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Mein Job bei ULKIA

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19.02.2004
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Mein Job bei ULKIA

Mein Job bei ULKIA

Wieder einmal war ich arbeitslos und machte mir Gedanken, wie ich zu einem neuen Job kommen könnte.

Ein Freund riet mir, mich bei ULKIA zu bewerben. Das wäre ein moderner Schuppen und nette junge Mitarbeiter.
Im Internet las ich mir die „ULKIA-Unternehmens-Philosophie“ durch, so mit Mitarbeiterfamilie,
Menschlichkeit und sozialem Arbeitsklima.

Nun gut dachte ich mir, werde ich mal in das ULKIA-Familien-Atmosphärenklima eintauchen und mich bewerben. Ich rief da an und konnte mich auch gleich am nächsten Tag vorstellen. Das läuft ja wie am Schnürchen, dachte ich.

Ich zog mich also schnieke an, aber nicht überkandidelt, um einen guten äußeren Eindruck beim Vorstellungsgespräch zu machen. Am liebsten wäre ich in meinen abgewetzten Jeans und Naturstrickpullover losmarschiert, aber laut der angesagten Schwarte „Wie bewerbe ich mich richtig!“ ist das wohl schon der erste Grund, um abgelehnt zu werden. Ein bisschen steif in den ungewohnten Klamotten schlenderte ich also zum Bus, welcher mich zu ULKIA chauffierte.

ULKIA lag günstig in einem Gewerbegebiet – das sind die neumodischen Geschäftsansammlungen – die irgendwie alle an einem Autobahnkreuz lagen. Weiß der Teufel warum. Angeblich wegen der logistisch vortrefflichen Anbindung für den Lieferverkehr. Vermutlich damit die Lieferfahrzeuge schnell und schwups von der Autobahn zu den Unternehmen gelangen. Denn es muss ja alles schnell gehen – frage mich nur wozu diese Schnelligkeit gut sein soll?

Wie lange die Mitarbeiter aus der Stadt ins Gewerbegebiet brauchen ist völlig irrelevant. Da müssen sie sich halt zeitlich darauf einstellen und rechtzeitig zu Hause losfahren. Na, Hauptsache die Geschäfte sind um die Autobahn gruppiert anstatt in der Stadt, wo die Menschen wohnen. Welch ein Irrsinn!

Der Bus hielt direkt vor ULKIA, ich stieg aus und trottete Richtung Personaleingang. Denn mir wurde gestern am Telefon gesagt, ich solle mich dort zum Bewerbungsgespräch einfinden. Ich klingelte. Einen Moment später erschien eine junge Frau.
Ja bitte, sagte sie.
Ehmm, mein Name ist Müller. Ich habe hier neun Uhr ein Vorstellungsgespräch bei Frau Karlsen.
Aha, sagte sie. Kommen sie mal mit.
Sie führte mich ein paar verwinkelte Gänge weiter Richtung Personalbüro. Mir war etwas mulmig zumute, denn ich wusste, jetzt gilt es – sei freundlich, hinterlasse einen guten Eindruck. Du kriegst den Job!

Trotzdem hatte ich Schiss. Meine Konzentration auf das Vorstellungsgespräch ging völlig den Bach runter als ich hinter meiner „Führerin“ herging. Ich betrachtete sie. Sie war schlank, etwas untersetzt und breithüftig, aber wohlgeformt. Wie es schien hatte sie stramme Schenkel. Diese Beurteilung war rein intuitiv, denn die Schenkel steckten in blauen Hosen. Ich hätte es am liebsten überprüft. Mir war nach allem nur nicht nach Vorstellungsgespräch.
Wir sind da. Sie klopfte ans Personalbüro.
Herein.
Herr Müller ist da zum Vorstellungsgespräch.
Ach ja, er soll hereinkommen, erklang es von drinnen.
Ich merkte, wie ich immer mehr schwitzte. Meine Achselhöhlen waren feucht und mein Herz raste. Scheiße, dachte ich, reiß Dich am Riemen. Ich setzte mein freundlichstes Lächeln auf und ging ins Büro.
Guten Tag, mein Name ist Müller. Ich hatte...
Ja, ja, unterbrach mich die Personalchefin. Setzen sie sich. Wie sind sie angekommen?
Gut. Mit dem Bus, sagte ich.
Dann verstummte ich und nahm Platz. Sie stellte sich als Frau Karlsen vor und dass sie hier Personalchefin sei. Danach inspizierte sie meine Bewerbungsmappe, die ich fürsorglich mitgebracht hatte und lächelte mich an.
Und sie wollen uns hier also handwerklich zu Seite stehen? meinte sie.
Denn ich hatte mich als handwerkliche Aushilfskraft beworben.
Ja, sagte ich.
Mehr viel mir nicht ein, obwohl ich wusste, dass Kommunikation und „Smalltalk“ gerade in Bewerbungsgesprächen wichtig seien. Mein Kopf ratterte. Ich konnte mich kaum konzentrieren. Sie sagte mir, ich würde vom Hausmeister Arbeitsaufträge erhalten und anfallende Arbeiten erledigen. Ich war gespannt und neugierig auf diese Tätigkeiten. Ansonsten sollte ich freundlich sein zu ULKIA-Kunden und wenn ich von Ihnen gefragt werde, sie an den nächsten kompetenten Verkäufer verweisen. Das traute ich mir noch zu. Das mit der Freundlichkeit entpuppte sich aber als Problem, wie sich später herausstellte.

