Mein persönliches WTC
Mein persönliches World Trade Center
(Für alle Gutmenschen dieser Welt: Dies ist eine schwere Satire, oder besser noch ein Zynikum auf die Vernachlässigung meines Körpers und auch auf die Unsere, die wir noch immer nicht begreifen wollen, dass auch unsere Erde so ein einziger Körper ist, den wir mit Achtung behandeln sollten, und zwar samt allen darauf lebenden Existenzen, auch den Menschen.)
Ich habe noch nie ein Sommerbuch geschrieben. Im Sommer lebte ich sonst immer ein anderes Leben. In dieser Jahreszeit ertrank ich sonst immer in einer Art Rausch des Erlebens. Baden, in der Sonne liegen, mich lieben an allen möglichen Orten in der Natur. Ficken an einem Baum, Ficken im Mai in einem herrlich duftenden Maiglöckchenfeld. Jahrelang vögelte ich an einem wunderbaren Fleck in den Traunauen in der Nähe des Ödtsees, nahe meinem Heimatort. Es war jedes Jahr immer wieder "das Erlebnis". Ein unbeschreiblicher Duft, den ich tief in mich hinein zog, während ich mich in wilder Zärtlichkeit "verging". Dabei erinnerte mich diese heimelige Lichtung, in die eine schon warme Sonne flackernd auf unsere in ekstatischer Gier verschlungenen Körper hinein blinzelte, immer an einen der traurigsten Momente meines Lebens, an einen der letzten Liebesakte mit Tänzerinnenschlank. Doch als gestandener Realist dieses Lebens genoss ich sogar diese mich bis in die tiefsten Tiefen meiner Seele schüttelnde Melancholie.
Leider haben sie mir dieses Maiglöckchenfeld mit allem Drumherum vor einigen Jahren wegen eines Kraftwerks weg gebaggert und ich musste mir eine andere Lichtung suchen, so dass jetzt dieser Hochgenuss ein Anderer ist. Doch dieser Sommer heuer war ein wenig anders. Nicht dass ich nicht diese Zeit genau so genossen hätte, wie früher. Aber ich ertrank so nebenbei in Arbeit. Ich lebte total am Limit. Ich liebte wild, ich lebte wild, ich ging meinem Job nach und schrieb und schrieb. Schlaf brauchte ich kaum einen. Und ich soff, wie ein Loch, und ich fraß, vor Allem Süßigkeiten, besonders Mamas Früchtekuchen, und ich rauchte, wie ein Schlot. Anders kann man es nicht mehr nennen. Ich schüttete meine geliebten süßen Spritzer oder meinen mit Almdudler gemischten Apfelmost hinunter, trank täglich mehrere Red Bulls, oft mit Whiskey, um "fit" zu bleiben. Und süßen Kaffee. Sicher einen Liter täglich. Ich hatte immensen Durst und es wurde immer schlimmer. Danae schimpfte schon mit mir. Ich hatte keinerlei Kontrolle mehr über mich und meinen Körper. Ich verlor völlig den Überblick über die Mengen der Flüssigkeiten, die ich so zu mir nahm. Ich dachte, ich hätte Alles im Griff. Die ganze Welt funktionierte nämlich genau so, wie ich es mir immer erträumte. Ich liebte, war immer verdammt gut drauf, war lustig, zärtlich zu meinem geliebten Weib, vögelte, wie in meinen besten Tagen, und dachte so nebenbei, es müsse immer so weiter laufen. Und ich schrieb und schrieb. Das vor Allem. Wahnsinn. Ich kochte vor Energie.
