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Mein rechtes Ohr

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19.01.2015
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Mein rechtes Ohr

Ich bin Rechtsträgerin. Was den Scheitel betrifft. Das bedeutet, dass mein Pony nach links liegt und mein rechtes Ohr frei von Haaren ist. Bei meinem Friseur nehme ich gelegentlich als Modell an Seminaren teil. Dann kostet der Schnitt nichts. Dabei weiß man nie, an wen man gerät. Ich wusste mittlerweile nur: die Friseurinnen und Friseure halten sich mit Vorliebe an meinem rechten Ohr auf. Denn das ist zu sehen, weil der Pony ja links liegt. Und deshalb muss es immer sorgfältig freipräpariert werden, das rechte Ohr. Sehr sorgfältig. Dieses Mal gerate ich an Ali.

Ali hat einen unfassbar erotischen, männlich markanten Geruch und eine unfassbar fiepsige Mickey Mouse-Stimme. Dabei ist es mir ganz egal, wie Ali aussieht. In meiner kleinen bunten Schubladenwelt sind alle Friseure schwul, deshalb muss ich sie nicht auf ihre Attraktivität hin überprüfen. Und so steht Ali dicht neben mir am Waschbecken, denn die befinden sich in meinem Salon hinten an der Wand, steht an meinem rechten Ohr, duftet und redet. Sein erotisierender Wohlgeruch lässt alles in mir prickeln und seine Stimme lässt alles in mir sich zusammenziehen. Ich habe die Augen geschlossen, genieße seine fest zupackenden Hände, die massierenden Finger auf meiner shampoonierten Kopfhaut, das ein bisschen zu heiße Wasser, wie es meinen Nacken hinabtröpfelt und sauge Alis Geruch in mich ein, während ich gleichzeitig tapfer zu ignorieren versuche, wie Mickey Mouse etwas aus Alis Leben erzählt.

Dann nehme ich vor dem Spiegel Platz.
„Wie trägst du deinen Scheitel?“, fragt mich Mickey Mouse.
„Rechts“, sage ich.
„Okay“, antwortet Mickey Mouse und Ali kreuzt die Arme vor der Brust, schiebt ein Bein in den Kontrapost und tippt sich dann mit dem Kamm an die Lippen, die er zu einem ganz entzückenden Schmollmund verzogen hat.
„Mh“, macht Mickey Mouse, „mh, mh, dann trägst du den Pony also links? Und das rechte Ohr bleibt frei? Mh.“
„Genau“, bestätige ich und nestele meine Hand unter dem Umhang hervor, um mich im Nacken zu kratzen, wo Wassertropfen aus meinen Haaren hinperlen.
„Mh, weißt du was wir machen?“, fragt mich Mickey Mouse: „Wir präparieren das rechte Ohr mal frei.“
'Ja, wie immer', denke ich: „Ja, ist gut“, sage ich und reibe es, weil mich jetzt schon die kleinen Härchen dort kitzeln, obwohl Ali noch gar nicht mit dem Schneiden angefangen hat. Der löst sich nun aus seiner Haltung, tritt an mich heran und beginnt, mein rechtes Ohr zu kämmen.
„Also“, fährt Mickey Mouse dabei fort: „Wir machen das so. Und so und so und dann so. Was hältst du davon?“ Schweige und dufte, denke ich. Laut sage ich: „Ja, klingt toll.“ Also fängt Ali an zu schneiden.

Ali widmet sich sehr ausgiebig meinem rechten Ohr. Er kämmt es, zieht daran, dreht es, klappt es um, biegt es nach unten, führt zahlreiche Bewegungen aus, von denen mein Ohr immer erst bei Friseurseminaren wieder daran erinnert wird, dass es sie überhaupt beherrscht. Doch vor allem kämmt er es. Ali kämmt mein Ohr, schneidet dann ein wenig, kämmt es erneut, schneidet wieder etwas, kämmt, schneidet dann nicht, sondern betrachtet es im Spiegel, dann in echt, kämmt. Dann biegt er es wieder um, schnippelt ganz zart an den Haarfransen, kämmt wieder. Nach nicht einmal zehn Minuten ist mein rechtes Ohr warm und rot. Und Ali hört nicht auf es zu kämmen und zu drehen. Dabei duftet er die ganze Zeit wie ein Aphrodisiakum und redet mit seiner Mickey Mouse-Stimme auf mich ein, was ich allerdings nur in Auszügen verstehe, da immer wieder die Schere an meinem rechten Ohr unmittelbar vor der Muschel so laut klappert, als zerreiße jemand Papierseiten direkt in meinem Kopf. Oder er klappt das Ohr wieder zu und schnippelte hinter meinem Trommelfell, was sich anhört, als spiele jemand von innen Golf gegen meine Schädeldecke. Aber ich bin ja Rechtsträgerin. Also tut Ali nur seine Pflicht. Und der Schnitt ist umsonst. Wobei ich ihn fürs Duften vielleicht sogar bezahlt hätte. Ohne reden, selbstverständlich.

