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Mein Liebster
Er steckte so gut wie immer in Schwierigkeiten, doch dieses Mal schien es anders zu sein. Er war von einer eisernen Ruhe erfasst worden und das machte mir Angst. Ich sah das Unglück näherkommen und nun war es wohl so weit. Er hatte Feuer im Kamin gemacht und sich dann zu mir gedreht:“ Bald ist es vorbei, vertraue mir. Ich liebe dich.“ Das war alles, was er mir geben konnte. Er ließ sich auf dem Tisch, mir gegenüber, nieder und legte eine Plastiktüte gefüllt mit dutzenden von Geldbündeln darin vor sich hin.
Ich studierte jede seiner Bewegungen. Er schien ruhig zu sein, doch, wenn man genau hinsah bemerkte man seine Zweifel. Seine Augen starrten ins Nichts, nur gelegentlich zuckten sie in Richtung Tür. Die Adern auf seiner Stirn waren angeschwollen, wie immer dann, wenn wir uns stritten. Sein linker Mundwinkel zitterte leicht so als würde er angestrengt ein Schluchzen oder Wimmern unterdrücken. Seine schmalen, langen Finger waren verkrampft, sodass seine Knöchel weiß hervortraten.
Ich wagte kaum zu atmen, doch ich wusste nicht wieso. Die ganze Situation wirkte wie erstarrt. Das Ticken der Uhr dröhnte mir in den Ohren, wie ein Hammerschlag schallte es mir jedes Mal durch den Kopf.
Auf der Straße schrie eine Katze. Eine Autotür öffnete sich und schwere Schritte kamen auf unser Haus zu. Jemand klopfe energisch an die Tür und er zuckte zusammen. Nach einer kurzen Pause klopfte es nochmal, diesmal so heftig, dass ich dachte die Tür falle jeden Moment aus den Angeln. Doch er rührte sich nicht, nur seine Hand griff langsam nach der Plastiktüte. Es war still vor der Tür, so still, dass sich die kleinen Härchen auf meinem Rücken aufstellten. Plötzlich hörte ich das Klicken einer geladenen Pistole. Ein ohrenbetäubender Lärm von durch die Luft sirrenden Kugeln zerriss die Stille. Ich schrie auf und er zerrte mich näher an dem Kamin heran, weg von der explodierenden Haustüre.
Ein Mann in weißem Anzug, eine Sonnenbrille verdeckte seine Augen, trat über die Trümmer ein in unser Zuhause. Ihm folgten drei brutal aussehende Kolosse, mit tätowierten Armen und Muskeln wie sie sonst nur Bodybuilder haben. Mein Geliebter stand auf, die Tüte fest umklammert in der Rechten. Mit einer schnellen Bewegung warf er das Geld ins Feuer wo es augenblicklich zu lichterloh zu brennen begann. Langsam nahm der Mann seine Sonnenbrille ab und musterte ihn kopfschüttelnd mit schwarzen, ausdruckslosen Augen. Er zog sein weißes Jackett aus und hob fast bedauernd die Schultern. Ich ahnte was passieren würde und wollte dazwischen gehen, doch meine Beine waren wie gelähmt. Mit vor Schreck geweiteten Augen sah ich zu, wie mein Geliebter ausholte und dem Mann fest ins Gesicht schlug. Sein Kopf flog zur Seite und er fasste sich an sein Kinn. Dann lachte er leise. Er schnipste mit den Fingern und einer seiner Kumpane reichte ihn einen stählernen Schlagstock. Ich erlangte die Kontrolle über meine Beine wieder und sprang vor den Mann. Ich schüttelte ihn und flehte ihn an, doch er starrte mich nur an und einer der drei Kolosse riss mich zur Seite und hielt mich fest.
Der Mann trat ihm brutal in den Bauch und er klappte zusammen. Ich schrie und versuchte mich aus den armen des Mannes zu winden der mich festhielt, doch ich hatte keine Change.
Mein Liebster krümmte sich auf dem Boden und der Mann hob den Schlagstock. Mit einem furchterregenden Surren raste die Waffe Richtung Boden und traf schließlich auf seinen Körper. Mit einem unerträglichen Knacken hörte ich wie seine Knochen brachen und die Tränen flossen mir heiß über das Gesicht. Ich kreischte und wand mich in dem verzweifelten Versuch meinem Aufpasser zu entkommen. Seine haselnussbraunen Augen sahen suchend zu mir auf und ich erwiderte seinen traurigen Blick. Die ganze Zeit, während ein Schlag nach dem anderen seine Knochen brach, blickten wir uns in die Augen. Mit jedem Schmerzensschrei brüllte er mir auch seine Liebe entgegen, und ich schrie zurück.
Als sie endlich fertig waren, lag er reglos am Boden. Die Männer verließen uns. Ich sackte zusammen und kroch zitternd zu meinem Geliebten. Sein ganzer Körper war mit Blut verschmiert und seine Gliedmaßen standen in unnatürlichen Winkeln von ihm ab. Vorsichtig legte ich seinen Kopf in meinen Schoß. Seine Lippen zitterten und er öffnete den Mund, so als wolle er etwas sagen, doch es kam nur ein leises Stöhnen heraus. Ich schluchzte auf und küsste zärtlich seine aufgeplatzten Lippen. Als ich mich wiederaufrichtete, war alles Leben aus seinen Augen entwichen.