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Dies ist eine Geschichte die ich genutzt habe um mit Kindern allmählich Verluste in Familie oder Großeltern aufzuarbeiten. Sie hatten häufig Fragen und es entstanden interessante Dialoge. Ich hatte Erfolge in meiner Arbeit mit Kindern und eventuell hilft es auch anderen
Mein neuer Freund
Mein neuer Freund
„Aufstehen, es ist schon acht Uhr“, ruft meine Erzieherin in mein Zimmer.
„Ich will schlafen“, sage ich noch ganz müde und mit Schlafsand im Auge.
„Heute ist aber Samstag und du wolltest doch noch wohin. Komm schon du brauchst viel Kraft. Es gibt nämlich Essen.“
Langsam strecke ich mich. Ich bin elf Jahre alt und darf immer noch nicht entscheiden, wann ich aufstehen will. Das ist doch öde. Bei Mama konnte ich immer länger schlafen, aber na ja. „Okay, ich zieh erst mal meine Schuhe an und dann gehe ich in den Speiseraum.“
Als ich aus meinem Zimmer gehe, sehe ich die ganzen offenen Türen. Die anderen Kinder sind bestimmt schon am Essen. Es riecht nach frischen Brötchen. Das heißt Manuel, unser Koch, ist da. Der ist cool. Immer wenn er da ist macht er uns Kindern frische Brötchen, bringt selbst hergestellte Marmelade und manchmal einen kleinen Muffin mit. Der hat es echt drauf und ist immer lieb zu uns.
Im Speiseraum ist es ganz schön laut. Ich hol mir die Brötchen und setz mich an einen leeren Tisch. Da kommt Manuel.
„Na guten Morgen, wieso setzt du dich so weit weg von allen Anderen? Du bist seit einem Monat bei uns und die Kinder denken du magst sie nicht.“ Ich zucke nur die Schultern.
„Na okay, lass es dir Schmecken, aber wenn ich dir helfen kann sag es mir einfach okay? Ich mach dir noch ein Brötchen für unterwegs.“
Da kommt meine Erzieherin. Sie ist immer gut gelaunt, begrüßt den Koch mit einer Umarmung und mich mit fröhlichen Worten.
„Na du, schön dass du wach bist. Wir sind heute nur 3 Erzieher. Möchtest du heute mal alleine zu deinen Eltern oder soll ich mitkommen.“ Ich nicke.
„Ja, ich gehe allein.“ Es ist schade, aber Mama und Papa sind zusammen. Ich bin glücklich, wenn ich mal allein bei ihnen bin.
Direkt nach dem Essen und Zähne putzen, ziehe ich meine anderen Schuhe an und melde mich bei der Erzieherin ab. Zum Glück sind meine Eltern direkt um die Ecke, aber ich geh noch kurz in den Blumenladen. Der Blumenladen gibt mir Samstag immer eine wunderschöne Tulpe mit. Die mag Mama besonders. Ich geh ein kleines Stück. Nun stehe ich vor dem Tor. Es ist jetzt einen Monat her und ich werde wieder so traurig, wenn ich sie besuche. Ich sehe die Kinder am Zaun stehen. Hinter mir ist unser Heim und ich weiß sie fragen ständig die Erzieherin warum ich da hin gehe, aber viele Kinder verstehen das gar nicht. Sie sind noch zu klein und manche machen sich darüber lustig. Das ist so gemein.
Darum will ich einfach nur allein sein, aber das macht mich auch noch trauriger. Eigentlich ist mir das auch egal, sage ich zu mir. Ich gehe durch das Tor.
Es sind viele Leute unterwegs und besuchen ihre Eltern und Freunde, so wie ich. Da bin ich und vor mir liegen Mama und Papa. Seit fast einen Monat stehe ich vor ihrem Grab. Ich verstehe nicht warum ich schon wieder solche Kopfschmerzen habe. Irgendwie bekomme ich die immer, wenn ich traurig bin, aber warum? Ich bin doch Kerngesund.
Ich knie mich hin und leg eine Blume auf ihr Grab. „Warum habt ihr mich verlassen?“ sag ich total wütend und ich weiß nicht mal warum ich das bin. Ich liebe ich sie über alles. Sie haben immer so toll gekocht, mit mir gespielt und wenn Papa Gitarre gespielt hat musste ich immer mit Wippen, das war immer so schön oder wenn Mama eine Geschichte erzählt hat. Es waren die besten Eltern überhaupt.
Immer wenn ich daran denke werde ich wieder glücklich. Plötzlich höre ich ein ganz komisches Geräusch. Es klingt wie Weinen. Ein paar Meter neben mir ist der Hund, der immer auf dem Friedhof rumläuft. Ich hab ihn nur noch nie an dem Grab, neben meinen Eltern, gesehen. Irgendwie sah er schon immer so traurig aus und jetzt schaut er winselnd auf ein Grab. Da habe ich eine Idee, um den Hund aufzumuntern. Schnell stehe ich auf und pflücke ein paar Gänseblümchen mit Löwenzahn und gehe zu dem Hund.
„Oh, Gott. Weinst du Kleiner?“ und lege meine Hand auf seinen Rücken. Er ist so schön flauschig, aber er zittert ja richtig sehr. Der Hund winselt und scheint zu weinen. Ich lege die gepflügten Blumen auf das Grab, vor dem Hund. Da schaut er mich an und ich umarme ihn. Papa sagte mir zwar immer man darf fremden Tieren nicht zu nah kommen, aber jetzt ist er so unglücklich. Außerdem hat er auch gesagt: Tiere haben ein wundervolles Herz und merken, wenn es einem schlecht geht. Jetzt ist der kuschelige Hund, mit seinen süßen Augen traurig, also muss ich ihn trösten.