Fast zwei Stunden widmet Ali sich meinem rechten Ohr. Natürlich bezieht er auch andere Teile meines Haupthaars in seinen Schnitt mit ein. Doch die meiste Zeit hängt er an meinem Ohr. Dann ist der Look fertig. Ich bedanke mich überschwänglich, bekomme noch zahlreiche Mickey Mouse-Pflegehinweise mit auf den Weg und verlasse dann den Laden. Der liegt in einem zweiten Hinterhof. Mein Ohr glüht.

Als ich die Tür öffne, brandet mir eine entfernte Geräuschkulisse entgegen. Man hört Grölen, Trillerpfeifen, vereinzelt Trommeln, Sprechgesänge. Der Pegel schwillt in dem Maße an, in dem ich mich der Straße nähere. Wie vorhin in meinem rechten Ohr, beim Endspurt auf das Finishing, denke ich. Im vorderen Tordurchgang ist es dann unerträglich laut und es scheint den Zenit noch nicht erreicht zu haben. Als ich auf den Bordstein trete, stehe ich direkt in einer Menschenmenge. Polizisten sind auch da. Der Lärm ist nun überall. Sehen kann ich durch die Menge nichts. Ich tippe einen Passanten an.
„Was ist hier los?“, brülle ich.
„Spacken auf dem Weg zum Naziaufmarsch“, schreit der zurück. Dabei beugt er sich automatisch zu meinem rechten Ohr, wohl, weil über dem linken ja der Pony liegt.
„Ah“, mache ich, doch das hörte er wahrscheinlich gar nicht. Ich beschließe, zu warten.

Dann kommt ein Trupp Leute auf der Straße vorbei. Durch Arme und über Schultern sehe ich kahle Schädel, Springerstiefel, Fahnen mit Rot, Weiß und Schwarz. Es entsteht ein Geschiebe, Polizisten laufen irgendwo hin. Ich drängle etwas, weil ich mehr sehen will, und genau in dem Moment entsteht eine Lücke in der Menschenmenge und ich stolpere direkt auf die Straße. Dabei remple ich einen Glatzkopf an. Ich will mich reflexhaft entschuldigen, doch sofort erscheint mir das unangemessen und ich lasse es bleiben. Der Typ wirbelt zu mir herum und starrt auf mich. Seine Augen sind groß und leicht glasig.
„Du, du Tunte, deutsche Frauen tragen das Haar blond und lang!“, schreit er mir ins Gesicht. Ich klappe den Mund auf, kurz bin ich ziemlich erleichtert, dass auch hier wieder alle meine Vorurteile bestätigt werden. Dann weiß ich nicht recht, wie ich reagieren soll, eher fassungslos oder doch beleidigend oder einfach gar nicht? Ich überlege noch, da kommt eine Frau in blauer Uniform und drückt mich von der Straße wieder auf den die beiden Gruppen trennenden Bürgersteig. Davor entsteht eine Polizeikette.
„Ey, hat das Arsch dich angelabert?“, brüllt jemand in mein rechtes Ohr. 'Das Arsch?' denke ich und drehe mich um. Neben mir steht ein Typ mit dicken Dreadlocks, die er zu einem hohen Turban geschlungen hat. Dazu trägt er einen feinen Anzug, der teuer aussieht, und ein weißes Hemd. Er ist nicht unattraktiv. Ich lächle.
„Geht schon, auf dem Ohr bin ich taub“, schreie ich zurück. Er zieht die Brauen nach oben und macht eine Geste, der ich entnehme, dass er wohl nichts verstanden hat. Stattdessen beugt er sich wieder zu mir und schreit: „Die machen mich total aggro. Echt, ich bin voll angespannt!“ Das sagt er, als würden wir über das Wetter reden. Nun sehe ich, dass er einen kleinen Anstecker in Form einer Regenbogenfahne am Revers trägt. Schade, denke ich. Keine Schublade. Aber vielleicht würde ein Besuch im zweiten Hinterhof bei Ali zu seiner Entspannung beitragen.

 
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Hallo heiterbiswolkig,

Ein netter Text gut geschrieben. Erinnert mich ein wenig an meine "rechts" Geschichte. Spielt sich alles nur rechts ab :-) mir gefällt vor allem diese stoische Ruhe deiner Protagonistin, die alles über sich ergehen lässt. Sich selbst als Mittelpunkt der eigenen Satire findet und zusieht, als wäre sie nicht betroffen. Ich liebe Leute, die über sich selbst lachen oder schmunzeln können.

