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Mein Dad ist ein Kleinwagen.

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21.12.2008
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Mein Dad ist ein Kleinwagen.

„Was soll denn das heißen, trockener als die Kaffeeränder auf Ihrem... Da redet doch jetzt keiner von Verarschung hinter Ihrem Rücken, beziehungsweise Ihrem Ar-... Ich lach‘ ja gar nicht, das hört sich nur so... W-... Ja... Wer in diesem Laden schreibt denn schon auf Anhieb den perfekten Artikel, vor allem in meiner... und auch in persönl-... hm...“

Es ist wieder eines dieser Rechtfertigungstelefonate zwischen meinem Dad und seinem Boss.

„Ja, Herr Altkaiser, eine klar definierte Haltung gegenüber den eigenen Angestellten ist ja ganz normal... hm... Da... Da kommt es vor, dass man private Probleme auch mal auf eine berufliche Ebene projiz-... Das ist jetzt aber kein Grund, ausfal-... hm... Ist es. Ich ha-... Ich habe verstanden, Herr...“

Es knackt hörbar in der Leitung.

„Herr Alt... Herr...“

Halbe Sekunde bis zur Erleuchtung, weitere halbe Sekunde bis zum Auftakt des Dramas.

„Ja, Herr Altkaiser, ja gut...“

Gespieltes selbstgefälliges Lächeln.

„Das ist doch, das ist doch halb so wild, Herr... Ah, sie müssen sich doch nicht entschuldigen, wir haben ja alle so unsere Schwierigkeiten...“

In diesem Schauspiel ruft er zwar mehr Mitleid hervor als ein Lamborghini mit „Baby an Bord“-Sticker, aber nie im Leben Glaubwürdigkeit.

„Aber Sie müssen sich doch jetzt nicht persönlich bei mir... Ach was, ich bin ja nicht nachtragend...“

Boah, peinlich. Das hier ist echt die einzige Disziplin, in der man ihn als Lamborghini bezeichnen kann. Bei allem Lebenswichtigen ist er in der Regel mehr wie die allererste Version des Fiat Multipla.

„Ist in Ordnung, Herr... Ja, dann will ich mal wieder an die Arbeit... Ja genau, die, von der ich weiß, wie sehr Sie sie doch schätzen... Ja genau...“

Aber sowas von Fiat.

„Ich würd‘ ja gern noch etwas plaudern...“

Solange kann das doch nicht einmal ihm Spaß machen. Ätzend. Ich fingere heimlich mein Handy aus der Tasche.

„Die Frauen, ja, Herr Altkaiser, genauso leidiges Thema wie eh und... Öh... Hoppla, ich und die liebe Technik...“

Räuspern.

„Redaktion, Hoffmann am Apparat, wer ist da?“

Ich erhebe mich und lege demonstrativ auf, verkünde mein Interesse an billigem Kantinenfutter und lasse ihn zu seiner Erleichterung mit der Sache in Ruhe. Für meinen Praktikumsbericht habe ich unter einem der vielen Modellautos auf dem Schreibtisch sowieso dieses kleine Diktiergerät versteckt, das die ganze Zeit mitgelaufen ist. Ich glaube, es war unter dem Lamborghini.

 

Hallo EinePizza,

für ein erstes Posting ist der Text ganz ordentlich. Mir hat gefallen, wie Du das Gespräch und die Gedanken des Erzählers verknüpfst, und dem Vergleich mit den Autos durch das versteckte Mikrophon unter dem Lamborghini eine gewisse Würze verleihst. Dass Väter in solchen Geschichten grundsätzlich erbärmlich sind und hintergangen werden dürfen, finde ich allerdings nicht so toll.

Freundliche Grüße,

Berg

 

Hallo Berg und danke für deine Antwort!

Nur zur Klarstellung: Ich wollte keinesfalls ausdrücken, dass Väter grundsätzlich schlecht seien etc. Ich besitze sogar selbst einen Vater und er funktioniert noch ganz gut. Ich habe einfach ein Verhältnis gesucht, in dem der eine dem anderen "von Natur aus" seine Stärke und Größe beweisen will, um möglichen Erwartungen gerecht zu werden. Das Ganze hätte vielleicht ähnlich gut mit zwei Kollegen oder Freunden klappen können. Nur schwingt eben bei Eltern-Kind-Beziehungen gleich dieser gewisse Zwang von wegen Vorbildcharakter mit, der es hier womöglich einfacher macht, sich die Situation vorzustellen.

Ansonsten vielen Dank für das Lob und liebe Grüße
EinePizza

 

Hallo EinePizza!

Schöne Geschichte von dir, die ich mit einem (Dauer-) Schmunzeln gelesen habe.
Die Beobachtungen und Gedanken des Erzählers sind sehr kurz und knapp gehalten; was ich sonst ja gerne kritisiere, ist in diesem Fall eine gute Entscheidung. Der Vergleich mit den Automarken reicht, um den Vater zu charakterisieren und gleichzeitig den - eher milden als bösartigen - Spott des Erzählers zu verdeutlichen.

"Lamborghini" hört sich gut an, aber gelesen wirkt dieser Name wie eine Bremse im Text; zu viele Silben und exotische Schreibweise. Will das jedoch nicht als Gemeinplatz verstanden haben, ist wohl eher ein persönlicher Eindruck. "Ferrari" würd ich besser finden; kurz und knackig, höherer Bekanntheitsgrad und Fiat und Ferrari sind oder waren mal verbandelt.

„Die Frauen, ja, Herr Altkaiser, genauso leidiges Thema wie eh und... Öh... Hoppla, ich und die liebe Technik...“
Zwischen und und Öh könnte noch ein Einschub rein. Irgendeine Bemerkung des Erzählers, wie dem Vater das Telefon ins Ohr klingelt.

Gruß

Asterix

 

Hi Asterix!

Freut mich, dass dir die Geschichte gefallen hat. Und vor allem, dass du dabei geschmunzelt hast. Gerade in der Rubrik "Humor" erwartet man ja etwas Bestimmtes von einer Geschichte, nämlich dass sie den Leser amüsiert. Ich hatte anfangs so meine Zweifel und bin jetzt einigermaßen erleichtert. :)

Das mit dem Lamborghini verstehe ich. Ich sollte auch einräumen, dass ich mich mit Autos kaum auskenne. Ferrari hat mir beim Schreiben einfach nicht so gut gefallen, das ist zwar griffiger, aber ein bisschen ausgeleiert. Ferrari kennt jeder, Lamborghini wirkte auf mich etwas origineller, wenn auch als viersilbiges Wort weniger flüssig zu lesen.

 

Heyho EinePizza,

großes Lob für diese Geschichte, bei der ich mir ein (Dauer-)Grinsen nicht verkneifen konnte.
Solche Gespräche kann ich mir sehr gut in der Realität vorstellen und bringen mich so aufgeschrieben mit den vielen Automarkenvergleichen zum Lachen.

Grüße,

Medi

 

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