Dann auf einmal Ende August: PENG! So konnte es nicht mehr weiter gehen. Ich ging zum Arzt, weil mein Durst immer größer wurde, vor Allem aber, weil ich in der letzten Woche diese irren Krämpfe in meinen Beinen hatte. Nachts sprang ich oft sechs, sieben Mal vom Schmerz gepeinigt aus dem Bett. Ich musste mich gegen die Wand lehnen und hüpfte wie ein Rumpelstilzchen im Schlafzimmer herum. Das Alles war mir zuletzt selbst schon nicht mehr ganz geheuer. Insbesondere weil ich acht, neun, zehn Liter täglich soff. Keine Ahnung. Ich hatte ja keine Kontrolle mehr. Ich soff Alles weg, was irgendwie und irgendwo herum stand und nach Flüssigkeit aussah. Ich dachte, es wäre wegen der irren Hitze. Zumindest versuchte ich mir das einzureden. Ich soff. Ich soff und hatte trotzdem sofort wieder Durst. Ein Irrsinn. Die Lippen, der Gaumen, die Zunge, der Hals, Alles war dauernd trocken. Ich setzte das Glas, die Flasche ab, Alles schon wieder trocken. Dann beim Arzt: Blutabnahme. Zucker. Erstmals. 452. PENG! Ab ins Krankenhaus mit mir. Einstellung war angesagt. Ich war wieder unten. Das Leben, mein Körper hatte mich wieder dorthin geholt, wohin ich gehöre. PENG!
Im Frühjahr hatte ich mit dem Fußball aufgehört, mit fast 44. Wegen der beschissenen Knie. Den Tennissport ließ ich auch gleich sein, keinerlei Bewegung mehr, außer jener beim Lieben, ein bisschen Spazieren gehen, Schwimmen, und schreiben und schreiben. Und das Buch ging voran, wie noch nie eines zuvor. Ich wusste, es würde mein bestes Buch werden. Mit diesem Buch würde ich unserer wohlstandsverwahrlosten, in gleichgültig gewordener kultureller Agonie erstarrten Gesellschaft endlich den überheblichen Fettarsch aufreißen. Es würde so hart und extrem werden, wie ich es mir immer vorgestellt habe. Endlich mein Brutalrealismus in Vollendung. Die zwei Seiten des Lebens vollendet geschweißt in Zeilen einer Neuen Vernunft. Und ich schiss auf Alles, was dem im Wege stand, auch auf meinen Körper. Um der Welt eine Neue Vernunft schenken zu können, wie ich irrtümlich glaubte, verlor sich meine eigene Vernunft irgendwo in den Weiten meines Gehirns.
Nun ja, jetzt stehe ich also da. Zucker. Mit dem Spritzlein in der Hand, stech` ich glatt durch Bäuchleins Wand. Oder in den Oberschenkel, der tut es auch. Echt geil. Mein neuer Stechgenuss in Vollendung. Ich habe ja Spritzen schon immer geliebt. Und Blut ab nehmen erst. Noch geiler. Wenn es einmal in meinem Leben zuvor zum Spritzen oder gar zur Blutabnahme kam, konnte ich nicht hin sehen. Während meiner Studienzeit wollte ich mir Anfangs etwas mit Plasma spenden dazu verdienen. Dachte das wäre eine gute Idee. Ein paar Studienkollegen brachten mich darauf. Nach einem halben Sack mussten sie mich vom Katheder nehmen, weil ich fast bewusstlos wurde. Ich sackte glatt weg. Und jetzt nehme ich mir den Saft selber ab, steche fünf mal am Tag in einen meiner Finger, schmiere den Tropfen auf das Zuckertestgerät und warte 15 Sekunden auf das Ergebnis. Vor dem Essen knalle ich mir das geile Spritzlein ins Bauchi oder ins Beindi und hoffe auf einen schönen Wert. Echt geil. Ich steh´ drauf, echt. Und umfallen tu ich auch nicht mehr dabei. Alles unter Kontrolle.
