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Martin
"Guten Morgen. Das ist Martin Heuing. Er ist aus Horstmar hierher gezogen. Ich muss euch ja nicht extra..."
Den Rest hörte ich nicht mehr. Es ist ja doch immer das Gleiche was er sagt, dass er es schwer habe weil er ja neu sei und dass wir nett zu ihm sein sollen und bla bla bla. Dashalb schaute ich mir an, wie die Anderen so auf ihn reagierten. Klar, dass die "Tussis" wieder mal voll auf ihn abfuhren und ihn entrückt anstarrten. Auch die Jungen nickten dem Neuen aufmunternd zu. Er sieht wirklich unverschämt gut aus, dachte ich, aber das haben diese Machotypen fast alle an sich. Mit seinen tiefgrünen Augen schaute er erwartungsvoll in die Runde. Sein schön geschwungener Mund lächelte allen zu, die seinen Blick streiften und seine halblangen, blonden Haare sträubten sich mit aller Kraft, dem Haarspray zu gehorchen. Trozdem war ich, als ich sah, wie auch Moni anhimmelnd zu ihm aufschaute, baff. Ängstlich schaute ich zu Franzi rüber. Wenn die jetzt auch noch so anfing, würde man mich in die Klapse einweisen können. Aber das sollte nicht passieren, denn auch sie schaute gerade belustigt zu Moni, dann zu mir. Als wir uns sahen, kicherten wir in uns hinein. Mein Blick glitt gerade an dem leeren Platz neben mir vorbei, als ich den letzten Satz des Lehrers vernahm:
"Setz dich erstmal zu Maja. Du kannst dir ja später, wenn du die Leute besser kennst, einen anderen Platz suchen."
Nein!! Wieso immer ich? Das musste ja kommen, dachte ich. Hilfesuchend starrte ich zu Franzi, doch die kicherte bloß noch heftiger. Also packte ich widerwillig meine Sachen ein wenig zur Seite. Dabei sah ich wohl nicht gerade nett aus, denn Martin sagte mit einem schiefen Grinsen:
"Also, wenn Blicke töten könnten, läg ich wohl schon längst auf dem Friedhof. Aber keine Sorge, ich werd mich bald nach einem netteren Mädchen umsehen..."
Er saß noch keine zwei Sekunden neben mir und ich hätte ihm wirklich liebend gern den Hals umgedreht. Das konnte ja was werden!
"Warum? Warum immer ich? Neben Alishia und Krischan sind schließlich auch noch Plätze frei."
"Hmm, also wenn wir mal bedenken, wie sich Krischan seit ein paar Wochen aufführt und wie Alishia schon beim Reinkommen von Martin reagiert hat, denke ich, Wolfs Entscheidung war die beste und schnellste, die er - aus seiner Sicht - machen konnte. Geb ihm doch mal ne Chance." Ach, Franzi! Immer Vernunft und Loyalität in Person!
"Weiß nicht, der sieht mir irgendwie zu sehr nach Frauenheld aus ..."
"Apropos Frauenheld, diese Rolle scheint ihm wirklich gut zu gefallen, schaut mal da hinten."
Moni und ich drehten uns gleichzeitig um. Aber wir sahen ihn nicht gleich, denn er war von einer Traube aus Mädchen umgeben.
"Ich würde jede Wette eingehen, dass die ach so wunderbare Brittany Theißen sich schon an ihn ranschmeißt. Und der fällt sicher auf sie rein!", wetterte Moni, doch sie wurde von der Schulglocke unterbrochen.
Später wollte ich auf meiner Stute Merry Sunshine reiten und so kam es, dass ich mich direkt nach der Schule zum Reitstall aufmachte und mir nicht einmal die Zeit nahm, meine Tasche zuhause abzustellen. Ich rief aber dort an und sagte, dass ich später kommen würde, sonst hätte mich Mama sowieso nach spätestens zehn Minuten angerufen um nachzufragen, wo ich sei. Sie hat sich schon immer Sorgen um mich gemacht, und es ist noch schlimmer geworden, seit... Nein, ich wollte nicht daran denken!
Merry Sunshine ist das schönste und liebenswertweste Pferd, das ich kenne, auch wenn sie ihren eigenen Kopf hat. Wir verstehen uns normalerweise sehr gut, nur heute schien nichts zu klappen. Deshalb ritt ich sie nach einer halben Stunde trocken, sattelte ab, putzte sie und stellte sie zurück in ihre Box. Ich blieb noch eine Weile dort stehen, meinen Kopf an ihren Hals gelegt. Plötzlich spürte ich eine Hand auf der Schulter. Ich zuckte zusammen, drehte mich aber nicht um.
"Hallo Maja", sagte jemand.
