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Mein Weihnachten.

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24.06.2008
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Mein Weihnachten.

Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht mehr, wie alt ich war, ich weiß nicht mehr, wie und wann ich es erfuhr, aber fakt ist, ich erfuhr es.
Sie war schon immer schwierig, klar, ihr Vater fiehl im Krieg, ihre
Mutter war fast nie zuhause, sie hatte kein Geld.
Mit 19 wurde sie schwanger, ohne Mann, in der dahmaligen Zeit eine Schande. Aber ich habe es ihr trotzdem nicht verziehen, ich werde es ihr wahrscheinlich nie verzeihen, ich weiß nicht einmal ob ich Tränen für sie haben werde, wenn sie einmal stirbt.
Am 21.08.60 bekam sie ihr Kind, meine Mutter.
Sie heiratete einen Mann, meinen Opa, auch als ich mit 13 erfuhr, das ich nicht mit ihm verwand bin, er wird immer mein Opa bleiben.
Ja, sie war schon immer schwierig, meine Mutter selbst erfuhr erst mit 21 wer ihr leiblicher Vater war, er ist vor 2 jahren gestorben, aber sie hat ihn nie kennen gelernt.
Sie wollte ihn nicht kennen lernen, mein Opa war für sie ihr Vater.
Auch er ist nicht einfach, er ist geizig und er kann nicht loben, er kann es einfach nicht, aber er kann wundervolle geschichten erzählen und er kann sich für dinge begeistern und andere dafür begeistern, er kann immer noch auf einer Tonne stehen und rollen, das hat er gelernt, als er mit seinen 5 geschwistern zirkus gespielt hat, er kennt 100te blumen und er kann helfen, aber er kann nicht loben.

Ich weiß nicht mehr, wann es war, aber irgendwann erfuhr ich, dass mein Opa eine neue Freundin hat.
Sie heißt Ulricke und ist fast 20 Jahre jünger, hat 3 Kinder und hat sich von ihren Mann im guten getrennt, die beiden sind Freunde geblieben, anderes bei meinem opa und meiner oma.
Meine Oma ist daran zerbrochen.
Sie hat mich gegen ihn aufgehetzt, hat seine Wohnung versaut, hat seinen strom abgestellt,sein geld ausgegeben, hat ihm gedroht, aber sie hat sich bis heute nicht von ihm getrennt.
Ich weiß nicht, ob sie ihn liebt, oder ob sie mit dem Gedanken "ersetzt geworden zuseien" nicht klar kommt.
Anfangs, als ich noch klein, als ich noch ein Kind war, was ich jetzt nicht bin, nicht mehr sein kann, aber sein will, hat sie es geschafft, dass ich ihr glaube, ihr glaube,dass er schuld sei, aber er ist es nicht.

Jedes Mal, wenn meine Oma hier anruft, weint sie, jedes Mal, wenn ich für sie Klavier spiele, weint sie und jedes mal wenn sie ihr ist (zum glück nicht so oft, sie wohnt in der nähe von aachen) weint sie.
An ihr sind 3 phyologen zerbrochen und als ihr das nicht mehr reichte,
suchte sie bei anderen die Schuld, bei meiner Mutter.
Sie verbot ihrer eigenen Tochter, Kontakt mit ihrem Vater aufzunehmen, machte ihr Vorwürfe in einer Tour und jammerte, jammerte ihr nur noch vor, wie schrecklich alles wäre und doch hat sie sich nie von ihm getrennt, ist nie ausgezogen.
Sie änderte ihr Ausssehen radikal, schnitt ihre Locken ab, kaufte sich sündhaft teue Anziehsachen, als glaubte sie, sie bekäme ihn damit zurück.

Das Jahr ging vorbei.
Weihnachten kam, das Fest der Familie, das Fest der Liebe.

Oma und Opa kamen.
Oma machte auf heile Welt.
Opa schwieg.