PENG! Aber ich bin Realist, Humorist, Satiriker, Zyniker, Alles in Einem und Alles zu seiner Zeit, auch was das eigene Leben anbelangt. Also lebe ich damit. Gebe meinem Körper wieder das, was er braucht. Da sieht man wieder, was man Alles kann, wenn es denn sein muss. Seit Juni hatte ich nahezu sämtliche sportliche Aktivitäten eingestellt, bis auf ein paar Schwimmtempo in meinem Badesee. Mein Zuckerwert ist jetzt mit den Spritzen wieder so halbwegs im Lot. Sport ist immer gut, er senkt den Zucker und spart Insulin. So habe ich beschlossen, zumindest jeden zweiten Tag wieder etwas Bewegung zu machen. Zwei, drei Mal Laufen, wie früher. Ein, zwei Mal pro Woche werde ich Schwimmen gehen. Heute, Dienstag, 11. September 2001, um 16.30 Uhr ging ich das erste Mal ins neu renovierte Hallenbad am Ödtsee, in Traun. Gar nicht so schlecht. Zwei Aufgüsse in der Sauna, zwanzig entspannende Minuten im Whirlpool, ein paar Längen mit Danae im Schwimmbecken, ein bisschen vergnügliches Herumgeplantsche mit ihr, danach ein herrlich schäumendes Biertscherl und Bernerwürstel mit Pommes. Ich fühlte mich wieder sauwohl, wusste, dass mir das Leben wieder gefällt und trat dann mit Danae die Heimfahrt an.
Verdammt, was ist denn da los. Kaum ein Auto auf der Straße. Normalerweise sind um diese Zeit, so um 20.30 Uhr, doch fast genauso viele Leute unterwegs, wie während der Stoßzeit. Alle Leute rasen ins Kino, in Lokale oder sonst wohin. Kaum ein Auto auf der Straße. Auf gut zwölf Kilometern zählte ich keine zwanzig. Ich sage zu Danae: "Verdammt, was ist denn da heute los? Das ist ja fast so wie vor dreißig Jahren, als die ersten Straßenfeger durchs TV rasselten." "Keine Ahnung. Aber schon komisch."
Zuhause schalten wir den Fernseher ein. PENG! Mehrere tausend Tote bei einem Terroranschlag auf die USA. Mehrere Terroranschläge. Extremisten, wahrscheinlich arabische, haben vier Passagier-Flugzeuge entführt und "damit" das World-Trade-Center in New York, das Pentagon in Washington und den Wohnsitz des Präsidenten in Camp David, dort wo der letzte Friedensvertrag zwischen Israel und den Palästinensern ausgehandelt wurde, "angegriffen". Es ist jetzt 23.00 Uhr und ich schreibe und schreibe. PENG! WAHNSINN! Und ich koche erstmals wieder seit meinem Krankenhausaufenthalt vor Energie. Aber es ist irgendwie Anders. Es fehlt der gute Sex.
Und PENG! Der österreichische Innenminister Strasser spricht von einer Kriegserklärung an die westliche "Zivilisierte Welt". PENG! Und von einer "Neuen Sicherheit", die zu schaffen wäre. Ha!? Davon habe ich schon lange schlecht geträumt. Der Rest unserer zivilisierten Welt fällt in seine Worte ein, eigentlich war es ja umgekehrt, aber egal, und bedauert, spricht den Amerikanern das Beileid aus. Die Fahnen sind auf Halbmast. OK. Das USW. nicht mehr so OK. BUSH spricht davon, dass diese Terroristen die entsprechende Antwort erhalten würden. PUTIN, der Tschetschenen-Killer, erklärt seine Solidarität. Alle reden sie vom "Terroristen" jagen, sie ausrotten, sie vernichten. Welch interessante Wortwahl! Und Keiner will die Opfer sehen, die WIR zu Tätern gemacht haben.
