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Marktplatz, 12 Uhr mittags

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15.01.2002
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Marktplatz, 12 Uhr mittags

Er steht da, ganz allein, allein unter seinen Feinden. Doch dieses eine Mal ist er stark.
Noch scheint es nicht so, noch steht er unscheinbar inmitten der bewegten Menge. Seine leeren Blicke schweifen nur über die Figuren, die ihn umgeben.
Alles verschwimmt zu einer einzigen, riesigen, bedrohlichen Masse Feind. Ein Schauer der Impressionen hagelt auf ihn nieder: Hässliche Fratzen, irrsinniger Hohn, todbringender Wahn. Hass entbrennt in ihm, vermischt sich mit der Masse und lässt die Trugbilder wachsen. Doch kurz vor dem apokalyptischen Höhepunkt wird er angestoßen.

"Oh, entschuldigen Sie." Eine Frau mit einem Kinderwagen, Einkaufstüten und einem Jungen am Arm erscheint im Fadenkreuz seiner Augen. Keine Fratze mehr weit und breit. Entgeistert starrt er ihr ins Gesicht. Ihre dunklen Augen blicken zu ihm hoch, durchbohren ihn. Wie ein kleines Kind steht er da, sprachlos, als ob er gerade beim Spielen mit dem Feuer erwischt worden wäre.
"Geht es Ihnen gut?" fragt die Frau, dieses Mal energischer, auf eine Antwort wartend. Hastig erwidert er. "Nein..nein, ich war nur in Gedanken. Es ist nichts geschehen." Sein Blick fällt auf den Jungen, der etwas ängstlich zu ihm hochschaut und anschließend auf das kleine Wesen, das vor ihm im Kinderwagen liegt. Die Zukunft der Menschen. Er denkt an seine beiden Kinder und an seine wunderschöne Frau, die nun so weit von ihm entfernt sind. "Passen sie gut auf die Kleinen auf. Man hört ja so viel Schreckliches aus dieser Umgebung." Etwas verblüfft über seine Worte erwidert sie, ihn leicht argwöhnisch betrachtend. "Ja, da haben sie wohl Recht." Scham steigt in ihm auf. Schnell senkt er seinen Kopf, als ob er den Boden nach etwas absuchen würde.
Der Kleine zerrt an dem Rock der Frau. "Ich muss los. Einen schönen Tag noch." Sie schiebt den Wagen an ihm vorbei, der Junge läuft neben ihr. Seine Blicke versuchen ihnen zu folgen, doch in der Menschenmenge gehen sie schnell verloren. Er wendet sich ab, versucht sich wieder auf sein Vorhaben zu konzentrieren.
Es dauert einige Zeit, da erscheinen wieder die Fratzen. Um ihn herum schwirren sie, betören ihn, stacheln ihn an, ihn, der dort im Meer der Menschen steht, wie ein Fels in der Brandung. Die Gewalt Gottes windet sich unter seiner Jacke wie eine Schlange kalt und erbarmungslos um seinen Körper. Er sei der Berufene, der Auserkorene. Der Retter der Nation.
Er denkt an die vielen leblosen Körper, die Bekannten und Verwandten. In tiefen Abgründen der Trauer und Verzweiflung wird Hass neu geboren. Größer, stärker denn je. Dann irgendwann verschwindet der Lärm der Feinde um ihn herum. Nur das Rauschen des Blutes in seinem Kopf ist leise zu vernehmen. Schweißperlen zieren die Stirn des Siegers.
Er wirft seinen Kopf zur Seite und sucht in der Menge die Frau und ihre Kinder, doch die Menge hat sie verschlungen. Er wartet einige Momente. "Jetzt sind sie bestimmt ganz weit weg", denkt er sich. Dann drückt er den Knopf.

[Beitrag editiert von: Frederik am 13.04.2002 um 18:04]

 

So etwas gefällt mir:

"Die Gewalt Gottes windet sich unter seiner Jacke wie eine Schlange kalt und erbarmungslos um seinen Körper. Er sei der Berufene, der Auserkorene. Der Retter der Nation."

Guter Stil, aber den Dialog zwischen deiner Figur und der Frau finde ich ein wenig holprig.
Ausserdem kommt nicht ganz heraus, wo sein Motiv begründet liegt. Religiöser Wahn? Menschenhass? Politischer Unmut?
Tut dem Ganzen aber nicht schaden.

