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Mein Krieg, Dein Krieg - Krieg ist für uns alle da!
Hallo, ich bin ... naja, mein Name tut nichts zur Sache, alles was ich eigentlich sagen will – ich finde Krieg gut. Ja, und zwar so richtig gut, und das ist nicht nur so dahergesagt. Als ich das früher immer gesagt habe, sahen mich die Leute komisch an, sie kennen das ja, so auf die Art ‚Wie kann er nur’, ‚Was sagt er denn’, aber schon damals hat mir das nichts ausgemacht, und heute, heute hat sich das ja Gott sei Dank erledigt. Ich finde Krieg jedenfalls gut, weil man da töten darf. Und die Uniformen sind auch sehr kleidsam. Ihr hättet die Mädels sehen sollen, als wir ausgezogen sind. Standen da, am Straßenrand und haben gejubelt, und jeder hättest du auf der Stelle ein Kind andrehen können, und sie hätte sich wahrscheinlich noch gefreut. Ihr wisst schon, tapferer Soldat und so.
Der Auszug war schön, heldenhaft, wie unser Leutnant nachher sagte. Die meisten haben bei der Ansprache nicht so begeistert drein geschaut, aber was wissen die schon. Spätestens wenn sie dem Ersten von da drüben das Hirn weggeballert haben, spüren sie ihn auch. Den Held in sich. Manche können dann gar nicht mehr aufhören. Ich hab’s selber erlebt und ich bin schließlich schon lange genug dabei. Und außerdem ....
ALARM ...
entschuldigt kurz ...
Da bin ich wieder. Hat länger gedauert, als ich dachte, aber die da drüben haben anscheinend Nachschub bekommen. Der Leutnant ist tot, jetzt bekommen wir einen Neuen. Ist schon der Dritte in zwei Monaten. Ein paar andre von uns hat’s auch erwischt, schätz mal so um die zwanzig Leute. Schlechter Schnitt, waren schon mal weniger. Hat Andreas auch gesagt, und der muss es wissen, weil Andreas ist noch länger dabei als ich. Dafür war meine Ausbeute gut. Bei zehn hab’ ich aufgehört zu zählen. Früher war das noch anders, da hab ich mitgezählt bis zum Schluss, war ja noch alles neu und aufregend. Nachher erzählten wir uns dann davon. Ihr wisst schon, wer, wen, wie. Aber mit der Zeit vergeht das gute Gefühl, nur die Neuen sind noch so drauf. Rennen dann aufgeregt und sabbernd durch die Gegend, um sich von ihren Erfolgen zu erzählen.
Manchmal haben mich Leute auch schon nach dem Warum gefragt. Meistens werde ich dann wütend, weil die Frage so selten dämlich ist. Warum wohl machen wir das?
Um zu siegen!!!
Meistens schauen diese Leute dann ganz gekränkt, dass man ihnen gleich auf der Stelle eine scheuern will. Tut mir leid, aber fällt mir schwer dabei ruhig zu bleiben. Sie schauen dann immer so, als ob sie mich überhaupt und gar nicht verstehen könnten. Stellen dann weitere saudämliche Fragen, und tun so, als ob sie diese Gefühle überhaupt nie gehabt hätten. Als ob sie nie siegen wollten in ihrem Leben. Nie nach oben wollten, nie der Größere, Stärkere, der Reichere, der Schönere, der Bessere, der Glücklichere, der mit dem Meisten, der Klügere, der Schnellere, der Weiss-nicht-was sein. Glaubt mir: Sie geben es nicht zu, aber auch sie wollen es, haben es immer gewollt und werden es immer wollen. Und dann kamen wir und sprachen nicht nur davon, träumten nicht nur in unseren einsamen Kammer vor uns hin, sondern handelten.
Meine Freundin hat sich kurz nach Kriegsbeginn von mir getrennt. Hat ´nen unheimlichen Aufstand gemacht. Hat geweint und gemeint, sie kenne mich nicht mehr. Und sie frage sich, wie ich so schnell, von einer Sekunde auf die andere, zur Bestie werden konnte. Ich habe nur gelächelt und gesagt, ich frage mich, wie sie so schnell, von einer Sekunde auf die andere, zum Menschenfreund werden konnte. Das war der letzte Satz, den ich mir ihr gesprochen habe. Auch gut. Ich hab jetzt ja ne andere Braut. Die hat mir schon tausendmal das Leben gerettet. Von welcher Frau könnte man das je behaupten?
Heute hat’s den neuen Leutnant – eigentlich war er ja Oberleutnant – erwischt. War kein schöner Anblick, aber was ist schon ein schöner Anblick. Andreas nervt ein wenig mit seinen Geschichten, die er dauernd erzählt. Das es ein gutes Zeichen sei, dass es immer die Offiziere erwische. Das bedeute nämlich, dass es das Fußvolk nicht erwische. Beim Angriff heute Morgen hätten auch zwanzig Leute vom Fußvolk ins Gras gebissen, habe ich ihm dann entgegengehalten. Ohne die großkotzigen Keksträger wären es Dreißig gewesen, hat er gemeint und sich in eine Ecke verkrochen, um zu schlafen. Eigentlich hätte er ja auch Offizier sein sollen. Sein Vater besitzt eine große Fabrik für Industriemaschinen, aber ich glaube kaum, dass dort noch Industriemaschinen hergestellt werden. Andreas hat auch mal ein paar Andeutungen gemacht, sie wissen schon, Waffen und Munition...und das sein Vater in einem Monat mehr verdiene als sonst in einem halben Jahr.