Osama Bin Laden hat nur auf die feige Abschlussdeklaration von Durban vom Sonntag, ohne Anklage gegen das Killerregime in Israel, gewartet, dann hat er zugeschlagen. Seine Kriegserklärung ist die Antwort auf eine immer offensichtlicher werdende Dekadenz (Sittenlosigkeit und kulturelle Entartung) und Gleichgültigkeit der westlichen Welt, die aus der Sicht der Entwicklungsländer im Reichtum versinkt, und das auf Kosten des viel, viel größeren Restes der Welt. Letzteres eine Sichtweise, die jeder, sogar fast jeder von uns hier, verstehen, zumindest nachvollziehen kann. (Ersteres, unsere Dekadenz, sehen wir ja nicht so, WIR sind ja WIR, und WIR sind ja soo super.) Aber kaum einer von uns möchte daran, am unfair verteilten Reichtum in dieser Welt, auch nur das Geringste ändern. Wir haben über unsere Regionen und auch unsere unausgegorene Weltsicht ein Glashaus gestülpt, und jetzt werden wir halt auch noch eine Mauer bauen. Jenseits davon sollen sie ruhig verhungern oder krepieren, auf welche Weise auch immer. Die sind ja selber schuld an ihrer Misere. Die sollen sich ruhig umbringen, nur halt nicht bei uns. Da sei der Gottseibeiuns vor. Was bilden die sich denn ein? Scheiß Terroristen! Gehören Alle umgebracht. Jeder Schilling, jede Mark Entwicklungshilfe, auch wenn es ihn, sie nicht mehr lange gibt, sind da zu viel. Verbrennen wir halt noch ein paar Rindviecher und Schafe mehr, vielleicht verhungern sie dann schneller. Und die Bauern sollen noch weniger anbauen, da seien doch die EU-Subventionen vor.
Nun denn, der Bushi wird es schon richten. Ein kleines Bombenteppicherl auf Afghanistan, bei Saddam hat das ja auch "gut" funktioniert. Vielleicht auch nicht ganz so gut, aber es war zumindest ein guter Anfang. Und vielleicht auch ein süßes Bombardementchen auf einen der vielen Palästinenser-Lager-Slums? Das könnten vielleicht sogar die Israeli erledigen. Die machen das sicher gerne. Und was dann? Vielleicht ein Passagierflugzeugerl als Antwort mitten hinein in das gerade aufgedrehte Temelin? Das würde den österreichischen Atomkraftwerksgegnern alle Sorgen nehmen. Vielleicht auch ein kleines Atompaketchen in einen U-Bahnschacht von Paris und München? Davon albträume ich sowieso schon immer. Wien wäre natürlich für Brüssel als Zielscheibe viel besser, dann wären die Probleme mit der braunen Regierung in Wien mit einem einzigen Blitzchen aus der Welt. (Zum Glück haben wir in Linz ja keine U-Bahn.) Und soviel Uran kann Bin Laden sicher auftreiben. Bei seinen Milliarden, sicher angelegt in der Schweiz und in Luxemburg, wahrscheinlich auch in Wien, sicher ein Klacks. Und was dann? Vielleicht ein bisschen Giftgas in die zerklüfteten und gefürchteten Bergtäler Afghanistans, um auch die letzten Taliban, die das schmucke Teppicherl überlebt haben, aus ihren Löchern zu treiben? Sonst müssten ja unsere braven, tapferen Jungs da rein gehen und das möchten wir nicht. Und weil wir schon beim Aufwaschen sind, vielleicht auch ein großes Bomberl mitten hinein auf Bagdad? Und weil der Frieden suchende Westen auf einmal so schön ohne jeden Genierer aufräumt unter den Bösen dieser Welt, fällt den Russen im bösen Terroristenland Tschetschenien auch nichts Besseres ein. Das Erdöl ist nachher auch noch da. Nur keine Sorgen deswegen. Die Chinesen haben auch ein paar Problemchen, die man nach dem von mir schon lange erwarteten Wegfall aller Skrupel unserer so geliebten Friedens- und von sich so sehr eingebildeten Nachkriegsgeneration, mit ein bisschen Atom nicht bereinigen könnte.