Frau Karlsen führte mich in die Markthalle von ULKIA, zur dortigen Chefin, welche mich in die Arbeit einweisen sollte. Sie unterhielten sich kurz.

Derweil stand ich daneben und schaute belämmert in der Gegend rum. Da ich selbst schon einmal Kunde hier war konnte ich mich einigermaßen orientieren. In der Markthalle wurde jeglicher Plunder angeboten, den man sich in seine Wohnung stellen kann – Accessoires für`s Bad, Küchenutensilien, Wandbehänge, Teppiche, Pflanzen, Bilder etc. Zum Großteil Kleinkram. Alles war fein ausgeleuchtet mit hunderten an Halogenglühbirnen, die dicht über den Köpfen baumelten. Zusätzlich hingen überall tiefhängende Werbeplakate herum, die einen „Erlebniseinkauf“ suggerierten und zum Kauf anregen sollten. Ich fand, die Schilder machten einen eher verrückt – aber dass soll wohl so sein, damit die potenziellen Käufer durchdrehen, schnell was einkaufen ohne klar denken zu können und sich erst zu Hause fragten, wozu sie den Rotz eigentlich brauchten.

Ich erkannte die Verkäufer sofort an Ihren „Uniformen“ – gelbes T-Shirt und blaue Hose. Die Signalfarben des Hauses. Sie hatten ein gelbes Emblem bzw. Schriftzug „ULKIA“ auf der linken Brust, so dass ich dachte, wie einfach, alle heißen Frau ULKIA oder Herr ULKIA, wie in einer richtigen „family“.

Gott sei Dank wurde ich nicht in so eine Uniform gesteckt, denn ich war nur Hilfskraft.
Nach der Unterhaltung der beiden Chefinnen wurde ich meinem anleitenden Mitarbeiter Herrn Propper vorgestellt. Er war auch etwas propper. Er hatte einen gemütlichen Bierbauch, ein pausbäckiges Gesicht und verschmitzte Augen. Er war der Hausmeister des Hauses und steckte in einer roten Latzhose. Er würde mir bestimmt Arbeiten zuteilen, dachte ich.
Die Markthallenchefin verabschiedete sich und verschwand eilig. Sie machte überhaupt einen sehr hektischen Eindruck, aber sie musste ja auch die gesamte Markthalle managen und koordinieren.

Seit meinem Arbeitsbeginn waren inzwischen zwei Stunden vergangen.
Kommen sie mal mit, sagte der Hausmeister.
Wir gingen in eine Abstellkammer – das Büro des Hausmeisters – wo sich unendlich viele Gerätschaften des hausmeisterlichen Handwerks befanden. Er drückte mir einen Einkaufswagen in die Hand mit einer Unzahl an Halogenglühbirnen darin und meinte, ich solle schadhafte Birnen in der Markthalle auswechseln. Aha, dachte ich, mein erster Arbeitsauftrag!

Ich nahm den Wagen und eine Aluminiumleiter und flitzte los.
Plötzlich stockte ich und überlegte.
Welche Strategie ist die günstigste, damit du keine defekte Birne übersiehst?
Ich schaute nach oben. An der Decke wimmelte es nur so von Halogenbirnen, die ihr gleißendes Licht in den Raum warfen. Lange hinschauen konnte man da nicht, sofort schmerzten die Augen.

