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Mein Krieg, Dein Krieg - Krieg ist für uns alle da!

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21.06.2001
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Mein Krieg, Dein Krieg - Krieg ist für uns alle da!

Hallo, ich bin ... naja, mein Name tut nichts zur Sache, alles was ich eigentlich sagen will – ich finde Krieg gut. Ja, und zwar so richtig gut, und das ist nicht nur so dahergesagt. Als ich das früher immer gesagt habe, sahen mich die Leute komisch an, sie kennen das ja, so auf die Art ‚Wie kann er nur’, ‚Was sagt er denn’, aber schon damals hat mir das nichts ausgemacht, und heute, heute hat sich das ja Gott sei Dank erledigt. Ich finde Krieg jedenfalls gut, weil man da töten darf. Und die Uniformen sind auch sehr kleidsam. Ihr hättet die Mädels sehen sollen, als wir ausgezogen sind. Standen da, am Straßenrand und haben gejubelt, und jeder hättest du auf der Stelle ein Kind andrehen können, und sie hätte sich wahrscheinlich noch gefreut. Ihr wisst schon, tapferer Soldat und so.
Der Auszug war schön, heldenhaft, wie unser Leutnant nachher sagte. Die meisten haben bei der Ansprache nicht so begeistert drein geschaut, aber was wissen die schon. Spätestens wenn sie dem Ersten von da drüben das Hirn weggeballert haben, spüren sie ihn auch. Den Held in sich. Manche können dann gar nicht mehr aufhören. Ich hab’s selber erlebt und ich bin schließlich schon lange genug dabei. Und außerdem ....
ALARM ...
entschuldigt kurz ...

Da bin ich wieder. Hat länger gedauert, als ich dachte, aber die da drüben haben anscheinend Nachschub bekommen. Der Leutnant ist tot, jetzt bekommen wir einen Neuen. Ist schon der Dritte in zwei Monaten. Ein paar andre von uns hat’s auch erwischt, schätz mal so um die zwanzig Leute. Schlechter Schnitt, waren schon mal weniger. Hat Andreas auch gesagt, und der muss es wissen, weil Andreas ist noch länger dabei als ich. Dafür war meine Ausbeute gut. Bei zehn hab’ ich aufgehört zu zählen. Früher war das noch anders, da hab ich mitgezählt bis zum Schluss, war ja noch alles neu und aufregend. Nachher erzählten wir uns dann davon. Ihr wisst schon, wer, wen, wie. Aber mit der Zeit vergeht das gute Gefühl, nur die Neuen sind noch so drauf. Rennen dann aufgeregt und sabbernd durch die Gegend, um sich von ihren Erfolgen zu erzählen.
Manchmal haben mich Leute auch schon nach dem Warum gefragt. Meistens werde ich dann wütend, weil die Frage so selten dämlich ist. Warum wohl machen wir das?
Um zu siegen!!!
Meistens schauen diese Leute dann ganz gekränkt, dass man ihnen gleich auf der Stelle eine scheuern will. Tut mir leid, aber fällt mir schwer dabei ruhig zu bleiben. Sie schauen dann immer so, als ob sie mich überhaupt und gar nicht verstehen könnten. Stellen dann weitere saudämliche Fragen, und tun so, als ob sie diese Gefühle überhaupt nie gehabt hätten. Als ob sie nie siegen wollten in ihrem Leben. Nie nach oben wollten, nie der Größere, Stärkere, der Reichere, der Schönere, der Bessere, der Glücklichere, der mit dem Meisten, der Klügere, der Schnellere, der Weiss-nicht-was sein. Glaubt mir: Sie geben es nicht zu, aber auch sie wollen es, haben es immer gewollt und werden es immer wollen. Und dann kamen wir und sprachen nicht nur davon, träumten nicht nur in unseren einsamen Kammer vor uns hin, sondern handelten.
Meine Freundin hat sich kurz nach Kriegsbeginn von mir getrennt. Hat ´nen unheimlichen Aufstand gemacht. Hat geweint und gemeint, sie kenne mich nicht mehr. Und sie frage sich, wie ich so schnell, von einer Sekunde auf die andere, zur Bestie werden konnte. Ich habe nur gelächelt und gesagt, ich frage mich, wie sie so schnell, von einer Sekunde auf die andere, zum Menschenfreund werden konnte. Das war der letzte Satz, den ich mir ihr gesprochen habe. Auch gut. Ich hab jetzt ja ne andere Braut. Die hat mir schon tausendmal das Leben gerettet. Von welcher Frau könnte man das je behaupten?

