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Mein Herz, es ist auf ewig dein!

Seniors
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12.02.2004
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Anmerkungen zum Text

Das ist die schwierigste Geschichte aus der Sammlung von Tiergeschichten, die im Sommer 2024 unter dem Titel „Hund beißt Mann ins Bein“ erscheinen wird. Nach dieser folgen noch eine oder zwei kürzere Geschichten, zu denen ich auf Feedback neugierig bin. Danach werde ich längere Zeit nur kommentieren – um nicht das Forum zu sehr mit solchen Texten zu überschwemmen. ;)

Danke an alle, die diese Geschichte lesen und etwas dazu sagen!

Mein Herz, es ist auf ewig dein!

Wenn das Herz eines Menschen kaputt geht, weil sich Plaques in den Arterien abgelagert haben, wenn es durch Stress aus dem Rhythmus gerät, oder wenn es zu oft gebrochen wurde, stirbt er normalerweise.

Die Fortschritte der modernen Medizin bieten jedoch verschiedene Möglichkeiten, unter enormem Aufwand und noch größeren Kosten das funktionsunfähige Herz zu ersetzen und dadurch den Tod zu verzögern.

Es gab künstliche Herzen, Schweineherzen, Spenderherzen. Seit kurzem experimentierten chinesische Wissenschaftler mit den Herzen des großen Pandabären (Ailuropoda melanoleuca).

Der während eines Auslandsjahres in China tätige Chemiker Dr. Peter Sinnhuber bekam von der Tsinghua-Universität ein Spenderherz angeboten. Er konnte es annehmen oder sterben: Fortgeschrittene Arteriosklerose und mehrere Infarkte kündigten das Ende seines Lebens genauso zuverlässig an wie der Fahrplan die neuen Hochgeschwindigkeitszüge zwischen Beijing und Schanghai. Dabei war er erst 55.

Sinnhubers Spezialgebiet war die Forschung an Materialien für bessere Batterien: Superkondensatoren aus Kohlenstoff-Nanoröhren.

Normalerweise war er Professor für Materialwissenschaften an der TU Wien. Die chinesische Partneruniversität der TU lag im Stadtbezirk Haidian, in der ungeheuer großen, lauten und in gelben Dunst gehüllten Stadt Beijing. Sinnhuber hatte sich voller Eifer in sein Auslandsjahr gestürzt und sogar die Grundzüge der chinesischen Sprache gelernt, bis ihn der erste Infarkt wie ein Dolchstoß traf.

Einige Funktionäre der KPCh ergriffen diese Gelegenheit wie ein herrenloses Schaf, um eine Operation in die Wege zu leiten, die sehr viel Prestige versprach. Sie wollten der Welt zeigen, dass das alte Europa weder die Mittel noch den Willen hatte, seine bedeutenden Wissenschaftler zu retten, wenn diese einmal Hilfe brauchten.

*​

Sinnhuber lag in einem Krankenhausbett. Die Mitte seiner Brust fühlte sich an wie versteinert. Er war blass und wirkte ausgezehrt. Um elf Uhr vormittags kam eine Gruppe förmlich gekleideter chinesischer Ärzte in sein Zimmer. Sie unterbreiteten ihm folgenden konkreten Vorschlag: Er konnte sich schon in zehn Tagen das Herz eines großen Pandabären einsetzen lassen. Sinnhuber dachte zuerst, er hätte sich verhört. Aber sie meinten tatsächlich einen Pandabären: Das Tier befand sich schon jetzt in einem Labor des Krankenhauses.

Sie zeigten ihm Fotos von dem Bären, der gemeinsam mit einer Artgenossin in einem durch Gitterstäbe abgeteilten Bereich saß und ein Büschel Bambus fraß. Die beiden Pandas wirkten wie Gefangene in einer Todeszelle.

„Sie werden ihn umbringen“, sagte Sinnhuber leise.

Doch er dachte sofort: Besser der Panda als ich. Alles in ihm sagte ja zu dem Angebot, das sein letzter Ausweg war. Danach kroch das schlechte Gewissen hoch und verursachte einen schalen Geschmack im Mund. Es widersprach eigentlich seinen Wertvorstellungen, ein intelligentes Tier zu töten, nur um bestenfalls einige Jahre zu gewinnen. Der Drang, weiterzuleben, wischte alle Bedenken beiseite.

Eine Assistentin reichte ihm eine Mappe mit einem Umschlag aus Kunstleder, die sich kühl anfühlte. Er hatte keine Kraft in den Händen und Mühe, sie zu halten.

Das Projekt der Xenotransplantation war als ausführliche Präsentation mit über 50 Blättern beschrieben: von der Vorbereitung des Organs über das Verbinden der Blutgefäße mit dem Spenderherz bis zur langfristigen Nachsorge. Die Präsentation wirkte wie ein Prospekt für ein neues Automodell. Durch neuartige Techniken lag die Erfolgswahrscheinlichkeit angeblich bei 90 Prozent.

Während die Chinesen enthusiastisch und in englischer Sprache auf ihn einredeten, dachte Sinnhuber noch einmal, als abschließende Feststellung, wie ein Punkt hinter einem unschönen Satz: Sie werden diesen Pandabären umbringen, damit ich leben kann.

Mehrere hundert Journalisten aus China, Europa und Nordamerika fanden sich eine Woche später bei einer Pressekonferenz im gläsernen Bau des Beijing Marriott Hotel Northeast ein, um die Einzelheiten der Transplantation zu erfahren.

Sinnhuber selbst durfte nicht teilnehmen, um zu vermeiden, dass die Aufregung ihn tötete oder dass er es sich doch noch anders überlegte. Diese Auffassung der Verantwortlichen verbreitete sich wie Ringe, wenn man einen Stein in einen Teich wirft, von den höheren Kreisen über die Ärzte und das Pflegepersonal bis an sein Krankenbett.

* * *​

Zwei freundliche Damen schoben das OP-Bett mit dem erschöpften und von Befürchtungen gebeutelten Chemieprofessor durch einen langen Korridor. Vor ihnen gingen mehrere kräftige Pfleger, ein Assistenzarzt begleitete das Bett und die Nachhut bildeten mit einigem Abstand einige Herren in Anzügen und eine Gruppe Uniformierter.

Sinnhuber hatte eine rosa Pille geschluckt. Er spürte schon, wie ihm die Augen zufielen. Einige ausgewählte Journalisten machten Fotos, als das Bett an ihnen vorüberglitt. Die Bilder zeigten einen großen und steif wirkenden europäischen Mann mit bläulicher Gesichtsfarbe.

Das blütenweiße Bett bildete einen seltsamen Kontrast zum hellgrünen Boden des Korridors.

In ebendiesem Moment rieb Fu-Long der Pandabär ein letztes Mal seinen Kopf am Kopf seiner Gefährtin Fu-Chin, die traurig brummte. Die Tierpfleger gaben dem Bären eine Injektion, schnallten auch ihn auf ein fahrbares Bett.

Er starb eine Stunde später, weil die Chirurgen ihm das Herz herausschnitten. Niemanden im Operationsteam kümmerte der Tod des Bären. Sein behaarter und steifer Körper mit gebrochenen Augen erregte kein Mitleid. Er war für ein nahe gelegenes zoologisches Institut bestimmt. Einige seiner Knochen, die Krallen und die Galle fanden den Weg zu privaten Abnehmern.

* * *​

Sinnhuber erwachte. Er blinzelte in einen weißen Raum. Es dauerte eine Weile, bis ihm einfiel, wo er war. Jalousien dunkelten das Tageslicht ab. Schwer zu sagen, wie spät es war oder auch nur, welcher Tag.

Der ganze Brustbereich fühlte sich an wie eine schwere Verwundung. Das Herz des Pandabären in ihm schlug schwach, aber gleichmäßig.

Es war so seltsam und fühlte sich so falsch an, als hätte man ihn selbst in einen neuen Körper verpflanzt. Das Herz arbeitete: ba-bum, ba-bum, ba-bum.

Kortikosteroide und Calcineurin-Inhibitoren mit schweren Nebenwirkungen verhinderten, dass sein Immunsystem das fremde Organ zerstörte.

Eine Krankenschwester eilte auf den Gang, um eine Chirurgin aus dem Operationsteam anzurufen. Einige kurze Telefongespräche des frisch Operierten richteten sich an seine Mutter und seine Ex-Frau. Ja, er lebte!

Doch er fühlte sich scheußlich. Es dauerte eine ganze Woche, bis er sitzen, essen und unter großen Schmerzen in einen Rollstuhl klettern konnte, damit ihn jemand durch die Gänge schob. Daran, selbst auf die Toilette zu gehen, war nicht einmal zu denken.

Irgendwann fiel ihm auf, dass er nur mehr sehr selten an die chemischen Eigenschaften des Kohlenstoffs dachte.

*​

Der vergitterte Bereich für die Pandabärin maß sechs mal drei Meter. Das Personal füllte einmal am Tag frische Blätter, Stängel und Sprossen des Bambus in eine Futterkrippe und entfernte den Inhalt einer Kiste mit Sand, die der Pandabärin als Latrine diente. Eine Reihe von Kugeln und Röhren, sowie ein Klettergerüst sollten der Pandabärin etwas Abwechslung bieten. Sie machte kaum Gebrauch davon, sondern saß einfach da, während sie Bambus kaute und schaute den Menschen mit ihren dunkel umrandeten Augen zu, wenn sie ihre Arbeit taten oder geschäftig telefonierten.

Sie stand als Nächste auf der Todesliste. Sinnhubers Pfleger vermuteten, dass sie in einigen Monaten fällig war.

Der frisch Operierte äußerte den Wunsch, sie zu sehen. Es dauerte mehrere Tage, die Erlaubnis dafür zu bekommen.

Eine Pflegerin schob ihn vor das Gitter des Käfigs. Als die traurigen Augen der Pandabärin ihn erblickten, spürte Sinnhuber in sich eine starke Reaktion. Das Herz in ihm weitete sich wie ein Fluss, der über die Ufer trat.

Ich muss sie retten, koste es, was es wolle!

Sein ganzer Organismus richtete sich auf dieses Ziel aus, auch wenn es der herkömmlichen Logik widersprach. Neue Antriebe und Wünsche wuchsen aus dem fremden Herzen wie aus einem Samenkorn. Alte Gefühle, die eigentlich nicht zu ihm gehörten.

*​

Stunden, Tage, Wochen vergingen. Jeder einzelne Tag war angefüllt mit Arzt-Konsultationen, Blutabnahmen, Medikamenten und Physiotherapie.

Sinnhuber dachte wieder manchmal an die Umsetzung verschiedener Verfahren, mit denen man die Oberflächen von Kohlenstoff-Nanoröhren vergrößern konnte. Er las Berichte über Experimente, malte Skizzen in seinen Block.