Überlegung: Zum Eingang der Markthalle gehen, sich immer auf dem Hauptweg halten und die Augen von links nach rechts an der Decke lang bewegen. Dann sollte jede defekte Birne auffallen.

Gesagt getan. Den „Hauptweg“ zu finden war null problemo, denn es gibt nur einen Weg durch die Halle. Ist man als Kunde einmal in der Halle gibt es kein zurück, denn man ist gerade durch das Drehkreuz gegangen. Nun musste man gezwungenermaßen den ganzen vorgekennzeichneten Weg durch die gesamte Markthalle gehen, um an den Kassen vorbei nach draußen zu gelangen. Abkürzungen kennen wahrscheinlich nur die Beschäftigten. Geschickter Schachzug des Unternehmens, dachte ich. Die Kunden müssen durch alle Abteilungen gehen, um wieder nach draußen zu gelangen. In irgendeiner Abteilung werden sie schon etwas kaufen.

Problematisch für mich war nur, dass ich den Wagen und die Leiter entgegen des Hauptstroms der Kunden schieben musste.
Gestatten sie bitte..., Könnten sie mich bitte mal durchlassen..., Wären sie so nett zur Seite zu gehen. Ich merkte, wie meine Freundlichkeit an Kraft verlor. Am liebsten wäre ich einfach durchgeprescht, aber dann hätte ich vielleicht jemanden gestoßen und aus seinen Kaufüberlegungen gerissen. Ruhig bleiben, sagte ich mir und ging mit stoischer Gelassenheit weiter Richtung Markthalleneingang. Wie lange du brauchst, um die Glühbirnen zu wechseln ist eigentlich egal. Es hat auf den Tagesumsatz von ULKIA eh keinen Einfluss, dachte ich bei mir.

Am Eingang angekommen machte ich eine lockere 180-Grad-Wendung und schaute an die Decke. Wie lange wird das wohl dauern? Nur Birnen zu sehen. Vielleicht bist du ja tagelang hinter kaputten Halogenbirnen her und kriegst am Ende noch Glühbirnenphobie. Ich lächelte gequält vor mich hin und verscheuchte die Gedanken. Konzentration!

Nach dem ich zwei Stunden an der Arbeit war und einige defekte Birnen gegen neue getauscht hatte, tauchte plötzlich der Hausmeister neben mir auf.
Und, geht es voran? sagte er.
Vorzüglich, antwortete ich. In Wirklichkeit hätte ich am liebsten alles stehen und liegen gelassen und wäre geflüchtet.
Lassen sie sich ruhig Zeit, sagte er und grinste.
Ich glaube er war froh, dass er die Birnen nicht selber wechseln musste.
Nach weiteren Glühbirnen-Beschäftigungs-Stunden war ich am Ende. Dabei hatte ich nicht einmal die Hälfte der Markthalle geschafft. Leiter hoch. Leiter runter. Ins Licht schauen und defekte Birnen finden. Ringsherum motivierte Kunden, durch die ich mich durchwühlen musste. Selbst die grellen Farben der angebotenen Waren und Artikel in der Halle machten mich mürbe. Ich brauchte eine Verschnaufpause. Also stellte ich meine Utensilien in eine Ecke, wo sie keinem Kunden im Weg standen und ging durch das Lager auf die Terrasse für die Warenanlieferung.
Frische Luft – das tat gut. Ich steckte mir eine Zigarette an und nahm einen tiefen Zug. Genussvoll nahm ich war, wie sich meine Nerven entspannten.
Neben mir ging die Tür auf und ein Lagerarbeiter erschien. Er schaute mich verdutzt an, sagte Hallo und ging wieder. Ich grüßte freundlich zurück.
Hoffentlich meldet er meine unerlaubte Rauchpause nicht den Vorgesetzten, dann verliere ich vielleicht gleich am ersten Tag meinen Job. Hastig rauchte ich meine Zigarette zu Ende und ging wieder an meine Arbeit.