Einen kleinen Beistrich-vermiss-Fehler hab ich dennoch gefunden ;-)

„Was ist hier los?“ brülle ich.

„Wie trägst du deinen Scheitel?“ fragt mich Mickey Mouse.

„Mh, weißt du was wir machen?“ fragt mich Mickey Mouse

Ja, nicht schlimm. Fällt mir nur auf, weil ich mich letztens mit der "Wörtlichen Rede" befasst habe ;-)

LG
BRM

 

Hallo heiterbiswolkig,

Dein Text ist locker-flockig geschrieben und lässt sich flüssig lesen. Mir fehlt aber die Spannung und ich habe auch nicht so ganz verstanden, was Du damit ausdrücken willst. Alle interessanten Männer sind schwul? Und diese "Wortspielereien" mit Rechtsträger und rechtes Ohr, aber natürlich ist sie politisch gesehen eher links, obwohl sie den Scheitel rechts trägt...ich kapier's nicht so ganz.

In meiner kleinen bunten Schubladenwelt sind alle Friseure schwul, deshalb muss ich sie nicht auf ihre Attraktivität hin überprüfen.
Trotzdem fühlt sie sich irgendwie erotisch von ihm angezogen...?

Doch vor allem kämmt er es. Ali kämmt mein Ohr,...
Das hört sich seltsam an, man kämmt doch kein Ohr, sondern die Haare...

Schade, denke ich. Keine Schublade.
:confused: das verstehe ich nicht...

Mir ist der Text zu alltäglich, eine Frau, die zum Frisör geht, wie hunderttausend andere jeden Tag, ein schwuler Frisör (auch nix Neues) und dann scheinbar ohne Zusammenhang der rechte Aufmarsch...und noch ein schwuler Mann. Sorry, konnte nicht so viel damit anfangen.

Liebe Grüße
Kerkyra

 
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Moin heiterbiswolkig,

ich muss mich in meinem Gedankengang Kerkyra anschließen, ich konnte nicht wirklich was damit anfangen. Also, es ist schon gut geschrieben, so ist es nicht, aber inhaltlich kommt da wenig bei mir rum. Wenn das sowas wie ne politisch korrekte Parabel auf irgendwas ist, dann hab ich sie nicht verstanden. Und das repetitive Verweisen auf Alis würzigen Männerduft ging mir irgendwann auf die Nerven, ich wollte beim Lesen inne halten und rufen: "Okay, ich habs verstanden, sie findet seinen Duft geil.", aber wie man in einem Friseursalon neben dem ganze Shampoo und Haarspray überhaupt noch einen individuellen Duft wahrnehmen will, bleibt mir schleierhaft. Vielleicht fehlen mir dazu die weiblichen Hormonrezeptoren, aber ich finde es arg weit hergeholt. Selbst als Stilmittel finde ich es zu häufig wiederholt.

Also, was bleibt zu sagen: Schon gut geschrieben, aber mir fehlt irgendwie die Aussage.

Schönen Gruß, ich "verdufte" jetzt!;)

Exilfranke

 

Hallo heiterbiswolkig,

deine kleine Geschichte gefällt mir gut. An einem so kleinen Beispiel wie einem Friseur beschreibst du das Schubladendenken in unserer Gesellschaft. Und wenn ich dich richtig verstanden habe, passt Ali ja nicht einmal da hinein, da er nicht schwul zu sein scheint? Oder habe ich da irgend etwas verpasst, da ja die Regenbogenfahne am Schluss wieder dahin zielt?
Ich konnte es richtig mitfühlen, wie die Kopfhaut massiert wurde. Ich konnte da selbst jedes Mal einschlafen. (Konnte deshalb, weil heute nichts mehr da! :))
Auch die Beschreibung des Friseurs in zwei Persönlichkeiten (Mickey Mouse und Ali) finde ich gelungen. Ja, und einem geschenkten Gaul guckt man nicht ins Maul. Wenn die Tortour auch über zwei Stunden dauert und sie nichts dafür bezahlen muss, hält man viel aus.

Zum Text:

Ich bin Rechtsträgerin.

Ein saustarker Einstieg. Als ich das gelesen habe, dachte ich: Hä? Und sofort war das Interesse geweckt, weiterzulesen.

Ich habe die Augen geschlossen, genieße seine fest zupackenden Hände, die massierenden Finger auf meiner shampoonierten Kopfhaut, das ein bisschen zu heiße Wasser, wie es meinen Nacken hinabtröpfelte und sauge Alis Geruch in mich ein, während ich gleichzeitig tapfer zu ignorieren versuche, wie Mickey Mouse etwas aus Alis Leben erzählt.

Hier würde ich im gesamten Satz im Präsens bleiben und nicht bei hinabtröpfelte die Zeitform wechseln.