Das hiesige Institut hatte ihm vor Monaten zwei Assistenten zugeteilt: Dr. Choi, einen kräftig gebauten Nordchinesen mit Erfahrung in der Industrie und Dr. Fang, einen feingliedrigen kurzsichtigen Mann, der oft ironisch lächelte. Er schien eher ein Theoretiker zu sein. Beide waren sehr kompetent und fast übermäßig bemüht, seine Anweisungen zu befolgen. Als Lohn winkten ihnen Einblicke in Sinnhubers außergewöhnliche Denkweise.

Konnte er ihnen auch bei Angelegenheiten vertrauen, die über das Gebiet der Materialwissenschaft hinausgingen? Soviel Sinnhuber wusste, hatte ihr Dekan die beiden Assistenten angewiesen, dem ausländischen Professor jeden Wunsch zu erfüllen. Etwas kindisch fragte er sich, ob Dr. Fang für ihn eines der unzähligen Fahrräder stehlen würde, die auf einem Vorplatz der Klinik herumstanden.

Meistens dachte er an die Pandabärin.

Er malte sich einige Szenarien aus, die zu ihrer Rettung führten.

Im ersten Szenario verlieh die Volksrepublik China die Pandabärin Fu-Chin dauerhaft an den Wiener Tiergarten Schönbrunn, um etwas für die Völkerverständigung zu tun. Sie lebte fortan in einem großen Gehege, wo Sinnhuber sie nach seiner wundersamen Genesung und Rückkehr regelmäßig besuchen konnte. Eine Plakette vor dem Gehege und viele Berichte in den Medien wiesen auf die Großzügigkeit der Chinesen hin.

Sinnhuber gab seinen beiden Assistenten den Auftrag, eine schriftliche Bitte zu verfassen:

„Alle lieben den Tiergarten Schönbrunn, der über ein großes Gehege für Pandabären verfügt. Sie gelten als Publikumslieblinge. Die Presse berichtet regelmäßig über sie.“

Die Bitte wurde höflich abgelehnt.

Das Krankenhaus formulierte ein alternatives Szenario, in dem ein hoher verdienter Funktionär der KPCh das Herz der Pandabärin erhielt. Wollen Sie einem Anderen verwehren, was Ihnen selbst das Leben gerettet hat?

Warum wollen Sie diese Pandabärin überhaupt mitnehmen, Herr Professor?

Die Antwort lag unter der immer noch geröteten und mit Verbänden bedeckten Narbe, die sich über Sinnhubers Brust zog. Dort schlug nun in seinem Fleisch das Herz eines Pandabären und erzeugte ein warmes Gefühl, das in seinen gesamten Organismus ausstrahlte. In der Politik existierte dieses Gefühl nicht. Auch die moderne Medizin kannte es nicht.

Weder die Ärzte noch die Staatsführung rechneten deshalb mit Sinnhubers wilder Entschlossenheit.

* * *​

Nach Mitternacht erschien der gewaltige Organismus des Krankenhauses von außen wie ein schlafender Riese in einer Dunkelheit, die nur von Lichtern in einigen Fenstern unterbrochen wurde. Auch in den weitläufigen Gängen schimmerten Lichter: Hinweisschilder in Mandarin, Kontrolleuchten hinter den Türen der Räume für das Wachpersonal und einladende Lampen in Schwesternzimmern, wo einsame Nachtschwestern ihre Dienstpläne erfüllten.

In einen weißen Mantel gekleidet, das Gesicht mit einer Brille und einer Atemschutzmaske verdeckt, schlich Sinnhuber unter Schmerzen hinaus auf den Gang, wo seine als Pfleger verkleideten Assistenten Dr. Choi und Dr. Fang auf ihn warteten.

Sein Ultimatum an die beiden Männer war drastisch gewesen: „Entweder Sie helfen mir, oder ich bringe mich um!“

Und hier waren sie: Dr. Choi trug eine Brille, Dr. Fang einen falschen Schnurrbart.

Wenn man sich ein neues Organ einsetzen lässt, ist es nicht zu empfehlen, drei Wochen später durch lange Gänge zu eilen oder eine lange Reise zu unternehmen.

Er musste einige Male stehen bleiben und sich gegen eine Wand lehnen, weil ihm schwindelig wurde.

Kurz vor der Forschungsstation fanden die Drei auf dem Gang ein fahrbares OP-Bett mit seitlichen Schienen und Gurten, das sie kurzerhand mitnahmen. Sinnhuber mit wackeligen Knien unterdrückte den Drang, sich hineinzulegen.

Die Forschungsabteilung mit der gefangenen Pandadame Fu-Chin war nicht besetzt, aber abgeschlossen. Die beiden Assistenten hatten einen Ersatzschlüssel besorgt.

Sinnhuber schaltete das Licht ein. Es war viel zu grell.

Die Pandabärin erwachte. Sinnhuber näherte sich ihr. Sein neues Herz füllte sich mit Wärme. Es zuckte einige Male schmerzhaft.

Die Tür zum vergitterten Bereich ließ sich von außen ohne Schlüssel öffnen. Die Pandabärin war zuerst scheu, doch auch ihr Herz regte sich, als der geschwächte bleiche Mann mit dem Geruch nach Tod auf sie zuging. Sie umarmten sich ungeschickt.

Die beiden Assistenten beobachteten sie mit ungeduldigen Gesichtern.

Dr. Fang holte einen Plastikbehälter aus seinem Rucksack und reichte ihn weiter an Sinnhuber, damit dieser mit zitternden Händen den Lappen mit der Chloroform-Lösung vor die Schnauze der Pandabärin hielt, um sie zu betäuben. Dieser Moment war kritisch: zu viel und die Pandabärin konnte sterben, zu wenig und sie schlief nicht ein oder geriet schlimmstenfalls in Panik. Sinnhuber musste den Atem anhalten, damit er nicht selbst etwas von den Dämpfen inhalierte.

Die Bärin ließ es geschehen. Sie brummte schläfrig. Obwohl sie zu zweit waren, ächzten die beiden Assistenten, als sie den über 80 Kilo schweren Körper der Pandabärin auf das OP-Bett wuchteten.

* * *​

Mit der Pandadame Fu-Chin im OP-Bett, während ein Bündel Kleidung und einige Kissen in Sinnhubers Bett seine Abwesenheit kaschierte, brachten sie das Bett bis zu einem der Ausgänge. Dort saß ein Wachmann, der anscheinend nichts besonderes dabei fand, dass einige Pfleger und ein ausländischer Arzt einen Patienten verlegten. Er machte eine Notiz und öffnete das Tor.

Das Ziel der drei weißgekleideten Männer mit dem OP-Bett war ein unter falschem Namen gemieteter nachtblauer Buick GL8 auf einem Parkplatz außerhalb des Krankenhausgeländes. Sinnhuber keuchte und schwitzte. Die kühle Nachtluft belebte ihn, doch er musste sich setzen, sobald Dr. Fang die hintere Tür des Kleinbusses aufgerissen hatte. Der Buick erinnerte Sinnhuber an einen VW-Bus, war jedoch kraftvoller und luxuriöser. Ein Fahrzeug für Neureiche.

Die beiden Assistenten beförderten die schlafende Pandadame mit viel Mühe auf die erste Rücksitzbank und bedeckten sie mit einem weißen Leintuch. Sinnhuber setzte sich daneben. Er hoffte, nicht allzu schnell zu sterben.

Sie hatten einen weiten Weg vor sich: Bis in die Hügel der Provinz Shaanxi brauchte man mit dem Auto mindestens zwölf Stunden. Dort lebten wilde Pandas, denen sich Fu-Chin anschließen konnte – so der verwegene Plan.

* * *​

Der Kleinbus brauste die ganze Nacht lang immer nach Westen. Hinten saßen Sinnhuber und die Pandadame, die eine Viertelstunde nach der Abfahrt wieder erwachte. Sinnhuber und die Bärin verständigten sich mit Brummen und Streicheln. Normalerweise erwarten wir etwas anderes, wenn wir von der romantischen Liebe träumen. Doch Sinnhuber hatte nie in seinem Leben ein solches Hochgefühl erlebt. Sie, mit ihrem runden und behaarten Körper, die da neben ihm saß, war das Ziel all seiner Fürsorge und Zärtlichkeit.

Die beiden Assistenten zeigten durch Blicke und Gesten, dass sie der Pandadame misstrauten. Das wilde Tier konnte den wertvollen Professor beißen oder mit den Krallen verletzen.

Sinnhuber wusste nicht genau, warum er die Pandadame entführte. Das fremde Herz wies ihm den Weg wie ein Kompass voller Leben und Blut. Der ebenso wild entschlossene, wenn auch von Ehrgeiz getriebene Dr. Fang lenkte den Kleinbus über fast leere Straßen. Die Nacht war lang und kalt. Im Inneren sorgte die Heizung mit leisem Summen für Wärme und Schläfrigkeit.

Als die Sonne golden im Osten aufstieg, füllten sich die Verkehrswege mit hupenden Autos.

Erst gegen sieben Uhr morgens entdeckte das Klinikpersonal Sinnhubers Abwesenheit. Bei den flüchtigen Kontrollen vorher war das Bündel aus Kissen und Kleidungsstücken nicht aufgefallen. Die diensthabende Stationsschwester verständigte die Polizei.

*​

Von den vielen Autofahrern und anderen Verkehrsteilnehmern, denen der Kleinbus begegnete, sahen manche die Pandabärin und lachten. Kinder auf Rücksitzen zeigten mit Fingern auf sie. Aufmerksame Beifahrer machten Fotos mit dem Handy. Doch nichts davon führte zu einer Meldung bei der Polizei.

Die österreichische Botschaft im Stadtbezirk Chaoyang erhielt die Nachricht erst am Nachmittag. Polizisten suchten das Institut für Materialwissenschaft auf und befragten das Personal. Niemand wusste etwas. Sinnhubers Assistenten Dr. Choi und Dr. Fang waren nicht zu erreichen. Die Polizei schrieb sie einige Stunden später zur Fahndung aus.

Allmählich verschlechterte sich der Zustand der Straßen. Die Landschaft wurde hügeliger. Das staubige Gelb der Hauptstadt wich Laub- und Nadelwäldern, die sich mit weitläufigen Wiesen abwechselten.

Sinnhuber rechnete damit, jeden Moment zu sterben. Aber das durfte er nicht! Die beiden Assistenten hätten die Pandabärin in diesem Fall zurückgebracht.

Seine wissenschaftliche Arbeit kümmerte ihn nicht mehr. Er lag mit großen Schmerzen auf der zweiten Rückbank, als Dr. Fang den Kleinbus an einer Tankstelle der Kette Sinopec auftankte, während Dr. Choi etwas abseits eine Zigarette paffte. Sie wollten kein Aufsehen erregen: „Halten Sie den Kopf unten, Herr Professor!“

Er hörte viele Stimmen in abgehacktem Chinesisch und unzählige vorbeifahrende Autos. Der runde Körper der Pandabärin bewegte sich vor ihm. Auch sie sollte flach liegen bleiben, wie er ihr immer wieder durch sanften Druck mit der Hand vermittelte. Wenn sie brummte, brachte es den ganzen Kleinbus zum Vibrieren.