Feierabend. Endlich. Nach acht Stunden Glühbirnengewechsle redlich verdient finde ich. Ich packte meine Klamotten, verabschiedete mich vom Pförtner und machte mich aus dem Staub.
Es hatte begonnen zu regnen. Dicke graue Kumuluswolken bevölkerten den Himmel und zogen träge westwärts. Nicht gerade stimmungsaufhellendes Wetter, aber besser als Glühbirnen wechseln. Plötzlich krachte es und ich zuckte zusammen. Der Himmel öffnete seine Schleusen und es begann zu schütten. Wie feine Bindfäden platzte der Regen zu Boden. Die Leute flüchteten unter die Vordächer des ULKIA-Hauses und des dazugehörigen Parkplatzes. Sie stürzten und rannten, als käme Säure vom Himmel und könnte sie womöglich verätzen.
Mir war der Regen egal. Ich ging zur Bushaltestelle und genoss es, wie die Tropfen des Regens über meinen Kopf und mein Gesicht rannen.

Zu Hause angekommen holte ich mir ein Sixpack „Radeberger“ aus dem Kühlschrank, legte entspannende „feng shui“-Musik in den CD-Player und pflanzte mich in den Sessel.
Entspannen, relaxen und abschlaffen, dachte ich. Morgen steht wieder ein anstrengender Arbeitstag vor dir. Vorsichtshalber schaltete ich noch den Anrufbeantworter meines Telefons an, um nicht ans Telefon gehen zu müssen.
Nach dem zweiten Bier schlief ich sanft im Sessel ein.

Die nächsten Tage verliefen relativ reibungslos. Ich brachte erfolgreich den Glühbirnen-Wechsel-Auftrag zu Ende und erfreute mich an dem Gedanken, dass nun das Licht – ohne Unterbrechung – den ganzen Laden ausstrahlte. Ich hatte zwar nicht das Gefühl, dass Licht wäre jetzt „vollständiger“ und heller, aber zumindest war wieder alles in Ordnung wie gewünscht.

Der Hausmeister und ich wir verstanden uns ganz gut. Wie sich herausstellte hatte er die innere Ruhe und Gelassenheit für den Handwerksberuf, die mir fehlte. Der Stress in der Markthalle glitt an ihm ab, wie an einer Aalhaut. Ich beneidete ihn darum. In den Pausen redeten wir über Gott und die Welt. Er arbeitet schon fünfzehn Jahr bei ULKIA und lobte die soziale Absicherung in Form einer betrieblichen Altersrente und das zusätzliche Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Das gibt es nicht in jedem Unternehmen, sagte er. Und hier hast du echt einen krisensicheren Arbeitsplatz. Das nützte mir aber auch nichts, denn ich hatte nur eine befristete Anstellung über vier Monate, aber ich pflichtete ihm bei. Absicherung und zusätzliches Urlaubsgeld hin oder her – ob er wohl mit seiner Tätigkeit als Hausmeister zufrieden war? Ich schwieg, obwohl ich ihn gern danach gefragt hätte. Ich wollte ihm nicht die Illusion rauben, dass seine Gesichtspunkte mit der inneren Zufriedenheit an der Tätigkeit selbst, nichts zu tun haben – denn gewiss tragen sie dazu bei die Arbeit erträglicher zu gestalten.

Er freue sich auf seinen Urlaub in drei Wochen. Endlich. Mal weg hier! Dann will er auf einen Segeltörn gehen. Die Ostsee rufe.
Klasse, dachte ich mir, jetzt im Segelboot rund um Kap Arkona. Sanft schaukelt das Schiff in den Wellen der See. Ich sitze mit einer Flasche „Radeberger“ auf dem Bootsheck, werfe die Angel in die Fluten und schaue dem Schwimmer hinterher, wie er auf den Wellen tanzt. Vielleicht beißt ja ein riesen Brocken an? Die Sonnenstrahlen brutzeln meinen Rücken und ich dehne mich entspannt im Liegestuhl. Ab und zu begleitet eine Möwe das Schiff und umkreist es lauernd, als gäbe es hier etwas zu holen...

Der Hausmeister riss mich aus allen Träumen.
An die Arbeit, sagte er.
Jawohl, antwortete ich. Wer segelt eigentlich mit Ihnen?
Meine Frau. Die arbeitet übrigens auch hier bei ULKIA, oben, in der Möbelabteilung.
Wenn das nicht nach „family“-Konzept schreit, dachte ich. Vielleicht sollten ja alle Unternehmen ein ausgeklügeltes Familienkonzept in ihre Unternehmensphilosophie verankern.

