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Thema des Monats Mehr als alles andere auf der Welt

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04.02.2005
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Mehr als alles andere auf der Welt

"The old home town looks the same,
As I step down from the train..."

Der Lieutenant drehte die Anlage des GMC-Trucks auf volle Lautstärke.

"And there to meet me is my mama and my papa
Down the road I look and there runs Mary
Hair of gold and lips like cherry
It´s good to touch the green, green grass of home..."

"Dass Sie diese Kassette immer mitschleppen, Lieutenant..." - "Erinnert mich an meine Freundin, Sarge." - "Hat sie es geschafft?" - "Ja, sie wohnt noch in Uptown." - "Uptown? Da lebt noch jemand? Meine Familie ist da vor anderthalb Jahren draufgegangen. Bei ´ner Plünderung, nach der grossen Trockenheit... Ein paar Wichser haben bei uns nach Lebensmitteln gesucht. Wir hatten nichts."

Der Lieutenant schwieg. Was sollte er sagen? Tut mir leid, Sarge, dass ihre Frau und ihre sechs Kinder aufgeschlitzt und dann bis auf die Knochen abgenagt worden waren? Ich leide mit ihnen? Scheiße. Pam würde es auch erwischen, soviel war sicher. Am Ende wird es alle erwischen. "Halten Sie dort an, Sarge. Zwischen den Autowracks."

***

"Absitzen! Alle runter von der Ladefläche! Alles absichern! Demeleunaere, achten Sie auf die Gruppe Penner da drüben. Sie sind mit der Leiche da beschäftigt, aber man weiss ja nie. Wenn die aufmucken, putzen Sie sie weg." - "Mit Vergnügen, Sir!" Die Soldatin lachte. "Und sollte hier noch ein Fahrzeug vorbeifahren: Sofort anhalten!" - "Sir, wir haben seit Wochen kein Fahrzeug mehr... und wo sollten sie auch Sprit... Jawohl, Sir!"

Die Tankstelle war vor einem Jahr aufgebrochen und geplündert worden. Das war, als es für die Bevölkerung kein Benzin mehr gab. Der Lieutenant setzte sich auf den Drehstuhl des Kassierers. Sein neuer improvisierter Gefechtsstand. Na immerhin gab es ein Radio mit Kassettendeck. Kassetten halten mehr aus als CDs. Und ob das Telefon funktionierte? Im Hörer tutete es. Dann klickte es. "Hallo?" Eine Stimme, so klar und rein wie ein Gebirgsbach. "Pam, ich bin es. Wir sind in der Stadt." - "Du hast es also geschafft. Ich beglückwünsche mich jeden Tag dafür, dass ich Dich gewählt habe. Brian, es ist so heiss, dass ich es nur in der Badewanne aushalte. Du Tapferer, Du, kommst Du mich besuchen?"

***

"The old house is still standing
Though the paint is cracked and dry
And there is that old oak tree I used to play on..."

Die Tür schlug zu. "Brian, die Gegend ist gesichert. Der Sarge ist draussen." - "Corporal Hoffmann, ich danke Ihnen. Die Männer sollen sich im Schatten abwechseln." - "Brian... wer singt denn die Schnulze? Das ist ja noch unerträglicher als die Hitze draussen", ihr Finger klickte auf Stop. Sie war rothaarig und sah geil aus. "Schau mal, was ich gefunden habe", Hoffmann nahm einen Schluck aus einer Whiskeyflasche. "Ist heil geblieben, keine Ahnung warum. Willst... Wollen Sie auch?" Dann flüsterte sie ihm ins Ohr: "Ich würde unheimlich gerne nochmal ficken." - "Hoffmann... Ashley, ruh Dich aus, okay?"

Sie hatte ihre Isomatte neben seine gelegt. In T-Shirt und Tarnhose versuchte er trotz der extremen Hitze irgendwie zu schlafen. Hoffmann flüsterte: "Wie konnte das passieren, Brian... Lieutenant?" - "Ashley, sie nennen es den Super-Treibhauseffekt. Die Klimaveränderung war das Eine. Aber als sie so schnell eintrat, dass dieser Prozess sich selbst verstärkte, konnten sie ihn nicht mehr stoppen. 95% der Erde sind eine lebensfeindliche Wüste, und die Temperatur steigt und steigt." Brian hörte sie wieder trinken. "Ashley, in Zukunft wird es auf der Erde noch soviel Leben geben wie in einem Krematorium." - Sie sagte lange nichts und dann: "Sie sind der Intellektuelle."

