Mein Leben in sechzig Jahren
Ich liege den ganzen Tag faul am Strand unter Palmen. Die Sonne scheint. Ich bin glücklich und rundum zufrieden. Plötzlich höre ich ein komisches Geräusch, das immer lauter und aufdringlicher wird. Bald darauf befinde ich mich schon auf dem Boden der Realität: Mache meinen Wecker aus und reibe mir meine geschwollenen Augen. Es ist elf Uhr morgens. Ich spüre jeden einzelnen verdammten Knochen. Dann stehe ich auf; besser gesagt, ich versuche aufzustehen. Nach etwa einer halben Stunde habe ich es geschafft: Ich stehe vor meinem Bett. Bald darauf humple ich mit meinem langen Nachthemd mit den rosaroten Blümchen ins Bad. Wie jeden Morgen stolpere ich über meinen Dackel, der faul mitten im Flur liegt. Nach einer viertel Stunde habe ich mich von meinen immer noch schmerzenden Knochen erholt und komme endlich im Bad an. Ich säubere mein Gebiss, das Waschen lasse ich sein - das ist mir heute zu anstrengend.
Da mein Magen knurrt, hinke ich zum Kühlschrank. Im Kühlschrank tobt der Schimmel und eine fette Made grinst mich an. Glücklicherweise finde ich noch hundert Gramm Gelbwurst und eine Flasche Bier, die ich mit Genuss hinunterschlinge. Aber eins wird mir klar, ich kann es nicht länger hinauszögern, heute muss ich einkaufen gehen. So hole ich meinen Mantel, den ich über mein Nachthemd anziehe, sowie Schuhe, Handtasche und natürlich nicht zu vergessen ist mein Stock mit Spikes! Jetzt kommt das Schlimmste: die Treppen! Leider war in diesem Hochhaus nur noch diese Wohnung im zehnten Stock frei und es gibt keinen Aufzug. Aber heute bin ich gut. Ich brauche nur eine Stunde bis ich unten bin und bin keine einzige Stufe heruntergefallen!
Der Laden ist Gott sei Dank gleich um die Ecke. Ich kaufe das Nötigste: ein Kilogramm Gelbwurst, Bier,...
An der Kasse ziehe ich meinen getarnten Geldbeutel heraus. Es ist ein zerknautschtes Stofftaschentuch, in dem ich mein Geld eingewickelt habe.
Auf dem Rückweg versucht ein Punker mir meine Hand- tasche zu klauen, aber auf meinen Stock mit Spikes ist schließlich immer Verlass. Bald darauf liegt dieser Lümmel wimmernd auf dem Boden.
Anschließend schaue ich mir die Talkshows im Fernsehen an. Dieser Hans Meiser ist ja schon ein knackiger! Da klingelt es an der Tür. Detlef, mein Liebhaber vom siebten Stock, steht zitternd vor mir: "Schnell, ich habe gerade zwei Viagra-Tabletten genommen!" Oooh - wie sexy er wieder aussieht mit seinen zwei Härchen auf dem Kopf und seinem neuen Rockeroutfit.
"Ich habe eine Überraschung für dich", sagt er mit einem breiten Grinsen über beide Backen. Ich hatte auch eine Überraschung für ihn. Vor kuzem habe ich mir nämlich eine String Tanga gekauft, durch die meine Cellulitis besonders gut zum Vorschein kommt. Als Detlef das sieht, jubelt und kreischt er so vor Begeisterung, dass ihm gleich das Gebiss herausfällt. Nun kommen wir zu seiner Überraschung. Er hat ein neues Piercing; aber wo verrate ich nicht. Aber es passt richtig gut zu seinen anderen zehn Piercings und zwanzig Tättowierungen.
Danach nehmen wir zusammen ein Bad. Die Gummiente durfte wie immer nicht fehlen. Aber leider muss Detlef bald darauf wieder gehen. Schließlich wird sich seine Frau fragen, wo er solange bleibt.
Kaum ist er zur Tür raus, klingelt das Telefon. Es ist Dominik - mein Sohn. Er braucht mal wieder Geld. Er ruft immer nur an wenn er Geld braucht, wie meine anderen vier Kinder auch. Da ich Kinder, aber keinen Mann wollte, ließ ich mich künstlich befruchten. Das Ergebnis: Fünflinge!
Wütend lege ich auf - nicht mit mir! - und schmeiße das Telefon gegen die Wand. Zitternd vor Erregung stapfe ich in Richtung Bett und stolpere wieder über meinen Dackel. Völlig genervt rappel ich mich wieder auf und liege schließlich endlich in meinem Bett. Bald darauf schlafe ich ein und träume davon, wie schön es vor sechzig Jahren war.