In ernstem Ton unterhielten wir uns über das nächste Arbeitsprojekt: Auswechseln von Bildern über der Treppe im Eingangsbereich der Markthalle.
Ich ging zum Eingangsbereich und überprüfte die örtlichen Gegebenheiten. Die Treppe vom Haupteingang zur Markthalle verlief in einem rechten Winkel relativ steil abwärts. Rechter Hand mit einem Geländer versehen. Auf der linken Seite eingeschlossen von zwei Wänden. An diesen hingen – in für meine Empfindung schwindelerregender Höhe – zwei große Bilder als Dekoration. Diese sollte ich gegen zwei andere in der gleichen Größe, aber mit anderen Motiven austauschen. Die Frage des Warum drängte sich mir auf, denn die Bilder sah da oben eh kein Schwein, höchstens für den kurzen Augenblick, wenn Kunden die Treppe runtergingen und zufällig nach oben schauten. Aber vielleicht kommt der Kunde in einem Jahr wieder vorbei und denkt dann „immer noch die gleichen Bilder“. Absurd.

Auftrag ist Auftrag, dachte ich. Und der will gewissenhaft erfüllt sein.
Ich brauchte eine Leiter, einen Akkuschrauber für die Bilderbefestigung und die zwei neuen Bilder.
Nachdem ich alles geholt hatte, machte ich mich sofort an die Arbeit. Vorsichtig stellte ich die Leiter an der einen Wand der Treppe auf. Ich achtete darauf, dass ich keine Kunden, welche die Treppe herunterkamen, behinderte. Dann packte ich mir den Akkuschrauber und stieg auf die Leiter. Ich musste bis ganz hoch, sonst hätte ich die Befestigungsschrauben des Bildes nicht erreicht. Als ich ganz oben auf der Leiter stand, merkte ich, dass mir drehend wurde und ich ins Schwitzen kam. Ich äugte nach unten. Wenn Du jetzt mit der Leiter umkippst und in die Kunden fällst, dachte ich. Ich konzentrierte mich, streckte meine Arme in die Höhe, um die erste Verbindungsschraube zu lösen – und dass mit Schwindelgefühlen auf der Leiter.

Als ich die erste Schraube zur Hälfte herausgedreht hatte, geschah das Malheur. Der Super-Hubba-Bubba-Festo- Marken-Akkuschrauber glitt mir aus der verschwitzten rechten Hand. Ich wollte ihn noch auffangen, aber dazu stand ich einfach zu wackelig auf der Leiter. Er sauste in einem Affenzahn knapp an einer Kundin vorbei und krachte mit ohrenbetäubendem Lärm auf die Treppe. Das Plastegehäuse des Schraubers zersplitterte in seine Einzelteile, welche in alle Himmelrichtungen davonflogen.
Die Kundin erschrak und krallte sich an ihrem vermutlichen Ehemann zur rechten Seite fest und schaute verdattert nach oben. Im nu bildete sich eine Menschentraube die neugierig wissen wollte, was geschehen war. Dadurch entstand ein Stau von Kunden auf der Treppe, die in die Markthalle wollten. Na klasse, dachte ich. Die Frau rief sofort nach oben – Können Sie nicht aufpassen, junger Mann.
Ich konnte nicht antworten, denn ich war immer noch damit beschäftigt nicht von der Leiter zu kippen. Vorsichtig kletterte ich die Leiter herunter und wollte mich bei der Frau entschuldigen.

Ich lächelte sie an.
Sie verstand das wohl als Spott und ich sah, wie sich ihre Pupillen verkleinerten und die Augen zu schmalen Schlitzen wurden.
Junger Mann, wenn sie die Arbeit nicht können, können sie sie nicht ausführen. Was denken Sie, wenn mir das Ding auf den Kopf gefallen wäre. Was da hätte passieren können, fauchte sie mich an.
Sorry, sagte ich. Es ist doch nichts weiter passiert. Wenn ihnen der Schrauber auf den Kopf gefallen wäre, und sie bewusstlos mit dem Schädel auf eine Treppenkante gestürzt wären, hätte es vielleicht ihren Kopf gespalten. Und das wäre eine riesen Sauerei geworden.
Ich hatte die Maßgabe der Freundlichkeit gegenüber ULKIA-Kunden völlig vergessen.

Es verschlug ihr den Atem. Ich merkte, wie ihr die Worte im Halse stecken blieben. Das ist doch die Höhe. Ich werde mich über sie beschweren, rief sie mit erstickender Stimme.
Mein Lächeln wurde zu einem Grinsen.
Hilfe suchend klammerte sie sich an ihren vermutlichen Ehemann. Richard, nun sage doch auch mal was. Dieser Richard versuchte sie zu beruhigen und redete auf sie ein. Komischerweise grinste er auch.

In diesem Augenblick kamen zwei Verkäuferinnen hinzu. Alle versuchten die Frau zu beruhigen. Ich stand daneben und guckte nur. Was sollte ich sagen? Mir fiel nichts ein.

Eine Verkäuferin kam auf mich zu und sagte ernst. Räumen sie die Splitter und den Schrauber weg.
Gott sei Dank. Ich konnte dem Trubel entwischen. Ich organisierte mir Schaufel und Besen und ging zur Treppe zurück. Die ganze Situation hatte sich etwas entschärft. Die eine Verkäuferin begleitete die Frau mit ihrem vermutlichen Ehemann ein Stück. Höchstwahrscheinlich wusste sie, wie man ULKIA-Kunden zuvorkommend behandelt.

Ich machte mich an die Arbeit und kehrte die Splitter des völlig demolierten Akkuschraubers zusammen. Dieser Festo-Marken-Akkuschrauber war hinüber, soviel war sicher. Lieber ein kaputter Akkuschrauber, als wenn ich mit samt der Leiter abgeschwirrt wäre, dachte ich.

Eine der zwei Verkäuferinnen trat an mich heran und zitierte, ich solle zur Markthallenchefin ins Büro kommen. Hmm, ging es mir durch den Kopf, jetzt kommt der Ärger. Womöglich waren ihr inzwischen die Geschehnisse zugetragen worden und sie war über alles im Bilde.

Ich ging langsam in Richtung Büro und machte mich auf ein Donnerwetter gefasst. Ich spürte die Angst in allen Gliedern. Ein eisiger Blick empfing mich.
Hören sie mal, so können sie mit unseren Kunden nicht reden, sagte sie.
Was habe ich ihnen über unser oberstes Gebot erzählt. Freundlichkeit gegenüber unseren Kunden.
Ich versuchte mich zu rechtfertigen, dass ich mich entschuldigen wollte, dass alles nicht so schlimm gewesen sei und dass ein Kunde mehr oder weniger das Geschäft nicht wesentlich beeinflussen würde.
Offenbar hatte ich das Falsche gesagt.
Wenn wir nun alle so denken würden, sagte sie. Dann hätten wir über längere Sicht keine Kunden mehr und davon lebt ULKIA. Zufriedene Kunden kaufen glücklich bei uns ein. Sie müssen schon die Gepflogenheiten in unserem Hause beachten und sich anpassen. Wenn sie das nicht können, sollten sie sich besser einen anderen Job suchen.

Ok, sagte ich. Ich fühle mich eh nicht besonders. Schicken sie mir bitte meine Lohnsteuerkarte zu.
Es gab nichts weiter zu sagen. Von einer Minute auf die andere hatte ich wieder einen Job verloren und stand nachdenklich auf der Straße. Immerhin hatte ich von dem viermonatigen Arbeitsvertrag zwei Monate durchgehalten. Morgen würde ich dann wieder einmal auf dem Sozialamt sitzen...

 

katschube schrieb über seine Geschichte:

Hallo Leute,

über kritische Beurteilungen, vernichtende Beanstandungen oder aber auch Lobe zu folgender Geschichte würde ich mich freuen.

Beste Grüße
Gunter

 

Hallo katschube,

ich hab den Eindruck, die Geschichte hält nicht, was sie verspricht.

Der Anfang ist ganz geglückt: Da gibt es eine Firma mit einer ominösen Unternehmensphilosophie, man denkt sich gleich, da stimmt was nicht, das ist ein Schwindel. Die Spannung kommt dann daher, dass man sich fragt: Was ist das für ein Schwindel, was ist an dieser Firma faul? Aber am Ende finde ich nichts Faules. Ich habe nicht den Eindruck, dass der Ich-Erzähler am Ende ungerecht behandelt wurde. Wenn es deine Absicht war, das so erscheinen zu lassen, dann müsstest du es anders schreiben.

