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Mein Vater - Was sind denn schon Versprechen
Er hatte es doch versprochen ...
Ich sitze neben ihm am PC und lese den Satz der auf dem Bildschirm steht immer wieder.
Damals, als er ihr geschrieben hatte, er würde sie lieben … da hatte er doch versprochen gehabt, nie wieder mit ihr zu schreiben. Und jetzt das.
Bitte erzähl ihr nichts von dem Kuss. Ich liebe nur sie und das alles war ein Fehler …
Die Worte brennen sich in meinen Kopf und legen alle Gedanken lahm.
Ich sehe die zwei Sätze, die mir das Mädchen geschickt hat. Es ist ein Auszug aus dem Internetmessenger, worüber er mit ihr geschrieben hat.
„Hast du mich betrogen?“ Mir wird erst bewusst, was ich da sage, als die Worte schon über meine Lippen sind. Langsam drehe ich meinen Kopf zu Janick, es kommt mir vor wie in Zeitlupe.
„Es tut mir leid.“ Er sieht mich mit seinen braunen Augen hilflos an.
„Hast du?“ Ich zittere am ganzen Körper.
Janick senkt den Kopf. „Ja.“
Dieses eine Wort frisst sich in mein Herz und verursacht einen unglaublichen Schmerz. Ich möchte schreien, wild um mich schlagen und heulen aber das einzige was ich zustande bringe ist ein „geh jetzt, bitte.“
Er steht auf und sieht mich lange an, bevor er mich an beiden Armen packt. „Es tut mir leid, wirklich. Es war auch nicht mehr als Küssen. Bitte, du musst mir glauben.“
Ich senke den Blick.
Was habe ich falsch gemacht? Was fehlt ihm bei mir? Was mache ich, damit er nicht glücklich mit mir ist?
„Geh jetzt, bitte“, wiederhole ich leise.
„Ich liebe nur dich. Bitte wirf mich nicht raus. Gib mir nur noch eine Chance.“
Endlich laufen Tränen über meine Wangen. Das fühlt sich irgendwie gut an, so richtig ...
„Wie oft?“
Er zögert. „Zwei mal, es tut mir leid. Aber es war wirklich nicht mehr als küssen.“
Ich blicke zu ihm auf. Ja, genau, trampel auf den Bruchstücken meines Herzens rum. Lass mich noch mehr leiden ...
„Ich will, dass du jetzt gehst.“ Meine Stimme hört sich laut und fest an. „Du hast damals versprochen, nicht einmal mehr mit ihr zu schreiben! Aber stattdessen hast du sogar …“
Resigniert lässt er los und wendet mir den Rücken zu, schlurft zur Tür.
„Wieso?“ Ich kann ihn doch nicht einfach so gehen lassen, zuerst brauche ich antworten.
Janick dreht sich noch einmal um. „Du warst im Urlaub und sonst war auch niemand da. Es tut mir wirklich leid.“
„Was habe ich falsch gemacht?“, schluchze ich. Jetzt kommen die Tränen ohne Gnade.
„Gar nichts. Derjenige, der etwas falsch gemacht hat, bin ich.“
Er steht da, mit den Händen in der Hosentasche und mir wird klar, dass ich ihn nicht gehen lassen werde. Ich kann nicht. Ich weiß, dass ich dumm und naiv bin, trotzdem stehe ich auf und gehe auf ihn zu, zieh ihn zu mich heran und halte mich an ihm fest.
„Ich hasse dich!“, murmel ich in sein T-Shirt und verzeihe ihm trotzallem, weil ich nicht anders kann, als das zu tun, was meine Gefühle wollen.
„Ich mache so etwas nie wieder.“
Für diesen Moment will ich das glauben und verdränge alle Zweifel die ich habe.
„Ich komm auch mit, versprochen.“
Morgen soll ich die Ergebnisse vom zweiten HIV-Test erfahren. Der Arzt hat darauf bestanden, dass ich einen zweiten mache, da man erst nach zwei Monaten eine Infektion feststellen kann.