Auf dem Grabstein, vor dem Hund, steht der Name einer ganz alten Oma.
„War sie dein Frauchen?“ Der Hund schaut mich an und dann sieht er das Grab von meinen Eltern. Er bellt und rennt dahin. Was hat der denn vor? Wieder bellt er und ich gehe zu ihm.
„Hier liegen meine Mama und mein Papa. Sie sind bei einem Autounfall gestorben.“ Der Hund spitzt seine Ohren und legt eine seiner Pfoten auf das Grab. Gerade als ich wieder anfangen wollte zu weinen.
„Hej, das darfst du nicht.“ Ich bin sauer. Der darf doch nicht einfach auf das Grab, aber da sehe ich was Tolles. Er hat seinen Pfotenabdruck hinterlassen und bellt wieder. Dabei wedelt er fröhlich mit seinen Schwanz.
„Das ist eine tolle Idee“, und lege meine Hand auf das Grab. Direkt neben dem Pfotenabdruck ist jetzt auch mein Handabdruck. Genau dasselbe mache ich bei dem anderen Grab und schaue zum Hund. Der ist so glücklich darüber, dass er mich abschlabbert und herumtollt. Irgendwie tut es richtig gut nicht alleine zu sein und er ist bestimmt auch glücklich darüber.
Wir blieben noch eine Weile bei den Gräbern und ich redete über alle die schönen Momente mit Mama und Papa. Zum Beispiel als Mama sich das Bein gebrochen hat, da hat Papa immer gekocht und sie meistens getragen. Beim Kochen hat er sich zwar immer den Kopf an der Lampe gestoßen und Mama musste immer kichern, aber dann versuchte Papa sie kitzeln und Mama pikste ihn dann immer den ganzen Tag. Sie waren so glücklich zusammen. Ich vermisse sie so.
Der Hund spitzt die ganze Zeit die Ohren und hörte zu. Als ich fertig mit erzählen bin, legt er seinen Kopf auf meine Beine. Ich streichle seinen Kopf. Am liebsten würde ich ihn behalten, aber er hat ein Halsband. Das heißt er gehört jemanden.
„Da kommt meine Erzieherin“ und der Hund schaut sie an.
„Da bist du ja. Ich hab mir Sorgen gemacht, aber ich sehe du hast Corvo bei dir.“
„Du kennst ihn?“, platzt es aus mir heraus.
„Ist es dein Hund?“ Sie lächelt und setzt sich zu uns, während der Hund seinen Kopf wieder auf meine Beine legt.
„Nein, das ist leider nicht mein Hund. Corvo ist der Friedhofshund. Als sein Frauchen gestorben ist, hat der Friedhofsgärtner in adoptiert und jetzt ist er immer hier. Jeder mag ihn. Den Friedhof kennt der Hund sowieso und daher ist es das Beste, das er hierbleiben kann. Außerdem war er immer mit seinem Frauchen hier spazieren“ und sie streichelt seinen Kopf. Er ist so ein schöner und lieber Hund. Ich bin endlich wieder glücklich.
„Aber warum ist sie gestorben?“, will ich wissen.
„Meinst du sein Frauchen? Sie war schon sehr alt. 94 Jahre alt.“ Oh das ist wirklich alt.
„Aber sie war immer lieb zu ihm und wie du siehst ist er es auch“ Das stimmt, aber es wird schon langsam dunkel und wir müssen zurück. Ich umarme den Hund ein letztes Mal.
„Bis morgen Corvo.“ Der Hund bellt fröhlich und rennt zu einem der Friedhofsgärtner.
Als ich im Heim ankam, musste meine Erzieherin gleich zu einem neuen Mädchen. Kurz bevor ich mich ins Bett legen wollte, kam meine Erziherin dann mit dem Mädchen in mein Zimmer.
„Das hier ist Mali, sie wird von jetzt an hier wohnen und ich wollte dich Fragen ob sie mit in dein Zimmer darf?“ Ich finde es mittlerweile ganz schön nicht mehr alleine zu sein und nicke. Als die Erzieherin den Raum verlässt muss ich Mali einfach fragen.
„Ich heiße Max. Warum bist du denn hier?“ Sie zuckt die Schultern und flüstert
„Meine Mama ist tot und Papa kenne ich nicht mal. Das ist unfair. Ich will nicht hier sein.“
Wir unterhielten uns noch die ganze Nacht und die Erzieher haben nicht mal was gemerkt. Hihi, aber ich mag Mali und sie lächelt mittlerweile sogar. Sie weiß, dass es mir wie ihr geht und immer wenn wir dachten, es kommt jemand vorbei schauen, versteckten wir uns unter der Decke. Mali verriet mir, dass ihre Eltern auch auf dem Friedhof liegen. Da beschlossen wir beiden, dass wir Morgen direkt nach dem Essen dort hin gehen und Corvo besuchen. Mali ist schon total gespannt ihn zu sehen.
Die nächsten Tage besuchte wir unsere Eltern und Corvo regelmäßig. Mali hat Corvo sofort lieb. Ich, meine Freundin und der Hund sind nun ein super Team. Allein sein macht nicht glücklich, so ist alles besser und ich war auch nie wieder so traurig wie früher.