Mitglied
- Beitritt
- 02.06.2002
- Beiträge
- 46
Mein kurzes, mörderisches Leben
Er schließt die Augen.
Ein heftiger Schlag treibt mich mit ungeheurer Geschwindigkeit an. An meinem Hinterteil wird es ziemlich warm, richtig heiß sogar. Na und? Das halt ich schon aus. Für so was bin ich ja geschaffen worden. Ich rase mit einem Affenzahn durch den Tunnel, beginne mich wie wild zu drehen, immer schneller.
„Huiiih! Das macht Spass!“
Der Ausgang kommt näher.
„Aber...!?! Oh.. nein! Eine Wand! Nein!“
Wieso muss so was ausgerechnet mir passieren? So will ich nicht enden.
„Scheisse!“
Blutverschmiert irgendwo auf dem Boden zu liegen ist kein schönes Ende. Und dann all die Polizisten die einen dann mit ihren glitschigen Handschuhen anfassen.
„Brrrh! Ekelhaft.“
Aber das ist immer noch besser, wie aus irgendeiner Wand herausgekratzt zu werden. Stimmts? Wer sich schon einmal mit dem Messer über die den Arm geschabt hat, weiß was ich meine. Hoffentlich passiert mir so was nicht.
Noch mal „brrrrh!“
Die Welt ist schon grauenhaft heutzutage. Aber so ist es nun mal, man kann eh nichts ändern. Und außerdem ist die Zeit sowieso zu knapp für Sorgen. Genieße den Tag!
„Juchhee! Weiter geht die Fahrt!“
Kopf voran geht es durch die Wand. Eigentlich nicht schlimm, nur ein bisschen schleimig. Ich glaube am besten kann man sich das vorstellen, wie wenn man den Finger durch die Haut in einen noch warmen Puddings steckt. So ungefähr ergeht es mir.
Auch hier ist es schön warm. Richtig angenehm. Und so wundervoll weich. Besser kann ich es nicht beschreiben. Es ist so still hier drin, so .... so wunderschön. Es kommt mir vor wie ein Traum. Ich fühle wie ich mich langsam durch diese weiche, weissgelbe Masse drehe, durch Rohre voll von rotem Saft hindurchstosse, mir einen Gang bahne zur Mauer auf der anderen Seite und sie mit Leichtigkeit durchdringe.
Und ich es werde es nie vergessen, was dann geschehen ist.
Ich komme durch diese Wand und sehe zum erstenmal.......das Licht! Durch graue Wolken scheint es matt hindurch, taucht den Ort in ein diffuses Grau. Wie eine zweite Geburt. Und ich bin das kleine Baby. Gut auch, dass es hier draussen angenehm kühl ist. Während ich so fliege, drehe ich mich, lasse die kalte Luft meinen nassen, erhitzten Körper erfrischen.
Traurig merke ich, wie ich langsamer werde, sich meine Bahn allmählich der guten, alten Mutter Erde annähert. Ich gebe mir noch zwei Sekunden. Ich schaffe noch drei. Dann berühre ich das Gras, schliddere noch ein paar Meter durch die Feuchtigkeit, bleibe zwischen den riesigen Halmen friedlich liegen.
„Schade. Es war so schön.“
Langsam verdunkelt sich der graue Himmel, es wird schwarz um mich.
„Aus“ denke ich noch.
Der Mann lässt den Arm sinken. Wie in Zeitlupe knickt er in die Knie, fällt vorüber in das nasse Gras. Die noch rauchende Pistole entgleitet seiner toten Hand.