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Mathilde und die Dinosaurierjagd
Mit ihrem neuen Dinosaurierbuch in den Händen marschiert Mathilde zur Garage. Heute ist Samstag. Und immer Samstags treffen sich Papa und ihr Onkel Tomás dort.
In dem Raum riecht es nach Öl. Mathilde beginnt zu schwitzen, laute Musik dröhnt aus den Boxen, ein silbernes Auto funkelt in der Mitte. Ihr Onkel schraubt ständig daran herum.
Mathilde stellt sich vor die beiden und fragt: „Kennt ihr schon den berühmten Langhalsunterwasserdinosaurier?“
Papa lächelt, ihr Onkel streckt seine Faust in die Höhe.„Ja, was? Kein Hallo von meiner Lieblingsneffin?“
Er reicht ihr seine Rechte und spricht wie ein Roboter:
„Ha-llo, Ha-Ha-Hallo. Sch-hön dich zu se-hen.“
Mathilde klatscht die Hand ab: „Also: Erstens heißt das Nichte, zweitens muss ich deine Lieblingsnichte sein. Du hast ja keine andere.“
„Ach, Neffin, Nichte oder Nixe. Wen interessiert das? Wichtig ist, dass es dir gut geht.“
Mathilde schüttelt den Kopf. „Kennst du ihr ihn nun? Den Langhals-unterwasser-dinosaurier?“
„Lass mich überlegen.“ Tomás kratzt sich am Kinn und schüttelt den Kopf. „Nein, der Dino hat sich mir nie vorgestellt … Wenn ich darüber nach denke, eigentlich ziemlich unfreundlich von ihm.“ Dann deutet er auf das Radio: „Aber kennst du die größte Band der Musikgeschichte?“
Mathilde schüttelt den Kopf „Finde ich auch nicht so wichtig.“ Sie nimmt die Fernbedienung und drückt auf den roten Kreis. Das Radio verstummt. Mit ernster Miene blickt Tomás sie „Was bringt dir dein Papa dann bei? Rock and Roll ist nicht wichtig?“
Mathilde strubbelt ihrem Onkel durch die Frisur. „Deine Haare haben einen Stromschlag bekommen. Mama sagt immer, so kriegst du nie eine Frau.“
Tomás öffnet seinen Mund und möchte etwas sagen – aber Mathilde schiebt ihm das Dinobuch vor die Nase.„Jetzt zu den wichtigen Sachen.“
Sie deutet auf ein blaugraues Monster.
„Tadaa - der Langhalsdinosaurier mit Flossen. Oder auch: Langhals-unterwasser-dinosaurier!“
„Gib her.“ Tomás nimmt den dicken Band, blättert hin und her und reicht ihn Papa: „Wow! Was ein fetter Brummer! Ein Plesiosaurus! Der wirft dir glatt die Yacht um!“
Ihr Vater nickt. „Der scheint wirklich gefährlich zu sein.“
„Na, habe ich es euch nicht gesagt. Schaut nur seinen Hals an.“
„Hier steht, die hatten 72 Wirbel. So einen würde ich gerne fangen.“ Tomás deutet auf sein Auto. „Ob der wohl da noch rein passt? Oder wie kriegen wir ihn sonst in meinen Teich?“
Mathilde schüttelt den Kopf: „Der Saurier ist doch längst ausgestorben.“
„Ausgestorben?“ Tomás blickt zu Vater. „Ausgestorben, sagt sie.“
Papa schüttelt den Kopf und steht auf. „So ein Quatsch! Wartet kurz! Ich hole die Ausrüstung!“
„Ausrüstung? Wofür?“ Mathildes Augenbrauen heben sich.
„Na für die Expedition! Wir gehen auf Dinosuche - halt dich bereit!"
Zehn Minuten später knien die drei Abenteurer an der Mauer zum Garten des Nachbarn. Früher war es ein Wall, heute steht nur noch ein kleiner Teil davon. Es ist der perfekte Platz um das Haus von ihrem Nachbarn, dem alten Thiemann auszuspionieren.
Mathildes Buch liegt aufgeklappt auf dem Boden.
Ihr Papa, seinen Rücken eng an die Mauer gedrückt, späht über die grauen Steine. Ruckartig duckt er sich und legt einen Finger auf den Mund. Er breitet seine Hände aus und flüstert: „Ein riesiges Monster. Direkt vor dem Haus des alten Thiemann. Die Tür steht offen.“
Mathildes Herz pumpt. „Ein Monster? Hat es Hörner?“
„Ja, zwei.“
Papa blickt zu Tomás und streckt zwei Finger in die Luft. Dieser antwortet mit einem Daumen nach oben und erhebt. Dann bekommt er von seinem Bruder zwei Papprollen gereicht. Tomás hält diese vor sein rechtes Auge, dreht sie nach links und macht leise Geräusche. „Klick. Klick. Klack. Klack. Klick.“ Flüsternd beschreibt er das Tier:„Höhe? Fünf Meter. Farbe? Moosgrün. Beine? Vier. Hörner? Zwei. Davor … etwas wie ein Teller. Kleidung? Keine. Aber einen Panzer, Schuppen und kräftige Waden.“
Blitzschnell lässt sich Tomás fallen. „Puh - das war knapp! Fast hätte es mich gesehen!“
Mathilde blättert wild in ihrem Buch, bis sie an einer Stelle stehen bleibt. Ihre Hand fährt über die Buchstaben, leise flüstert sie vor sich hin.
„Expeditionsleiterin Mathilde, was meinen Sie? Um welches Exemplar handelt es sich? Wir haben nicht viel Zeit, es könnte jeden Moment auf die Mauer zurasen. Wir müssen schnell handeln!.“
„Ich weiß es nicht genau. Gib' mir das Fernglas und heb' mich hoch!“
Ihr Onkel tippt mit dem Zeigefinger gegen die Stirn: „Denk dran, das ist kein Spiel.“
Dann reicht er Papa einen dicken Stock. „Beschütze uns! Falls es nicht anders geht, schieß dem Ungeheuer zwischen die Augen!“
Kurz darauf hebt Tomás seine Nichte an der Hüfte über die Mauer. Mit den Händen formt Mathilde einen Schild über den Augen und sagt: „Drei Hörner, keine zwei. Eines ist auf der Nase. Jetzt ist es klar. Das ist ein T-R-I-C-E-R-A-TOPS. Und? Was macht er? Er klaut den Kohlsalat!“
Der Dinosaurier steht im Gemüsebeet. Schwerfällig schnauft er, seine Zähne zermalmen genussvoll das Gemüse. Schmatzend schüttelt er sich, seine Schuppen klappern.
Mathilde wird hinunter gelassen und zeigt in ihr Buch. „Hier. Das ist er. Wir müssen ihn fangen, sonst isst er alles auf.“
Die beiden Männer wechseln einen kurzen Blick.
Mit ernster Miene fragt ihr Onkel: „Fangen? So ein großes Vieh? Das ist keine gute Idee.“
Papa kramt etwas aus seinem Rucksack.
„Nein, keine gute Idee, das stimmt. Aber wenn es klappt? Dann wären wir die größten Dinosaurierfänger aller Zeiten. Hier habe ich ein Seil.“
Mathilde nimmt es und gibt es ihrem Onkel.
„Papa, du lockst ihn hier her. Wir verstecken uns. Wenn der Dino an der Mauer vorbeirennt, dann fängst du ihn, Tomás.“
Ihr Onkel kratzt sich an der Stirn. Papa nickt, entfernt sich von der Mauer und betritt die offene Rasenfläche.
Gebückt und mit kleinen Schritten nähert er sich dem Ungeheuer. Richtet sich auf, streckt seine Hand aus und beginnt zu sprechen: „Ganz sachte. Schau her, lieber Triceratops, ich bin's. Dein Nachbar.“
Der Dino dreht sich, hebt den Kopf und knurrt. Seine Vorderpfoten scharren kurz, bevor er zu rennen beginnt. Die Erde bebt, die Mauer wackelt. Papa flieht, tritt dabei in ein kleines Loch und fällt zu Boden.
Mathilde schaut ihren Onkel an und sieht das Gewehr vor ihnen. „Schießen! Schnell!“
„Das ist viel zu gefährlich. Ich will nicht deinen Papa treffen!“
Dann steht Tomás auf, brüllt wie ein Indianer und rennt auf den Dinosaurier zu. Der Stock wird zum Schwert. Mathilde folgt ihm mit dem Seil, springt und kreischt: „Hier sind wir! Komm her!“
Das Tier wendet den Kopf und stürmt nun auf sie zu. Die Hörner voraus kommt er Mathilde donnernd entgegen, ehe ihr Onkel ihn rammt – und mit seinen starken Armen in die Lüfte stemmt.
„Ich hab ihn, ich hab ihn. Schnell, das Seil!“
Plötzlich erschallt wütendes Gebrüll. Der alte Thiemann glotzt aus dem Fenster über dem Gemüsebeet und fuchtelt mit der Hand. „Lassen Sie meinen Mops in Ruhe. Sind Sie denn verrückt geworden!“
„Es ist eines der gefährlichsten Lebewesen! Da machen wir keine Späße, Herr Thiemann. Das ist nur zur Ihrer Sicherheit!“
Mathildes Onkel hebt den Hund über den Kopf und läuft in Richtung des Hauses, dort setzt er ihn in die geöffnete Tür. Der Mops zittert und kläfft.
Die Augen des alten Mannes funkeln böse, als er seinen Dinosaurier in die Hände schließt.
„Verschwinden Sie von meinem Grundstück“, zischt er und knallt die Türe zu.
Einige Minuten später sitzen die drei Abenteurer in der Garage und schauen sich Mathildes Buch an. Sie sitzt auf dem Schoß ihres Papas, welcher ihr durch das Haar streichelt. „Gott sei Dank habt ihr mich gerettet. Das nächste Mal müssen wir vorsichtiger sein. Und den Thiemann müssen wir wohl in Ruhe lassen. Nicht, dass er noch einen Herzinfarkt erleidet.“ Ihr Onkel lacht und deutet zur Türe: „Erstmal keine Dinos mehr. Aber schau da, der gefährlichste Drache kommt geflogen!“ Mathildes Mama tritt in die Garage und haut Tomás mit dem Kochlöffel auf die Schulter: „Keine dummen Sprüche - das Essen ist fertig.“