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Mein Problem mit der Sonne
Meine Beziehung zur Sonne war eigentlich immer recht ausgeglichen. Die meiste Zeit trieb sie sich zwar in suedlicheren Gefilden rund um den Aequator herum, aber sie besuchte mich oft genug, dass ich mich nicht beklagen konnte.
Diesen Fruehling ueberraschte sie mich, als ich eines morgens auf einer Bank in der Rheinaue sass, gaenzlich unerwartet in ihrer ganzen Pracht und Groesse. Ich hiess sie ueberschwenglich willkommen, streckte meine Glieder und genoss ihre Anwesenheit in vollen Zuegen. Die Hitze machte mich so richtig faul und traege, und ich kommentierte ihre Worte nur mit gebrummten "m-hm"s und "a-ha"s; bis mir ploetzlich auffiel, dass sie verstummt war.
Ich oeffnete blinzelnd die Augen und sie fuhr mich an "Du hoerst mir ja gar nicht zu!"
"Doch doch", erwiderte ich und kramte im meinem Kurzeitgedaechtnis herum, "Du sprachst gerade von Deinen Flecken."
"Ja, genau, was kann ich gegen die tun ?"
"Du musst nichts gegen sie tun, sie sind doch nicht weiter schlimm."
"Nicht weiter schlimm, nicht weiter schlimm", heulte die Sonne auf, "das kannst DU leicht sagen, Du musst ja nicht mit ihnen leben!"
Ich stoehnte. Klasse. Immer wenn mich jemand wunschlos gluecklich macht, beginnt diejenige, sich zu problematisieren. Ich setzte mich auf und rieb meine Augen.
"Deine Flecken sind doch nicht permanent. Sie kommen und gehen. Und sie werden mit einigen positiven Dingen in Verbindung gebracht, beispielsweise Wachstum. Wenn Du ein besonders fleckiges Jahr hast, wachsen die Pflanzen schneller und dichter."
Sie versteckte sich hinter einer Wolke und jammerte "warum kann ich nicht einen so schoenen, makellosen Himmelskoerper haben wie frueher, als ich noch jung war. Ohne Flecken!"
"Niemand ist perfekt", sagte ich. "Und ausserdem interessieren Deine Flecken auf der Erde nun wirklich niemanden ausser ein paar abgedrehte Astronomen und Physiker, die eh keinen Plan haben, worauf es wirklich ankommt."
"Der Mond", ergaenzte ich, "hat ueberall Flecken und niemand behauptet, die seien unattraktiv."
Die Sonne wurde zornig-rot und kam unter der Wolke hervor. Sie machte sich bereit zu gehen. Geschockt sah ich sie an, fuehlte mich schwaecher werden und fluesterte "Was ist denn los? Warum gehst Du?"
"Du hast Dich gerade verraten. Du triffst Dich hinter meinem Ruecken mit anderen Planeten."
"Ja, stimmt", gab ich zoegernd zu, "aber was soll ich dagegen machen ? Jeder, der nachts einen Spaziergang unternimmt, trifft zwangslaeufig auf den Mond. Von Zeit zu Zeit zumindest."
Liebevoll fuegte ich hinzu "er ist ja nicht immer da, so wie Du."
Das Gesicht der Sonne verfinsterte sich. "Ach so ist das. Wenn ich einen auf 'hart zu kriegen' machen wuerde, faende man meine Flecken vielleicht auch auf einmal so furchtbar inrteressant. Was bin ich doch naiv gewesen! Ich dachte, wenn ich mich sieben Tage die Woche, zweiundfuenfzig Wochen im Jahr, tausend Jahre im Millenium zur Verfuegung stelle, wuerde ich beliebt und gewuerdigt, waehrend die Leute sich die ganze Zeit ueber nur fuer dieses billige Flittchen interessieren, die noch nicht mal selbst strahlt, sondern ihr ganzes Licht von mir klaut! Aber ich habe meine Lektion gelernt. Von jetzt an werde ich nur noch alle zwei Wochen aufgehen, vielleicht findet man dann meine Flecken dann auch so schoen."
Sie meinte es toternst, und haette es auch durchgezogen, wenn ich nicht meine ganze Ueberredunsgkunst aufgeboten haette. Ich sprang auf, ich kniete mich hin, sprach mit Engelszungen und wutentbrannt, ich bettelte und flehte, machte ein Kompliment nach dem anderen und log zum Schluss, dass sich die Balken bogen (von wegen, es sei ein elektromagnetisches Phaenomen, das sich heilen liesse), alles nur, um die Sonne zum Bleiben zu bewegen.
Schliesslich lenkte sie ein, statt voll Wut nur noch voll Sorgen, und sie wird morgen wieder aufgehen. Ich jedoch werde nie wieder so gluecklich in der Sonne baden koennen. Statt fuer ihre Strahlen interessiert sie sich nur fuer ihre Flecken und gibt mir die Schuld daran.
[Nach Bardes Beitrag einige Rechtschreibfehler und Formulierungen korrigiert.]