***

"Tiger drei, kommen. Hier ist Bunker Delta", das war der Code der Militärbasis nördlich von Baltimore. "Hier Tiger drei." - "Lieutenant, hier ist Colonel Broeker. Sie haben in den letzten drei Jahren gute Arbeit geleistet." Als die Infrastruktur zusammenbrach, hatte sein Zug Lebensmittel verteilt. Als keine Lebensmittel mehr da waren, hatten sie Unruhen zusammengeschossen. Danach hatten sie irgendwie versucht zu überleben und ihm völlig sinnlos erscheinende Transportaufträge ausgeführt. "Als letztes werden Sie daher zu uns nach Bunker Delta verlegen."

"Warum, Sir?" - "Unsere Wissenschaftler haben eine 15%ige Wahrscheinlichkeit dafür errechnet, dass sich das Klima im Laufe einiger Jahrhunderte wieder erholen wird. Eine ausgewählte Gruppe von Zivilisten und Soldaten wird sich nach Bunker Delta begeben. Dazu wird Ihre Einheit gehören. Ein großes Privileg, Lieutenant. Wir werden dort nach Plan Kinder zeugen, und unsere Nachkommen werden den Wiederaufstieg der Menschheit einläuten. Stellen Sie sich das vor! Ist das nicht grossartig?" - "Jawohl, Sir." - "Gut, Lieutenant. Wir sehen uns um 0200 Zulu in Bunker Delta", krächzte das Funkgerät. Das war in acht Stunden. Zu schaffen. "Sir, meine Freundin ist in Uptown." Atmen. "Negativ, Lieutenant. Sie steht nicht auf der Liste der Zivilisten." - "Sir!" - "Es tut mir leid, Lieutenant. Wenn Sie eine Frau wollen, suchen Sie sich aus dem Bunkerpersonal eine aus. Es geht hier um das Überleben der gesamten Menschheit, mein Sohn! Wir sind im Krieg, und im Krieg ist mit Verlusten zu rechnen."

***

"H... hättn Se n´Schluck W...wasser für uns... sind am Verdursten..." - "Verpiss Dich, Leichenfresser, oder ich knall´ Dich ab!" Private First Class Demeleunaere schoss ein paarmal in die Luft, und der Penner verzog sich. Das Mädchen hatte Spass an ihrer Arbeit. Mittlerweile waren auf der anderen Strassenseite mehr Penner aufgezogen. "Das gefällt mir nicht, Lieutenant. Unser Truck ist voll mit Wasser, Lebensmitteln und Medikamenten. Alles, was diese Wichser wollen. Wir sollten aufbrechen."

Der Lieutenant betrachtete einen grünen, eiförmigen Gegenstand in seiner Hand. Dann steckte er ihn in seine linke Seitentasche. "Sarge, ich muss nach Uptown. Dieses Bike funktioniert noch. Wenn ich bis 2000 Zulu nicht zurück bin, verlegen Sie ohne mich nach Bunker Delta."

"Hören Sie, Sarge, Sie warten nicht länger. Keinen Augenblick!"

***

"Then I´ll awake and look around me
To the cold grey walls that surround me
And then I realize that i was only dreaming..."

"Du hast mir Musik mitgebracht?" - "Mmmh." Er mampfte Toast mit Orangenmarmelade. "Dünn bist Du geworden, mein Spatz. Aber Deine Speisekammer ist voll. Wie hast Du das geschafft? Es wird doch nirgendwo mehr Nahrung produziert." Sie war die einzige Bewohnerin der ganzen Strasse, vielleicht hatte sie irgendwo Vorräte gefunden? "Ach, man schlägt sich so durch. Möchtest Du noch Tee?" Barfuss und im Nachthemd legte sie sich zu ihm. Sie war noch schöner als früher. Er schaute auf die Wanduhr. Fünf Uhr nachmittags, 2100 Zulu. Das war gut.

"Erinnerst Du Dich daran, was wir damals auf dem College gesagt haben? Du wirst mich nicht wieder allein lassen, oder? Das würde ich nicht aushalten, keinen Tag würde ich es noch ohne Dich aushalten" sie schluchzte und Brian spürte ihre Tränen auf seiner Brust. Er strich ihr über das Haar. "Wir hatten so viel Angst vor dem Alleinsein, dass wir gesagt haben, bevor im Alter einer von uns stirbt, sterben wir gemeinsam... Nein, ich lasse Dich nicht mehr allein. Ich würde Dich nie im Stich lassen. Ich lasse Dich nie wieder allein." Schweigen, dann: "Aber wir müssen nicht sterben. Wir werden tapfer sein und überleben. Irgendwo wird es Nahrung geben für uns, und Wasser. Lass uns zum Meer fahren, nur Du und ich, würde Dir das gefallen?" Sie legte ihren Kopf auf seine Brust und antwortete nicht.