„Ey, du Tunte, deutsche Frauen tragen das Haar blond und lang!“, schreit er mir ins Gesicht.

Ich weiß nicht, ob das Ey zur Ideologie des Sprechenden passt, wo er sich doch an der undeutschen Frisur hochzieht.

Hat mir gefallen, hab ich gern gelesen.

Schönen Gruß
khnebel

 

Hallo heiterbiswolkig,
finde Deine Geschichte sehr nett und unterhaltsam geschrieben.
Ich glaube nicht, dass man hier versuchen sollte einen tieferen Sinn zu erkennen. Für mich jedenfalls hat sie keinen, was mich aber überhaupt nicht stört.
Einfach eine amüsant beschriebene und vermutlich auch so oder so ähnlich erlebte Alltagssituation - gerne gelesen.
Liebe Grüße, der Gumbold

 
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Ja,

liebe Wetterfee,
über die Gnade des tauben Ohres können Jean Paul und ich auch erzählen, nicht aber vom Frisör. Nun gut, kurz vorm 5. Dezember geh ich regelmäßig dahin (wer will schon freiwillig und „in echt“ den Nikolaus geben?, ich nicht!). Da zeigt sich die Gnade ganz besonders: Lass den Ratzer – und sei er weiblich – quasseln und tröten. Ein taubes Ohr ist halt eine Gnade und selbst meine Frau Mutter wusste schon „schlecht hören kann der gut“. Und da gibt’s nix dran zu rütteln. Aber was schneidet Ali Babba Osman am Trommelfell herum? Da würd ich aber rattig … Und auch, wenn mir jemand die paar Flusen „aus dem“ rechten Ohr beschneiden und kämmen wollte. Aber schön, dass Du nach einem so schweren Gang gegen Rechts protestierst. Da bin ich dann mit, ob heiter, ob wolkig, ob trocken, ob feucht.

In der Fassade war mir gar nicht so aufgefallen, dass es mit der (neueren) Kommaregelung nicht so klappt. (wurd schon sinngemäß im ersten Beitrag hier angeschnitten) zB

„Wie trägst du deinen Scheitel?“[,] fragt mich Mickey Mouse. // „Was ist hier los?“[,] brülle ich.
QUOTE]„Ok“, …[/QUOTE]Immer O. K., Okay oder Kleinschreibung. Witzig, weil das erste Mal von den Kleinen Strolchen gehört (da siehste, wie alt ich bin), find ich okey-dokey!

Hier wurde was vergessen

Dann weiß aber nicht recht, wie ich reagieren soll,
Vermutlich das Peronalpron. 1. Person Singular

Ich bin noch am überlegen, …
So spricht auch das Ruhrgebiet überwiegend, ich nenn’s German gerundium, warum nicht einfacher „ich überleg(e gerade)?

Aber Du musst mir nun Alis Geheimnis verraten: Wie wird „mh“ ausgesproche. „Hm“ wäre m mit angehauchtem h, aber Dehnungs-h nach m? Hm, da stutz ich aber …

Eine kleine, heiter bis wolkige, Ali Babbel hairstyling gegen Rechts flockige Geschichte für zwischendurch,

meint der

Friedel

 

Hallo ihr Lieben,

ich bedanke mich ganz herzlich für eure Kommentare. Ich korrigiere jetzt erst einmal die Formalia und gehe dann auf eure Inhalte ein. Ich freue mich darauf!

Bis später!
Die Wetterfee :D

 
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Hallo heiterbiswolkig,

ich fand deinen Text auch heiter bis wolkig, um mal im Wetterchargon zu bleiben. Beim Lesen wartete ich die ganze Zeit noch auf irgend eine Situation, die quasi die vorherigen Erklärungen bei Ali nötig gemacht hätte. Also die Rechtsträgeridee trägt sich nicht durch die ganze Geschichte hindurch für mich.

Einzelne Abschnitte fand ich ganz erheiternd geschrieben. Ich habe schon auch verstanden, dass Ali das Ohr kämmt und nicht die Haare. Man stößt ja automatisch ans Ohr dran, wenn man eine schöne Seite schneiden will und das Haar gerade herunter kämmt :shy:

Dann nehme ich vor dem Spiegel platz.
Platz


„Okay“, antwortet Mickey Mouse und Ali kreuzt die Arme vor der Brust, schiebt ein Bein in den Kontrapost
Hä? Was ist denn Kontrapost? Noch nie gehört und ich kann mir überhaupt nichts drunter vorstellen.