Heute hat’s den neuen Leutnant – eigentlich war er ja Oberleutnant – erwischt. War kein schöner Anblick, aber was ist schon ein schöner Anblick. Andreas nervt ein wenig mit seinen Geschichten, die er dauernd erzählt. Das es ein gutes Zeichen sei, dass es immer die Offiziere erwische. Das bedeute nämlich, dass es das Fußvolk nicht erwische. Beim Angriff heute Morgen hätten auch zwanzig Leute vom Fußvolk ins Gras gebissen, habe ich ihm dann entgegengehalten. Ohne die großkotzigen Keksträger wären es Dreißig gewesen, hat er gemeint und sich in eine Ecke verkrochen, um zu schlafen. Eigentlich hätte er ja auch Offizier sein sollen. Sein Vater besitzt eine große Fabrik für Industriemaschinen, aber ich glaube kaum, dass dort noch Industriemaschinen hergestellt werden. Andreas hat auch mal ein paar Andeutungen gemacht, sie wissen schon, Waffen und Munition...und das sein Vater in einem Monat mehr verdiene als sonst in einem halben Jahr.
Ich werd’ mal rausschauen. Das verdammte Fernglas ist auch wieder verdreckt. Mal sehen...da hängt Klaus, im Stacheldraht. Scheiße, gerade der Klaus, den hätt’s wirklich nicht erwischen sollen. Rechter Arm fehlt, Brust scheint auch einiges abbekommen zu haben. Gelitten hat er wahrscheinlich nicht lange, aber so genau kann man das nie sagen. Manche liegen da, ohne irgendeinen Kratzer und sind tot, anderen fehlt der halbe Körper und sie schreien dir noch stundenlang die Ohren voll. Klaus hatte einiges drauf. Schade um ihn. Er war einer von uns. Er wollte auch siegen.
Da drüben liegt ein Helm...Kopf kann ich nicht erkennen. Ist das überhaupt einer von uns? Scheint so, aber Bild würd’ ich von dem keins mehr machen. Einer von Andreas’ Standardwitzen.

Hab’ heute Post bekommen. Von meiner Mutter im Namen der ganzen Familie. Das übliche Blabla, wie es allen geht, und wie es mir gehen soll. Das immer gleiche Geschwafel. Es solle mir nichts passieren, meinen sie. Süß, nicht? Mutter ließ es sich nicht nehmen von Markus zu schreiben. In jedem Brief erwähnt sie ihn kurz, was er macht und so, als ob mich das interessieren würde. Markus ist der Sohn von unserem Nachbarn, genauso alt wie ich. Er macht nicht beim Krieg mit. Will kein Sieger sein, zumindest nicht auf die Art, wie wir Sieger sind. Ist sogar gegen den Krieg. Vielleicht schreibt mir meine Mutter deswegen immer wieder von ihm. Weil sie denkt, wenn sie mir von ihm erzählt, würde ich mir ein Beispiel an ihm nehmen, würde auch aufhören Soldat zu sein. Als ob ich das wollte. Als ob ich das könnte. Was soll’s.
Markus ist gegen den Krieg. Hält kluge Reden vor klugen Menschen, die immer nur Kluges tun, weil sie ja klug sind. Wenn es uns nicht gäbe, könnte er das nicht. Dann wäre er noch immer der kleine Beamte im grauen Pullover ohne Erfolg bei den Frauen. Würde noch immer jeden Tag um vier nach Hause gehen, um auf den nächsten Morgen warten, damit er wieder zur Arbeit gehen kann. Jetzt braucht er das nicht mehr. Jetzt kann er vorne stehen, auf erhobenem Podest, und kann kluge Sachen sagen, während die anderen zu ihm hoch schauen. Wie gesagt, Markus will kein Sieger sein, nicht auf die Art, wie wir Sieger sind. Trotzdem ist er einer. Ob er will oder nicht. Und als ich ihn beim letzten Fronturlaub getroffen habe, bin ich ihm begegnet, als er gerade auf dem Weg zu einem seiner Treffen war. Ich habe in seine Augen gesehen, und ich sage euch – er wollte es! Er wollte Sieger sein. Nicht auf die Art wie wir, aber auf seine Art. Meine Freundin – ‚tschuldigung, ehemalige Freundin – soll jetzt etwas mit ihm haben, schreibt jedenfalls meine Mutter. Mir egal. Wahrscheinlich werden sie auch über mich sprechen, werden sich gegenseitig bestätigen, wie böse ich doch bin, und sich dann freuen, dass sie gesiegt haben – über mich.
Andreas hat heute einem von drüben die Eier weggeschossen. Er nennt das ‚bleierne Sterilisation’. Hat erzählt, es wäre Zufall gewesen, dass er genau dort getroffen habe. Die Dinger wären nämlich in Wahrheit unwahrscheinlich klein, obwohl sie einem bei sich selbst immer so verdammt groß vorkämen. Der ganze Zug hat dann gelacht. Draußen hat der Regen auf die Stellung geprasselt, Dreck und Schlamm ist uns dauernd in den Graben gekommen, aber wir haben gelacht. Manchmal frage ich mich, warum Andreas kein Offizier wurde.
Es ist ruhig da drüben.