Ich erschrak, als ich die fast männliche Stimme hörte. Dann merkte ich, dass es Martin war. Meine Hände zitterten immernoch, als ich mich umdrehte und leise aber drohend sagte:
"Pack mich nie wieder an, sonst setzt's was, hast du kapiert? Und jetzt raus hier, das ist mein Pferd."
Verwundert drehte er sich um, hob die Hände, ging aus der Box und sagte:
"Mensch, was hast du eigentlich gegen mich? Hab ich dir irgendwas getan?" Er sah ein wenig verletzt aus.
"Warum bist du mir gefolgt?" fragte ich, um ihn abzulenken.
Aber er lachte nur laut auf:
"Leidest du unter Verfolgungswahn? Wie kommst du denn darauf?"
"Wie sonst hättest du wissen können, dass ich hier bin?"
Immernoch lachend antwortete er:
"Ich wusste nicht, dass du hier bist, bis ich dich gerade hier gesehen habe. Ich reite selbst."
Wirklich verblüfft schaute ich ihn an. Erst jetzt fielen seine die braune Reithose und die schwarzen Stiefel auf, die er trug. Außerdem hatte er Reithandschuhe und einen Helm mitgebracht.
"Ach so." Ich schloss die Tür der Box hinter mir und wollte gehen, aber Martin hielt mich am Handgelenk fest. Meine Stimme überschlug sich fast, als ich schrie:
"Verdammt doch mal, lass mich los!" Ich stieß ihn weg und rannte davon.
Am nächsten Morgen wachte ich um viertel vor acht auf. Viertel vor acht?! Verdammt, ich würde heute zu spät kommen.Wieso hat der scheiß Wecker auch nicht geklingelt? So schnell es ging raffte ich mich auf und machte mich für die Schule fertig. Kurz bevor ich das Haus verließ, schaute ich nochmal auf die Uhr: Punkt acht. So ein Mist! Zehn Minuten später klopfte ich an der Klassenzimmertür. Mir fiel ein, dass wir bei Mrs Scudery Englisch hatten und dass die mich sowieso nicht ausstehen konnte. Aber das änderte ja nichts an der Situation.
"Herein.... Well, Mrs Gomme, you are coming to join our lesson too? Great! So we can start now, I think, and Maja if you are done, would you be so kind and read your homework out loud, please?" Wie die mich aufregte! Ich huschte auf meinen Platz, packte meine meine Sachen aus und begann vorzulesen. Nach dem nicht sehr freundlichen "Well done" von Mrs Scudery bekam ich einen Zettel von Martin.Wenigstens ist er so nett und gibt sie weiter, dachte ich, aber im nächsten Moment sah ich, dass der Zettel nicht, wie ich angenommen hatte, von Moni oder Franzi war, sondern von ihm selbst:
Eigentlich wollte ich gestern noch fragen, ob wir mal einen Ausritt zusammen machen Bist du dabei?(Martin)
Ich musste einige Augenblicke überlegen, dann schrieb ich:
Weiß ich noch nicht. Wolltest du dir nicht ein netteres Mädchen suchen?;D
- Ich habs mir anders überlegt. Die Anderen sind noch schlimmer Die sind zwar nicht so unfreundlich, aber nerven wie sau-.-
- Ja, wenn du von Britt und co sprichst, hast du vollkommen recht aber auf Moni und Franzi lass ich nichts kommen!!
- Hmm, das sind die Einzigen, von denen ich noch nicht so viel mitbekommen habe... Tja, ihr Pech Also, machst du mit?
Verdammt, was sollte ich bloß schreiben? Was würde ich tun, wenn er mich wieder unabsichtlich anfasst? Würde ich dann wieder ausrasten? Andererseits ist er ein richtig guter Reiter und er würde sowieso nicht locker lassen, bis er mich rumgekriegt, dessen war ich mir sicher. Bestimmt machte er das nur, um sein Ego zu befriedigen, bis er 'weiß' dass alle auf ihn stehen.
OK, aber nur, wenn du auch Moni und Franzi kennenlernst und sie nicht mit irgendwelchen Vorurteilen überhäufst
- Geht klar=)=)Wenns weiter nichts ist...
An irgendeinem Samstag schafften wir es tatsächlich auszureiten. Zwar hätte ich es liebend gern noch weiter herausgezögert, aber das war nach drei Wochen nicht mehr möglich, besonders nicht, weil mein Sitznachbar Martin Heuing hieß und jeden zweiten Tag nachfragte, wann wir 'endlich' reiten würden. Meine Ma war nicht sehr begeistert, als sie hörte, dass ich mit einem Jungen wegging, aber bei allem Respekt und allem was schon passiert ist, er war ja aus meiner Klasse und ich war schon fünfzehn! Ich würde mich doch zu wehren wissen, besonders da ich einen Selbstverteidigungskurs hinter mich gebracht hatte ... Das zumindest wollte ich meiner Mutter und mir selbst weiß machen.
