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Mein Name ist Franz, ich bin Alkoholiker …
… das war der schwerste Satz meines Lebens. Erst als er gesprochen war, konnte ich aufhören. Das war vor 35 Jahren. Dann kam die letzte Nacht, nach einem 20jährigen Martyrium. Ich versuche es zu schildern, wie es damals war.
Gedanken eines Trinkers
Heute ist die letzte Nacht vor meiner geplanten Kapitulation, es gleicht einer Hinrichtung, der ich selbst zugestimmt habe, denke ich. Ich hasse Ämter und Obrigkeiten, hasse Psychologen und die Gutmenschen der Beratungsstelle. Sie wollen mir einreden, dass ein Leben ohne Alkohol möglich ist - und noch mehr - es soll auch noch schön sein und erfüllt. Mit Gottes Hilfe ist vieles möglich, sagen sie. Ich kann das nicht glauben. Morgen soll also meine Trinkerkarriere zu Ende sein. Wie oft habe ich mir dieses imaginäre Ende schon schöngeredet - keinmal habe ich es geschafft. Warum soll es morgen anders sein, nur weil ich es versprochen habe? Nein. Nichts, gar nichts habe ich versprochen - und wenn doch - dann weiß ich es nicht mehr. Mit Gottes Hilfe schaffe ich es, haben sie gesagt. Mir geht es schlecht. Wo bist du, großer Gott, wo bist du jetzt? Irgendwo über mir, oder bist du etwa in mir? Ich sehe dich nicht, ich spüre dich nicht. Du sprichst nicht mit mir. Spürst du nicht den Schmerz, der mich fast zum Wahnsinn treibt. Du seiest der Schöpfer von allem. Sagen sie. Auch der von Alkoholikern, oder ist das Satans Werk? Du bist ein Feigling. Warum holst du mich nicht aus dieser Hölle auf Erden? Wieso hilfst du mir nicht, diese Scheißangst vor der Finsternis zu vertreiben? Du hast selber Angst vor dem Teufel Alkohol, stimmt´s?
In meiner Erinnerung ist der Nachthimmel immer schön und strahlend gewesen, entweder mit Sternen übersät oder von den Lichtern der Stadt erhellt. Heute ist es nur Nacht, sonst nichts. Nur finster und schwarz und unheimlich. Ich werde wahnsinnig vor Angst, mein Herz klopft nicht, es rast, ich habe Angst vor dem Hinlegen, die Luft wird immer dünner.
Mir fehlt mein Lebenselixier. Die Welle auf der ich gleite heißt Alkohol, nur auf ihr bin ich glücklich. Wenn sie jetzt abflacht, nicht mehr da ist, versandet, dann bin ich auf Grund gelaufen. Oder gestrandet in einem fremden Land.
Was soll aus mir werden?
Ich will ein besseres Leben. Ein Leben ohne Angst. Ich will Anerkennung. Der Eintritt in dieses Leben heißt Abstinenz - für mich - die Normalos können weiter trinken. Das finde ich ungerecht.
Aufhören ja, aber wie?
Ich will die Antwort nicht hören – nicht diese.
Es geht nur mit totaler Enthaltung, sagen sie. Die haben leicht reden, sie müssen ja nicht aufhören. Sie nennen sich Experten. Ist das nicht ein Widerspruch? Fachmann in Sachen Alkohol bin ja wohl ich, oder?
Okay, ich gebe es zu, das ist Schwachsinn.
Abstinenz bedeutet: Gar keinen Alkohol trinken – ein Leben lang! Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.
Mein Spruch war immer:
Gar nicht will ich nicht - und - mäßig kann ich nicht!
Ich tue jetzt einmal so, als ob. Ich halte mein Versprechen und gehe auf dieses verdammte Amt. Irgendetwas lässt mich hoffen, und weil ich es unbedingt wissen will, kann ich in dieser Nacht vielleicht doch noch schlafen ohne zu sterben.
Meine Bedenken bleiben, denn mit dem Saufen aufzuhören, bedeutet auch: Gulasch ohne Bier. Wie soll das gehen? Egal, ich versuche es.