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Matsch
Matsch
Das Wetter konnte sich nicht entscheiden, ob es unter aller Sau oder doch nur trist sein wollte. Die seltenen kurzen Aufheller waren nicht mehr als trügerisches Butterland, und der Regen nach ihnen platschte besonders hämisch. Es war ein Tag, den man vorm Kamin verbringen sollte, hätte man einen, ein Tag, dessen Länge einerseits und unaufhaltsames Fortschreiten andererseits gleichermaßen lähmend wirkten. An diesem Tag öffnete ich meine Tür und sah den Regen an. Ich sah ihn mir intensiv an. Ich weiß nicht, warum ich auf diese Idee kam. Vielleicht wollte ich mich nur überzeugen, dass es ganz und gar unsinnig wäre, das Haus zu verlassen? Vielleicht forderte die unaufhörliche Präsenz des Plätscherns auch noch mehr Aufmerksamkeit ein? Und was war schon zu tun? Der Regen war da, laut und unermüdlich. Also sah ich ihn an, sah ihm zu, sah mir seinen Weg an, von ganz oben bis ganz unten. Gerade fiel er, da kein Wind wehte, als Schnüre, als Bindfäden, als Katzen und Hunde. Mit meinen bloßen Füßen stand ich genau auf der Türschwelle, so dass die Laibung meinen Kopf noch Schützen konnte. Nur meine Nase bekam hin und wieder einen Spritzer ab.
Trips, Trops, Trops Trips schallte es ohne Unterlass von überall, Pling Pling auf Blech und ein ganz dumpfes Umpf auf Erdboden. Große Pfützen hatten sich gebildet. Kleine Rinnsale, in denen Blätter, Nadeln und kleine Zweige trieben, verbanden sie mit einander. Was ich da sah, war kein elend verregneter Garten, sondern eine Traumlandschaft, die ich mir als Kind kaum schöner hätte wünschen können, war die Errichtung von Staudämmen, Kanälen und Inselchen doch eine meine Lieblingsbeschäftigungen gewesen. Die Kraft des Regens beeindruckte mich tief. Er war es wert, sich aus dem Sulper zu erheben und ihn anzusehen. Nein, mehr noch, er war es wert, in ihn zu gehen. Ich wagte einen weiteren Schritt vor, so dass meine Fersen nun den Türrahmen von außen berührten. Der Steinboden der Terrasse war kalt. Das Holz des Türrahmens feucht und warm. Die Terrasse erstreckte sich über etwa zwei Meter und ging dann mit einer Stufe in einen kleinen ungepflegten Garten über. Mir fiel wieder ein, wie ich als Kind barfuß im Matsch stehend, den Moment geliebt habe, als dieser zwischen den Zehen hervor kam und sie überspülte wie Lava nach Ausbruch eines kleinen Dreckvulkans. Das war nur bei einem bestimmten Feuchtigkeitsgehalt möglich. Ob die Erde in dem verwilderte Beet da hinten wohl jetzt die richtige Konsistenz hatte? Ich lief los. Mit großen Sätzen sprang ich über die Terrasse mit den Füßen immer in die Wasseransammlungen zielend – je flacher man aufkam, desto weiter spritze es. Dann ging es weiter durch das nasse, kalte Gras bis zum Beet, das jetzt kein Beet mehr sondern eine kleine Suhle war. Ich war aufgeregt. Es war ein kleiner Nervenkitzel, es richtig zu machen, erst ganz behutsam die Fersen aufzusetzen, das Gleichgewicht zu halten und dann, nicht zu langsam, aber auch nicht zu schnell, den Rest des Fußes abzusetzen. Der Matsch darf nicht so tief sein, dass der Fuß darin ganz versinkt, aber auch nicht zu flach. Ideal ist etwas niedriger als die Höhe des eigenen Fußes. Ich setzte auf, ich wartete. Ich spürte es kribbeln, ich fühlte es aufsteigen: acht kleine Vulkanausbrüche und der Regen trommelte dazu.