Mein Kampf mit dem Nichts
Ein Protokoll.
Meine Finger hämmern im Sekundentakt auf die Tastatur. Großes bahnt sich an: Die Ruhe vor dem Sturm soll vergessen werden. So schütteln sie noch letzte Floskeln aus dem Handgelenk. Nicht in den Text, bitte! Sie haben es sich zum Ziel gesetzt, das Nichts heute endgültig aus meinem Begriffekatalog zu vertreiben. Eine Begriffslosigkeit, die stutzig macht, ist eine Begriffsstutzigkeit, die manchen in die Verzweiflung treibt.
Nur dieser Verzweiflung gilt es, zu entrinnen.
Deshalb ist meine Aufgabe heute eindeutig definiert: Schreiberling, finde das Nichts und vernichte es!
Gerade ist das Nichts eine Stubenfliege. Meine Finger jagen sie über bereits erwähnte Tastatur, landen immer Bruchteile zu spät, harren aus, hasten fort. Zeugen damit Buchstaben und formen so Worte, bilden Sätze, deren Bedeutung mir fremd bleibt und unwichtig erscheint.
Nur diese Fliege gilt es, zu erwischen!
Sie surrt dermaßen monoton vor sich hin, dass sie jedweden Gedanken im Keim erstickt. Lässt sich nicht einmal von dem blutdürstenden Hacken meiner dürren Finger aus der Ruhe bringen. So fliegt sie gemächlich von rechts nach links und vom „A“ zum „Ä“. Ein paar mal gelingt es mir, sie durch den Luftzug, den meine Hände erzeugen, zum Trudeln zu bringen. Leider fängt sie sich immer im letzen Augenblick und setzt ihren Flug fort.
Doch plötzlich verstummt das Surren.
Die Fliege scheint verschwunden! Aber meine Freude hält nur kurze Zeit vor.
Meine Augen trauen den Ohren nicht. Sie tasten noch einmal suchend die Umgebung ab und ich sehe – Nichts. Das Nichts ist jetzt ein Vakuum in meinem Kopf.
Wie eine Blase schiebt es sich durch meine Gehirnwindungen von einem Ende zum anderen. Kopiert damit den Weg, den die Fliege zuvor auf meiner
Tastatur beschrieb. Gerade scheint es an der linken Schläfe, schmiegt sich von innen sanft an die Schlagader.
Plötzlich verstärkt sich der Druck, droht meine Blutzirkulation zu unterbrechen.
Langsam hebe ich meine linke Hand. Ich wage nicht, meinen Kopf zu bewegen; versuche sogar, meine Gedanken zu unterdrücken. Das Nichts darf jetzt nicht merken, dass ich es entdeckt habe und bereit bin, seinen Angriff zu vergelten!
Als meine Hand die Höhe der Schläfe erreicht, fahre ich behutsam den Zeigefinger aus, deute damit auf meinen Kopf und verharre so einen Augenblick lang. Jetzt darf mir kein Fehler unterlaufen. Ich versuche, mir den Zustand meiner Fingernägel, als ich sie das letzte Mal betrachten konnte, ins Gedächtnis zu rufen. Äußere Verletzungen will ich unbedingt vermeiden und so nehme ich mir vor, die ganze Aktion beim geringsten Verdacht auf Überlänge seitens der Nägel sofort abzublasen.
In der Zwischenzeit ist auch das Nichts nicht tatenlos. Ab und an wird der stete Druck unterbrochen, um dann mit noch größerer Intensität zurückzukehren. Offenbar nimmt es zunächst Anlauf, wirft sich dann mit aller Kraft gegen die Innenseite meines Schädels.
Der Schmerz ist nicht mehr zu ignorieren. Obwohl meine Erinnerung bezüglich der Nägel Entwarnung gibt, wird mir langsam bewusst, dass mein Zeigefinger es nicht allein mit dem Nichts wird aufnehmen können.
Also balle ich vorsichtig die Hand zur Faust.
Ich schliesse die Augen und höre auf meinen Atem.
Er geht ziemlich schnell, hebt und senkt meinen Brustkorb, ich bin hochkonzentriert.
Zähle. Von der Zehn runter zur Null.
Der Atem gibt den Takt vor.
Gleich werde ich dem Nichts ein Ende bereiten!
Ein letztes Mal die Floskel: Ruhe vor dem Sturm. Gleich...!