Schwer zu sagen, warum die beiden Assistenten bei der Entführung überhaupt mitmachten. China war ein Land der Opportunisten. Vielleicht brachte sie die seltsame Logik ihres Landes dazu, Sinnhubers Wissen genauso heftig zu begehren wie einst die Bestnoten, die ihre Studien ermöglicht hatten. Die Aussicht, unschätzbare Einsichten zu gewinnen, wog schwerer als ein paar Gesetzesbrüche.

Möglicherweise hätten sie gemeinsam mit dem von seiner Herzkrankheit gezeichneten Sinnhuber eine Bank überfallen, wenn es dazu geführt hätte, die Sache mit der Pandabärin schnell hinter sich zu bringen?

Es war eine Frage des Standpunktes. Vielleicht war er es, der wie der Kaiser in einer alten Geschichte getäuscht wurde, um eine große Reise anzutreten.

Sie halfen ihm, weil sie von ihm profitieren wollten, doch als Chinesen verstanden sie, dass der innerste Kern eines Menschen in seinem Herzen lag.

* * *​

Viele Stunden später rumpelte der Buick GL8 über einen Feldweg bis an den Rand eines Bambuswaldes, wo grünes Blätterdach das Licht abschirmte. Dort hielt er an. Die Reifen waren in den lehmigen Untergrund eingesunken. Es dämmerte. Dr. Choi kletterte aus dem Fahrzeug und öffnete die hintere Tür.

Sinnhuber und seine Pandadame umarmten sich lange. Die Umarmung ihres runden Körpers mit Sinnhubers schlanker Figur bot einen seltsamen Anblick: ein alt gewordenes Kind mit einem riesigen und unförmigen Teddybären.

Die Bärin kletterte hinaus. Mit traurigen Augen betrachtete sie den kranken Menschenmann, in dem das Herz ihres Gefährten lebte.

Was fühlte er? Es war gleichzeitig das größte Gefühl der Befreiung und der größte Trennungsschmerz. Beides überlagert von heftigen physischen Schmerzen.

Schwerfällig, doch mit sanften Bewegungen entfernte sich Fu-Chin in den Wald. Sinnhuber winkte ihr. Seine Augen folgten ihr, um nicht eine Millisekunde ihres Anblicks zu verpassen.

„Sind wir fertig und können dann zurückfahren? Wie geht es Ihnen eigentlich?“

Zum Teufel mit euch!

Nach dem ersten Impuls seines Ärgers spürte Sinnhuber Dankbarkeit. Er verstand, dass die beiden jungen Männer die Befreiung der Pandabärin nur als lästige Verzögerung für den Fortgang ihrer gemeinsamen Arbeit sahen. Sie hatten für ihn die Gesetze eines autoritären Staates gebrochen, der immer noch gerne die Todesstrafe durch Genickschuss verhängte.

Sinnhuber betrachtete die beiden: Pragmatische und mutige junge Männer mit dunklen Frisuren. Hätte er an ihrer Stelle dasselbe getan?

Dunkle Schatten lagen unter ihren Augen. Der untere Teil ihrer Gesichter war mit Bartstoppeln bedeckt. Sie waren die ganze Nacht und die Hälfte des folgenden Tages abwechselnd gefahren und hatten nur dreimal an einer Tankstelle Halt gemacht, um den endlosen Durst des Kleinbusses nach Benzin zu stillen, auf die Toilette zu gehen und hastig ein paar Zigaretten zu rauchen.

Es war noch längst nicht vorbei. Beijing lag 1.200 Kilometer im Osten.

Sinnhuber sagte verlegen: „Danke, dass Sie das für mich tun!“

Dr. Choi, der auf dem Fahrersitz saß, nickte kurz. Dr. Fang klemmte sich eine Zigarette hinter das linke Ohr. Die beiden Assistenten waren fast so kaputt wie er. Sie fuhren wieder los.

* * *​

Die Notaufnahme eines Provinzkrankenhauses fünf Autostunden vor Beijing war der Anlaufpunkt, den sie gerade noch erreichten, bevor Sinnhuber wieder einen Herzinfarkt erlitt.

„Cha bu duo!“, murmelte Dr. Choi.

Dem Personal in der Notaufnahme erzählte er eine abenteuerliche Geschichte von einer plötzlichen wissenschaftlichen Eingebung und einem Treffen weit außerhalb der Stadt, um eine großartige Forschungsarbeit anzustoßen. Dr. Fang schmückte die Erzählung mit einigen Details aus.

Natürlich glaubte niemand ihre blumigen Worte, doch die Geschichte erfüllte den Zweck, das Gesicht aller Beteiligten zu wahren.

Tage später brachte eine Wagenkolonne den ausländischen Wissenschaftler Dr. Peter Sinnhuber zurück an den Ort der Transplantation.

Die Polizei verhörte die beiden Assistenten sehr lange und setzte sie danach auf freien Fuß. Möglicherweise verschonten die unberechenbaren Götter der Justiz sie. Man brauchte sie.

Sinnhuber überlebte bis auf weiteres.

*​

Eine Woche später, als er aufrecht in seinem Bett saß und gerade zu Mittag aß, besuchte ihn ein Agent des Inlandsgeheimdienstes, der sich als Inspektor Choi vorstellte.

Das Essen im Krankenhaus sollte seine Lebensgeister anregen. Auf ein wärmendes Hauptgericht aus Rindfleisch folgte ein kühlendes Gericht mit Bittergurke.

Der Inspektor fragte über das Tablett mit den Tellern hinweg: „Was haben Sie dort draußen gemacht?“

„Wir haben die Pandadame Fu-Chin entführt und sie in einem Bambuswald ausgesetzt“, gab Sinnhuber zu.

„Sie sind fast dabei gestorben.“

Der Inspektor lächelte über die mutige und aus seiner Sicht sinnlose Aktion.

„Ich musste es tun.“

„Dabei haben Sie eine Reihe von strafbaren Handlungen begangen.“

Sinnhuber nickte.

„Was wird jetzt passieren?“

Der Inspektor überlegte kurz. Dann sagte er: „Vermutlich gar nichts. Es ist ja wieder alles, wie es sein soll. Wir erwarten allerdings, dass Sie über diese Vorfälle schweigen.“

Bei allen Interviews und Berichten über die großartige Arbeit der Chirurgen und Sinnhubers Erholung kamen die Flucht und die Entführung der Pandadame nie zur Sprache.

Sinnhuber starb zwei Monate später, bevor er etwas Wesentliches zur Verbesserung der Synthese von Kohlenstoff-Nanoröhren beitragen konnte. Das Herz des Pandabären geriet aus dem Takt, bevor es stehen blieb wie ein defektes Uhrwerk.

Vorher konnte er seinen Assistenten allerdings einige Hinweise mit auf den Weg geben, was ihre Karrieren förderte.

*​

Über tausend Kilometer entfernt spürte die Pandadame Fu-Chin, die noch immer in den Hügeln von Shaanxi lebte und den ganzen Tag Bambus fraß, seinen Tod.

Sie war gefangen und entführt worden, doch ihr Liebster hatte sie gerettet. Nun war der letzte Teil von ihm gestorben.

 

Hallo @Berg ,

eine packende berührende Geschichte dieser zwei Herzen. Ich habe die Geschichte mit sehr viel Spannung verfolgt und wie du vielleicht anhand der gleich folgenden Zitate siehst, immer weniger auf das geachtet, was den Text vielleicht noch optimaler hätte werden lassen.
Ich wollte einfach weiterlesen, wie es den beiden ergeht.
Die Idee finde ich jedenfalls ergreifend und ungewöhnlich. Insoweit eine Geschichte, die unbedingt in die Sammlung hineingehört.

Klar, hab ich auch hie und da was anzumerken:

Sinnhubers Spezialgebiet war die Forschung an Materialien für bessere Batterien: Superkondensatoren aus Kohlenstoff-Nanoröhren. Normalerweise war er Professor für Materialwissenschaften an der TU Wien. Die chinesische Partneruniversität der TU lag im Stadtbezirk Haidian, in der ungeheuer großen, lauten und in gelben Dunst gehüllten Stadt Beijing. Sinnhuber hatte sich voller Eifer in sein Auslandsjahr gestürzt und sogar die Grundzüge der chinesischen Sprache gelernt, bis ihn der erste Infarkt wie ein Dolchstoß traf. Einige Funktionäre der KPCh ergriffen diese Gelegenheit wie ein herrenloses Schaf, um eine Operation in die Wege zu leiten, die sehr viel Prestige versprach. Sie wollten der Welt zeigen, dass das alte Europa weder die Mittel noch den Willen hatte, seine bedeutenden Wissenschaftler zu retten, wenn diese einmal Hilfe brauchten.
Bei der Vorstellung von Sinnhuber läufst du sozusagen rückwärts. Du fängst mit dem Spenderherz an und erst später stellst du ihn als Person vor. Ich, aber das ist reine Geschmackssache, fände es ruhiger, wenn du ihn erstmal vorstellst, also den zitierten Absatz an den Anfang stellst und dann erst klar wird, was er für ein Spenderherz bekommen soll.
„Sie werden ihn umbringen“, sagte Sinnhuber leise, doch er dachte gleichzeitig: Besser der Panda als ich.

Sie werden diesen Pandabären umbringen, damit ich leben kann. Aber natürlich nahm er das Angebot an.
Das ist zu wenig ausgeführt an diesen Stellen. Was fühlt er dabei? Er weiß also, dass das arme Tier definitiv getötet werden wird. Welche Einstellung hat er dazu? Welche Wertevorstellungen hat Sinnhuber? Nein, du sollst das nicht haarklein dem Leser eröffnen, aber dieser eine Satz und später ist dann nochmals so eine Stelle, sind einfach viel zu mager, um seine Zerissenheit darzulegen.
Anders gesagt, zum einen ist nicht ganz klar, wie du ihn charakterlich anlegen wolltest.

Soll er eigentlich ganz skupellos nur an sich denken und Tierwohlgedanken gar nicht haben? Also jemand sein, der sich sagt: "Der Mensch mache sich die Erde zum Untertan und ausser der menschlichen Spezie sind alle anderen Wesen untergeordnet?"

Oder ist er jemand, der weiß, dass auch Tiere eine Seele haben? Und plagen ihn da Gewissensbisse, bevor es zur OP kommt? Muss er mit sich ringen? Ist er aber so verzweifelt, dass er selbst sterben wird, dass dann doch sein Überlebenswille ihn dazu bestimmt, die OP zu wollen?

Diesen Konflikt, wenn er denn jemand ist, der Gewissensbisse hat, müsstest du auf jeden Fall mit mehr Raum darstellen. Da reicht beileibe nicht nur ein Satz.