Es muss ja nicht unbedingt Atom sein, es geht auch anders, wie wir schon wissen. Ist halt ein Bisserl teurer. Aber wurscht, das sparen wir dann wieder beim Wiederaufbau ein, die Hilfe fällt dann nachher halt etwas dürftiger aus. Egal. Ja und zwischen Indien und Pakistan machen sich ein paar Strählchen sicher auch ganz gut. Ja und die Drogenanbaugebiete in Kolumbien erst und anderswo wären auch einen Treffer wert. Die nur Probleme schaffenden Giftler kann man wahrscheinlich nur so austrocknen. Auch das an Naturschätzen so reiche und doch so arme Afrika wäre eine Überlegung wert. Neue Ideen für eine Neue Welt. Wunder soll es ja noch geben. Kommt mit der Zeit alles der Wirtschaft zu Gute. Schließlich boomt die Rüstungsindustrie. Neue Arbeitsplätze für die vielen Arbeitslosen im Westen. Ja so geschehen halt noch Wunder.
Ich könnte mir ja jetzt auf die Schulter klopfen und sagen: Habe ich es nicht immer gesagt? Beziehungsweise geschrieben. Nein, ich tue es nicht. Weil ich an die Menschen denke, die wegen ein paar verbohrter Narren und ferngesteuerter Hitz- und Hohlköpfe auf beiden Seiten leiden müssen. Aber irgendwie bin ich auf diesem Gebiet schon ein geistiger Zwitter. Als ich vor gut zwanzig Jahren meinen Roman "Die Mörderkinder oder Wie wir unseren Kindern das Töten lehrten" einigen Verlagen angeboten habe, haben sie mich Alle ausgelacht, weil sie nicht glauben wollten, wo wir Friedenskinder dereinst landen würden. Heute leben wir schon fast mitten drin in meiner Geschichte. Aber nur fast! Noch-Kinder erschießen ihre Lehrer und Klassenkameraden. Bald werden sie sich weltweit übers WWW vernetzen und gemeinsam zur gleichen Stunde zuschlagen. Einige Fälle von gemeinsamen Selbstmörder-Kindern per Internet hatten wir ja schon. Auch die unterschiedlichen Opfervölker dieser Welt werden das Internet bald für die gemeinsamen Aktionen entdecken. Auch so genannte Terroristen sind lernfähig. Vier Anschläge gleichzeitig in Amerika waren ein Fehler. New York, London, Paris und Berlin wären sinnvoller gewesen. Aus der Sicht der Opfer-Täter natürlich gesehen. Aber was noch nicht ist, das kann ja noch werden.
Diese Geschichte ist eine schwere Satire, oder besser ein Zynikum auf unsere Gesellschaft. Ich will ja nichts herbei reden, was sowieso kommt. Nur damit mich da niemand falsch versteht. Hinsichtlich meines Kosovo-Buches wurde ich auch kritisiert, dass ich den Hass herbei schreiben würde. Dabei ist doch offensichtlich, dass ich nicht Hass dorthin schreiben oder reden kann, wo der Hass schon regiert. In diesem Sinn war und ist die eingeforderte differenzierende Sichtweise der Gutmenschengeneration der absoluteste Nonsens, der je von einer Philosophen-Generation erstunken wurde. Millionen von Menschen hat sie nicht nur das Leben gekostet, nein sie wurden vorher oft auch gefoltert und geschlechtlich malträtiert. Und dies Alles mit unserem Alles so schön differenzierendem Wissen. In diesem Sinne haben wir aus den beiden Weltkriegen nicht das Geringste gelernt. Aber genau deswegen haben wir diese Generationen beschimpft und so nebenbei waren wir kein Bisschen besser. Aber heute ist halt Alles ein Wenig größer, globaler, dafür wissen wir aber wesentlich mehr.