An diesem Tag schrie Oma meine Mutter an, weinte ihr einen vor, rastete total aus und meine Mutter begann auch zu weinen, doch sie wehrte sich nicht, sie ließ sich fertig machen und weinte.
Mein Bruder und mein Vater schwiegen.
Mein Opa saß allein in einer Ecke.
Ich sah den Weihnachtsbaum an, das Fest das ich am meisten liebte, nicht wegen der Geschenke, nein materielle Dinge hatten schon damals keinen Wert für mich,
ich liebte es wegen den Weihnachtsliedern, wegen der Plätzchen, wegen der Familie.
Und der Weihnachtsbaum verschwamm vor meinen Augen.
Ich habe dieses Weihnachten in meinem Zimmer verbracht, weinend und Weihnachtslieder summent, bis meine Oma ins Zimmer kam und mich fragte, was los sei.

Ich glaube, alle meine Freunde kennen diese Geschichte.
Aber ich glaube niemand weiß, wie viel an diesem Tag in mir zerbrochen ist.
Ich habe es meiner Oma nie gesagt und ich werde es ihr nie sagen aber diese Frau hat mein Weihnachten gestohlen und ich werde es nie wieder bekommen,
denn so wie damals verläuft seitdem jedes meiner Weihnachtsfeste, nur dass ich seitdem nie wieder an Weihnachten geweint habe.
Ich liebe Weihnachten nicht mehr, ich hasse es.

Diese Frau hat mein Weihnachten kaputt gemacht, so wie sie mit fast jeden Anruf meine Mutter ein Stück weiter kaputt macht.

Oft habe ich versucht, mit ihr zureden, sie zu verstehen, aber sie legt immer weinend irgendwann auf.
Ich habe es aufgegeben, ihre gehässige Art zuversuchen zuändern...
Sie hat mein Weihnachten kaputt gemacht.
Sie wie sie versucht, mich kaputt zumachen.

Ich habe keine Tränen mehr für diese Frau und ich weiß nicht, ob ich sie jemals haben werde.

 

Hallo Anily,

das klingt ja bitter. Du vermittelst Deine Wut, Dein Unverständnis und Deine Frustration über Deine Oma sehr intensiv. (Ich gehe einfach mal davon aus, dass es sich hier um einen autobiographischen Text handelt, denn anders würde die gewählte Form für mich keinen Sinn machen.) Auch die Emotionalität der Großmutter selbst wird deutlich, die Dich wahrscheinlich zusätzlich belastet - zumal im Kontext der eigenen Tränen, beim ersten Fest.

Alz Kurzgeschichte funktioniert der Text wohl nur bedingt. Das würde voraussetzen, einzelne Momente der Begegnung (z.B. das schicksalsschwere erste Weihnachtsfest mit der geheuchelten Harmonie zwischen Großvater und Großmutter) szenisch aufzuarbeiten. In solche Szenenfolgen könntest Du dann den familiären Hintergrund stückchenweise einfügen, so dass der Leser sich nicht erst einmal durch einen dicken Wust von Familiengeschichte durcharbeiten muss, bevor das titelgebende Fest überhaupt beginnt.

Die Hauptidee bei einer Kurzgeschichte ist "show, not tell": es geht um das "Kopfkino", also die Bilder, die beim Lesen entstehen. Dein Text ist sehr abstrakt, geht stark auf die Familienkonstellation ein, mit verstorbenen Vater, Nenn-Opa und dem ganzen Umfeld der Oma, die schon so früh Mutter geworden war. Mit zu den schönsten Bildern gehört da der Großvater auf der Tonne. Ich denke, dieses Bild wird mich noch eine Weile begleiten. :)

Wahrscheinlich wird die Geschichte über kurz oder lang aus "Alltag" nach "Weihnachten" verschoben, da es für dieses Fest und alles, was dazu gehört, eine eigene Rubrik gibt.

So weit erst einmal. Herzliche Grüße,
Ennka

 

danke :)
ich glaube, das problem ist, dass ich daruas keine richtige kurzgeschichte machen konnte und ich dachte, dass es nicht zu "weihnachten" ins bessondere gehört, sondern etwas ist, das leider immer ist.

weißt du, das bild von meinem opa auf der tonne ist wirklich ein wunderschönes, ich habe früher immer darum gebettelt und dann ist er die ganze ziegenwiese auf und ab gerollt, das waren einfach schöne zeiten.

also danke.

 

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