut schreien wie sie wollen. Ich werde all meinen Mut zusammen bringen und sie durch Selbstliebe erleuchten lassen.“
„Völliger Mist. Ihr Hippies glaubt wohl dass ihr alles durch Selbstliebe wieder gerade bringen könnt. Ihr lebt in einer Welt voller Gier, Neid und Zorn. Was nützt euch die Akzeptanz eures Selbst wenn die Welt dort draußen euch verflucht?“ Die Stimme nimmt langsam ein grübelndes und strafendes Gesicht an.
Und ich bemerke wie der Zweifel über mich hineinfällt und sich in meine schwachen Nerven beißt.
„Ja“, entgegne ich, „Die Welt ist voller Zorn. Und wer weiß wie viele Menschen mich verurteilen. Und ja, ich gebe mir Recht, ich habe oft enttäuscht, gelogen und schwerwiegende Fehler gemacht. Ich habe Menschen wegen meines Verhaltens weinen sehen, wahnsinnig werden. Und oft schäme ich mich, sobald ich die tiefen Räume meiner Erinnerung betrete.“
„Ha, habe ich es doch gesagt. Wie willst du dich selber lieben können wenn du ehrlich in den Spiegel – „
„Diese Konfrontation ist unfair!“
„Ach was, habe ich deinen wunden Punkt getroffen? Ehrlichkeit, Liebchen. Schau dich an, schau dir deine Geschichte an. Du hast es selbst gesagt. Wie vielen Menschen hast du schon ein Herz gebrochen und Vertrauen geraubt? Diese Welt ist grau und deine Pinselstriche hinterlassen nur schwarze Pfützen in diesem tristen Gemälde voller Leid.“ Der Zweifel räkelt sich genüsslich über meine Schultern und kitzelt mich dabei verlockend am Kinn.
Und tatsächlich trifft er meinen wunden Punkt. Mein aus Holz gebautes Fundament bricht leicht in sich zusammen. Ich starre in die Ferne und die Erinnerungen werden wach. Werde ich immer derselbe Mensch bleiben? Immer wieder dieselben Fehler machen? Bin ich wirklich liebenswert und darf ich mich selbst überhaupt lieben mit all den Macken und Kanten?
Mittlerweile hat es sich die raue Stimme auf meinen Schultern sehr gemütlich gemacht und zieht mich runter. Es wird allmählich dunkel und während ich mich umschaue meldet sich auch mein Kurzzeitgedächtnis: „Moment, wohin wollte mich mein erster Gedanke führen? Ach ja, es ist so einfach zu leiden. Du Zweifel in mir, du bist wie eine Sucht, eine kurzfristige und einfache Lösung. Ich habe mich lang genug gehasst, meinen Blick in den Spiegel vermieden und mich von dir verführen lassen. Ich könnte dir Recht geben und sagen: ‚Verdammt Ja! Ich bin ein Haufen Dreck. ‘ Aber so leicht bekommst du mich nicht. Wenn ich zurück schaue, dann sehe ich wohin du mich geführt hast, in noch tiefere und leerere Orte meines Herzen, die gefüllt waren mit deinen Worten. Und aus zu wenig Selbstachtung und zu viel Selbstkritik habe ich immer nur die falschen Wege eingeschlagen. Sag mir, wie fing ich meinen Gedanken an? Genau, Selbstliebe. Ich nehme auch dich, kleines, kritisches Monster als menschliche Macke im Kopf mit auf meine Reise.“
Nun sitzt der Zweifel nicht mehr auf meiner Schulter sondern starrt mich mit weit aufgerissenen Augen an. „So leicht machst du es dir?“
Ich unterbreche ihn: „So schwer mach ich es dir?“
„Jetzt hör auf mir meine Sätze im Mund herum zu drehen.“
„Nun fängt der Zweifel an zu zweifeln? Kann das sein? Hör mal, kleiner Kritiker. Du hast Recht, ich habe viel verpatzt in meinem Leben aber soll ich deshalb nun, damit meine ich jetzt und hier, in diesem Moment, dir verfallen? Ich möchte ein Fundament für mein Leben errichten und dabei soll mir meine Erfahrung die Stütze sein. Vor allem die Misserfolge sollen mich lehren was ich beim Bau beachten musst und auch du erinnerst mich daran, dass ich unbedingt Fenster in meinen dunklen Keller des Fundaments einsetzten muss, damit du immer mal wieder Sonnenschein abbekommst. Nun sind die Dinge so geschehen und wer weiß wie viele Menschen dort draußen sind denen ich Schaden zugefügt habe genauso wie Menschen die mich enttäuscht haben. Sollen sie dort draußen sein. Was für mich zählt ist dieser Augenblick, in dem ich entscheide ob ich mein Leben nun in Licht wandeln möchte oder in den alten Mustern des Selbstmitleides hängen bleiben will.“
„Und was ist, wenn du dieselben Fehler wieder machst?“ Die unvollendete Stimme ist nun nicht mehr böse oder zornig sondern eher ängstlich, verwundert.
„Ich muss es ausprobieren, Ich muss es wagen. Ich muss in mich vertrauen und ich werde einen Samen pflanzen. Jetzt, Hier, heute!“
„Jetzt wirst du aber ganz schön übermutig.“
„Ja, ein bisschen zu viel Mut ist besser als ein bisschen zu wenig.“, erwider ich mit strahlendem Gesicht.
Ich fühle mich so unvollendet perfekt.