Sie presste sich an ihn. Ihre babyblauen Augen waren feucht, als sie ihn wieder ansah. "Wird es wehtun?" - "Nein, überhaupt nicht. Baby, ich verspreche es Dir." - "Danke." Als sie sich wieder an ihn schmiegte, griff er in seine linke Seitentasche.

Er drückte sie fester an sich. Dann fand seine rechte Hand den eisernen Ring. Fest presste er die Linke an sich. "Ich liebe Dich, Brian." - "Ich liebe Dich auch, Pam. Ich liebe Dich. Mehr als alles andere auf der Welt."

Dann zog er den Sicherungsstift.

 

So, dass ist mein Debüt. Gerade noch geschafft am Ende des Monats :-) Auf eure Kommentare bin ich nun zum *äh* Zerreissen gespannt. Viele Grüße von Ironman

 

Antreten, Soldat Eisenmann!

Setzen Sie sich auf die verfluchte SciFi-Couch und nehmen Sie sich nen Keks!

Story ganz ordentlich; Stil ist soweit okay, Personen bleiben blass. Das Ende kam zu abrupt, muss von Ihnen sauberer eingefädelt werden ... und Eisenmann:

SETZEN SIE DIE GOTTVERDAMMTEN DIALOGE UNTEREINANDER, SOLDAT!!!

Wegtreten!


Lieutenant Dante

 

Hallo Dante, ich danke Dir für Deine Kritik. Ich war extrem gespannt darauf, was die Leute hier so sagen. Ich bin froh, dass Du es nicht allzu schlimm findest. Das mit den Personen verstehe ich und ich habe ein, zwei Dinge dazu vorbereitet, was es besser machen sollte. Dies dürfte auch das abrupte Ende etwas besser ein fädeln, hoffentlich ohne den Schluss zu ruinieren.

Das mit den Dialogen habe ich zuerst nicht verstanden. Aber dann habe ich mir eine Geschichte von Dir durchgelesen *schleim* und ich glaube, ich weiss, was Du meinst. Also wird es bald eine überarbeitete Version geben. Ich wäre dann froh, wenn Du nochmal drüberguckst.

Vielleicht sagt ja noch jemand was dazu :-)

Viele Grüße, Ironman

 

Was dazu sagen: Ich mochte die Geschichte sehr gerne. Kein großer Knaller, aber atmosphärisch stimmig, bedrückend und traurig. Kunstkino!
Über den Dialogsatz bin ich auch gestolpert. Ein Trick, den ich auch immer benutze: Wenn Du Dir nicht klar über bestimmte Dinge bist, dann schnappe Dir einfach ein paar Bücher (Du besitzt doch welche, oder?) und gucke, wie die Profis das machen.

 

Hi Ironman!

Nun, was Atmosphäre angeht, da hat Dante Recht. Womit er auch Recht hat, ist das mit den Dialogen. Wieso beginnst du keine neue Zeile nach jeder wörtlichen Rede, wie er es dir geraten hat?
Was Originalität des Plots angeht, na ja, da hätte schon ein wenig mehr kommen müssen, um mich zu beeindrucken. ;)
Gestört hat mich eigentlich nur das Ende. Nicht dass es irgendwie schmalzig rübergekommen wäre ( das hast du erfolgreich umschifft ); aber um verstehen zu können, warum sich zwei Menschen gewissermaßen als Selbststerbehilfe in die Luft sprengen, braucht der Leser schon ein wenig mehr als nur ein paar Andeutungen von der ach-so-glücklichen Beziehung, der Megaklimakatastrophe und dem ganzen Sterben. Was du lieferst, ist ein Schlaglicht, was nötig wäre, ist eine psychologische Entwicklung, sonst wirkt der Selbstmord einfach zu pathetisch, klischeehaft und unglaubwürdig. Mein Vorschlag wäre deshalb, lieber ein anderes Ende zu wählen oder das weitere Leben der beiden als langsames Siechtum zu schildern. Erst dann würde auch im Leser die Erkenntnis reifen, dass es das beste ist, gemeinsam abzutreten. Das Siechtum müsste dann auch einen angemessenen Raum einnehmen und Hauptgegenstand der Geschichte sein.
Was vielleicht (noch) nicht nervt, aber arg klischeebeladen daherkommt, ist der obligatorische Oldie am Anfang. Guck dir mal die Kgs zum Monatsthema durch und zähl, wieviele so etwas auch drin haben. Es ist also schon ein wenig abgenutzt.

Einzelheiten:

Bei ´ner Plünderung, nach der grossen Trockenheit...

