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Mehr Schweinchen
Auf dem Bauernhof von Herrn Brise lebten eine Menge verschiedener Tiere. Da gab es ein paar gefleckte Kühe, zwei alte Pferde, mehrere Schafe, einen bissigen Hund, drei verschmuste Katzen und ein armes einsames Schweinchen. Bauer Brise hatte einfach kein Geld, um für das Schweinchen Rosa einen Freund zu besorgen. Außerdem hatte er keine Zeit, sich um ein trauriges Schwein zu kümmern. Er musste ja schließlich jeden Tag mit seinem Traktor auf die Felder tuckern und zweimal am Tag seine Kühe melken. Wenn er Rosa sah, brummelte er immer nur in seinen Bart:
„Ach du armes Schwein! Suhl dich doch in den schlammigen Pfützen, oder geh ein bisschen im Wald spazieren. Dort triffst du deine Verwandten, die Wildschweine.“
Aber Rosa grunzte ständig unzufrieden. In den Pfützen war es ihr viel zu dreckig. Schließlich war sie ein ordentliches und sauberes Schweinchen. Und die Verwandten, tschja, die wollte sie auf keinen Fall treffen. Die waren ihr viel zu wild und schubsten sich ständig. Sie hatten scheußlich borstiges Fell und wühlten ununterbrochen im Dreck. Sie suchten nach den stinkigen Trüffeln. Rosa ekelte es bei dem Gedanken.
Viel lieber legte sich Rosa auf die frisch gemähte Wiese in die Morgensonne. Sie putzte sich jeden Tag sorgfältig und achtete darauf, dass sie nicht in den Schlamm trat. Die anderen Tiere machten sich oft lustig über Rosa. Der bissige Hund bellte:
„He Rosa! Rosarotes Porzellanschweinchen!“ Die Schafe meckerten:
„Ro-o-o-o-o-s-a-a-a-a, du pi-i-i-i-i-n-g-e-e-l-i-i-g-e-e-s Schweinche-e-e-n:“
Aber Rosa klappte ihre Ohren nach hinten und beachtete die anderen Tiere einfach nicht.
Als sie eines Tages wieder mal auf der schönen Wiese lag, ratterte ein alter Laster in den Hof. Ein großer hagerer Mann stieg aus und öffnete die hintere Klappe. Er schnappte sich einen Kübel und lief zu Bauer Brise.
„Ah, Moritz! Bringst du mir endlich meine Fische?“, fragte Brise.
„Na klar! Zehn gesunde Karpfen!“
Rosa hatte noch nie in ihrem Leben Fische gesehen. Sofort trottete sie zu dem Eimer und beäugte neugierig, wie die Neuankömmlinge im Wasser ihre Kreise zogen. Bauer Brise bedankte sich und der Laster holperte wieder davon.
Die Fische ließ Herr Brise in den Teich, neben der Scheune gleiten. Rosa sah interessiert zu. Sie schwammen sofort davon und versteckten sich unter den Teichrosenblättern. Von diesem Tag an, lag Rosa jede Minute am Teich und wartete auf die Fische. Sie hatte viel Geduld.
Tatsächlich zeigte sich der dickste Karpfen am häufigsten. An einem kühlen Morgen blubberte er plötzlich zu Rosa:
„Du bist ein merkwürdiges Schwein. Warum suhlst du dich nicht im Dreck. Jeden Tag sitzt du hier und schaust uns zu. Du bist kein gewöhnliches Schwein.“
Rosa konnte vor lauter Überraschung kein Wort sagen. Gerade wollte sie dem Karpfen ihre Unzufriedenheit erzählen, da plapperte er auch schon weiter:
„Hast du schon einmal das Meer gesehen? Dort gibt es noch viele andere Fische. Große, gefährliche, kleine und bunte. Da würdest du staunen! Ich habe einmal einen Lachs gekannt ... ja, ja ... der hat mir wundersame Geschichten über die Ozeane erzählt.“
Endlich hatte Rosa ihre Stimme wieder gefunden.
„Im Meer? Ozeane? Was ist das?“
Und dann fing der Karpfen an, dem Schweinchen Rosa vom großen weiten Meer zu erzählen. Er schilderte es ihr in den schönsten Farben, tauchte mit ihr in Gedanken bis in die tiefsten Tiefen und schwamm um die buntesten Korallen herum. In allen nur denkbaren fantasievollen Formen und Farben malte sich Rosa die Schönheiten der Ozeane aus.
Nun besuchte sie den alten Karpfen jeden Tag und sie bekam schreckliche Sehnsucht. Sie wollte unbedingt das weite blaue Meer sehen.
Als der dünne Mann mit dem Laster eines Tages wieder auftauchte, nahm Rosa all ihren Mut zusammen und sprang durch die offene Tür in den Laderaum. Der Mann merkte nichts, gab Bauer Brise einige bestellte Sachen und verabschiedete sich wieder. Im Laster rumpelte es fürchterlich und Rosa hatte Mühe, auf allen Vieren stehen zu bleiben. Langsam wurde es zwischen den Kartons ziemlich heiß und ungemütlich. Viele Stunden vergingen und plötzlich blieb der Laster stehen.
Die großen Türen öffneten sich und Rosa sprang schnell an dem überraschten Lastwagenfahrer vorbei. Sie rannte und rannte und merkte gar nicht, wie der Boden unter ihren Beinen plötzlich ganz sandig wurde. Was war denn das? Vor ihr rauschte es laut. Noch ein paar Schritte weiter und sie sah das weite blaue Meer, genauso, wie der Karpfen es ihr beschrieben hatte. Ein laue Brise wehte über ihre glatte Schweinchenhaut. Und was war das? Ganz in ihrer Nähe tobten noch mehr saubere Schweinchen am Strand herum. Sofort rannte sie zu den anderen und begrüßte sie mit ihrem Kringelschwänzchen. Dann atmete Rosa tief ein und nun wusste sie es endlich. Hier war sie glücklich und hier würde sie für immer bleiben. Seit diesem Tag gibt es eben nicht nur normale rosa Schweinchen, sondern eben auch Meerschweinchen.