Was nun? Wir werden also wieder einmal Terroristen jagen. Was Besseres fällt uns nicht ein. Es ist Inhalt unserer Lebensphilosophie, auch wenn wir es so nicht sehen wollen. Wir sind verstrickt in unserem Täterhumanismus, auf den wir so stolz sind. Weil wir diesen unseren "Humanismus" eben anders sehen. Aber so wie wir über viele uns heute als völlig verrückt erscheinende Geschehnisse in der Vergangenheit den "aufgeklärten Kopf" schütteln, wie die Hexenprozesse zum Beispiel oder den Holocaust, so werden sich auch unsere Kindeskinder einst über uns wundern. Sie werden nicht verstehen, wieso aus einem Extrem ein Anderes werden konnte. Die "Am-Leben-Vorbei-Träumerei" einer allein an der Gewaltlosigkeit orientierten Generation von so genannten Gutmenschen entartete in perversestes Massen-Mit-Wisser-, also Massen-Mit-Tätertum. Eine sicherlich schon in zwanzig Jahren völlig unverständliche "Philosophie der unschuldigen Hände" in der so genannten "Zivilisierten Westlichen Welt" hat in den letzten vierzig Jahren in einer immer mehr zusammen wachsenden Welt schon mehr Menschen das Leben gekostet, als der Massenmörder Hitler samt seinen dreckigen Vasallen jemals geschlachtet, vergast oder sonst wie ermordet hat. Und das mit vollem Bewusstsein.
Die heute noch so genannte "Humangeneration" der westlichen Welt wird einst als die "Massen-Mit-Folterer-", die "Massen-Mit-Schänder-", die "Massen-Mit-Mörder-Generation" in die Geschichte der Menschheit eingehen. Von einem Extrem ins Andere. Und unser so schönes Drumherum-Gerede wird daran Nichts ändern. Die Nazis haben niemandem Schön getan, sie haben niemals gelogen. Hitler hat in seinem Buch "Mein Kampf" schon ein und einhalb Jahrzehnte zuvor Alles vorweg genommen. Doch wir, WIR lügen uns selbst einen ab. Ich nenne unsere "Krankheit", die eine geistig-seelische ist, die unsere ganze Gesellschaft erfasst hat, und die aus der Sicht der schweren Traumatisierung durch den Holocaust und der beiden Weltkriege auch verständlich ist, das "Pontius-Pilatus-Syndrom", die erstmals auftretende, westlich-völkische Geisteskrankheit des "Waschens-der-Hände-in-Unschuld". Sie ist Ausdruck eines falsch verstandenen Humanismus, der in einen reinen Täterhumanismus verkommen ist.
Und um unseren Traum aufrecht erhalten zu können, haben wir die Opfer immer weiter ins Schweigen gedrängt. Sie haben uns nicht mit ihrem Leid zu belästigen. Sie haben still zu sein. Und wenn sie sprechen, sich aufregen über ihr Schicksal, wenn sie aufbegehren, sich wehren, auf sich aufmerksam machen, dies womöglich auch noch laut und verzweifelt-aggressiv, was tun wir dann? Wir bringen sie endgültig zum Schweigen! Auf welche Weise auch immer. Ob der Gleichgültigkeit der Welt aufbegehrende Einzelopfer werden im Gugelhupf psychiatrisiert und noch immer nieder gespritzt. Auf zu Tätern mutierte Opfer, auf so genannte Terroristen, schmeißen wir ein paar Bömbchen hinab und rotten sie mitsamt ihren Unterschlupfgebern aus, auch wenn Letztere gar nicht anders können. Nach der Ursache ihres Wandels zu einem Täter wird gleich gar nicht gefragt. Wir wollen es nicht wissen! An den allgemeinen Lebensumständen wird nicht gerüttelt. Und so wird die Massen-Mit-Täter-Generation am Höhepunkt ihrer Macht auch noch zur Massen-Täter-Generation. Ein logischer Wandel, denn irgendwann verschwimmen die Grenzen. Das hätte eigentlich jedem Menschen mit ein wenig Hirn klar sein sollen, war es jedoch nicht.
Nun ja, jetzt ist es also passiert. 19 böse Terroristen haben ein paar Flugzeuge entführt und es mitten hinein in eine unserer Hochburgen der westlichen "Zivilisation" geflogen. Was jetzt geschehen wird, können wir uns denken. Und die wahren Täter bleiben, wie immer, verschont. Wir treiben ja Handel mit ihnen. Wir unternehmen nichts gegen die Killerregime dieser Welt, so lange sie brav an unserem Gängelband hängen. Die Killerdiktatoren sind unsere Garanten für eine "stabile Region". Die Despoten haben ihre kleine Welt, die eigentlich die unsere ist, fest im Würgegriff. Sie brauchen Waffen dafür, die wir liefern, samt dazu gehöriger Logistik und Folterinstrumentarium. Im Gegenzug gibt es dafür billiges Öl und Diamanten usw. Das sichert unsere Arbeitsplätze und vor Allem unseren Wohlstand.