Ich werd’ mal rausschauen. Das verdammte Fernglas ist auch wieder verdreckt. Mal sehen...da hängt Klaus, im Stacheldraht. Scheiße, gerade der Klaus, den hätt’s wirklich nicht erwischen sollen. Rechter Arm fehlt, Brust scheint auch einiges abbekommen zu haben. Gelitten hat er wahrscheinlich nicht lange, aber so genau kann man das nie sagen. Manche liegen da, ohne irgendeinen Kratzer und sind tot, anderen fehlt der halbe Körper und sie schreien dir noch stundenlang die Ohren voll. Klaus hatte einiges drauf. Schade um ihn. Er war einer von uns. Er wollte auch siegen.
Da drüben liegt ein Helm...Kopf kann ich nicht erkennen. Ist das überhaupt einer von uns? Scheint so, aber Bild würd’ ich von dem keins mehr machen. Einer von Andreas’ Standardwitzen.
Hab’ heute Post bekommen. Von meiner Mutter im Namen der ganzen Familie. Das übliche Blabla, wie es allen geht, und wie es mir gehen soll. Das immer gleiche Geschwafel. Es solle mir nichts passieren, meinen sie. Süß, nicht? Mutter ließ es sich nicht nehmen von Markus zu schreiben. In jedem Brief erwähnt sie ihn kurz, was er macht und so, als ob mich das interessieren würde. Markus ist der Sohn von unserem Nachbarn, genauso alt wie ich. Er macht nicht beim Krieg mit. Will kein Sieger sein, zumindest nicht auf die Art, wie wir Sieger sind. Ist sogar gegen den Krieg. Vielleicht schreibt mir meine Mutter deswegen immer wieder von ihm. Weil sie denkt, wenn sie mir von ihm erzählt, würde ich mir ein Beispiel an ihm nehmen, würde auch aufhören Soldat zu sein. Als ob ich das wollte. Als ob ich das könnte. Was soll’s.
Markus ist gegen den Krieg. Hält kluge Reden vor klugen Menschen, die immer nur Kluges tun, weil sie ja klug sind. Wenn es uns nicht gäbe, könnte er das nicht. Dann wäre er noch immer der kleine Beamte im grauen Pullover ohne Erfolg bei den Frauen. Würde noch immer jeden Tag um vier nach Hause gehen, um auf den nächsten Morgen warten, damit er wieder zur Arbeit gehen kann. Jetzt braucht er das nicht mehr. Jetzt kann er vorne stehen, auf erhobenem Podest, und kann kluge Sachen sagen, während die anderen zu ihm hoch schauen. Wie gesagt, Markus will kein Sieger sein, nicht auf die Art, wie wir Sieger sind. Trotzdem ist er einer. Ob er will oder nicht. Und als ich ihn beim letzten Fronturlaub getroffen habe, bin ich ihm begegnet, als er gerade auf dem Weg zu einem seiner Treffen war. Ich habe in seine Augen gesehen, und ich sage euch – er wollte es! Er wollte Sieger sein. Nicht auf die Art wie wir, aber auf seine Art. Meine Freundin – ‚tschuldigung, ehemalige Freundin – soll jetzt etwas mit ihm haben, schreibt jedenfalls meine Mutter. Mir egal. Wahrscheinlich werden sie auch über mich sprechen, werden sich gegenseitig bestätigen, wie böse ich doch bin, und sich dann freuen, dass sie gesiegt haben – über mich.
Andreas hat heute einem von drüben die Eier weggeschossen. Er nennt das ‚bleierne Sterilisation’. Hat erzählt, es wäre Zufall gewesen, dass er genau dort getroffen habe. Die Dinger wären nämlich in Wahrheit unwahrscheinlich klein, obwohl sie einem bei sich selbst immer so verdammt groß vorkämen. Der ganze Zug hat dann gelacht. Draußen hat der Regen auf die Stellung geprasselt, Dreck und Schlamm ist uns dauernd in den Graben gekommen, aber wir haben gelacht. Manchmal frage ich mich, warum Andreas kein Offizier wurde.
Es ist ruhig da drüben.
Vor drei Monaten hatte ich Fronturlaub. Am Abend war ich zum Tanz und habe die Waltraud kennen gelernt. Wir haben getrunken und getanzt und dann sind wir in ihre kleine Wohnung. Sie hat mich ausgezogen und ganz verführerisch getan. Ich fand’s lächerlich, Schließlich wollte ich bloß ficken. Und das haben wir dann auch getan. Sie bekam ihren Helden, ihren Sieger, mich. Und ich bekam meine ‚Unterleibsschneuzer’, auch so ein Ausdruck aus Andreas’ blumenreichem Wortschatz. Als ich dann ging, fragte sie mich kleinlaut, ob wir uns wieder sehen könnten, und ich sagte, Ja, vielleicht, mal sehen. Auf der Straße war es dunkel und kalt. Sie hatte mich genommen, weil ich Sieger war. Und ich dachte an die Armlosen, die Beinlosen, die Verrückt-Gewordenen und wusste, dass sie nie wieder Sieger sein würden. Sie waren die Verlierer, und Verlierer interessierten in Wahrheit niemanden. Ich sah auf meine Beine, dann auf meine Hände und lächelte zufrieden. Danach bin ich noch einmal zurück ins Tanzlokal gegangen und habe die Franziska kennen gelernt.
Es regnet immer noch, schon seit einer Woche. Der halbe Zug ist hin. Schwere Angriffe in den letzten Tagen. Im Unterstand schreien und stöhnen die Verletzten die ganze Zeit. Die Sani-Arschlöcher lassen sich auch immer mehr Zeit, bis sie zu uns durchkommen. Andreas ist das auch schon aufgefallen. Aber es wundert uns auch nicht besonders. Schließlich sind die armen Teufel - entschuldigung, dass ich mich wiederhole – die Verlierer, und Verlierer interessieren...sie wissen schon.