Ich habe die Geschichte so verstanden, dass ihn auf jeden Fall nach der OP die mentale Seite einholt. Das Herz des Pandamännchens ist sicherlich nicht in der Lage immer noch für die Pandadame zu schlagen. Aber Sinnhuber ist hier sozusagen Opfer seiner eigenen Vorstellungen, die sich aus was nähren?
Aus seinen Gewissensbissen gegenüber dem Pandamann? Aus seinen eigenen Wertvorstellungen, die er jetzt durch die OP mit Füssen getreten hat?
Da fehlen die Verbindungsglieder, ich würde da nochmals rangehen an diese Fragen.

Manchmal reicht aber auch so ein ganz schlichtes Ding, wie furchtbare Schmerzen zu haben oder Luftnot und wenn der Mensch merkt, dass es ihm ans Leben geht, ist er vielleicht völlig korrupt zu allem bereit? Aber das müsste dann auch für den Leser dargestellt werden, weshalb er der OP zustimmt.


um zu vermeiden, dass die Aufregung ihn tötete oder dass er es sich doch noch anders überlegte.
Wer weiß das? Ich finde diesen Satz etwas ungeprüft hingeworfen. Der Leser würde jetzt schon ganz gern wissen, woher der allwissende Erzähler diese Info hat. Oder du lässt sie ganz weg, denn viel wichtiger ist, weshalb Sinnhuber der OP zustimmt. Ob die ihn dann in der Konferenz dabei haben wollen und weshalb nicht, ist marginal.
Es war so seltsam und fühlte sich so falsch an, als hätte man ihn selbst in einen neuen Körper verpflanzt.
Hier wischt du ebenfalls viel zu schnell über die Situation. Du behauptest sie, aber leitest sie nicht her. Was geht in Sinnhuber vor? Weshalb empfindet er es so? Da muss jetzt deutlich mehr stehen.
Ich muss sie retten, koste es, was es wolle!
dito Es fehlt die Herleitung.
(Es gab gebratenen Reis mit Eiern),
absolute Nebensache, würde ich streichen.


Wie schon zu Beginn geschrieben, die Geschichte gefällt mir sehr, es fehlen aber noch die entsprechenden Tiefen, die ich aufgezeigt habe.

Viel Glück bei deinem Buch!


Lieben Gruß

lakita

 

Mein gestriger Komentar wurde gelöscht, weil er zu kurz war. Aber ich wollte eigentlich nur meine Anerkennung zum Ausdruck bringen. Dein Beitrag finde ich nicht nur originell, er hat auch Tiefgang. Ich müsste mich jetzt sehr bemühen, etwas Kritisches zu finden, für mich stimmt die Essenz. Du solltest einen Roman schreiben, um einen Verlag zu finden, falls Du das nicht schon gemacht hast. Wenn nicht, solltest Du das tun.

 

Liebe Kommentatoren!

Danke für das Lesen dieser doch recht langen Geschichte. Jetzt weiß ich, wo sie noch ein bisschen dünn ist. Ich hätte eher auf das Setting in China und die Schilderung der beiden Assistenten getippt.

@lakita:

Das ist zu wenig ausgeführt an diesen Stellen. Was fühlt er dabei? Er weiß also, dass das arme Tier definitiv getötet werden wird. Welche Einstellung hat er dazu? Welche Wertevorstellungen hat Sinnhuber? Nein, du sollst das nicht haarklein dem Leser eröffnen, aber dieser eine Satz und später ist dann nochmals so eine Stelle, sind einfach viel zu mager, um seine Zerissenheit darzulegen.
Anders gesagt, zum einen ist nicht ganz klar, wie du ihn charakterlich anlegen wolltest.
Ok, das ist ein guter Kritikpunkt. Ich glaube, der Selbsterhaltungstrieb bringt uns dazu, nahezu alles zu rechtfertigen, wenn wir nur für ein bisschen länger an unserem Leben festhalten können. Da gibt es keine Zerrissenheit, sondern ein klares Ja – und danach das Gewissen, das sich in Form von Traurigkeit meldet, weil der Pandabär sterben muss.

Sehr oft verdrängen wir den Tod zu unseren Gunsten einfach und nehmen ihn nicht einmal wahr.

Ich habe die Geschichte so verstanden, dass ihn auf jeden Fall nach der OP die mentale Seite einholt. Das Herz des Pandamännchens ist sicherlich nicht in der Lage immer noch für die Pandadame zu schlagen. Aber Sinnhuber ist hier sozusagen Opfer seiner eigenen Vorstellungen, die sich aus was nähren?
Aus seinen Gewissensbissen gegenüber dem Pandamann? Aus seinen eigenen Wertvorstellungen, die er jetzt durch die OP mit Füssen getreten hat?
Da fehlen die Verbindungsglieder, ich würde da nochmals rangehen an diese Fragen.
In der chinesischen Kultur gilt das Herz (wie auch bei den alten Griechen) als Sitz unseres innersten Wesens. In der Geschichte habe ich es so aufgefasst, dass Sinnhubers inneres Programm sich ändert und das fremde Herz sozusagen die Kontrolle übernimmt. Die Liebe bleibt dieselbe. Das Gehirn wird quasi zum ausführenden Organ. Sinnhuber weiß nicht, warum er diese Pandadame unbedingt retten muss. Dafür gibt es nur sehr schwache logisch nachvollziehbare Gründe. Aber er fühlt sehr stark, dass das jetzt seine Aufgabe ist. Besonders für einen nach außen sehr vernünftigen Naturwissenschaftler muss das eine verwirrende Erfahrung sein.

Ich hoffe, ich kann das stimmig beschreiben.

@Reiner:

Mein gestriger Komentar wurde gelöscht, weil er zu kurz war. Aber ich wollte eigentlich nur meine Anerkennung zum Ausdruck bringen. Dein Beitrag finde ich nicht nur originell, er hat auch Tiefgang. Ich müsste mich jetzt sehr bemühen, etwas Kritisches zu finden, für mich stimmt die Essenz. Du solltest einen Roman schreiben, um einen Verlag zu finden, falls Du das nicht schon gemacht hast. Wenn nicht, solltest Du das tun.
Danke fürs Vorbeischauen und gut finden!

Als Schreiber finde ich natürlich interessant, warum konkret du eine Geschichte gut findest. Ob du dir die Szenen bildlich vorstellen konntest. Ob die Figuren und die Umgebung glaubhaft wirken – und vieles mehr.

Diese Geschichte wird zusammen mit ungefähr 32 anderen als selbst publizierter Sammelband herauskommen. Das hat erst einmal den Vorteil, dass es sehr schnell geht, aber auch den Nachteil, dass diese Geschichten nicht professionell lektoriert werden. Deshalb brauche ich euch, um ein paar Anhaltspunkte zu bekommen, wie sie auf andere Menschen wirken. ;)

Danke euch beiden fürs Vorbeischauen!

Und liebe Grüße zurück
Berg

 

Hallo @Berg,

Da gibt es keine Zerrissenheit, sondern ein klares Ja – und danach das Gewissen, das sich in Form von Traurigkeit meldet, weil der Pandabär sterben muss.
Das wäre ja eventuell der Weg, den du bei Sinnhuber beschreiben könntest. Dass er zwar nicht gut findet, dass für ihn ein Tier sterben muss, aber er sich selbst so elend und todesbedroht fühlt (was du dann schon etwas mit Spannung schreiben könntest), dass ihm das eigene Leben natürlich wichtiger ist.
In der chinesischen Kultur gilt das Herz (wie auch bei den alten Griechen) als Sitz unseres innersten Wesens.
Das könntest du wunderbar einfügen, indem du die beiden chinesischen Helfer auf diese Weise mit ins Boot holst. Sinnhuber könnte sich ihnen ein wenig öffnen und mitteilen, dass er selbst nicht so ganz versteht, wieso ihm das Leben der Pandadame so am Herzen liegt und diese beiden klären ihn vielleicht auf, was man in China darüber denkt. Er könnte danach begreifen, was seine Motivation ist. Die Chinesen, die ihm helfen könntest du ebenfalls wunderbar ambivalent darstellen. Sie wollen ihm helfen, damit sie ihn weiterhin ausnutzen können, also von ihm profitieren. Sie sind aber auch Opfer ihrer eigenen Wertewelt, so dass sie ihm auch helfen müssen, dass er das andere Herz retten kann. Könnte spannend werden, wenn es dem Leser überlassen bleibt, was ihre Hauptmotivation ist: Profit oder Tradition.
Du kannst also noch ganz gut Zwischentöne unterbringen.

Lieben Gruß

lakita

 

Da Du auf Kritik bestehst, habe ich mir Mühe gegeben, Punkte zu finden, allerdings messe ich ihnen nicht allzu viel Bedeutung bei:

Wenn das Herz eines Menschen kaputt geht, weil sich Plaques in den Arterien abgelagert haben, wenn es durch Stress aus dem Rhythmus gerät, oder wenn es zu oft gebrochen wurde, stirbt er normalerweise.

Der Begriff "kaputt" gefällt mir nicht so, auch nicht in Verbindung mit medizinischen Erläuterungen.

Vielleicht einfacher: Wenn das Herz nicht mehr schlagen will, stirbt der Mensch.

Während die Chinesen enthusiastisch und in englischer Sprache auf ihn einredeten, dachte Sinnhumber immer wieder

Sinnhuber, "m" weg

Zaghaft schlug das Herz des Pandabären in ihm wie eine Trommel.

mhmm...entweder "zaghaft" oder "wie eine Trommel"

Vielleicht: Das Herz des Pandabaren schlug wie eine Trommel

oder

Zaghaft schlug das Herz des Pandabären und fügte sich allmählich sich in seinen Takt ein, dennoch: Es war so seltsam und fühlte sich so falsch an, als hätte man ihn selbst in einen neuen Körper verpflanzt.

Das Herz arbeitete zögernd, aber gleichmäßig ba-bum, ba-bum, ba-bum.

Zögernd, aber gleichmäßig, geht nicht

Vorschlag

Es arbeitete schwach, aber gleichmäßig.


Wollen Sie einem Anderen verwehren, was Ihnen selbst das Leben gerettet hat?
Hoffe, dass ich hier nichts Falsches sage, aber wird Anderem hier nicht klein geschrieben?
Kurz vor der Forschungsstation fanden die Drei auf dem Gang ein fahrbares OP-Bett
Bin auch kein Lektor, aber glaube, dasselbe gilt auch für "die drei"

Sind wir fertig und können dann zurückfahren? Wie geht es Ihnen eigentlich?“ Zum Teufel mit euch! Doch Sinnhuber verstand, dass die beiden jungen Männer die Befreiung der Pandabärin nur als lästige Verzögerung für den Fortgang ihrer gemeinsamen Arbeit sahen. Sie hatten für ihn die Gesetze eines autoritären Staates gebrochen, der immer noch gerne die Todesstrafe durch Genickschuss verhängte.

"Zum Teufel mit Euch" passt nicht , da sie ein hohes Risiko für ihn auf sich genommen hatten, für das er sich später auch bedankt.