"Hey, da bist du ja", begrüßte er mich, als ich im Reitstall ankam.
"Hi! Hat dir deine Mutter auch so viel zu essen gemacht?", erwiederte ich und begab mich zu Merry Sunshine.
"Nee, die ist nie zuhause ... Wow das ist ja wirklich viel, das reicht ja für uns beide. Dann ist es ja nur gut, dass ich nichts mitgenommen hab, sonst könnten
wir die Hälfte davon wegschmeißen."
"Hmhm" war meine knappe Antwort, weil ich mein Pferd gerade sattelte. Etwas später saßen wir auf und ritten auf den nahegelegenen Wald zu. Wir waren schon ein gutes Stück weit gekommen, als wir an meiner Lieblingslichtung angekommen waren. Deshhalb saßen wir ab und setzten uns mit den Picknicksachen ins weiche Gras. Vor uns rauschte ein Bach in lauter Strudeln. Ich mochte das wilde Wasser, weil es mich ein bisschen an mich selbst erinnerte.
"Was hat dich eigentlich so... so unnahbar gemacht?" Ich schluckte
."Was?" Ich bin mir sicher, meine Stimme verriet, dass ich Angst davor hatte, nocheinmal daran zu denken. Trotzdem bohrte er weiter.
"Naja, ich hab gleich gemerkt, dass da was nicht stimmt. Du warst so abweisend. Nicht nur zu mir, sondern auch zu allen Anderen - besonders zu den Jungen - die nicht zufällig Moni und Franzi heißen. Dann hab ich so n bisschen rumgefragt und rausgekommen ist, dass du dich erst seit letztem Jahr so benimmst. Vorher warst du beliebter als alle Anderen, sogar beliebter als Britt. Was ist passiert? Warum willst du nicht, dass dir jemand zu nahe kommt?"
"Ich möchte nicht darüber reden. Ich werde auch mit niemanden darüber reden. Nicht einmal Moni und Franzi wissen Bescheid und da soll ich es irgendeinem dahergelaufenen Idioten sagen, der sich für den tollsten Frauenheld auf dieser Erde hält und glaubt, dass er jede kriegt? Du bist doch nur mit mir ausgeritten, weil du mich auch rumkriegen willst! Und danach hättest du dich an auch Moni und Franzi rangemacht! Nein, auf keinen Fall! Und glaub ja nicht, dass ich gerne mit dir ausgeritten bin."
Oh shit, was hatte ich denn schon wieder gesagt? Warum musste meine Zunge immer schneller sein als mein Gehirn?
"Hältst du mich wirklich für das, was du gerade gesagt hast?" Seine Stimme klang tieftraurig und ich glaubte, dass er es wirklich war. Aber ich konnte und wollte nicht auf seine Gefühle achten, außerdem hatte er gerade auch gemerkt, dass ich nicht darüber reden wollte, aber er hatte trotzdem weiter gefragt!
"Ja, das tue ich! Kannst ja Britt fragen, ob sie für dich Männchen macht!" Während ich diese Worte sagte, war ich aufgestanden und und beeilte mich, von diesem Ort wegzukommen.
Am Abend saß ich, wie gewöhnlich, vor dem Fernsehr. Der einzige Unterschied bestand darin, dass meine Ma - was sie schrecklich ungern tat, da sie ja immer in Sorge um mich war - nicht zuhause war. Sie hatte einen schrecklich wichtigen Termin, den sie unmöglich sausen lassen konnte.
Irgendwann klingelte es. Ich schaute auf die Uhr - komisch, wer um diese Zeit wohl noch kommt? - und schlenderte zur Tür. Einer alten Gewohnheit nach schaute ich durch den Spion - und erstarrte für eine zehntel Sekunde. Kann der mich micht einen Tag lang in Ruhe lassen?, dachte ich und dann: Wie hat der meine Adresse rausgekriegt? Ich wollte die Tür gar nicht erst aufmachen, aber Martin dachte nicht mal daran, nachzugeben. Wieder schrillte die Klingel und ich zuckte zusammen
"Ist ja gut, du brauchst nicht gleich das ganze Haus zusammenklingeln!", schnaubte ich, während ich die Tür öffnete.
"Sorry. Ich wollt nur die Sachen vorbeibringen, die du vergessen hast." Er hielt mir eine Stofftüte hin. Ein betrunkener Mann lief auf der Straße.