„Mh“, macht Mickey Mouse, „mh, mh, dann trägst du den Pony also links? Und das rechte Ohr bliebt frei?
bleibt

Die Szenerie mit den Rechtsradikalen gefällt mir in dem Zusammenhang nicht. Da habe ich wiederum auf irgendetwas gewartet, was nicht gekommen ist. Dieser Spruch mit den blonden Haaren, nun ja, der könnte so fallen, vielleicht ist sowieso alles etwas satirisch gemeint.

Der Geschichte fehlt es meiner Ansicht nach an der Ausrichtung, als hättest du dich nicht so recht entscheiden können, in welchem Genre das nun spielen soll. Als Satire oder Humortext fehlt die eine oder andere Spitze und es ist mir doch zu alltäglich erzählt, für Gesellschaft ist es wiederum zu seicht.

Mir kommt es so vor, als steckte da jemand im falschen Kleid.

Das von mir.

Liebe Grüße
bernadette

 
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Hallo heiterbiswolkig,

hab mich gefreut, heute eine neue Geschichte von dir zu entdecken. Und ich kann sagen: Ich mochte sie wieder. Du hast so einen erfrischenden Schreibstil, der trifft genau meine Art Humor. Also ich habe mich mit deinem Text köstlich amüsiert.

Ich bin Rechtsträgerin.

Ach, schade! Dieses Mal gleich geschlechtsspezifisch? Was meinst du, was da sonst für Gedanken im Kopf der Leser entstehen würden? Bis zum zweiten Satz zumindest.

Denn das ist zu sehen, weil der Pony ja links liegt. Und deshalb muss es immer sorgfältig freipräpariert werden, das rechte Ohr.

Wie soll ich das jetzt erklären, ohne dass ich vollkommen blöd erscheine? Wurscht. Ich sag's trotzdem: Ich hab auch immer mal wieder einen Pony und, frag mich nicht warum, vermutlich aus dem Grund, weil es bei mir so ist, mit langen Haaren verbunden. Erst ganz zum Schluss, als der Typ das mit den langen Haaren sagt, hab ich das geschnallt und dann hat das mit dem freiliegenden Ohr natürlich Sinn gemacht. Ich hab mich vorher die ganze Zeit gefragt, warum denn da ein Ohr freiliegt? Hab da an Undercut und alles mögliche gedacht, aber nicht an kurze Haare. Ich weiß, blöd. Und da ich vermutlich die Einzige bin, der es so geht, kannst du das ruhig stehen lassen.

In meiner kleinen bunten Schubladenwelt

Sehr schöne Phrase.

Ich habe die Augen geschlossen, genieße seine fest zupackenden Hände, die massierenden Finger auf meiner shampoonierten Kopfhaut, das ein bisschen zu heiße Wasser, wie es meinen Nacken hinabtröpfelt und sauge Alis Geruch in mich ein, während ich gleichzeitig tapfer zu ignorieren versuche, wie Mickey Mouse etwas aus Alis Leben erzählt.

Ich finde die Beobachtung mit dem "bisschen zu heißen Wasser" gut und Ali mit der Micky Maus-Stimme find ich lustig. Vielleicht Mickey Mouse noch eindeutschen?

Fast zwei Stunden widmet Ali sich meinem rechten Ohr.

Die zwei Stunden wirken natürlich maßlos übertrieben, aber mir gefällt das, denn beim Friseur hat man ja wirklich das Gefühl, das dauert immer ewig.

Ich könnte da noch ein paar Stellen zitieren, die mir gefallen haben, aber ich hör hier einfach mal auf. Du schreibst von einer Alltagssituation, hast ein paar Klischees eingebaut, die sich entweder bestätigen oder auch nicht. Klingt so zusammengefasst jetzt nicht gerade spannend, aber mich fasziniert das immer wieder, wenn es jemand schafft, eine banale Situation derart wortgewandt und witzig (für mich zumindest) rüberzubringen. Also einen tieferen Sinn würde ich in deiner Geschichte nicht suchen. Klar, man kann sich fragen, ob du uns etwas mitteilen wolltest mit dem rechten Ohr und dem Nazi-Aufmarsch oder ob du die Gesellschaft mit ihrem Klischeedenken an den Pranger stellen wolltest, aber im Grunde habe ich einfach gelesen, genossen und gelacht. Ohne groß darüber nachzudenken.

Mir hat's gefallen, freu mich auf deine nächste Geschichte.