Vor drei Monaten hatte ich Fronturlaub. Am Abend war ich zum Tanz und habe die Waltraud kennen gelernt. Wir haben getrunken und getanzt und dann sind wir in ihre kleine Wohnung. Sie hat mich ausgezogen und ganz verführerisch getan. Ich fand’s lächerlich, Schließlich wollte ich bloß ficken. Und das haben wir dann auch getan. Sie bekam ihren Helden, ihren Sieger, mich. Und ich bekam meine ‚Unterleibsschneuzer’, auch so ein Ausdruck aus Andreas’ blumenreichem Wortschatz. Als ich dann ging, fragte sie mich kleinlaut, ob wir uns wieder sehen könnten, und ich sagte, Ja, vielleicht, mal sehen. Auf der Straße war es dunkel und kalt. Sie hatte mich genommen, weil ich Sieger war. Und ich dachte an die Armlosen, die Beinlosen, die Verrückt-Gewordenen und wusste, dass sie nie wieder Sieger sein würden. Sie waren die Verlierer, und Verlierer interessierten in Wahrheit niemanden. Ich sah auf meine Beine, dann auf meine Hände und lächelte zufrieden. Danach bin ich noch einmal zurück ins Tanzlokal gegangen und habe die Franziska kennen gelernt.

Es regnet immer noch, schon seit einer Woche. Der halbe Zug ist hin. Schwere Angriffe in den letzten Tagen. Im Unterstand schreien und stöhnen die Verletzten die ganze Zeit. Die Sani-Arschlöcher lassen sich auch immer mehr Zeit, bis sie zu uns durchkommen. Andreas ist das auch schon aufgefallen. Aber es wundert uns auch nicht besonders. Schließlich sind die armen Teufel - entschuldigung, dass ich mich wiederhole – die Verlierer, und Verlierer interessieren...sie wissen schon.

 

Ich glaube, das ist ein wenig eindimensional. Sprachlich hast Du einen roten Faden, das finde ich gut. Manche Details sind meiner Meinung nach unnötig. Beispiel:
"Ja, vielleicht, mal sehen. Auf der Straße war es dunkel und kalt. Sie hatte mich genommen, weil ich Sieger war."
Das ist ja an sich in Ordnung, aber was hat der Satz "Auf der Straße war es dunekl und kalt an dieser Stelle verloren?

Nix für ungut,

Charles

 

Hi Martin!

Toll geschrieben. Gute Satire auf unsere Zeit von Heute. Auch das soldaten-tagebuchmäßige passt gut dazu. Wenn es keine Satire sein soll, dann eben Realität. Wir wollen es halt wieder einmal Alle wissen, auch wenn die Meisten es nicht zugeben wollen. Jede Generation scheint ihren Krieg zu brauchen, selbst die Friedensgeneration.

Und wie recht du hast: die Verlierer, die Opfer, interessieren wirklich niemanden.

buji

 

zu hüüülf
wo bin ich denn hier gelandet?
Hab die Geschichte gleich nach dem lesen aboniert, weil ich mir nicht sicher war, ob das wirklich so gemint ist, wie es da steht.
Siegen ja, aber andere töten um zu siegen?
mfg
Fanny

 

Hallo ihr alle!

Dank an alle fürs Lesen und Kritikschreiben.

Charles. Was ist an der Geschichte eindimensional??

buji. Genau das wollte ich mit meiner Geschichte ausdrücken.

Fanny. Ja, ist alles so gemeint, wie's da steht.

Existence.

Erinnerte mich ein wenig an "Im Westen nicht Neues".

Danke für dieses Kompliment.

mfg
Martin

 

schluck!
Aber bedeutet dir denn das leben anderer ,enschen gar nichts?
ist es dir wichtiger, zu siegen, oder besser das trügerische Gefühl zu haben, der Sieger zu sein?
Soladaten sind immer die Verlierer und die, die ausgenutzt werden. Die, die als Waffen gegen andere Soldaten genutzt werden.
Das lässt du dir gefallen?

 

Lässt du dir das gefallen?- ich glaube Fanny hat die Ironie nicht verstanden. Ich denke nicht, dass Martin tatsächlich ein Kriegsbeführworter ist, aber er hat gut herausgestellt, warum diese Leute etwas so abscheuliches wie Krieg okay finden:

"Als ob sie nie siegen wollten in ihrem Leben. Nie nach oben wollten, nie der Größere, Stärkere, der Reichere, der Schönere, der Bessere, der Glücklichere, der mit dem Meisten, der Klügere, der Schnellere, der Weiss-nicht-was sein. Glaubt mir: Sie geben es nicht zu, aber auch sie wollen es, haben es immer gewollt und werden es immer wollen."