Aber wie gesagt, ich halte mein Kritik für nicht schwerwiegend und sie ändert nichts an der Qualität des Txtes und der Idee.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Berg

Mir gefällt deine tierische Geschichte inhaltlich gut. Wie der Mensch Tiere zu seinem eigenen Zweck und Nutzen ausbeutet, wie er sich über alles andere irdische Leben stellt, dies ist für mich irgendwo das Kernthema. In diesem Fall geht es also um das Spenderherz eines Pandabären, der Bär muss sterben, damit ein Mensch (weiter-)leben kann. Ja, habe das wirklich gerne gelesen. Anfänglich ist Sinnhuber, dem Empfänger des Pandaherzens, das Schicksal der Tiere noch scheinbar egal, aber sobald das Organ in ihm schlägt, ändert sich langsam seine Sichtweise. Finde ich gut gemacht. Mir gefällt auch, dass Sinnhuber am Schluss den Löffel abgibt, die Rettung der Pandadame war seine letzte Tat, er konnte nicht mehr viel zur Wissenschaft beitragen aber trotzdem wohl mit gutem Gewissen sterben.

Da sind paar wirklich gute Szenen im Text und auch der Humor kommt nicht zu kurz, an ein paar Stellen musste ich grinsen, habe sie unten markiert. Ich sehe jedoch sprachlich/stilistisch noch ziemlich Luft nach oben, deshalb folgen jetzt viele Zitate. Das ist so das, was mir beim ersten Lesedurchgang ins Gesicht gesprungen ist. Du musst selbstverständlich nichts davon annehmen, ich mache sowas ja auch hauptsächlich, um meine eigenen Sinne zu schärfen :-) und ich verstehe es durchaus, wenn Du die Dinge ganz anders sehen solltest oder keinen Bock darauf hast, dass ich Schnösel Dir da zu fest reinquatsche. Nur als Randbemerkung: Ich habe den Kommentar bereits heute Nacht verfasst, komme aber erst jetzt zum Absenden, hoffe deshalb, ich nenne jetzt nicht Dinge, die schon besprochen worden sind.

Wenn das Herz eines Menschen kaputt geht, weil sich Plaques in den Arterien abgelagert haben, wenn es durch Stress aus dem Rhythmus gerät, oder wenn es zu oft gebrochen wurde, stirbt er normalerweise.
Schöner Satz. Poetischer wäre: [...] stirbt es normalerweise. Also dass das Herz stirbt. Für mich wäre es das i-Tüpfelchen auf dem Einstiegssatz, weil um Herzen geht es ja.

Die Fortschritte der modernen Medizin bieten jedoch verschiedene Möglichkeiten, unter enormem Aufwand und noch größeren Kosten das funktionsunfähige Herz zu ersetzen und dadurch den Tod zu verzögern.
Das Durchgestrichene könnte ich mir selbst denken, ich würde es rausnehmen.

Fortgeschrittene Arteriosklerose und mehrere Seitenwand- und Hinterwandinfarkte kündigten das Ende seines Lebens genauso zuverlässig an wie der Fahrplan die neuen Hochgeschwindigkeitszüge zwischen Beijing und Schanghai.
Ein Satz voller Wortmonstrositäten, was ihn recht schwerfällig macht, wenn ich ihn an sich aber schon gelungen finde. Zumindest die Seiten- und Hinterwände würde ich rausnehmen, was gibt es dem Leser an der Stelle, wieso diese Detailverliebtheit, ist das wichtig für den Text, dass das Seitenwand- und Hinterwandinfarkte sind, wird das noch relevant?

Sinnhuber selbst durfte nicht teilnehmen, um zu vermeiden, dass die Aufregung ihn tötete oder dass er es sich doch noch anders überlegte.
:lol::thumbsup:

Zwei freundliche Damen schoben das OP-Bett mit dem erschöpften und von Befürchtungen gebeutelten österreichischen Chemieprofessor durch einen langen Korridor.
Vorher erwähnst Du die TU Wien. Das reicht aus, findest nicht? :-)

In ebendiesem Moment rieb Fu-Long der Pandabär ein letztes Mal seinen Kopf am Kopf seiner Gefährtin Fu-Chin
Bin über den Doppelkopf gestolpert, liest sich für mich nicht geschmeidig.

Seit behaarter und steifer Körper mit gebrochenen Augen erregte kein Mitleid.
Sein

Er starb eine Stunde später, weil die Chirurgen ihm das Herz herausschnitten. Das war ein Nebeneffekt von Sinnhubers Operation. Niemanden im Operationsteam kümmerte der Tod des Bären.
Der mittlere Satz ist redundant, finde ich, da längst klar ist, dass der Nebeneffekt eben ist, dass der Panda die Prozedur nicht überleben würde. Dann denke ich (nagle mich aber nicht darauf fest, ich mach Grammatik ehrlicherweise nach Gefühl, haha!), dass sich in den letzten Satz noch ein Fall-Fehlerchen geschlichen hat: Niemanden im Operationsteam kümmerte den Tod des Bären.

Einige seiner Knochen, die Krallen und die Galle fanden den Weg zu privaten Abnehmern.
Ah, das ist brutal! Aber natürlich realistisch.

Schwer zu sagen, wie spät es war oder auch nur, welcher Tag.
Mmh, finde die Reihenfolge etwas verquer, würde das umdrehen. Also: Schwer zu sagen, welcher Tag es war oder auch nur wie spät.

Der ganze Brustbereich fühlte sich an wie eine schwere Verwundung.
Weiss nicht ... Hätte geschrieben: Der ganze Brustbereich fühlte sich an wie eine einzige Wunde. Sowas in die Richtung. Wie fühlt sich denn eine schwere Verwundung an? Inwiefern unterscheidet sich die von einer leichteren Verletzung? Aus eigener Erfahrung: Hatte am linken Schienbein mal einen offenen Splitterbruch inkl. zerschmettertes Wadenbein oder mir bei einem blöden Unfall eine Messerklinge ca. 4cm tief quer durch die Hand gesteckt. Das mit der Hand, obwohl die viel kleinere Verletzung, war in meiner Wahrnehmung um ein vielfaches schmerzvoller.

Zaghaft schlug das Herz des Pandabären in ihm wie eine Trommel. Es war so seltsam und fühlte sich so falsch an, als hätte man ihn selbst in einen neuen Körper verpflanzt. Das Herz arbeitete zögernd, aber gleichmäßig ba-bum, ba-bum, ba-bum.
Eines davon ist redundant, denn beides sagt genau dasselbe aus.

Eine Krankenschwester eilte auf den Gang, um eine Chirurgin aus dem Team, das ihn operiert hatte, anzurufen.
Vorschlag: Eine Krankenschwester eilte auf den Gang, um eine Chirurgin aus dem Operationsteam anzurufen. So sparst Du zwei Kommas und der Satz wird flüssiger.

Es dauerte eine ganze Woche, bis er sitzen, essen und unter großen Schmerzen in einen Rollstuhl klettern konnte, damit ihn jemand durch die Gänge schob.
Inwiefern ist das Durchgestrichene relevant? Es bläht den Satz nur auf und ja, man kommt da auch von selbst drauf.

Das Personal füllte einmal am Tag frische Blätter, Stängel und Sprossen des Bambus in eine Futterkrippe und entfernte den Inhalt einer Kiste mit Sand, die der Pandabärin als Latrine diente.
Überflüssige Angabe. Man weiss, das Pandabären Bambus fressen, oder? Ausserdem kaut sie einen oder zwei Sätze später sowieso auf dem Bambus rum ...

Etwas kindisch fragte er sich, ob Dr. Fang für ihn eines der unzähligen Fahrräder stehlen würde, die auf einem Vorplatz der Klinik herumstanden wie dichtes Gebüsch.
Herumstehende Fahrräder mit dichtem Gebüsch vergleichen? Nee, dazu reicht meine Fantasie leider nicht aus :shy:

Sie lebte fortan im großen Gehege der Pandabären, wo Sinnhuber sie nach seiner wundersamen Genesung und Rückkehr regelmäßig besuchen konnte.
Sie lebte fortan in einem großen Gehege [...] Ja, im Pandabärengehege, wo sonst?

Sinnhuber gab seinen beiden Assistenten den Auftrag, eine schriftliche Bitte zu verfassen. Der Text betonte den Imagegewinn:
Nun ja, das müsste ja aus der ausformulierten Bitte selbst ersichtlich werden? Scheint mir etwas gar dem Leser vorgekaut.

Dort schlug nun in seinem Fleisch das Herz eines Pandabären und erzeugte ein warmes Gefühl, das in seinen gesamten Organismus ausstrahlte.
Wiederholung. Das Herz des Pandabären erzeugte ein warmes Gefühl [...]

Nach Mitternacht lag der gewaltige Organismus des Krankenhauses wie ein schlafender Riese in einer Dunkelheit
Ist für mich doppeltgemoppelt.

Lichtern in einigen Fenstern unterbrochen wurde
Mmh, wir befinden uns in den spärlich erleuchteten Gängen des Krankenhauses, sind diese Fenster in den Türen zu den Krankenzimmern? Oder ist das plötzlich ein Blick von aussen, also ausserhalb des Gebäudes? Haben Krankenzimmertüren Fenster?

In einen weißen Mantel gekleidet, das Gesicht mit einer Brille und einer Atemschutzmaske verdeckt, schlich Sinnhuber hinaus auf den Gang, wo seine als Pfleger verkleideten Assistenten Dr. Choi und Dr. Fang auf ihn warteten.
Wie, jetzt schleicht der Sinnhuber einfach durch die Gänge? Vorher sass er noch im Rollstuhl, konnte sich nur mit Mühe in diesen hineinhieven. Entweder hab ich was verpasst oder die Genesung ging extrem schnell vonstatten.

Das neue Herz fügte sich nicht richtig in das System von Sinnhubers Körper ein. Er musste einige Male stehen bleiben und sich gegen eine Wand lehnen, weil ihm schwindelig wurde.
Der erste Satz nimmt vorweg (tellt), was der zweite zeigt.

Kurz vor der Forschungsstation fanden die Drei auf dem Gang
Ich würde sagen 'die drei' kleinschreiben.

Dr. Fang holte einen Plastikbehälter aus seinem Rucksack und reichte ihn weiter an Sinnhuber, damit dieser mit zitternden Händen den Lappen mit der Chloroform-Lösung vor die Schnauze der Pandabärin hielt, um sie zu betäuben.
Dieses zweimal 'mit' (ok, eigentlich dreimal, weil 'damit') liest sich ungelenk. Vielleicht: [...] damit dieser den in Chloroform getränkten Lappen vor die Schnauze der Pandabärin hielt, [...]

Mit der Pandadame Fu-Chin im OP-Bett, während ein Bündel Kleidung in Sinnhubers Bett seine Abwesenheit kaschierte, brachten sie das Bett bis zu einem der Ausgänge.
3x Bett im Satz. Das Bündel Kleidung in Sinnhubers Bett, zur Kaschierung seiner Abwesenheit, hätte man gut früher bringen können.

