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Mein Freund der Baum
" Nächster Halt Asen!" schallt es aus dem Abteillautsprecher.
Gut denke ich, da bin ich ja fast an meinem Ziel. Da wo ich geboren bin. Das ist ja schon eine Weile her, mal überlegen, 50 Jahre oder so. Das war kurz vor dem Kriegsende, dem "Grossen Krieg", wie er auch genannt wurde.
Mich hat es damals nach Amerika verschlagen und jetzt bin ich 80. Bin nicht mehr so gesund wie damals, will aber unbedingt noch mal zu meinen Wurzeln zurück. Auch wenn es das letzte ist, was ich mache. Meine Kids haben mir davon abgeraten, sagten ich solle mich auf jeden Fall melden, wenn ich ankomme. Na ja mal sehen.
Stop da ist die Anzeige, wir laufen in Asen ein. Bin mal gespannt, wie ich jetzt weiterkomme.
Damals fuhr ja noch ne Strassenbahn nach Weisen, da wo ich her bin.
So raus aus dem Zug, bin echt gespannt, ob ich noch was wieder erkenne. Es soll ja damals viel zerstört worden sein als die "Amis" nach hier kamen.
Was bin ich eigentlich? Noch ein "Kraut", wie die germans von den Amerikanern genannt wurden? Oder doch schon ein "Ami", nach den 50 Jahren?
So da ist der Bahnhofsplatz, also Strassenbahnen gibt es nicht mehr. Mal nachfragen, wie ich nach Weisen komme.
Es sieht alles ganz anders aus, viele Häuser sind neu gebaut, seit damals. Vielleicht hab ich ja später noch die Zeit, um mir mal alles genauer anzusehen.
Da kommt mein Bus, die Linie 11, die gab es ja schon als Strassenbahn, komisch, etwas bekanntes.
Jetzt noch ne halbe Stunde und ich bin "zu Hause".
Da kann ich ja noch etwas schlafen, der Fahrer weckt mich ja.
Netter Fahrer, er hat mich wirklich geweckt. Das ist also Weisen.
Und da steht er "mein Freund, der Baum".
Mit ihm fühle ich mich wirklich verbunden, denn er hat mich in meinen ersten 30 Lebensjahren begleitet.
Mein Vater, der war Gärtner, hat ihn als Steckling in einen Blumentopf gesteckt und als ich 3 Jahre alt war, habe ich geholfen, ihn auf den Dorfplatz zu pflanzen. Das war mein erster Baum, von so vielen, die noch folgten, den ich gepflantzt habe. Es macht mich richtig stolz, dass er noch immer steht und so gross geworden ist.
Er fühlt sich gesund an, meine Buche. Hat allerdings einige Narben und ein paar Herzen sind auch noch zu sehen. Eins hab ich rein geritzt, davon aber später noch mehr.
Schade, dass er nicht reden kann, was er so alles erlebt hat.
Als ich noch ein Kind war, hatte ich im Sommer die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass er genug Wasser hatte.
Im Kindergarten hiess es dann immer: "Kommst Du mit, zum Baum?"
Er war zu unserem Treffpunkt geworden und blieb es auch............