Janick weiß, dass ich Angst vor morgen habe und ein negatives Ergebnis gesagt bekommen könnte. Ich bin ihm echt dankbar, dass er morgen mitkommen will …
Ich stehe vor der Praxis und sehe weit und breit keinen Janick. Dabei hatte er es doch versprochen, mich zu begleiten. Ich denk immer wieder daran, dass er genauso viel Angst haben muss, er könnte mich angsteckt haben und bestimmt noch kommen wird. Schließlich hat er es versprochen …
„Wo warst du?“, frage ich am Telefon.
„Tut mir echt leid. Ich habe verschlafen. Wie sind die Ergebnisse?“
Verschlafen … Dann kann es ihm ja doch nicht so wichtig gewesen sein, wie es um meine Gesundheit steht. Dabei hatte er versichert, mit zu kommen …
„Ich bin kerngesund.“
Es war wohl mal wieder eines seiner leeren Versprechen. Aber ich kann ihm nicht sauer sein, ich habe immer noch die Hoffnung, dass sich daran mal etwas ändern wird …
„Du hälst nie das, was du mir versprichst!“ Ich liege auf meinem Bett und kau auf meinen Fingernägeln.
„Ja ich weiß, ich versuch mich auch zu bessern.“ Janick nimmt mich in den Arm und küsst mich.
„Das sagst du ständig.“
„Hmm.“ Er fummelt an meinem Busen rum und will mehr. Ich seufze und lasse das Thema ruhen. Vielleicht hält er sich ja dieses Mal dran …
„Das ist echt meine letzte Zigarette.“ Janick zündet sich noch eine an, nimmt mich dann an der Hand und wir gehen gemeinsam Richtung Diskothek.
„Du weißt, dass du damit aufhören sollst. Du hast sowieso keine hohe Lebenserwartung“, murre ich.
„Ich versuch doch schon, mit dem Rauchen aufzuhören. Jetzt gönn mir mal die eine.“
„Sehe ich ja, wie du es versuchst. Das ist heute schon deine siebte.“ Aber ich kenn es ja …
„Du hast vorhin gesagt, dass es deine letzte ist. Also halt dich auch an dein Versprechen und lass es sein!“ Irgendwo in mir brodelt Wut, die herausgelassen werden möchte. Ich weiß nicht wieso ausgerechnet jetzt, aber sie fühlt sich richtig an.
„Ach komm, nur noch die eine.“ Janick steckt sich vor der Disco noch eine Zigarette in den Mund und inhaliert den Rauch tief. Das rote Glimmen der Glut macht mich rasend.
„Ja, genau das sagst du immer!“ Ich werde ungewollt lauter. „Du versprichst immer irgendwas und brichst es dann doch! Aber mit mir kann man das machen, was?“
Er sieht mich ganz erschrocken an. „Jetzt komm mal wieder runter. Das ist doch nur eine Zigarette.“
„Aber es ist auch ein Versprechen! Du hattest vorhin versprochen, dass es deine letzte ist und jetzt rauchst du schon wieder! Und so ist das mit all deinen Versprechen! Was war, als du versprochen hast, mit zu den Test-Ergebnissen zu kommen?! Was warm als du versprochen hast, dass du dich bessern willst?! Was war denn damals, als du mir versprochen hattest, nicht mehr mit ihr zu schreiben?! Du hattest nicht nur wieder mit ihr geschrieben, du hast gleich mit ihr rumgeknutscht! Du machst auch nicht nur einmal das, was du sagst!“
„Ey, bleib mal ruhig, ich will mich ja auch bessern.“ Er nimmt mich an den Schultern und versucht mich festzuhalten, doch ich schlage seine Hände weg.
„DEINE VERSPRECHEN SIND NUR LEERE WORTE!“
Die Wut schnürt mir den Hals zu. Ich drehe mich um und laufe einfach davon, Richtung nach Hause. Es hat doch eh keinen Sinn mehr, seinen Versprechen Glauben zu schenken …