Die kühle Nachtluft belebte ihn, doch er musste sich setzen, sobald Dr. Fang die hintere Tür des für Sinnhubers europäischen Geschmack fremdartigen Kleinbusses aufgerissen hatte. Der Buick wirkte wie die neureiche Version eines VW-Busses.
Überflüssiges Detail, dass im nächsten Satz sowieso erklärt wird.

Der Kleinbus brauste die ganze Nacht lang immer nach Westen.
Streichen, da überflüssig.

Hinten saßen Sinnhuber und die Pandadame, die eine Viertelstunde nach der Abfahrt wieder erwachte.
Sind diese Wiederholungen Stilmittel? Also ich weiss nicht recht, vorher hast Du doch lang und breit beschrieben, wie sie die Pandadame auf den Rücksitz verfrachten und das Sinnhuber auch hinten einsteigt.

Das fremde Herz wies ihm den Weg wie ein Kompass voller Leben und Blut.
Würde ich streichen, es würde mir bereits so ausreichen, diesen Rückschluss zum Herz (Leben, Blut) bräuchte es für mich nicht.

Wenn sie brummte, brachte es den ganzen Kleinbus zum Vibrieren.
:D:thumbsup:

Viele Stunden später rumpelte der Buick GL8 über einen Feldweg fast bis an den Rand eines Bambuswaldes, wo grünes Blätterdach das Licht abschirmte. Dort hielt er an. Die Reifen waren etwas in den lehmigen Untergrund eingesunken.
'fast', 'etwas' und Konsorten würde ich kicken/vermeiden. Meist schwächen solche Worte einen Satz ab, finde ich.

Eine Woche später, als er aufrecht in seinem Bett saß und gerade zu Mittag aß (Es gab gebratenen Reis mit Eiern), besuchte ihn ein Agent des Inlandsgeheimdienstes, der sich als Inspektor Choi vorstellte.
Redundant, nicht relevant.

„Sie sind fast dabei gestorben.“ Der Inspektor lächelte.
Der Inspektor lächelt nach solch einer Aussage? Also hofft er insgeheim, Sinnhuber wäre gestorben oder wie ist das zu verstehen?

Sie war gefangen und entführt worden, doch ihr Liebster hatte sie gerettet. Nun war der letzte Teil von ihm gestorben.
Reine Wiederholung und deshalb wahrlich ungeeignete Schlusssätze. Aber klar, nur meine Ansicht. Würde hier aussteigen:
Über tausend Kilometer entfernt spürte die Pandadame Fu-Chin, die noch immer in den Hügeln von Shaanxi lebte und den ganzen Tag Bambus fraß, seinen Tod.

Soviel von mir.

Beste Grüsse,
d-m

 

Hallo @Berg
Nun also eine Story über tierische Herzen, in Verbundenheit über den Tod hinaus und mit übernatürlicher Kraft die Grenzen der Spezies zu sprengen. Sehr schön, hat mir gefallen. Schweine, Mäuse und andere Tiere dienen ja schon lange der Humanmedizin als Zulieferanten für lebensverbessernde/verlängernde Massnahmen, warum nicht "süsse" Pandas mit kompatiblen Herzen.
Das kommt natürlich gut für die Vorstellungskraft des Lesers. Wäre es ein Schweineherz, die Knuffigkeit ginge wohl flöten und damit auch die Empathie mit dem unfreiwilligen Spender.

Seit behaarter und steifer Körper mit gebrochenen Augen erregte kein Mitleid.
Sein

Mehrere Medikamente mit schweren Nebenwirkungen (Kortikosteroide und Calcineurin-Inhibitoren) verhinderten, dass sein Immunsystem das fremde Organ zerstörte.
Satzbau. Die genannten Medikamente sind ja nicht selber die Nebenwirkungen.
Entweder weglassen oder gleich so
"Kortikosteroide und Calcineurin-Inhibitoren mit schweren Nebenwirkungen verhinderten ... "
Im ersten Szenario schenkte die Volksrepublik China die Pandabärin Fu-Chin dem Wiener Tiergarten Schönbrunn,
Seit 2007 werden Pandas nur noch ausgeliehen. Quelle: Panda-Diplomatie

Das Ziel der drei weißgekleideten Männer mit dem OP-Bett war ein unter falschem Namen gemieteter nachtblauer Buick GL8 auf einem Parkplatz außerhalb des Krankenhausgeländes. Sinnhuber keuchte und schwitzte. Die kühle Nachtluft belebte ihn, doch er musste sich setzen, sobald Dr. Fang die hintere Tür des für Sinnhubers europäischen Geschmack fremdartigen Kleinbusses aufgerissen hatte. Der Buick wirkte wie die neureiche Version eines VW-Busses.
Finde ich alles entbehrlich, ich wünschte mir stattdessen noch mehr Schmerz und Auseinandersetzung mit der Motivation, das Richige zu tun und für wen oder was er das hier durchzieht. Sowieso ist das Thema Egoismus und Profilierung vs. moralischer und ethischem Handeln noch nicht ausgereizt.

Der ebenso wild entschlossene, wenn auch von Ehrgeiz getriebene Dr. Fang lenkte den Kleinbus über fast leere Straßen. Die Nacht war lang und kalt.
Haben die chinesischen Buicks keine Heizung?:p

Erst gegen sieben Uhr morgens entdeckte das Klinikpersonal Sinnhubers Abwesenheit. Die diensthabende Stationsschwester verständigte die Polizei.
Das fand ich sowieso komisch, dass ein frisch operierter Patient mit Pandaherz nicht rund um die Uhr überwacht wird, ich meine, wir sind ja in China, ähem.

Sie wollten kein Aufsehen erregen: „Halten Sie den Kopf unten, Herr Professor!“
Das Land, in dem ein europäischer Mann mehr Aufsehen erregt, als ein grosser Panda, he, he.

Aber alles in allem hat mir die skurile, aber mit leiser Gesellschaftskritik gespickter Geschichte gut gefallen. Ich unterstütze übrigens @deserted-monkeys Vorschlag, mit dem offeneren Ende auszusteigen.
Der Rest macht unnötig ein weiteres Fass auf.

Bernerbärige Grüsse, dot

 

Werte Kommentatoren!

Vielen Dank für eure sehr detaillierten und wichtigen Anmerkungen! Ich habe sie in mein Notizbuch eingetragen und werde sie erst einmal sacken lassen, bis demnächst wieder eine inspirierte Phase kommt. ;)

Besonders die von @lakita geforderte Beschreibung der inneren Konflikte wird der Geschichte mehr Tiefe geben.

Mindestens die Hälfte der Hinweise von @deserted-monkey werde ich umsetzen. Sie werden helfen, einige ungelenke Formulierungen zu verbessern. Bei vielen Details habe ich eine andere Auffassung und mag generell mehr Fakten. Ich musste jedoch sehr oft zugeben, dass du recht hast.

Über die Besuche von @Reiner und die länger werdenden Kommentare habe ich mich sehr gefreut. Als Schreiber wünscht man sich halt möglichst spezifisches Feedback. Ich denke, dass man Geschichten und Romane mehr mit dem Unbewussten als mit dem rationalen Verstand liest und denke auch, dass der Gesamteindruck am wichtigsten ist.

Vielen Dank fürs Vorbeischauen @dotslash! Dass Pandabären nur verliehen werden, wusste ich nicht.

Überarbeitung kommt bald.

Freundliche Grüße
Berg

 

Hallo @Berg ,

Vielen Dank für eure sehr detaillierten und wichtigen Anmerkungen! Ich habe sie in mein Notizbuch eingetragen und werde sie erst einmal sacken lassen, bis demnächst wieder eine inspirierte Phase kommt. ;)
Ja, erstmal sacken lassen. Sehr gute Entscheidung. Gut Ding will Weile haben, sagt man so schön und hier bei unseren Texten und deren Überarbeitung findet dieser Spruch sich vollkommen berechtigt wieder. Die Dauer dieser Phase ist ja bei jedem von uns unterschiedlich lang. Finde ich sehr gut, dass du das auch für dich erkannt hast.
Besonders die von @lakita geforderte Beschreibung der inneren Konflikte wird der Geschichte mehr Tiefe geben.
Das freut mich sehr, dass du meine Gedankengänge verstanden hast.

Guten Erfolg!


Lieben Gruß
lakita

 

Über tausend Kilometer entfernt spürte die Pandadame Fu-Chin, die noch immer in den Hügeln von Shaanxi lebte und den ganzen Tag Bambus fraß, seinen Tod. Sie war gefangen und entführt worden, doch ihr Liebster hatte sie gerettet. Nun war der letzte Teil von ihm gestorben.
Moin Berg,

das Ende würde ich ersatzlos streichen, das wirkt schon sehr wie ein Klischee. Ich finde, das hat der Text nicht nötig.

Schwer zu sagen, warum die beiden Assistenten bei der Entführung überhaupt mitmachten. China war ein Land der Opportunisten.
Ich habe beim Lesen die ganze Zeit daran denken müssen: Warum? Das ist auch widersprüchlich insofern, dass die Chinesen einerseits in der Lage sind, eine komplexe medizinische Operation durchzuführen, andererseits aber nicht auf dem Wissensstand von Sinnhuber in einem anderen Fachgebiet sind. Wäre das jetzt so einer wie Einstein, wäre das etwas anderes, aber nur für ein paar Meriten das Leben riskieren? Und am Ende wirkt diese Geste, das Sinnhuber dann noch Empfehlungen ausspricht für die beiden, und ihre Karrieren damit befördert, irgendwie auch ein wenig jovial, gönnerhaft. Ich frage mich, wofür du die beiden brauchst? Dramatischer und in dem Sinne vielleicht auch zwingender wäre es, wie ich finde, wenn er alles alleine macht, diese ganze Black Ops Sache.