Gruß,
rehla

 
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Hallo heiterbiswolkig,

schon der Einstieg ist ein humoristischer Geniestreich, vom ersten Satz bis hin zu "Ohne reden, selbstverständlich." hatte ich die ganze Zeit ein Lächeln im Gesicht und habe die Geschichte einfach genossen. Witzig, spritzig, die Geschichte sprudelte so vor sich hin, wie ein mit Kohlensäure versetzter Bach. Mir wurde beim Lesen richtig das Herz leichter.
Der nachfolgende Part konnte das in der Form leider nicht mehr aufrechterhalten. Ich finde es dafür aber absolut gelungen, wie du die Themen "links/rechts" und "Vorurteile" aus dem Friseurladen mit raus auf die Straße nimmst, und die Protagonistin mit ihren niedlichen bunten Schubladen auf die harte Vorurteilswelt der Nazis (buchstäblich) prallen lässt. Und wie ihr das trotzdem nichts von ihrer betonten Leichtigkeit nimmt, sondern es doch glatt wieder schön brav in eine ihrer farbigen Schublade passt.
Keine Ahnung, ob ich hier Dinge hineininterpretiere, die so gar nicht gemeint waren, aber genau so habe ich es gelesen und ich fand es klasse!

Zum Thema "mh" muss ich Friedel beipflichten, ich finde auch, das müsste "hm" heißen, es geht hier ja nicht um "mh, schmeckt das lecker", sondern um "hm, ich denke nach".

Auch das mit dem "Ohr kämmen" erscheint mir befremdlich. Das hast du wahrscheinlich bewusst so gewählt, vielleicht um nochmal zu unterstreichen, wir sehr er sich wirklich vor allem dem Ohr widmet. Aber ich finde es ist zuviel des Guten und zumindest in meinem Kopf entsteht beim "Ohrkämmen" einfach kein sinnvolles Bild.

Die Mickey-Mouse-Stimme oder Mickey-Mouse-Pflegehinweise fände ich mit Durchkopplung schöner, allerdings scheiden sich da die Geister und es ist wahrscheinlich eher Geschmackssache. Siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Durchkopplung#Eigennamen

Wie von rehla schon vorgeschlagen würde ich aber unabhängig davon unbedingt die deutsche Variante verwenden. "Micky Maus" ist bei uns doch schon lange unter genau diesem Namen bekannt, warum auf das ungewohnt aussehende, englische Original zurückgreifen?

da immer wieder die Schere an meinem rechten Ohr unmittelbar vor der Muschel so laut klappert, als zerreiße jemand Papierseiten direkt in meinem Kopf
Dieses Bild der im Kopf zerrissenen Papierseiten finde ich für sich gestellt gut, passt aber nicht zu den Klappergeräuschen einer Schere, egal wie nah an der Ohrmuschel sie ist. Aber hey, das Golfspiel von innen gegen die Schädeldecke reißt es wieder raus, so fällt es dann fast gar nicht auf. ;)

„Du, Tunte, deutsche Frauen tragen das Haar blond und lang!“, schreit er mir ins Gesicht.
Das "Ey" vorher hat nicht gepasst, deine jetzige Lösung ist da schon besser. Aber warum das Komma zwischen "Du" und "Tunte"? Wenn ich mir das mit der Redepause so vorstelle, klingt das unnatürlich für mich. Ohne das Komma würde es mir persönlich besser gefallen. Na ja, mal sehen, ob noch jemand etwas dazu sagt oder vielleicht eine ganz andere Idee hat).

Viele Grüße
Cyrian

 

Hallo an alle,

erst einmal vielen herzlichen Dank für eure Hinweise und Kommentar, ich habe mich sehr über das Feedback gefreut! :)

Zunächst etwas Allgemeines:
Ja, in erster Linie handelt es sich wohl tatsächlich vor allem um eine kleine „leichte“ Geschichte. Ich würde allerdings schon sagen, dass es einen etwas tieferen Sinn als nur „ein Besuch beim Friseur“ gibt. Die Abhandlung vor Vorurteilen sowie der Umgang mit ihnen sollte sich in dem „rechts/links“ und der Zusammenführung von zwei „banalen“ Szenarien (Friseur und Naziaufmarsch) niederschlagen. Das scheint mir ja mehr oder weniger ganz passabel gelungen zu sein, darüber freue ich mich!
Ob das Geschichtchen allerdings gleich das Zeug zu einer Parabel hat, diesen Anspruch würde ich selbst nicht an meinen Text stellen. Dazu kommt er doch tatsächlich etwas zu leicht daher. Die Parabel verstehe ich als ein Genre, das, so glaube ich, viel diffiziler und auch artifizieller auf- und ausgebaut werden muss.
Mit dem Urteil eine kurzweilige und gut zu lesen oder auch

Eine kleine, heiter bis wolkige, Ali Babbel hairstyling gegen Rechts flockige Geschichte für zwischendurch
kann ich sehr gut leben. :D

Zum Thema Ohr kämmen (und vielleicht somit auch für alle Langhaarigen unter uns ;)):
Tatsächlich ist es so, dass, wenn man kurze Haare hat, die nicht mit der Maschine geschnitten werden, das Ohr ganz schön viel gekämmt wird. Ich meine also in der Tat nicht die Haar um oder über dem Ohr, sondern das Ohr selbst – ganz wörtlich und nicht nur bildlich. Das liegt daran, dass der Friseurkamm nun einmal viel länger ist, als die kurzen Haarstreifen an den Koteletten oder der Übergang zum Nacken. Für eine Ohrmassage kann ich also allen einen guten, handgemachten Kurzhaarschnitt wirklich empfehlen!

