Mein wunderbarer Sommersee
Wenn ich die Augen schloss, dann konnte ich ihn sehen, als wäre ich gerade noch dort gewesen. Das klare Wasser, wie die Wellen sich im Schein der Sonne kräuselten, das Schilf, die bunten Steinchen am Ufer, die die Füße so wundervoll massierten.
Wenn ich die Augen öffnete, dann sah ich Josef, meinen in die Jahre gekommenen Mann, in zerschlissenen Jeans und einem Shirt, das über der Wampe spannte.
Also schloss ich die Augen.
Ich spürte den Sommerwind, sah, wie er die Libellen über dem Wasser tanzen ließ und wie das Schilf sich zu ihrer Melodie wiegte.
„Und wo lang jetzt?“
Die Libellen flogen davon, das Wasser erstarrte. Diese brummige Stimme, immer schlecht gelaunt.
Wann hatte das begonnen? Ich wusste es nicht mehr, aber nun war es überall.
„Links, ich meine links.“
„Links also.“
„Es ist so lange her.“
„Ich kann es dir auch nicht sagen!“, knurrte Josef und verzog das Gesicht.
„Ach, fahr doch einfach“, sagte ich resigniert und schloss wieder die Augen.
Es ist lange her, das ich Oma in den Sommerferien besuchte, so lang. Die Füße kühlte ich im See, wenn ich zuvor Stunden im heißen Sand gelaufen war. Ich lachte, spritze Wasser in den Himmel, bis zur Sonne. Es war so unbeschwert. Bin ich bin alt geworden?
„Hier ist es dann wohl.“ seine furchtbare Stimme holte mich in den Wagen zurück und Josef lies ihn am Rande der alten Straße halten. Wir stiegen aus und Josef wartete neben dem Wagen darauf, dass ich loslaufen würde Warum lässt er sich nur so gehen, warum sieht er mich nicht? Ich versuchte ihn anzulächeln.
Eilig schritt ich voran, einen kleinen Weg, dicht gesäumt von hohem Gras und die Grillen zirpten. Der Weg endete und da war er nun, mein wunderbarer Sommersee, hatte all die Jahre auf mich gewartet.
„Das ist es also, dein toller Teich“, brummte Josef vom Ende des Weges.
„Das ist er“, flüsterte ich.
Hoch stand das Gras, noch höher war das Schilf gewachsen und bedeckte fast das ganze Wasser. Die Steinchen lagen stumpf in der Sonne, der Steg war gebrochen und vergrub sich im Schlamm. Mir brannten die Augen und ich wagte nicht, zu Josef zu schauen. Vorsichtig setzte ich einen Fuß auf den Steg und das alte Holz seufzte. Ich schritt voran, starrte hinab in das schmutzige Wasser und nur eine Frau mit grauem Haar blickte mich an und formlos verschwamm ihr alter Körper im trüben Grau.
„Und, ist es nun dein Teich?“
Josef war ganz unbemerkt über die fauligen Bohlen zu mir gelangt und legte seinen Arm um mich. Der Wind blies ihm über das schüttere Haar und die Sonne glänzte ihm in den Augen. Ich seufzte, schloss die Augen. Und dann konnte ich ihn sehen, diesen jungen Mann, so groß, so schlank und ein Lächeln, wie der ganze Mann ein Lächeln war. Ich spürte seine Berührung, genoss seinen Geruch und strich ihm durch das blonde Haar.
„Nein, nein das ist er nicht“, sagte ich traurig und öffnete die Augen.
„Lass´ uns gehen“, brummte er und seine Lippen berührten mich rasch.
„Ich bringe dich an einen schönen Ort“, hörte ich den jungen Mann sagen.
Ich lächelte Josef an und gemeinsam gingen wir auf dem schmalen Pfad, und sein Körper drückte sich an meinen und wenn ich die Augen schloss, dann konnte ich ihn sehen, meinen wunderbaren Sommersee.
Oybin, Juli 2017
Kay Mihai Matthias