Meer
Eines Tages trete ich durch eine Tür und hänge mitten im Nichts. Plötzlich bin ich hoch oben in der Luft und falle und falle. Kaum kann ich atmen, doch als die Erde unter mir sichtbar wird, geht es besser. Unmerklich wird mein Fall langsamer, so daß ich nach einiger Zeit einen fast schwebenden Zustand erreiche. Als hätte die Schwerkraft sich merkwürdigerweise verlagert, beginne ich langsam vorwärts zu fallen. Unter mir ziehen die Lande vorrüber, die Menschen wimmeln in ihren schmutzigen Nestern und träumen von der Freiheit, die ich besitze. Doch bin ich in so großer Höhe, daß ich sie nicht erkennen kann. Unter mir zieht ein Flugzeug seine Bahn, der einzige Laut, der mich hier erreicht. Dann ist es wieder vollkommen still. Ich sehe nur die steinernen Häuserreihen, die sich durch die Landschaft ziehen und Teerstraßen,wie Felder in geometrischer Anordnung. Ab und zu häufen sich größere Betonblöcke zu einer Stadt zusammen, wie Geschwülste auf dem grünen Boden. Doch Gestank und Schmutz kann mich nicht erreichen. In völligem Frieden erstrahlen die Sterne, so nahe über mir, in warmen Licht, die Gegenden unter mir schwelen weiß durch Nebelschleier. Zeitlos schwebe ich zwischen Wolken und Sternen, der unseligen Sicht auf die Erde beraubt. Als die Morgensonne mich in goldenes Licht taucht, sehe ich ärmere Gegenden unter mir. Kaum Teer und Beton, die menschlichen Siedlungen im schmutzigen Braun, doch ebenfalls in Rechtecken. Ab und zu scheinen Gebiete durch gleißendes Licht erschüttert, es herrscht wohl Krieg, doch das kümmert mich nun kaum, denn am weiten Horizont erstreckt sich ein unbegrenzter silberner Streifen glitzernd im Licht. Offenbar habe ich ein Meer erreicht, bald darauf lasse ich die verwüsteten Lande hinter mir und schwebe über den Weiten das Wassers. Nun kommt es mir plötzlich vor, als verringerte sich meine Geschwindigkeit und wie wahr, plötzlich stehe ich einen kurzen Moment still, um dann den unerforschten Massen entgegenzustürzen. Schmerzlos tauche ich ein in die kühle Frische. Ohne mich zu bewegen sinke ich tiefer, durch Fischschwärme, und lasse die helle Oberfläche über mir verblassen. Blau und blauer wird es mir vor Augen, nichts zu sehen, als Meergetier, nichts zu hören, als Walgesang in großer Ferne. An meiner Seite festigen sich undeutlich die Konturen eines Riffs. Es schein, als viele ich in einen Graben, das Gestein ist nun deutlich zu sehen. Merkwürdige Wesen treiben sich dort herum, doch sogar hier menschliche Spuren, Ich vermute lange vergessene Schiffe, kaum bewegt in ungeschätzten Jahren, doch zur unkenntlichkeit verformt, von riesigen, lastenden Wassermassen. Doch auch Müll aus heutigen Tagen und wohl ab und zu ein Ertrunkener, ob aus alter oder junger Zeit. Still sinke ich vorbei, gibt es einen majestätischeren Ort , als das tiefe, schwarze Meer? Große Wesen teilen das Wasser neben mir, in scheinbar zeitloser Ruhe. Manch eines leuchtet und offenbart so ein unheimiches Gesicht. Nun habe ich wohl den Grund erreicht, nach langer Reise. Ich sinke hinab in ein dunkeles Loch und bin zurück in menschlicher Zivilisation