Jede abgerissene Haxen von einem Kind in der dritten Welt durch eine Tretmine beschert jedem von uns ein sicheres Einkommen. Jedem. Somit ist eigentlich jeder Despot willkommen. Er vermehrt nur den Wohlstand der Industrienationen. Er ist solange kein Feind, solange er es nicht zu bunt treibt. Siehe Saddam in Kuwait wegen der Ölvorkommen oder Milosevic im Europäischen Hinterland. Beide Diktatoren haben hier unsere Interessen verkannt. Aber ansonsten genießen wir das tägliche Erschauern bei einem mundigen Gläschen Bier oder Wein während den abendlichen Nachrichten. WIR MITMÖRDER! WIR MITTÄTER!
Der Mittäter ist Inbegriff unserer Strafrechtskultur. Der Mittäter wird zwar meist geringer bestraft, als der eigentliche Täter. Ich aber sehe keinen Unterschied zwischen einem, der eine Frau oder ein Kind missbraucht und einem Arschloch, das dabei genießerisch zusieht. Wir sehen seit mehr als drei Jahrzehnten dabei äußerst genießerisch zu. Wir jammern zwar herum, über diese beschissene Welt und die Idioten darauf, aber ansonsten genießen wir. Und wenn es uns zu viel wird, drehen wir das Kasterl ab. Jedenfalls: WIR WISSEN ALLES! Was folgt daraus: WIR SIND ALLE MITTÄTER. Und das mit Genuss, bei über den Teller hängendem Schnitzeln, Kartoffeln, ein Schauferl Reis und buntem Salat, bei mundig schäumendem Bier und bei Wein und als Nachspeis noch Torte, Kuchen oder Eis. Ja, wir genießen dieses unser schönes Sauleben, dieses unser herrliches Arschlochleben so sehr, dass wir davon sogar Zucker bekommen oder anderen Wohlstandfrust, während vor unserer Nase jeden Tag an die 100.000, in Worten hunderttausend Kinder am Hunger sterben. Ich liebe mich. Gott segne diesen Kontinent, auf dem ich geboren wurde. Es kann auch der Teufel sein, es ist mir wurscht. Hauptsache es ändert sich nichts an meinem Leben. Denn ich liebe dieses mein Arschlochleben!
Und jetzt gehen wir erst einmal Terroristen jagen. Das gibt sicher wieder aufregende Bilder im Fernsehen. Hollywood könnte das nicht besser inszenieren. Die Killerregime, und vor Allem unsere westliche, dekadente Lebensphilosophie, die sie dazu gemacht und dann am Leben erhalten haben, sind uns ebenfalls wurscht. Mir soll es recht sein. Ich liebe mein Arschlochsein. Ihr doch auch, oder etwa nicht? Nur der scheiß Zucker, der müsste nicht sein. Wäre doch ein Hit, wenn wir diese Wohlstandskrankheiten und diesen Wohlstandsfrust den Armen dieser Welt auch noch anhängen könnten, oder etwa nicht? So ein wissenschaftlicher Fortschritt wäre doch der Megahit. Ich schätze, kaum Jemand hier im neu erblühten Wilden Westen hätte Etwas dagegen. Raue Zeiten erfordern halt raue Methoden. Endlich dürfen wir wieder Cowboy und Indianer spielen.
Ha, und da fällt mir gleich ein guter Witz ein: Er spielt im Jahre 2030. Ein Großvater geht mit seinem Enkerl durch New York. Und sie kommen dort vorbei, wo einst die Twin Towers des World Trade Centers gestanden sind. Dort steht jetzt ein großes Monument.