Bist du Schweizer? Andernfalls bitte ein ß einfügen. Doppel-s nur nach kurzen Vokalen. Vor Ellipsen ein Leerzeichen.

Ein paar Wichser

Es passt eher zu einem Endzeitszenario, wenn die Hungerleider mit einer treffenden Bezeichnung versehen werden. Vielleicht "Crunchers" wegen ihrer Angewohnheit, menschliche Knochen abzunagen? Oder "Cans" als Kurzform von Kannibalen?

Tut mir leid, Sarge, dass ihre Frau und ihre sechs Kinder aufgeschlitzt und dann bis auf die Knochen abgenagt worden waren?

Das wirkt ein wenig überzogen. Kannibalismus kommt bei Hungerkatastrophen zwar vor, wird aber nicht systematisch betrieben. Es sei denn, der Fall der Familie vom Sarge war eine grausame Kuriosität, verschuldet von Psychopathen. So wie du es schilderst, war es das aber nicht. Der Begriff "Wichser" wird später noch mal angewandt ( suggeriert, dass es sich um dieselbe Kategorie von Personen handelt - deshalb meine Empfehlung, dir einen Namen auszudenken ).
Ein anderer Aspekt ist die Zeitform des Satzes: In der Gegenwart der Geschichte wäre es merkwürdig, wenn der Lieutenant in vollendeter Vergangenheit reden würde.

Pam würde es auch erwischen, soviel war sicher. Am Ende wird es alle erwischen.

Wechsel von indirekter zu direkter Gedankenrede. Kennzeichne bitte die direkten Gedanken durch Kursivschrift, sonst irritiert das ein wenig.

"Hallo?" Eine Stimme, so klar und rein wie ein Gebirgsbach.

Synästhetische Vergleiche sind immer ein wenig grenzwertig. Wie soll man etwas Akustisches mit etwas Optischem vergleichen?

Ich beglückwünsche mich jeden Tag dafür, dass ich Dich gewählt habe.
Du Tapferer, Du, kommst Du mich besuchen?"

In wörtlicher Rede die Anrede kleinschreiben. Nur in Briefen gilt dafür die Großschreibung.

Sie war rothaarig und sah geil aus.

Vorsicht vor Klischees.

Willst... Wollen Sie auch?"

Hehe. Ich bezweifle, dass jemand das im englischsprachigen Raum sagen würde. Wie sähe der Wechsel von vertrauter zu offizieller Anrede im Englischen aus? ;)

"Ashley, sie nennen es den Super-Treibhauseffekt. Die Klimaveränderung war das Eine. Aber als sie so schnell eintrat, dass dieser Prozess sich selbst verstärkte, konnten sie ihn nicht mehr stoppen. 95% der Erde sind eine lebensfeindliche Wüste, und die Temperatur steigt und steigt."

Solche En-Block-Erklärungspassagen wirken wie Einschübe nach dem Motto: "Und jetzt unterbrechen wir die Handlung für einen Beitrag von Professor Autor, dem Protagonisten in den Mund gelegt." Erklärungen lieber außerhalb der Dialoge streuen und angemessen verteilen, das ist subtiler.

"Als Letztes werden Sie daher zu uns nach Bunker Delta verlegen."

"Unsere Wissenschaftler haben eine 15%ige

Das Prozentzeichen lieber ausschreiben. Das erinnert sonst zu sehr an Statistik.

Das Mädchen hatte Spass an ihrer Arbeit.

Klingt seltsam, aber hier heißt wohl seiner Arbeit. ;)

verlegen Sie ohne mich nach Bunker Delta."

"Hören Sie, Sarge, Sie warten nicht länger. Keinen Augenblick!"


Dazwischen kommt kein Text, also auch keine Anführungsstriche.

Ciao, Megabjörnie

 

Hej Ironman,

ein guter Einstieg auf kg.de, wenn auch noch nicht Pulitzerpreis-verdächtig. ;)

Den Einschub mit Ashley hab ich nicht wirklich verstanden - wer vögelt da mit wem und ist das wirklich der Typ, der gerade sein Leben riskieren will, um seine Freundin zu retten - oder, wie sich später herausstellt, mit ihr gemeinsam zu sterben? Kam mir seltsam vor.

Hier und da könnten die Figuren noch immer mehr Farbe vertragen, und auch die Handlung und die Umwelt. Vielleicht hast Du ja Lust, noch ein Wenig am Text zu arbeiten.

Als Schlaglicht auf eine Szene in einer möglichen Zukunft hat mir Dein Text durchaus gefallen.

Liebe Grüße
chaosqueen

PS: Heißt die Freundin zufällig Pam? ;)

 

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