Grüße,
Stefan

 

Hallo katschube und zunächst einmal herzlich willkommen auf kg.de. :)

Deine Geschichte hat mir leider nicht sehr gut gefallen. Du beschreibst hier einfach etwas völlig Alltägliches. Nun könntest Du natürlich anmerken, dass dazu doch auch die Rubrik "Alltag" da ist. Klar, es soll hier um alltägliche Themen gehen, aber dennoch sollte eine Kurzgeschichte eine überraschende Wendung, einen Spannungsbogen, irgendetwas Ungewöhnliches beinhalten. Mir geht es wie leixoletti: Ich habe dauernd auf etwas gewartet, das dann nicht kam. Die Story - so, wie sie ist - hättest Du wesentlich kürzer schreiben können, maximal die Hälfte des Platzes hätte locker ausgereicht.

Zum Stil:
Mir persönlich ist der Stil zu umgangssprachlich. Das ist natürlich in Teilen auch Geschmackssache. Aber Worte wie "schnieke", "überkandidelt" "Schwarte" oder "Rotz" finde ich in den Zusammenhängen, in denen Du sie verwendet hast, etwas unpassend. Das könnte zwar auch alles passen, aber dann eher in einer sehr überspitzten, ironischen Geschichte unter der Rubrik "Satire". Vielleicht könntest Du tatsächlich einiges kürzen und ansonsten Deine Aussagen verschärfen und überspitzen und damit die schöne bunte Werbewelt und die ach so modernen Firmenphilosophien unserer Zeit am Beispiel von "Ulkia" persiflieren. Das Ganze dann als Satire fände ich gar nicht schlecht. :)
Ansonsten hatte ich bei Deinem Stil einen wesentlich jüngeren Autor vermutet, einen 15-Jährigen etwa. Dass ich mich damit getäuscht habe, hat mir dann aber schnell Dein Profil verraten. :dozey:

Es sind noch einige Fehler in Deiner Geschichte. Einige Beispiele:

Sie stellte sich als Frau Plausch vor und das sie hier Personalchefin sei.
das -> dass
Außerdem heißt Frau Karlsen auf einmal Frau Plausch, oder habe ich hier etwas verwechselt?

Üblicherweise werden in Kurzgeschichten und Romanen - wie eigentlich generell - keine Wörter in Großbuchstaben geschrieben, um sie hervorzuheben. Die Kraft der Sprache und die treffende Wortwahl sollten ausreichen, um zu vermitteln, was man mit diesen Worten sagen will. Eines von ganz vielen Beispielen:

Denn es MUSS ja alles SCHNELL gehen
Außerdem wäre es hilfreich, wenn Du die wörtliche Rede in Anführungsstriche setzen würdest.
Und es sind auch noch einige feste Trennungen drin, die fehl am Platz sind. Die sind sicher beim Rauskopieren aus Word übernommen worden. Vielleicht kannst Du den Text ja noch mal darauf prüfen.

Alles in allem: Der Text hat mir leider nicht sonderlich gefallen. Aber eine Überarbeitung lohnt sich aus meiner Sicht definitiv. Ich persönlich würde in Richtung Satire umarbeiten.

Viele Grüße
Kerstin

 

Hallo,

danke für Eure Antworten und der Kritik.

@leixoletti:

Das Unternehemen und seine Philosphie sollten auch nicht im Mittelpunkt der Geschichte stehen, sondern die Probleme, Ängste und Sichtweisen des Arbeiters während seiner Tätigkeit. Und natürlich seine Sichtweisen zum Unternehmen - incl. deren "Philosphie".
Es ist nichts faul an der Firma und auch kein Schwindel. Und ungerecht behandelt fühlt sich der Arbeiter meineserachtens auch nicht. Er schildert einfach seine Erlebnisse und alltäglichen Probleme während der Arbeit.

@katzano:

Ja stimmt, ich schreibe etwas völlig gewöhnliches. Und dass sollte es auch sein. Ein Mensch, für den selbst die einfachsten Arbeiten aufgrund seiner Ängste, Konzentrationsproblemen, Pankikattacken und Schwindelanfälle zum Problem werden und wie er trotzdem versucht den Alltag zu meistern.
Ich habe versucht die Geschichte möglichst mit einfachen Worten zu beschreiben. Mag sein, dass dies sehr umgangssprachlich ist. Umso besser - aber auch Geschmachssache, wie Du selbst schreibst.
Deine Kritik zu bestimmter Wortwahl ist durchaus berechtigt. Aber auch hier sind die "herben" Ausdrücke die Gedanken, welchen den Arbeiter bei seiner Tätigkeit bewegen.

