Was ist neu

"Marie"

Ash

Mitglied
Beitritt
04.06.2003
Beiträge
4
Zuletzt bearbeitet:

"Marie"

„Bist Du verrückt, die Kellertür offen zu lassen, die Kleine könnte tot sein“, schreit sie in das leere Untergeschoss hinein.
Nein, ganz leer ist es nicht; ich sitze da – auf der Toilette, den Klodeckel heruntergeklappt und weiß nicht, ob ich mich über sie aufregen soll oder über meine Nachlässigkeit.
Marie ist 21 und eine Nutte.
Verlassen vom Vater, zieht sie die kleine in ihrer luxuriösen Puffwohnung, eine Etage über mir, auf.
Kennen gelernt haben wir uns, als ich in das Haus zog.
Schnell fiel mir ihre Künstlichkeit ins Auge, zu viel Solarium, zu viel Make Up, zu dunkles Haar und zu lange Fingernägel!
Dazu eine zu tiefe, rauchige Stimme für solch ein junges Ding.

Freitagabend.
Die Freitage sind tot, habe ich mir sagen lassen.
Freitags nach Feierabend sitzen sie bei ihren Frauen auf den Sofas und lassen ihre Bäuche auskugeln.
Freitagabend heißt also keine fremden Eindringlinge, die nach „Marie“ fragen, Freitagabend heißt weiter, Zeit, ins Frauenwohnheim Kegeln zu gehen.
Seitdem mein Mann und ich geschieden, ergreife ich so oft es geht die Initiative und suche nach Bekanntschaften.
Ralf war Autowartinspekteur – oder so ähnlich und er war 41.
Er hat mich verlassen und dabei habe ich alles für ihn getan, was eine Hausfrau für ihren Mann halt so tut.
Ich verstehe es bis heute nicht.

„Die jungen sind die Schlimmsten, sie rackern sich ab und müssen Dir beweisen, dass sie die besten sind...“
Marie lässt ihre langen Beine schaukeln, auf dem Trittstein sitzend und mit einer Zigarette zwischen den schlanken, dick beschmückten Fingern, während ich unseren Hauseingang fege.
„Und außerdem haben sie keine Kohle!“ schimpft sie beinahe.
„ Und möchtest Du denn nie einen festen Partner?“ frage ich sie besorgt und mit einer gewissen Scham, die jedes Mal mitschwingt, wenn ich mit Marie spreche.
„Nein, jetzt doch nicht. Erst kommt die Kohle und dann die Liebe – eventuell, aber in erste Linie geht es mir um’s Kind.“
Danach hatte ich nicht gefragt, aber was soll’s, verstehen werde ich diese jungen Dinger nie und am allerwenigsten natürlich, jene nüchternen Besucher.

Ralf und ich haben uns zwar nicht hemmungslos geliebt, so wie es jetzt „in“ ist, aber wir wussten immerhin, was wir aneinander hatten.
Jedenfalls die meiste Zeit.
Er arbeitete in einem Autohaus und war viel beschäftigt.
Spät kam er nach Hause, sehr spät.
Und dann saßen wir meist gemeinsam vor dem Fernseher und kommentierten das Freitagabendprogramm.

 

Hi Existence,
du hast eine echt gute Zusammenfassung niedergeschrieben. :)
Ja, es geht um zwei unterschiedliche "Frauenleben", wobei ich versucht habe, das der Hausfrau strittig zu machen.
Sie macht sich über "die jungen Dinger" und über "die Besucher" lustig und hat dabei zu Ehezeiten durch ihre typisch "langweilige" Hausfrauenrolle selbst solch einen "Besucher" auf gewisse Weise erzogen. (Freitagabendprogramm)

Gruß, Ashara

 

Warum schreibt mir denn niemand mehr eine Kritik?

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom