Mitglied
- Beitritt
- 13.05.2004
- Beiträge
- 24
Mein Leben mit Krebs
Ich habe nun schon seit mehr als zwei Jahren Krebs und es geht mir gut dabei. Nach langem und reiflichem Überlegen habe ich mich entschlossen meinen Krebs, "Krebs" zu nennen. Ich füttere ihn zweimal täglich. Manchmal spricht mich jemand darauf an und fragt: "Stimmt es, dass sie Krebs haben"? Er sagt es mit einer fast schon zitternden Stimme, sieht mir dabei in die Augen und ich habe das Gefühl, er interessiert sich für mich. "Ja", sage ich dann, "es stimmt, aber es geht mir gut, auch wenn ich jetzt etwas öfter zu Hause bin". Mein Gegenüber nickt dann immer verständnisvoll und klopft mir freundschaftlich auf die Schulter.
Es wundert mich immer wieder, wie viele Menschen das Wissen und das Verständnis für die Pflege und den Aufwand derselben für so einen Meeresbewohner mitbringen. Ich scheine auch mehr Freunde zu haben als mir früher bewusst war, denn viele scheinen sich sehr für mein Hobby zu interessieren.
Neulich rief mich mein Betriebsrat zu sich. Nach meinem Befinden hat er sich erkundigt und ob ich mich mit meinem Job nicht überfordert fühlen würde, so rein korperlich. Er sagte, er könnte es gut verstehen, wenn man mit meinem "Hanykap" nicht mehr so kann wie früher, oder wie meine Kollegen. ich arbeite übrigens in einer Gebietskrankenkasse. Man hat mich öfter schon darauf angesprochen, wie gut es doch sei, dass medizinische Daten von Mitarbeitern geschützt sind. Auch wenn ich nicht ganz verstehe, warum man mich darauf anspricht, stimme ich dem doch zu. Auch besagter Betriebsrat erwähnte es beiläufig, warum auch immer. "Nun", sagte ich "Es wäre natürlich angenehm etwas weniger belastet zu werden". Bald darauf konnte ich einer Tätigkeit nachgehen, in der sich nicht einmal ein Sonderschüler überfordert fühlen würde und ich bekomme sogar etwas mehr Geld.
Ein wenig wundere ich mich schon, warum in letzter Zeit die Dinge so viel besser laufen als früher. Ich denke oft über die Dinge nach, wenn ich so gemächlich nach Hause spaziere. Warum wohl die Menschen immer so viel Energie darauf verschwenden andere zu erniedrigen nur um sich selbst größer fühlen zu können, anstatt größer zu werden? Warum die Menschen immer kälter werden, je mehr beieinander sind? Große Fragen - keine Antworten. Dann schließe ich die Türe auf zu meiner kleinen Wohnung, füttere Krebs und sage mir dann: Eigentlich geht es mir viel besser, seit ich Krebs habe.