Hmm, meine Überlegung ging anfangs auch in Richtung Satire, aber ich finde die Geschichte nicht wirklich lustig. Wie gesagt, es sollten tragischkomische Alltagsprobleme dargestellt werden. Deshalb meine Wahl für die Rubrik.

Ja, mit der Frau Plausch und der Frau Karlson, dass ist ein logischer Abfolgefehler. Der ist mir entgangen. Werde ich überarbeiten.

Und die wörtlichen Hervorhebungen werde ich auch entfernen. Die sagen nichts aus. Danke für den Tipp.

Besten Gruß
katschube

 

hallo katschube,

meine vorredner haben den selben gedanken wie ich.
diese geschichte ist alltäglich, sie ist nichts aussergewöhnliches. sie ist lang und spannung kommt nur ab der begegnung mit der kundin, die dem akku-bohrer-anschlag entkommen ist, auf.
ulkia - der titel verspricht mehr, als du hälst. du hast versucht, hier mit der umgangssprache und der übrigen erzählsweise zu trumpfen. diese geschichte sollte ein lockerer, alltäglicher, komischer schmunzler werden. aber du bist leider daran gescheitert. situationskomische geschichten sind aber auch wirklich sehr schwierig.
eine überarbeitung ist mehr eine herausforderung. wenn diese geschichte dir etwas bedeutet, dann solltest du sie eher neu schreiben. dann solltest du überlegen, welche informationen du dem leser geben willst. je witziger du die geschichte gestaltest, desto mehr solltest du auf kürze achten.
im einzelnen habe ich noch:

Sie stürzten und rannten, als käme Säure vom Himmel und könnte sie womöglich verätzen.
"und könnte sie womöglich verätzen" ist eigentlich überflüssig und verhindert das selbstständige denken des lesers!

Ich konnte nicht antworten, denn ich war immer noch damit beschäftigt nicht von der Leiter zu kippen. Vorsichtig kletterte ich die Leiter herunter und wollte mich bei der Frau entschuldigen.

"Leiter ist unschön doppelt. "die Leiter" beim 2. teil des satzes könnte weggelassen werden.

Hilfe suchend klammerte sie sich an ihren vermutlichen Ehemann.
"vermutlichen Ehemann" ist jetzt doppelt. aussergewöhnliche ausdrücke haben im stil eine höhere halbwertzeit. in diesem fall wird sich der leser wohl noch bis zum ende der geschichte an diesen ausdruck erinnern, so dass du ihn vermeiden solltest. du könntest ihn mit "Begleiter" ersetzen.

ich hoffe, du kannst etwas damit anfangen.

bis dann

barde

Mehr viel mir nicht ein, obwohl ich wusste, dass Kommunikation und "Smalltalk" gerade in Bewerbungsgesprächen wichtig seien.

"viel" >> "fiel"
"seien" >> "wären"

Und, geht es voran? sagte er.

keine ahnführungsstriche?
"sagte" >> "fragte"

Also stellte ich meine Utensilien in eine Ecke, wo sie keinem Kunden im Weg standen und ging durch das Lager auf die Terrasse für die Warenanlieferung.

vor "und" ein komma

Genussvoll nahm ich war, wie sich meine Nerven entspannten.

"war" >> "wahr"

Nach acht Stunden Glühbirnengewechsle redlich verdient finde ich.

vor "finde" ein komma

Dicke graue Kumuluswolken bevölkerten den Himmel und zogen träge westwärts.
hinter "Dicke" ein komma

Wie sich herausstellte hatte er die innere Ruhe und Gelassenheit für den Handwerksberuf, die mir fehlte.

vor "hatte" ein komma

Vielleicht beißt ja ein riesen Brocken an?

wirklich ein fragezeichen?

In ernstem Ton unterhielten wir uns über das nächste Arbeitsprojekt:
"In ernsterem" >>
"Im ernsteren" ?

Im nu bildete sich eine Menschentraube die neugierig wissen wollte, was geschehen war.
"nu" gross

Die Frau rief sofort nach oben – Können Sie nicht aufpassen, junger Mann.

ein fragezeichen?

Ich werde mich über sie beschweren, rief sie mit erstickender Stimme.
"erstickender" >> "erstickter"


Lieblingsstelle:

Am liebsten wäre ich einfach durchgeprescht, aber dann hätte ich vielleicht jemanden gestoßen und aus seinen Kaufüberlegungen gerissen.

schöne ironie!!

 

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