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Mein Sohn

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20.01.2004
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Mein Sohn

Ein Vogel flog vorbei. War es ein Falke? Ein Adler? Ich wusste es nicht. Aber ein Raubvogel war es, sein Schnabel war gebogen und scharf. Ein schreckliches Gefühl von Verlassenheit kam über mich, Wut erfüllte mich bis tief ins Herz. Wie wenn der Vogel mir gezeigt hätte, dass ich nur ein kleines Nichts war. Ich schrie, schrie wie ein Schwein in Todesgefahr. Meine Hände umfassten die kalten Gitterstäbe, die mich davon abhielten, wieder saubere Luft zu atmen. Mich davon abhielten wieder frei zu sein. Hier drin war die Luft grauenhaft. Es roch nach Schweiss und nach Blut, nach Kot und Urin. Die Luft war stickig und heiss. Mir schwindelte. Ich setzte mich auf die Pritsche. Sie war hart, doch immerhin konnte ich mich hinlegen. Nicht, dass ich nicht schon bessere Betten gehabt hätte. Ich lachte. Lachte wie eine Verrückte, ich lachte mich selber aus. Schlussendlich lag ich auf der Strohmatte. Ausgepumpt und müde. Meine Schultern zuckten, ich atmete schnell und unregelmässig. Tränen liefen über meine eingefallenen Wangen. Alle schrecklichen Erlebnisse kamen wieder über mich; und niemand war da, der mich hätte trösten können. Ich fragte mich wohl zum hundertsten Mal, von wem das Kind sei. Mein Kind. Mein Sohn, den sie mir genommen hatten. Ich wollte nicht heulen, wollte stark sein. Aber erneut verscheuchte ein Tränenausbruch alle meine Gedanken. Ich keuchte, weinte und schrie wie es nur eine hilflose Mutter tut. Das rostige Schloss an der Tür klackte, als jemand einen Schlüssel hineinsteckte. Ich drehte mich auf den Rücken und schloss die Augen. Niemand sollte mich sehen und denken, ich hätte Angst vor meinem Schicksal. Das stimmte nämlich nicht. Ich hatte keine Angst um mich. Nur um meinen Sohn. Die Tür quietschte. Ich sah nicht hin, doch ich versuchte mit meinen Ohren zu hören. Sie waren zu dritt: Die Wache und die zwei Henker. Jemand kam auf mich zu, die anderen beiden unterhielten sich gedämpft. "Steh auf!", knurrte der Mann der mir am nächsten war. "Na wird's bald?!" Langsam öffnete ich die Augen und setzte mich auf. Die Wache packte mich am Arm und schleppte mich zur Tür. Dort griffen mir die Henker unter die Arme und zogen mich mit. Meine Füsse wollten mich nicht mehr tragen. Doch die Männer schleiften mich auf dem kalten Lehmboden weiter. Die Gesichter meiner Mörder sah ich nicht, sie verschwanden im Schatten ihrer Kapuzen. Der Steinkorridor war nicht lang, aber dunkel und kalt. Dann traten wir aus einer Tür. Die Sonne blendete mich. Ich sah den Strick hängen. Sah die Menschenmasse. Ich musste eine Treppe hochsteigen, auf eine hölzerne Bühne. Jede Bewegung schien dreimal so lange zu gehen, jedes Bild verlangsamte sich vor meinen Augen. Ich spürte, wie einer der Henker mir die Hände auf dem Rücken zusammenband. Spürte, wie mir der Andere die Schlinge um den Hals legte. Ein Mann öffnete eine Rolle Pergament und begann abzulesen, weshalb ich hier stand. Ich sah hinaus in die Menschenmenge. Ich wusste ja, weshalb mir diese kratzige Schlinge um den Hals lag. Mein Blick bedachte kurz jede Person auf dem überfüllten Platz. Das Kinn hatte ich angehoben, ein leises, verführerisches Lächeln lag auf meinen Lippen und meine Augen sprühten Funken. So war ich oft dagestanden. Vor verabscheuungswürdigen, respektlosen Männern. Plötzlich blieben meine Augen auf einem Mann ruhen. Als er meinen Blick bemerkte, senkte er den seinen und lief rot an. Er erkannte mich wieder. Er fühlte sich schuldig, oh ja. Doch nicht nur seinetwegen sollte mein Leben jetzt zu Ende sein. Mein Gehirn schwirrte. Der einzige Gedanke den ich noch klar fassen konnte, war die Erinnerung an meinen Sohn. Der Mann hatte fertig gesprochen und trat zurück. Das Volk drängte sich näher ans Geschehen. Ich schloss die Augen. Da hörte ich eine helle Stimme von weit weg: "Mama!!!" Ich öffnete die Augen, sah einen Jungen aus einer Gasse stürmen und spürte im selben Augenblick keinen Boden mehr unter den Füssen. Ich wollte ihm noch etwas zurufen, doch zu spät. Ich fiel nicht weit, das Seil fing mich auf. Ich hörte nicht einmal mehr das Knacken, als mein Genick brach.