Fragt der Enkel: Opa, was is´n das?
Der Opa: Weißt, da stand einst das World Trade Center.
Der Kleine: Was is´n das?
Opa: Das waren 2 große Hochhäuser, die die Stadt weit überragt haben. Das waren einmal die Symbole für unsere Kultur.
Enkel: Ja und wieso stehen die nicht mehr da?
Opa: Ja weißt du, da sind dann zwei Flugzeuge hinein geflogen.
Enkel: Wieso?
Opa: Ja weißt, diese zwei Flugzeuge wurden von Terroristen gekapert und diese Terroristen haben dann damit Selbstmord begangen.
Enkel: Welche Terroristen?
Opa: Ja weißt, das waren Araber, die damals auf ihre Art dem Westen den Krieg erklärt haben.
Enkel: Welche Araber?
Ist doch ein super Witz, oder? Lacht Ihr auch Alle schön? Jetzt kommt halt eine Neue Zeit. Cowboy und Indianer spielen ist wieder angesagt. Ich bin jedenfalls froh, dass ich zu den Cowboys gehöre. Die haben die besseren Chancen. Man muss halt aufpassen, dass man nicht zufällig von einem übereifrigen Cowboy mit einem Indianer verwechselt wird. Einige Leute, die wie Indianer aussehen, werden wohl aufpassen müssen. Und in die Nähe eines Marterpfahls sollte man auch nicht kommen. Also schön zu Hause bleiben. Deswegen werde ich die nächsten Jahre auch lieber in Österreich Urlaub machen. Ist doch schön hier. Man braucht halt dauernd einen Regenschirm. Aber vielleicht spitzt sich die Weltlage ja noch mehr zu. Dann kann ich in Kärnten am Millstättersee unterm Schirm Fernseh gucken und mir die Hollywood-Nachrichten ansehen. Wird sicher ein spannender Erlebnisurlaub. Mal was Anderes. Diese Magic-Live-Clubs in der Türkei hängen mir sowieso schon zum Hals raus. Und so nebenbei pass ich auf meinen Zuckerstand auf.
Nun ja, so habe ich also mein persönliches World Trade Center hinter mir. Eine unerwartete Zuckerbombe hat in meinen missachteten Körper eingeschlagen. Ich persönlich werde das ja wieder hin bekommen. Hoffe ich zumindest. Ich werde entsprechend leben und mich an die neuen Vorschriften, die mein Körper nun diktiert, halten. Ich bin ja nicht einer, der jetzt gleich die Firmen Coca Cola und Red Bull klagt, weil sie mich nicht davor gewarnt haben, dass Coca Cola, Red Bull und anderes derartiges Zeug, in Unmengen getrunken, Gift ist für den Körper, so wie das jetzt manche Krebskranke in Amerika mit der Zigarettenindustrie tun. Aber das scheint unsere Antwort auf Probleme zu sein, die wir selbst geschaffen haben und für die wir selbst verantwortlich sind. In diesem Sinne stimme ich mit Allen überein, die da der Ansicht sind, dass die Amerikanisierung unserer Gesellschaft nicht nur Gutes bewirkt hat.
Also vernichten wir den Schein. An den Ursachen soll Alles schön beim Alten bleiben, denn sie sind ja auch die Ursachen unseres schönen Traums. Dafür werden wir letztendlich sogar bereit sein, unsere Freiheiten zu opfern. Und wenn es denn unbedingt ein Mal sein muss, dann sagen wir auch Ja und Amen zum kleinsten aller kleinen Bömbchen, da wette ich sogar drauf. Hauptsache es nimmt uns Keiner den Fernseher und das Schnitzel mit allem Drum und Dran weg. Wollt Ihr wissen, auf was ich jetzt noch warte? Auf so eine Sammelklage von diesem Fagan gegen Bin Laden und Alle, die ihn unterstützt haben, die fehlt jetzt noch, dann ist Alles wieder im Lot.
© Copyright by Lothar Krist (11. - 23. September 2001)
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