Weiter so...

C.

 

Hm... mal eben schnell auf aktuelle Ereignisse reagiert? Sorry, aber das ist nur die beabsichtigte "Message"... wie bei allen Geschichten, welche die momentane Weltlage wiederspiegeln...

Ich hab´s gelesen. Und noch einmal gelesen. Nein! Wenn du versucht hast, Verständnis für die Typen aufzubringen, die sich in die Luft jagen und dabei zig unschuldige Menschen in den Tod reißen... dann ist dir das nicht gelungen. Wenn du versucht hast, das Gegenteil darzulegen... nope! Auch nicht!

Dafür fehlen die (uns wohlbekannten) Gründe, warum er das macht. Ein bißchen mehr Anklage und Provokation hätte nicht geschadet. Stell dir vor, in fünfzig Jahren liest jemand diese Geschichte... Aha. Da ist ein Typ, der sich in die Luft sprengt. Warum, weshalb, wieso?

Sodele

Poncher

 

Erstmal danke für eure Kritik.

Ich geb euch Recht, kommt wirklich nicht deutlich genug rüber, warum er dieses Attentat begeht, fällt mir jetzt auch auf. Ich werde mal dran arbeiten, dass das deutlicher rauskommt.

@poncher

Hm... mal eben schnell auf aktuelle Ereignisse reagiert?

Ich habe mir schon Gedanken beim Schreiben gemacht und nicht irgendwelche Eindrücke runtergeschrieben. Wär schade wenn das so rauskommt.

Gruß, Frederik

[Beitrag editiert von: Frederik am 07.02.2002 um 08:16]

 

Hab geringe Änderungen an der Geschichte gemacht, viel ist mir allerdings nicht eingefallen. Wäre nett, wenn ihr ein paar Vorschläge postet.

Gruß, Frederik

 

mh find ich gut! am ende überlegt mán erstmal aber nach dem aktuellen ereignis wusste auch ich dann was gemeint war.
die überschrift könnte man auch anders gestalten. muss ja nich 12 uhr sein kann ja auch inner mittagspause oder feierabend sein.
aber den aspeklt mit den kindern fand ich auch gut! schöne geschichte und vorallem nch so lang *froi*!

 

Hallo Frederik,

mein Eindruck zu deiner Geschichte ist recht ambivalent. Zum einen mag ich die Bilder, die du verwendest. Zum anderen sorgen gerade sie dafür, dass die Geschichte künstlich wirkt.

Doch zunächst zum Inhalt: Ein Selbstmordattentäter will sich gerade in die Luft sprengen um seinem Land zu dienen und seine Verwandten zu rächen. Die Menschenmenge, in der er sich befindet, besteht für ihn nicht aus einzelnen Individuen, sondern ist vielmehr eine Manifestation des Bösen, die es zu vernichten gilt. Dies ändert sich jedoch, als ihn eine Frau mit Kinderwagen anspricht. Der Attentäter schämt sich für seinen Plan, da er der Tragweite und der Konsequenz seiner Handlung bewußt wird. Nach „einige[r] Zeit“ verschwindet jedoch der Einfluß der Frau, und der Attentäter beschliesst sein Vorhaben durchzuführen; er sprengt sich in die Luft.

Nun, was kann man dazu sagen ? Es ist einfach jemanden zu töten, der anonym ist. Sicherlich ist es schwerer jemanden zu erwürgen als mit dem Schwert zu erschlagen, ist es schwerer jemanden zu erschiessen als eine Rakete abzufeuern, die nur einen Punkt auf der Landkarte trifft. Der Gegner muss anonym bleiben, denn sonst ist man geneigt Mitleid zu empfinden.

Ich vermute es ging dir um die Ursachen, die einen Menschen dazu drängen können eine solche Tat zu begehen. Leider überzeugt deine Geschichte in diesem Punkt nicht , was nicht zuletzt an der verwendeten Sprache liegt . Zwar gefällt mir der Klang der Worte, die du gebrauchst („Um ihn herum schwirren sie, betören ihn, stacheln ihn an ...“), sie sorgen aber dafür, dass alles etwas kitschig wirkt. Das von dir geschilderte Szenario wirkt somit unrealistisch. Ich hätte zum Teil eine einfachere Sprache vorgezogen, klingt sie doch an manchen Stellen zu affektiert. (Bsp: „Ein Schauer der Impressionen“).