 

Hi Adaneth!

Warum tut ihr mir das an? Schon die zweite Geschichte heute, die ich gierig verschlang und die dann abrupt endet. Sorry! Will sagen:

Deine Story ist fesselnd erzählt, hat mich von der ersten bis zur letzten Zeile mitgerissen. Aber: Mir ist sie zu kurz! Ich hätte mir gewünscht mehr zu erfahren. Wer ist die Frau, was hat sie verbrochen? Du kannst mich doch nicht einfach so im Ungewissen zurück lassen! *Seufz* Genug gejammert.

Die Geschichte ist wohl als eine Momentaufnahme der Gefangenen gedacht und als solche wirklich eindringlich geschildert. Eine Geschichte also, die mich hat mitfühlen lassen und genau das sollte eine gute Geschichte auch tun. Von daher: :thumbsup:

Aber wie schon gesagt ist mir das zu wenig. Ich hätte mir Ausschnitte aus ihrer Vergangenheit gewünscht. Hätte gern erfahren welche Rolle der Mann spielte, der an ihrer Hinrichtung beteiligt war. Doch alles was mir bleibt sind vage Mutmaßungen. Und das ist aus meiner Sicht höchst unbefriedigend.

Zwei Winzigkeiten über die ich stolperte:

Zitat:
Ein Mann rollte eine Rolle Pergament auf

Wortwiederholung.

Zitat:
So war ich so oft dagestanden.

Ebenfalls

Zitat:
Ein Vogel flog vorbei. War es ein Falke? Ein Adler? Ich wusste es nicht. Aber ein Raubvogel war es, sein Schnabel war gebogen und scharf. Ein schreckliches Gefühl von Verlassenheit kam über mich, Wut erfüllte mich bis tief ins Herz. Wie wenn der Vogel mir gezeigt hätte, dass ich nur ein kleines Nichts war.

Das hingegen fand ich treffend und schön ausgedrückt.

So, das war’s von mir.

gollum

 

hallo gollum!
na sieh mal einer an, auch ein hdr-fan...!:)
erstmal danke, dass du überhaupt die geschichte von einer "neuen" gelesen hast... und erst noch für solche komplimente!
das mit der aufgerollten papierrolle hat mich beim schreiben irgendwie auch gestört, aber mir ist gerade nichts originelles eingefallen. ich habs jetzt mal abgeändert...
wegen der länge und dem fehlenden inhalt, das hat mir eine freundin, die die geschichte auch gelesen hat schon von einer weile gesagt. ich habe daraufhin noch ein paar sätze abgeändert und hinzugefügt, damit es etwas klarer sein sollte. ich denke dein verdacht stimmt schon, aber ich sollte es vielleicht trotzdem noch ein wenig besser ausführen... ich kann es ja eigentlich auch verraten hier: die hauptperson ist eine prostituierte. deshalb auch der sohn von dem sie nicht weiss, wer der vater ist. und auch die szene wo sie mit diesem verführerischen blick dasteht, sollte auf das hinzeigen... ich weiss zwar nicht, ob prostitution im mittelalter (oder um's die zeit darum herum) ein verbrechen war, das mit todesstrafe geahndet wurde, aber ich könnte es mir irgendwie noch vorstellen...
bis bald, cuio vae
adaneth

 

Hallo Adaneth,

auch mir hat deine Geschichte gefallen. Den Gang zur Vollstreckung hast du wirklich gut und intensiv erzählt. Beim Ende geht’s mir wie gollum, kam mir etwas zu schnell, hättest gerne weiter erzählen können ;)

Allerdings könnten ein paar Absätze nicht schaden. Macht es einfacher, den Text zu lesen.

Ansonsten habe ich nichts zu meckern, obwohl ich noch überlege, ob der letzte Satz zu einem Ich- Erzähler passt. Vielleicht solltest du da noch ein paar Meinungen abwarten.

Liebe Grüße,
gori

 

hallo gori!
auch dir erst mal danke fürs lesen und antworten!
ja, das mit den absätzen ist so eine sache... mit denen hatte ich es noch nie so wirklich... wenn ich schreibe, dann schreibe ich eben eigentlich immer ohne absätze, weil es mir beim schreiben vorkommt, als komme alles so in einem guss aus mir heraus...:) und dann fällt es mir im nachhinein immer schwer, da noch irgendwelche absätze hineinzupflanzen. aber wenn ich mal zeit finde, werde ich das bestimmt machen!
das mit dem letzten satz fällt mir erst jetzt auf, wo du das gesagt hast... eigentlich ist der nicht logisch. aber ich warte mal noch eine weile und ändere ihn sonst ab, in eine erzähler-form...
cuio vae,
adaneth

 

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