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Mein Verfolger
Crime doesn´t pay
Keuchend setzte ich einen Fuß vor den anderen, versuchte, mein Tempo zu steigern. Doch der Abstand zwischen ihm und mir wurde immer kleiner. Hektisch sah ich mich um, versuchte eine Hauseinfahrt, eine Ritze, eine kleine Gasse, irgendein verdammtes Versteck zu finden. Die Last auf meinem Rücken erleichterte meinen verzweifelten Fluchtversuch nicht gerade. Und obwohl er am Ende der unbeleuchteten, düsteren Gasse war und ich in wenigen Sekunden um die Ecke laufen würde, war es mir, als könnte ich bereits seine kalte Hand um meinen Hals fühlen, den eisigen Metalllauf der Pistole auf meinem Rücken spüren. Wäre ich nicht in so einer bedrohlichen, ausweglos scheinenden Situation gewesen, diese Straßen wären mir malerisch erschienen. Kleine Backsteinbauten, rauchende Schornsteine und hie und da ein erleuchtetes Fenster. Es erinnerte mich ein wenig an das Viertel meiner Kindheit, doch ich war nun nicht mehr elf Jahre alt und hatte Angst vor der Strafpredigt meiner Mutter, weil ich erst jetzt heim kam, obwohl es schon dunkel war. Nein, ich fürchtete um mein Leben. Ich war mir sicher, dass mir die blanke Angst ins Gesicht geschrieben stehen musste, war mir sicher, dass mein Herz nur mehr wenige Schläge zu tun hatte. Und trotzdem setzte ich weiter einen Fuß vor den anderen, suchte nach einem Ausweg. Endlich erblickte ich vor mir ein leicht verfallenes Fabriksgebäude. Hastig sah ich mich um - mein Verfolger war nicht zu sehen. Ich musste die Chance nutzen. Ich schlüpfte durch ein Loch im Maschendrahtzaun, sah mich erneut um und lief dann schnellen Schrittes in die Fabrikshalle. Der Geruch von abgestandener Luft und altem Benzin empfing mich. Wozu diese Maschinen, deren Umrisse ich in der Dunkelheit nur schemenhaft erkennen konnte, wohl gedient haben mochten? Plötzlich fühlte ich mich unwohl hier, ein eiskalter Schauer lief über meinen Rücken und ließ mir die Haare auf meinen Armen zu Berge stehen. Doch ich vergaß nicht, weshalb ich hier war. Eilig sah ich mich nach einem Versteck um. Ich erblickte eine Treppe, schlich sie leise hinauf. Was wenn er bereits erkannte hatte, wo ich war? Also immer leise sein, immer auf der Hut sein. Im oberen Stock mussten früher wohl die Büroräume gewesen sein. Ich überlegte, welcher dieser Räume mir als Schutz vor ihm dienen sollte. Ich entschied mich für den für ein Versteck ungewöhnlichsten Raum: die Toilette. Die nächsten Minuten waren für mich so schlimm wie der letzte Meter eines zum Tode Verurteilten. Mein Herz hämmerte und ich war mir sicher, dass es mich entlarven würde. Auf einmal schien es mir, als hätte ich Schritte vernommen, seine hastigen und dennoch schweren Schritte. Er wusste wo ich war. Und tatsächlich hörte ich ihn die Treppe hinaufpoltern, hörte ihn die Bürotüren öffnen und immer wieder leise fluchen. Langsam kam er meinem Versteck immer näher und näher, bis er endlich vor dem WC stand. Ob er die Türe wohl aufmachen würde? Schnell fand ich eine Antwort auf meine Frage - er öffnete sie. Das erste Mal in meinem Leben blickte ich in den Lauf einer Pistole. Nun war es aus. Und tatsächlich vernahm ich seine Worte wie in Trance:" Hände hoch, Freundchen! Tja, jetzt ist Schluss, zumindest für die nächsten 20 Jahre. Raubmord ist kein Kavaliersdelikt! Jetzt wirst du einmal eine Nacht in einer schönen, warmen Gefängniszelle verbringen."