Der Kernpunkt ist dies hier, denke ich:

Es war gegen seine Wertvorstellungen, ein gesundes Lebewesen zu töten, damit ein krankes nicht so schnell starb. Grundsätzlich. Aber es betraf ihn selbst! Der Drang, weiterzuleben, wischte alle Bedenken beiseite.
Und warum er sich danach, nach dem das Tier bereits für ihn geopfert wurde, entscheidet, die Bärin zu retten, das finde ich fatal und auch recht selbstbezogen, weil damit nimmt er ja auch einem anderen Menschen die Möglichkeit, weiterzuleben. Das ist ja diese Logik, einer stirbt, einer lebt. Im Westen wird ja oft ganz grundsätzlich die Moralkeule geschwungen, die Deutschen können das besonders gut, dem Rest der Welt erklären, dass sie gefälligst ihren Müll zu trennen haben und überhaupt, deswegen sind sie auch so beliebt. Aber das hier, das Zitat, das ist ja doch sehr wahr: Man kann große Reden schwingen, aber wenn es dann ans Eingemachte geht, wenns um das eigene Ideal geht, wirklichn nah und intim und sich ganz konkret etwas verändert, vielleicht sogar verschlechtert, DANN müssen wir uns das nochmal überlegen. Die Welt retten, aber bitte mit Ipad und Wifi. Insofern ist das ein hochinteressanter Ansatz in deinem Text, wo es für mich um eine ethische Fragestellung geht. Ich bin Jäger, ich töte ein Tier um es dann zu essen. Ist das moralisch vertretbar? Für mich, ja. Ein Veganer sieht das anders. Diese Ambiguität muss man eben aushalten. Hier wird ein Tier getötet, um einen Menschen weiterleben zu lassen. Man kann fragen: Ist das moralisch korrekt? Sind diese beiden Leben gleich viel wert? Der Forscher könnte bahnbrechende Entwicklungen und Entdeckungen machen, die der Menschheit insgesamt nutzen: da würde ich utilitaristisch argumentieren. Der Pandabär wird sehr wahrscheinlich niemals eine großartige Erfindung tätigen. Müsste sich das der rationale, westlich geprägte Forscher nicht auch fragen? Müsste der das nicht distanzierter betrachten? Und wenn nicht, warum nicht? Das fehlt mir hier. Er müsste eine Art Erweckungserlebnis haben, er müsste seinen eigenen moralischen Kompass viel härter und unnachgiebiger neu ausrichten, denn er rettet ja nicht nur den Bären, sondern sabotiert eine andere, eventuell lebensrettende Operation und gefährdet damit ein Menschenleben. Ich denke, das kommt mir in dem Text zu kurz, da wo es für den Charakter Sinnhuber wirklich unangenehm wird, wo es auch um die Frage nach dem Wert eines Lebens geht, die Verstrickung, was das mit einem macht; ich sage immer, in Deutschland hat jeder Hund mehr Rechte als Kinder. Allgemein die Vermenschlichung von Tieren halte ich für gefährlich, und ich bin dafür oft angegangen worden, wenn ich klar sagen, ich würde ein Menschenleben im absoluten Zweifel immer dem Tier vorziehen. Das bin jetzt ich und das hat nichts mit dem Text zu tun, aber als Ansatz, wo ich denke, da könnte man noch tiefer reingehen. Diese Rettermission, die startet er so ein wenig aus dem Nichts, das wirkt mir zu impulsiv.

Ja, das sind so meine ersten Gedanken, melde mich später nochmals!

Gruss, Jimmy

 

Lieber @Berg,

Mich hat die Geschichte sehr berührt. Du hast ja schon viel ausführliches Feedback bekommen, daher wollte ich hier nur einen kurzen Kommentar schreiben.
Was das Ende (mit der Pandabärin) betrifft, muss ich @jimmysalaryman widersprechen. Ich würde es keinesfalls streichen. Meiner Meinung nach rundet es die Geschichte sehr schön ab und unterstreicht zudem nochmal die Idee, - für mich der Kern der Geschichte - dass das Herz der Sitz der Seele/Persönlichkeit (wie auch immer) ist. Das hat mir zum Schluss noch einmal einen Strich gegeben.
Großes Lob für die Geschichte!

LG Jorinde

 

Hallo @Berg,
eine hübsche, kleine Geschichte (ich hoffe, du emfindest das Wort "hübsch" nicht als negativ oder despektierlich, es ist jedenfalls als Kompliment gemeint und hübsch trifft meinen Leseeindruck am besten.)

Für mich gehts in dem Text um Bindung und um Unerklärliches, darum, dass es zwischen Himmel und Erde mehr gibt, als wir meinen, etwas das über Wissenschaft und Logik hinausweist, und ich finde das über diese vordergründige Geschichte der Pandabärenherz-Transplantation gut gelöst. Das ist zumindest das, was für mich zwischen den Zeilen deines Textes vibriert, und alle meine Anmerkungen beziehen sich auf diese Lesart, auch diese jetzt: der Text könnte für mich noch etwas mehr auf den Punkt sein, für mich ist das Pacing noch nicht 100% und ich glaube, das liegt daran, dass der Erzähler immer wieder Informationen weitergibt, die für die Geschichte nicht relevant sind (in meiner Lesart ...) Was mich wirklich genervt hat, waren die vielen Absätze und dass manchmal ein Absatz aus nur einem Satz besteht.

Der während eines Auslandsjahres in China tätige Chemiker Dr. Peter Sinnhuber bekam von der Tsinghua-Universität ein Spenderherz angeboten. Er konnte es annehmen oder sterben: Fortgeschrittene Arteriosklerose und mehrere Infarkte kündigten das Ende seines Lebens genauso zuverlässig an wie der Fahrplan die neuen Hochgeschwindigkeitszüge zwischen Beijing und Schanghai. Dabei war er erst 55.
Gefällt mir. Ist gut auf den Punkt.

Einige Funktionäre der KPCh ergriffen diese Gelegenheit wie ein herrenloses Schaf, um eine Operation in die Wege zu leiten, die sehr viel Prestige versprach. Sie wollten der Welt zeigen, dass das alte Europa weder die Mittel noch den Willen hatte, seine bedeutenden Wissenschaftler zu retten, wenn diese einmal Hilfe brauchten.
Gefällt mir auch, bringt noch mal eine andere Perspektive. Der Teil zwischen diesem und vorherigen Zitat finde ich zB eher unerheblich. Das mal exemplarisch zur Info, wo genau ich Kürzungspotential sehe.

„Sie werden ihn umbringen“, sagte Sinnhuber leise.
In der Tat! Von daher bin ich auch nicht sicher, ob man einem Pandaherzenempfänger ein Bild des Pandas beim Bambusfuttern zeigen würde (das ist keine Kritik, nur eine Überlegung, die mir kam) ...
Doch er dachte sofort: Besser der Panda als ich.
Ja, wer würde das nicht denken?

Es war gegen seine Wertvorstellungen, ein gesundes Lebewesen zu töten, damit ein krankes nicht so schnell starb.
Das fand ich eine wirklich merkwürdige Aussage, als ob so etwas total oft vorkommt. Und ich verstehe das vor allem so, dass Sinnhuber Vegetarier sein muss, weil noch mehr gegen die Wertvorstellung "ein gesundes Tier zu töten, um ein krankes Tier zu retten", müsste doch sein: "ein gesundes Tier zu töten aus Vergnügen (nicht Vergnügen am Töten, aber am Fleisch essen). Vielleicht könntest du hier noch mal klarer machen, ob bzw was genau seine Wertvorstellungen sind ...

Eine Assistentin reichte ihm eine Mappe mit einem Umschlag aus Kunstleder, die sich kühl anfühlte. Er hatte keine Kraft in den Händen und Mühe, sie zu halten.
Finde ich zb auch eine unerhebliche Information ... trägt nichts zur Geschichte bei, schafft nicht wirklich Atmosphäre ... ist nur ein (mMn) unerhebliches Detail ...
Während die Chinesen enthusiastisch und in englischer Sprache auf ihn einredeten, dachte Sinnhuber noch einmal, als abschließende Feststellung, wie ein Punkt hinter einem unschönen Satz: Sie werden diesen Pandabären umbringen, damit ich leben kann.
Zuvor in einem Absatz steht:
Der Drang, weiterzuleben, wischte alle Bedenken beiseite.
das stimmt ja dann nicht so, weil er dann doch noch mal Bedenken kriegt, so lese ich zumindest den Satz: Sie werden ihn umbringen, damit ich leben kann. Warum sagt er das hier noch einmal? Ich finde, dadurch dass das hier noch mal auftaucht, wird unklar, wie er denn jetzt eigentlich dazu steht ... für mich war das oben eigentlich schon abgehandelt und eingetütet, dann wird es hier noch mal aufgemacht und es bleibt ein großes Fragezeichen zurück ...
Sinnhuber selbst durfte nicht teilnehmen, um zu vermeiden, dass die Aufregung ihn tötete oder dass er es sich doch noch anders überlegte. Diese Auffassung der Verantwortlichen verbreitete sich wie Ringe, wenn man einen Stein in einen Teich wirft, von den höheren Kreisen über die Ärzte und das Pflegepersonal bis an sein Krankenbett.
Weiß auch nicht, ob das wichtig ist ... Und: wenn sie vermeiden wollen, dass er es sich anders überlegt, dann hätten sie ihm doch auch gar nicht erst das Foto von den süßen Pandas gezeigt. Ich fand @dotslash Frage gut, ob wohl Schweine dieselbe Wirkung hätten wie Pandas. Außerdem verbreiten sich diese Ringe im Wasser ja nicht, sondern sie breiten sich aus, oder? verbreiten klingt, als würde die Welle breiter und breiter werden ...

Sie stand als Nächste auf der Todesliste. Sinnhubers Pfleger vermuteten, dass sie in einigen Monaten fällig war.
Klar, wenn man es so formuliert ... ist das die Sicht des Erzählers oder die von Sinnhuber?

Eine Pflegerin schob ihn vor das Gitter des Käfigs. Als die traurigen Augen der Pandabärin ihn erblickten, spürte Sinnhuber in sich eine starke Reaktion. Das Herz in ihm weitete sich wie ein Fluss, der über die Ufer trat.
Für mich ist das der Kern der Geschichte. Finde das auch ein schönes, wenngleich nicht ganz genau zu erfassendes Bild. Das Herz weitet sich wie ein Fluss, der über das Ufer tritt. Für mich verlässt der Text hier die Wissenschaft, und bildet somit auch einen Kontrast zum wissenschaftlichen Duktus des Erzählers. MMn gehts hier nicht um irgendwelche psychologischen Effekte oder so, sondern ich lese es genau so. Es ist nicht sein Herz, es ist das Herz des Pandas, das in ihm schlägt und weit wird. Wissenschaftlich gesehen ist das ja Humbug, also darum kann es ja nicht gehen ... und das da irgendwelche psychologischen Mechanismen wirken, mnee, das würde die Person des Sinnhubers total unsympathisch machen, weil er ja dann tatsächlich ein Arsch wäre, der einen toten Panda für sein eigenes Leben in Kauf nimmt, aber bei anderen sagt: mnee, find ich nicht gut, dass ein Panda sterben muss, damit du leben kannst und das müsste meiner Meinung nach dann im Text noch anders bearbeitet werden ... vielleicht also könnte die Bedeutung des Pandaherzens noch etwas genauer geklärt werden ...

Dort schlug nun in seinem Fleisch das Herz eines Pandabären und erzeugte ein warmes Gefühl, das in seinen gesamten Organismus ausstrahlte. In der Politik existierte dieses Gefühl nicht. Auch die moderne Medizin kannte es nicht.
Ja, genau ... das ist, was für mich die Geschichte hübsch macht ... genau dieser Kontrast und ich glaube, mir würde die Geschichte noch besser gefallen, wenn sie mehr darauf ausgerichtet wäre, etwas stringenter, aber ich glaube, das sagte ich schon und du hast dir sicherlich etwas dabei gedacht, die eher etwas ausschweifender zu erzählen ... für mich persönlich gibt es einige Längen, die auch vom Wesentlichen ablenken ... allerdings, wenn ich die anderen Kommentare so lese, geht es ja für die meisten darum, wie wir mit Tieren, generell mit anderem Leben umgehen ... das ich das jetzt so anders lese könnte auch bedeuten, dass es vielleicht noch nicht so richtig klar im Text angelegt ist ...