Dass viele von euch den Einstieg mögen, freut mich natürlich sehr, hab ich das perspektivisch endlich einmal gelungen hinbekommen! :D


Lieber BRM,
deine „rechts“-Geschichte von vor einigen Wochen ist mir irgendwie entgangen, ich werde das später einmal nachholen.


Liebe Kerkyra,
ja, du hast völlig recht, dies ist keinen Geschichte mit einem klassischen Spannungsbogen und Pointe. Sie versucht vielmehr über die Sprache etwas aufzubauen und unterschwellig kleine Hinweise einzuflechten, wie eben der als schwul verdächtigte Ali und die Schubladen. Klar, das mag nicht jedermanns Sache sein, was ja auch völlig in Ordnung ist, finde ich.

Dies gilt dann wohl auch für dich, lieber Exilfranke, zu dem Hinweis mit der Parabel habe ich oben ja schon etwas geschrieben. Was den Duft betrifft: Ob das nun eine „weibliche“ und eine „männliche“ Sache ist weiß ich nicht, doch ich glaube schon, dass es eher optisch-, haptisch-, akustisch- oder eben olfaktorisch-orientierte Menschen gibt. Also jedem das Seine.. :)


Lieber khnebel,
vielen Dank für deine lieben Worte! Ob Ali nun tatsächlich schwul ist oder nicht, darüber wird genau genommen im Text gar keine Aussage getroffen. Die Prot. denkt das aber sie fragt ja nicht danach und Ali sagt es nicht von sich aus. Für mich macht das einen großen Reiz beim Erzählen aus der ich-Perspektive aus, dass der Leser „die Wahrheit“ immer nur durch die Brille einer Person wahrnehmen kann. Dadurch orientiert sich die Handlung an dem, was die Prot. weiß oder glaubt zu wissen und mir als Schreiberin obliegt es, die Hinweise so zu streuen, dass der Leser dann folgen oder eben auch widersprechen kann.


Hallo Gumbold,
es freut mich, dass dir die Geschichte gefallen hat. Zum „tieferen Sinn“ habe ich ja oben etwas geschrieben.


Lieber Friedel,
danke für deine lieben Worte und die Hinweise!
Zum „Kämmen des Ohres“ bzw. „Scheiden des Trommelfells“ habe ich ja oben schon etwas geschrieben. Beim „Überlegen“ hast du mich kalt erwischt – obwohl ich ja eine alte Westfälin bin. Verdammt! :Pfeif:
Die Sache mit dem „mh“ und „hm“ muss ich noch einmal genauer überlegen. Als ich diesen Laut das erste mal versuchte aufzuschreiben, dachte ich an einen kehligen Ansatz mit einem stimmhaften „m“, das sich allerdings erst im „h“ verlautet - oder so ähnlich. Aber ja, ich werde da einmal wieder genauer drüber nachdenken. H-mhmmm …

Weitere Antworten folgen, jetzt muss ich leider erst einmal weg.
Die sonnigsten Grüße in die Runde
heiterbiswolkig

 

Liebe bernadette,

vielen Dank für deine Hinweise, ich habe die Korrekturen vorgenommen!

Der Kontrapost ist eine Stehfigur, also eine Körperhaltung. Ich dachte mir dabei, für diejenigen, die es kennen, ist es ein schönes Motiv und für diejenigen, die es nicht kennen ist es im Satz so platziert, dass man sich denken kann, dass es irgendwas mit „wie Ali steht“ zu tun hat.

Dazu, dass es eher ein „plätschernder“ und kein „handlungsorientierter“ Text ist habe ich ja oben schon etwas geschrieben. Daher kann ich gut nachvollziehen, dass, wenn man eben beim Lesen auf eine Pointe oder Auflösung wartet, enttäuscht wird.

Den Vergleich mit dem Kleid habe ich jetzt leider wiederum nicht so ganz verstanden: meinst du die Prot.? Oder den Ali? Den Nazi? Den Raster? Oder die Geschichte an sich im Sinne von „Inhalt im falschen stilistischen Gewand“ … ?