Ich denke, dass intelligente Menschen den Krieg desshalb verabscheuen, weil sie das Tier in sich (immer mehr, überleben, alles für mich) erkennen können und es überwinden. genauso wie sie das Tier überwinden können und nicht einfach die nächstbeste Frau vergewaltigen weil der Stammbaum erhalten werden muss.
krieg ist etwas animalisches, und ich finde es erschreckend, wie viele Menschen es gibt, denen Geld und Macht genug bedeutet um ihr eigenes und das Leben vieler anderer auf Spiel zu setzen.

Dake Martin für diese wunderbare Geschichte!!!!!!

 

Geschrieben von Martin


Fanny. Ja, ist alles so gemeint, wie's da steht.


es ist keine Ironie, es ist die reale Meinung eines Menschens. erschreckend, wie ich finde!

 

Auch dann gilt was ich sagte:
Dieses Streben nach Macht und Ruhm, das ist das animalische das jeder von uns in sich hat, und das Zusammenleben mit anderen Menschen ist der tägliche Kampf dagegen, der Kampf der uns erst vom Tier abhebt.
Wenn Martin die Meinung seines protagonisten vertritt, so kann ich dazu nur sagen, dass er sich die Sache ganz schön einfach macht, rücksichtslos ist und wenig menschliches in sich hat!!

 

Mich würde brennend interessieren, was jemand zu dieser Geschichte sagen würde, der in der Tat mal aktiv in dieser oder ähnlicher Weise an einem Krieg teilnehmen mußte.

Am Stil gibt es jedoch nichts auszusetzen.

Gruß Diamondback

 

Hallo.

Hoppla. :)

Fanny: Grundregel Nr. 1 der Literatur. "Nicht der Autor erzählt die Geschichte, sondern der ERZÄHLER." Und das ist etwas Grundverschiedenes.

Wo ist der Unterschied?

1. Der Autor weiss viel mehr über seine Geschichte, als er dem Leser mitteilt. Der Autor weiss alles über seine Figuren (ihre Gedanken, Aussehen, Charakter), aber nur was der ERZÄHLER mitteilt, kann dem Leser am anderen Ende auch vermittelt werden. Der Autor weiss alles über die Handlungen der Figuren und deren Beweggründe, aber nur was der Erzähler letztendlich mitteilt, wird dem Leser auch vermittelt.

Oder anders Ausgedrückt. Der Autor hat beim "Ausdenken" seiner Geschichte Personen und Handlung vor seinem geistigen Auge, die jedoch nie vollständig und aufs Genaueste beschrieben werden können, sondern es wird vielmehr durch den ERZÄHLER versucht, ein Abbild dieser geistigen Bilder hergestellt. Durch bestimmte ERZÄHLPERSPEKTIVEN kann der Autor dann versuchen, bestimmte Dinge zu betonen, andere in den Hintergrund zu rücken, um damit beim Leser wiederum bestimmte Gedankengänge und Überlegungen auszulösen.

2. Aus dem zweiten Absatz aus Punkt 1 ergibt sich auch die Möglichkeit durch den Erzähler Dinge zu schildern, die eigentlich den Ansichten des Autors gar nicht entsprechen. Ich hoffe damit ist die Frage beantwortet, ob ich kaltblütiger Kriegsbefürworter bin.

Mit dem Satz "Ist alles so gemeint, wies da steht." wollte ich nur sagen, dass ich die grundsätzliche Aussage der Geschichte so meine - das Krieg nur eine erweiterte Form des Siegen Wollens ist, wie sie uns in abgeschwächter Form auch überall im Alltag begegnet. Und dass uns im Krieg - genau wie im Alltag - eben nur die Sieger und DAS SIEGEN interessiert, und nicht die Verlierer und DAS VERLIEREN.

Ich hoffe du verstehst was ich meine.

@diamondback. Literatur (wenn ich mein Geschreibsel mal so beschreiben darf:) ) ist nicht dazu da, auf Gedanken, Gefühle, Ansichten anderer Rücksicht zu nehmen (was ja auch gar nicht möglich ist, schließlich hat jeder Mensch andere). Sie sollte zum Nachdenken anregen, wenn auch um den Preis einer Provokation. Und wie gesagt - ich wollte mit der Geschichte nicht ausdrücken, wie gut Krieg für den Menschen ist, sondern das Gegenteil.

mfg
Martin

 

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