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Mein Schatz am Silbensee

Joh

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28.07.2003
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Mein Schatz am Silbensee

Mein Schatz am Silbensee

Wenn nachts die Dämmerung von den Baumwipfeln herabsteigt und der Tag sich mit sich selbst versöhnt, kommt für mich die Zeit, zu meinem Silbensee zu gehen.

Vom Ufer eines weißen Blattes blicke ich auf die geglätteten Wellen und genieße die vollkommenen Ruhe, die über dem Wasser liegt. Da sehe ich jene auftauchen, denen mein Warten gilt. Silbrig glänzen ihre Rücken, wenn sie über die Wellen springen wie junge Lachse. Das Mondlicht, das lächelnd über ihnen liegt, lässt ihre Schönheit noch begehrenswerter erscheinen. Ich möchte sie fangen und bewahren für meinen schönsten Satz.

Doch kaum habe ich mein Netz nach ihnen ausgeworfen, gleiten sie fort, entschlüpfen meinen viel zu groben Maschen und andere tauchen aus den Untiefen herauf. Dunkle sind es und scharfkantige, die sich um mich drängen und das Wasser aufpeitschen. Sie stürzen sich auf mein Netz, klammern sich daran fest und schreien:
„Nimm uns mit, wir sind nicht weniger wert als die anderen. Nimm uns mit!“
„Begreift ihr denn nicht, dass ihr so gar nicht passen wollt in meinen Satz,“ frage ich sie, doch die Worte lachen nur.

„Die anderen will ich haben,“ rufe ich trotzig, „die anderen, die so schön sind und leuchtend, ohne Kanten und Widerhaken und leicht wie eine Feder. Mein Satz soll angenehm und glatt klingen in den Ohren der anderen.“
Ich stampfe wütend auf, dass die Worte für einen Moment erschrocken untertauchen. Doch schon sind sie wieder da, noch aufdringlicher als zuvor und höhnen über meinen hilflosen Zorn. Wissen sie doch, dass sie längst die schönen Worte aus meinem Kopf vertrieben haben. Nur eine Ahnung ist mir noch geblieben, eine Erinnerung ohne Namen.

Nun bin ich mit den hässlichen und scharfkantigen Worten allein und mir ekelt vor ihrer Anwesenheit. Gerne würde ich aus ihrer Gesellschaft fliehen, doch fürchte ich, dann mit leerem Netz nach Hause zurück zu kehren. So sage ich: „Gut, ich nehme euch mit, aber versteckt euch hinter meinem Rücken, damit euch kein anderer sehen kann.“ Und ich denke daran, dass jetzt vielleicht schon ein anderer Fischer am Ufer des Sees sitzt, einer, der viel geschickter ist als ich und die schönen Worte fangen kann.

Wenn ich das Haus der Fischer betrete, sehe ich schon das Grinsen auf ihren Gesichtern. Ich schäme mich für meine schrecklichen Worte und möchte sie verbergen, doch die lärmen und schreien. In das aufbrausende Gelächter flüstere ich mit weinerlicher Stimme: “Schöne Worte habe ich gesehen, ganz andere als jene, die in mein Netz gingen. Aber ich habe sie verloren.“
Sie schlagen sich auf die Schenkel und grölen: „Das hast du uns schon tausendmal erzählt, wenn du vom Fischen wiedergekommen bist. Wir glauben dir nicht, dass du jemals ein schönes Wort erblickt hast, du bringst uns immer nur die hässlichen und widerwärtigen mit.“
Ich stelle mich betrübt an das Fenster und blicke zum See, der in der Dunkelheit silbrig glänzt.

 

Für deine schrecklichen Worte brauchst du dich nicht zu schämen. Die Geschichte gefällt mir. Die Art, wie du die Existenz des Schreibende in die Natur einbindest gefällt mir. Es hat etwas Schönes, etwas Kunstvolles an sich.

Eine Frage habe ich allerdings noch?
Was sind "geglätte Wellen?" Also entweder das Wasser ist glatt, dann wirft es keine Wellen. Oder Wellen sind auf dem Wasser, dann kann man aber nicht von "glatt" sprechen.

 

Hallo,FrozenFire,

Danke für die Kritik. Zu den Wellen: Wenn sich die Wellen beruhigt haben, kann man auch von geglätteten Wellen schreiben (nicht glatt, aber eben geglättet, so wie man Unebenheiten glätten kann, ohne dass sie dadurch völlig verschwinden).

Abendliche Grüße

Joh

 

Hallo Joh,

danke für Aufklärung - man lernt eben nie aus. ;-)

Gute Nacht!

FrozenFire

 

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