Gruß,

Batch

 

Wirklich ein heikles Thema an das du dich da heran gewagt hast. Kommt ein bißchen so rüber, als wenn du die Nachrichten gesehen hast und schreibst, was vor den schrecklichen Bildern die da über die Mattscheibe flimmern passiert sein könnte, wie es dazu kommen konnte. So weit, so gut, aber ein bißchen mehr Stellungnahme, ein Hauch von Verachtung oder Sympathie dem Protagonisten gegenüber hätten der Story schon gut getan. Grad wo du in der dritten Person schreibst, wäre so etwas glaube ich leicht einzubauen gewesen.

So long

Signore Salami

 

In den Kritikpunkten stimme ich mit Batch Bota überein. Es gibt eben nicht nur in Palästina/Israel Selbstmordattentäter, sondern die gab es zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten. Deshalb könntest du vielleicht den Namen einer Stadt irgendwo im Text einfügen, so daß man auch später, wenn die Medien sich auf andere Themen gestürzt haben, noch eine Ahnung hat, wovon du konkret sprichst.

 

Danke erstmal für eure Kritik. Ich hatte selbst große Probleme mit der GEschichte, da das Thema, wie ja schon angesprochen, ser heikel ist. Ich spiele natürlich nicht nur auf Selbstmordattentate in Israel an, daher verwendete ich keinen Namen einer Stadt, sondern auf jeden Selbstmordattentat. Da das Thema aktuell in den Medien ist verbindet man dieses natürlich als erstes mit genannten Gegenden.
Ich feil noch einmal dran rum und bring eure Kritikpunkte mit rein.
Ach ja, da fällt mir eines noch ein, was mir beim LEsen der Kritiken durch den Kopf gegangen ist. Mir ging es auch darum darzustellen, dass der Attentäter innere Zweifel an seiner Tat hat. Er wurde mehr oder weniger "beordert", also für dieses Attentat von einer höheren Instanz bestimmt. Sein Zweifel soll nicht nur der an der Tat sondern generell der an der gegenseitigen Feindschaft machen.
Naja schade, dass es nicht so durchkommt. Ich weiß, wenn man selbst solche Erklärungen liefern muss, hat man was falsch gemacht. Jutdenn, ich schau mal, was sich machen lässt. Nochmals danke und noch einen schönen Sontag euch.

Bis denne
Frederik

 

Ich denke, es ist von vornerein klar, daß man da Zweifel hat, denn anders als die Medien es vermitteln wollen, sind es keine Monster. Viel mehr sind es Menschen, die sich zu Gegenschlägen genötigt sehen. Nimmt man mal die Fälle in den Autonomiegebieten. Sie werden völlig abgeschnitten, ihr Präsident bekommt kaum Rechte, auf die Polizei, welche für den Schutz der Zivilisten verantwortlich sind, wird angegriffen, Hilfsgüter der UNO brauchen 24 Stunden für die Bewältigung von 20km, weil sie von den Israelis wo es nur geht behindert werden. Schulen werden von israelischen Soldaten geräumt, geschlossen und in manchen Fällen wid sogar auf die Kinder geschossen.
Selbstmordattentate sind da zwar keine Lösung, aber wir haben leicht reden, wenn wir nicht in dieser Lage sind. Deswegen sind die humanen Zweifel eine Pflicht. Hättest du ihn als kaltblütiges Monster dargestellt, wäre es erst im negativen Sinne nennenswert gewesen.

 

@zoren

Deswegen sind die humanen Zweifel eine Pflicht.

Ich kann nicht beurteilen, ob die Personen Zweifel an den Sinn und Recht ihres Attentats haben. Ich halte es durchaus für möglich, dass sie von ihrem Vorhaben derart überzeugt sind, dass sie es ohne Zweifel ausführen, wie du es bezeihnest, als "kaltblütige Monster". Wie gesagt kann ich das natürlich belegen. Der geschilderte Attentäter soll diesem, meinem Bild widersprechen.

 

Hi Fred:
Der Dialog ist eine Schwachstelle, das sehe ich auch so, wie es oben schon jemand gesagt hat.