Ich nickte und wollte die Tür gerade schließen, als er sagte:
"Und ich wollte...", er suchte nach den richtigen Worten, aber die bekam ich nicht zu hören, denn plötzlich tauchte dieser Mann an der Tür auf.
"Na, hastu jetztn andren Typen aufgegabelt, der dir das Bett warm hält?" Er schwankte leicht.
"Dad?" Dieses Wort war eher gehaucht als geflüstert und dennoch hörte Torsten Gomme es. Mein ganzer Körper fing an zu zittern, mir wurde trotz der Abendschwüle sehr kalt und ich wurde kreidebleich im Gesicht.
"Ja, hättesdu nich mehr geglaubt, dass ich dich wiederfinde, mein Schatzi, richtig? Un ich weiß auch genau, dass Mami dich heute verlassen hat, um auf dieses... hmm vergessen, egal, dass Mami heute nich da is und dich beschützen kann." Er schien schon vergessen zu haben, dass Martin auch da war, oder es war ihm egal. Er wollte gerade ins Haus gehen, als Martin ihn am T-shirt packte, zurückriss und laut drohend sagte:
"Aber jetzt bin ich da und sie werden nie wieder in dieses Haus gehen!"
Blind vor Wut stürzte sich Dad auf Martin.
Was dann passierte, weiß ich nicht mehr genau, nur dass mein Vater und Martin sich gegenseitig die Fäuste boten. Ich war von Angst gelähmt, schaute mir die Schlägerei an, ohne richtig mitzukriegen, was passierte. Erst als einer der Beiden aufschrie, löste sich meine Starre, ich lief zum Telefon und und rief zuerst die Polizei, dann den Krankenwagen. Danach rannte ich wieder zur Tür und versuchte die Streitenden auseinanderzureißen, doch das war mir unmöglich. Ich wurde in die Schlägerei mit reingezogen, wurde ohnmächtig, hörte aber noch die Sirenen des Krankenwagens.
Im Krankenhaus erlangte ich meine Besinnung wieder. Und schaute in das entsetzte Gesicht meiner ohnehin schon besorgten Mutter.
Meine Knochen taten weh.
Mein Kopf dröhnte.
"Kind, wie geht es dir?"
Hmm, wie geht es mir wohl nach einer Schlägerei?! Ich wollte sprechen, es kam aber kaum ein Wort heraus.
"Wa-ss-er."
Sie reichte mir ein Glas und ich trank gierig. Gegenüber von meinem Bett war eine Uhr. Es war 20 nach drei. Wie lange hatte ich "geschlafen"? Doch ich konnte nicht weiter darüber nachdenken, ich schief vor Müdigkeit wieder ein.
Als ich das zweite Mal aufwachte, befanden sich außer meiner Mutter auch noch ein Arzt und eine Schwester in dem Krankenzimmer. Sie sahen mich an.
"Was ist los?" Das Sprechen fiel mir jetzt schon erheblich leichter.
"Hallo Maja, ich bin Dr. Raliewski", stellte er sich vor und reichte mir die Hand, "du lagst ziemlich lange im Koma. Aber jetzt geht es mit dir sehr schnell wieder bergauf. Die Verletzungen sind sehr schnell abgeklungen."
"Wie lange hab ich denn im Koma gelegen?", fragte ich neugierig. Ich fand, mir ging es prima.
"Schon einen ganzen Tag, Liebes", schaltete meine Mutter sich ein. Ein Wunder, dass sie sich erst jetzt meldete. Als Keiner mehr was sagte, fragte ich:
"Wann komme ich denn wieder raus?"
"Sobald du dich wieder fit genug fühlst und die Tests das bestätigen", antwortete der Arzt mit einem kleinen Lächeln.
"Wie hast du es eigentlich geschafft, meinen Dad so lange zu prügeln, ohne selbst in Ohnmacht zu fallen?" Martin und ich saßen auf der Veranda seines Hauses. Das Erlebte hatte uns zusammengeschweißt - natürlich nur freundschaftlich, was auch gut so war. Er hatte sich damit abgefunden, dass ich nicht von ihm wollte.
"Meine Eltern kommen aus den USA. Dad ist glühender Wrestlingfan und wollte unbedingt, dass ich das mitmache, wenigstens für ein Jahr. Und das hab ich dann auch gemacht, sogar mehrere Jahre. Ist zwar nur ein Schaukampf, aber es soll ja echt aussehen und Kraft bekommt man davon auch. Ich hab ein paar Methoden bei deinem Alten angewandt."
Wir schwiegen eine Weile. Dann fragte Martin:
"Wieso habt ihr ihn nicht gleich in den Knast stecken lassen?"
"Hmm... gute Frage. Ich denke, weil Mama ihn ja trotzdem geliebt hat und er ist schließlich immernoch mein Vater."