Viele Grüße
Katta

 
Zuletzt bearbeitet:

Werte Kommentatoren!

Es ist wieder einmal an der Zeit, Notizen zu machen und eure vielen Anmerkungen etwas sacken zu lassen.

Worum es in der Geschichte aus meiner Sicht geht: Angenommen, das Herz ist nicht einfach nur ein Muskel, sondern es enthält auch Gedanken und Gefühle. In diesem Fall die Gedanken und Gefühle eines Pandabären. Wenn man es in einen Menschen verpflanzt, bekommt man sozusagen einen Hybrid-Organismus. Vor allem sein innerer Antrieb wird neu. Seine große Liebe ist auf einmal eine Pandabärin.

Hallo @jimmysalaryman !

Danke fürs Vorbeischauen und Deine interessanten Gedanken zur Ethik.


Zur Frage, warum die beiden Assistenten bei der Entführung überhaupt mitmachten:

Ich habe beim Lesen die ganze Zeit daran denken müssen: Warum? Das ist auch widersprüchlich insofern, dass die Chinesen einerseits in der Lage sind, eine komplexe medizinische Operation durchzuführen, andererseits aber nicht auf dem Wissensstand von Sinnhuber in einem anderen Fachgebiet sind. Wäre das jetzt so einer wie Einstein, wäre das etwas anderes, aber nur für ein paar Meriten das Leben riskieren? Und am Ende wirkt diese Geste, das Sinnhuber dann noch Empfehlungen ausspricht für die beiden, und ihre Karrieren damit befördert, irgendwie auch ein wenig jovial, gönnerhaft. Ich frage mich, wofür du die beiden brauchst?
Ich denke, dass wir Europäer echte Innovationen und radikales Neudenken besser können als die Chinesen. Oder, besser gesagt: einige wenige Genies unter uns. Leute wie Einstein und Tesla. Die Chinesen sind dafür besser bei langfristigen Planungen und bei der pragmatischen Umsetzung. Mag sein, dass das etwas pauschal ist.

Ohne die beiden Assistenten könnte Sinnhuber die Pandabärin nicht entführen. Er wäre physisch nicht dazu in der Lage. Vielleicht sollte ich den beiden Jungs noch etwas mehr Persönlichkeit geben. Sie sind ehrgeizige Leute in einer Gesellschaft mit brutalen Verdrängungswettbewerben, in der die Schwachen untergehen. Sinnhuber ist sozusagen ihr Ticket zu einem besseren Leben.

Und warum er sich danach, nach dem das Tier bereits für ihn geopfert wurde, entscheidet, die Bärin zu retten, das finde ich fatal und auch recht selbstbezogen, weil damit nimmt er ja auch einem anderen Menschen die Möglichkeit, weiterzuleben.
Er ist eben nicht mehr derselbe wie vorher. Die Bärin ist nicht einfach ein Tier, sondern seine große Liebe.

DANN müssen wir uns das nochmal überlegen. Die Welt retten, aber bitte mit Ipad und Wifi. Insofern ist das ein hochinteressanter Ansatz in deinem Text, wo es für mich um eine ethische Fragestellung geht. Ich bin Jäger, ich töte ein Tier um es dann zu essen. Ist das moralisch vertretbar? Für mich, ja. Ein Veganer sieht das anders. Diese Ambiguität muss man eben aushalten. Hier wird ein Tier getötet, um einen Menschen weiterleben zu lassen. Man kann fragen: Ist das moralisch korrekt? Sind diese beiden Leben gleich viel wert? Der Forscher könnte bahnbrechende Entwicklungen und Entdeckungen machen, die der Menschheit insgesamt nutzen: da würde ich utilitaristisch argumentieren. Der Pandabär wird sehr wahrscheinlich niemals eine großartige Erfindung tätigen. Müsste sich das der rationale, westlich geprägte Forscher nicht auch fragen? Müsste der das nicht distanzierter betrachten? Und wenn nicht, warum nicht?
Vermutlich sehen wir das sehr ähnlich. Ich denke, in der Realität ist Moral etwas sehr Subjektives. Der Wert, den wir anderen Menschen zugestehen, hat direkt mit uns zu tun. Ein Familienmitglied ist mir hundertmal wichtiger als irgendein Nobelpreisträger. Andererseits sind Menschen auch fähig, sich selbst für größere Ideen und das Wohl des Ganzen zu opfern. Dazu ist aber eine Menge innere Überzeugungsarbeit nötig. Ein innerer Dialog, bei dem man das Für und das Wider abwägt. Gerade in Zeiten, in denen gewisse Politiker mit der größten Begeisterung Menschen in den Krieg schicken wollen, habe ich großes Misstrauen gegen Ideale, für die Menschen geopfert werden sollen.

Er müsste eine Art Erweckungserlebnis haben, er müsste seinen eigenen moralischen Kompass viel härter und unnachgiebiger neu ausrichten, denn er rettet ja nicht nur den Bären, sondern sabotiert eine andere, eventuell lebensrettende Operation und gefährdet damit ein Menschenleben. Ich denke, das kommt mir in dem Text zu kurz, da wo es für den Charakter Sinnhuber wirklich unangenehm wird, wo es auch um die Frage nach dem Wert eines Lebens geht, die Verstrickung, was das mit einem macht;
Jetzt, im Nachhinein, fällt mir auf, dass er nicht rational über diese Dinge nachdenkt. Sein rationaler Verstand wird nur beim Umsetzen der Rettungsaktion aktiv. Auch wenn man verliebt ist, pfeift man doch auf solche Überlegungen von Gerechtigkeit. Wie gesagt: Die Bärin ist seine große Liebe. Natürlich ist das für seine bisherige Weltsicht absurd. Aber das Erleben des Gefühls ist unmittelbarer als das Nachdenken darüber.

Liebe @Jorinde21 !

Mich hat die Geschichte sehr berührt. Du hast ja schon viel ausführliches Feedback bekommen, daher wollte ich hier nur einen kurzen Kommentar schreiben.
Was das Ende (mit der Pandabärin) betrifft, muss ich @jimmysalaryman widersprechen. Ich würde es keinesfalls streichen. Meiner Meinung nach rundet es die Geschichte sehr schön ab und unterstreicht zudem nochmal die Idee, - für mich der Kern der Geschichte - dass das Herz der Sitz der Seele/Persönlichkeit (wie auch immer) ist. Das hat mir zum Schluss noch einmal einen Strich gegeben.
Großes Lob für die Geschichte!
Das freut mich sehr, eben weil es für mich eine schwierige Geschichte war.
Ich denke (jetzt) auch, dass der etwas schmalzige Schluss nötig ist, um zu zeigen, worum es in der Geschichte geht.

@Katta

eine hübsche, kleine Geschichte (ich hoffe, du empfindest das Wort "hübsch" nicht als negativ oder despektierlich, es ist jedenfalls als Kompliment gemeint und hübsch trifft meinen Leseeindruck am besten.)
Damit kann ich gut leben.

Für mich gehts in dem Text um Bindung und um Unerklärliches, darum, dass es zwischen Himmel und Erde mehr gibt, als wir meinen, etwas das über Wissenschaft und Logik hinausweist, und ich finde das über diese vordergründige Geschichte der Pandabärenherz-Transplantation gut gelöst.
Gar so unerklärlich ist es nicht. Der Geschichte liegt einfach die Annahme zugrunde, dass im Herzen sozusagen sehr viel Software steckt. Der Mensch wird ein anderer, wenn er ein anderes Herz bekommt.

Was mich wirklich genervt hat, waren die vielen Absätze und dass manchmal ein Absatz aus nur einem Satz besteht.
Tut mir leid. Das liegt wohl vor allem an meinen schlechten Augen, die beim Lesen Haltepunkte brauchen. Für mich lesen sich längere Absätze wie Beton.

Wertvorstellungen, nach denen es schlecht ist, ein gesundes Lebewesen zu töten, damit ein krankes nicht so schnell stirbt:

Das fand ich eine wirklich merkwürdige Aussage, als ob so etwas total oft vorkommt. Und ich verstehe das vor allem so, dass Sinnhuber Vegetarier sein muss, weil noch mehr gegen die Wertvorstellung "ein gesundes Tier zu töten, um ein krankes Tier zu retten", müsste doch sein: "ein gesundes Tier zu töten aus Vergnügen (nicht Vergnügen am Töten, aber am Fleisch essen). Vielleicht könntest du hier noch mal klarer machen, ob bzw was genau seine Wertvorstellungen sind ...
Vielleicht habe ich mich bei dieser Stelle zu sehr auf aktuelle Moralvorstellungen eingelassen. Jemand, den wir lieben, ist nicht irgendein Lebewesen, dem wir einen Wert in Form einer bestimmten Größe zuweisen.

Zuvor in einem Absatz steht:
Der Drang, weiterzuleben, wischte alle Bedenken beiseite.
das stimmt ja dann nicht so, weil er dann doch noch mal Bedenken kriegt, so lese ich zumindest den Satz: Sie werden ihn umbringen, damit ich leben kann. Warum sagt er das hier noch einmal?
Ist das nicht oft so, dass wir etwas innerlich schon geklärt haben, dass dann aber trotzdem noch jede Menge Überlegungen kommen und das Abwägen weitergeht? Der Satz „Sie werden ihn umbringen, damit ich leben kann.“ ist seine Einordnung der Situation. Wie ein Label, das er der Situation verpasst hat.

Außerdem verbreiten sich diese Ringe im Wasser ja nicht, sondern sie breiten sich aus, oder?
Okay. Das ist eine bessere Formulierung.

Es ist nicht sein Herz, es ist das Herz des Pandas, das in ihm schlägt und weit wird. Wissenschaftlich gesehen ist das ja Humbug, also darum kann es ja nicht gehen ...
Doch. Darum geht es. Als Hypothese und „Was wäre, wenn...“.

das würde die Person des Sinnhubers total unsympathisch machen, weil er ja dann tatsächlich ein Arsch wäre, der einen toten Panda für sein eigenes Leben in Kauf nimmt, aber bei anderen sagt: mnee, find ich nicht gut, dass ein Panda sterben muss, damit du leben kannst und das müsste meiner Meinung nach dann im Text noch anders bearbeitet werden ...
Vor der Herzverpflanzung war er ein rational denkender Naturwissenschaftler. Nachher schleicht sich die Liebe zu der Pandabärin in sein System. Der herzkranke Funktionär ist im Vergleich dazu so weit weg, dass er völlig unwichtig wird. Natürlich ist das brutal.

Euch allen danke fürs Lesen und kommentieren!

Berg

 

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