In tiefen Abgründen der Trauer und Verzweiflung wird Hass wird neu geboren.
ein wird gehört da nicht hin. Sonst hab ich keine Fehler gefunden.
Mir gefällt die Darstellung des Attentäters. - glaubt es oder auch nicht.
Er ist recht emotionslos, muß sich erst hineinsteigern, damit er fähig ist, seinen "Job" zu machen. Er ist nicht so überzeugt und fanatisch, daß er gedankenlos handelt, aber er tut es. Bringt ein großes Opfer.
Ich denke, man muß über diesen Mann nachdenken. Und dann ist es doch gut. Es gibt sicher mehr als eine Art Selbstmordattentäter und das hier ist einer mit Selbstbetrugstendenzen und Skrupeln.
Lieben Gruß,
Arc

 

Du schilderst den Selbstmord-Attentäter als einen Menschen mit Gefühlen und Skrupeln. Aber das ist meines Erachtens ganz falsch. Das Furchtbare ist, daß in der Realität nicht gewartet wird, bis Frauen und Kinder in Sicherheit sind. Es ist da nur kalter Haß. Und wenn sich die Leute "Gotteskrieger" nennen, dann wird die Sache noch schlimmer. Es ist eitel, das Märtyrium anzustreben..

Iris

 

Hi Iris:
ich denke, auch dieser Attentäter hat nicht gewartet, bis Frauen und Kinder in Sicherheit waren. Er hat nur abgewartet, bis diese eine Frau, mit der er Kontakt hatte / konfronitert wurde, weg war. Und noch nicht einmal bei ihr hat er das sichergestellt. Er hat es nur angenommen ( evtl auch, weil er das annehemen wollte? Selbstbetrug vollzieht er ja schon sehr vorsätzlich mit dem Fratzen-Sehen...

@Fred: ich finde übrigens, daß Du die Stelle schön rausgearbeitet hast, an der er aus seiner Trance gerissen wird und sich dann wieder hineinsteigert.

Happy Birthday übrigens
Lieben Gruß,
Arc

 

Hey Du.

Ich glaube, ein Grund dafür, dass die Geschichte nicht ganz funktioniert, ist die Erzählweise. Dein Erzähler ist zwar allwissend, teilt jedoch mit dem Leser zu wenig davon und bleibt, wie ich meine, zu neutral. Lass ihn den Protagonisten, sein Handeln und sein Zweifeln irgendwie werten, nicht deutlich, ganz versteckt...der Leser wertet dann automatisch ebenfalls.
Im Moment zwingt mich der Text zu nichts, er schafft es nicht, mich wirklich zum Reflektieren zu bewegen.

Sprachlich ist er in Ordnung, obwohl ich gerne mal einen völlig anderen Stil von Dir lesen würde.
Der Bruch nach dem ersten Absatz ist gut gelungen...vielleicht wären weitere Brüche oder Perspektivwechsel eine Möglichkeit, dem Text mehr Aussagekraft und dem Leser mehr Denkanreiz zu geben?

Grüße,
Sandra

 

Ehrlich gesagt finde ich die Kritik an der Geschichte sehr vielsagend. Ich war eigentlich schon soweit, sie löschen zu lassen. Warum? Nun, ganz ungeachtet ob die Geschichte gut oder schlecht geschrieben ist hat sie eine Aussage, eine Perspektive, eine Darstellung die zwangsläufig auf Widerstand stoßen muss. Die Beweggründe eines solchen Attentäters sind für mich und für jeden anderen Menschen nicht einsehbar, meine Charakterisierung entspricht einem Modell, dass zwar der Wahrheit entsprechen sollte es jedoch gezwungenermaßen nicht kann. Das ist ein Fehler den ich nicht korrigieren kann. Ich habe nur eine Interpretation meiner Kenntnisse über Attentäter verwendet um ihn darzustellen.
An den formalen Dingen werde ich weiterhin feilen.

LG
Frederik

 

Ach ja,

Du schilderst den Selbstmord-Attentäter als einen Menschen mit Gefühlen und Skrupeln. Aber das ist meines Erachtens ganz falsch. Das Furchtbare ist, daß in der Realität nicht gewartet wird, bis Frauen und Kinder in Sicherheit sind. Es ist da nur kalter Haß.

Genau dies wollte ich mit meinem letzten Beitrag darstellen. Niemand kann bewerten, ob es blanker Hass ist oder ob Gefühle doch mit im Spiel sind.
Beides zog ich beim Schreiben in Betracht. Die Möglichkeit die ich wählte ist mE durchaus denkbar, wir können halt nicht in die Menschen hineinsehen.

 

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