Liebe rehla,

du bist so süß: so einen Fan wie dich wünscht man sich natürlich immer! Danke dir! :D
Zur Haarlängen-Verwirrung und dem Ohr-Gekämme habe ich ja oben schon etwas geschrieben. Ich bin aber sehr dankbar für diesen Hinweis, denn ich glaube ich erlag im Prinzip dem gleichen Missverständnis, nur anders herum: Ich kann mir als inzwischen Veteran-Kurzhaarträgerin (maximal kinnlang!) gewisse „Probleme“ oder „Verfahrensweisen“ von Langhaarträger/innen gar nicht mehr vorstellen. Sonst hätte ich das vielleicht einfach in einem Nebensatz schon zu Beginn der story einfließen lassen. Aber eigentlich ists ja so auch schön!

Zur Mickey Mouse und Micky Maus :
Ich hatte mir das in der Tat länger überlegt und auch einmal den Text vollständig mit der deutschen Namensvariante vor mir stehen. Dabei hatte ich im Sprachbild den ganz subjektiven Eindruck, dass das Bild der „Maus“, den Ali noch einmal in eine andere, noch stärker verniedlichte und daher alberne Ecke rückt, gerade, weil es man eben auch an „Maus“ denkt, was dir mit der englischen Variante eher nicht passiert. Da bleibt es halt nur die Figur „Mickey Mouse“. Aber vielleicht bin ich da auch etwas kleinlich und überzogen, dazu tendiere ich ja manchmal... :Pfeif:

Hallo cyrian,

vielen Dank für dein schönes Lob, was den ersten Teil des Textes betrifft. Und auch wie du den zweiten verstanden hast hat mir sehr behagt.

Das „Mh, es gibt Essen“ leuchtet mir sehr ein. Ich muss wohl meine M-Nutzung überdenken.
Zum Ohr-Kämmen habe ich ja oben schon was geschrieben und zur Maus/Mouse auch.

Das Komma hinter „Du, Tunte“ habe ich jetzt eingefügt, da ich es als eine Form der Ansprache benutzen wollte, im Sinne von „Du da, du Tunte“. Aber wenn das so unverständlich ist, dann schiebe ich vielleicht noch ein zweites „du“ hinein? Mhm, ich probiers mal! :)


Es dankt euch und grüßt
die heiterbiswolkig

 

Hallo liebe heiterbiswolkig,
habe mich durch deine Geschichte geschmunzelt, du hast mich sehr gut unterhalten, ich war in Berlin!
Einmal ging mir die Wiederholung von Duft und Mickey Mouse leicht auf den Keks, aber das war die letzte Wiederholung dessen.
Konnte mir alles plastisch vorstellen, die Körpersprache des Friseurs zum Beispiel.
Volltreffer, vielen Dank, lieben Gruß Damaris

 

Hallo heiterbiswolkig

Deine Geschichte war leicht und flüssig zu lesen, flockig und locker vom Hockler erzählt. Dafür gibts vier von fünf Sternen. Allerdings trägt eine gute Erzählstimme noch nichts zu einer schlüssigen Geschichte bei. Mit erging es beim Lesen wie bernadette, ich fragte mich, wohin geht die Reise? Der ausführliche Coiffure-Bericht steht derart im Kontrast zum Naziaufmarsch, dass ich nur im Wortspiel "Rechtsträgerin mit linker Gesinnung" eine Verbindung zu erkennen glaube.
Deine Prota fühlt sich die ganze Zeit von der erotisierenden Ausstrahlung des schwulen Ali angezogen, was ich nicht ganz nachvollziehen konne. Auch dass man zwei Stunden um ein Ohr rumschnippelt, das war mir einfach zu langatmig, da es eben für die weitere Geschichte, nachdem du mich ziemlich abbrupt aus dem Salon hinaus auf die Gasse zerrst, keine Rolle mehr zu spielen scheint.
Alles in allem wirkt der Inhalt arg konstruiert, als wolltest du mit Gewalt zwei, drei gesellschaftliche Brennpunkte miteinander satirisch verweben.
Somit leider nur zwei Sterne für den Inhalt.

Aber schreiben kannst du, daher sah ich auch alles plastisch vor mir, sogar die Haltung des Figaros, so tauchte ich für kurze Zeit in deine Bilderwelt ab, und kehrte dieses Mal halt ohne Souvenirs zurück.

Gruss dot

 

Hallo Damaris,

Volltreffer, vielen Dank
ich bedanke mich herzlich für dein tolles Lob, so etwas liest man als Verfasserin natürlich immer gerne! :)


Hallo dot,
für die vier Erzähl-Sternchen bedanke ich mich ganz herzlich. Was die (nur) zwei Inhalts-Sternchen betrifft: das wurde ja mehrfach angemerkt. Ja, vielleicht wirkt diese Zusammenstellung wirklich zu stark konstruiert, das kann ich mir gut vorstellen.
Danke fürs Abtauchen, versuche es jederzeit gerne wieder! :)


Die sonnigsten Grüße
von heiterbiswolkig

 

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