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Marie, Gargol und die goldene Kugel

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28.02.2002
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Marie, Gargol und die goldene Kugel

Marie, Gargol und die goldene Kugel

Marie, Gargol und die goldene Kugel


Bereits durch das Fenster des kleinen Ladens konnte Marie sehen, das wieder mal ein paar Männer am Tresen rumstanden. Ältere und jüngere, in Arbeitskleidung. Sie wollten wohl nicht gleich nach der Arbeit nachhause gehen.
Marie war erst zehn Jahre alt. Sie sollte mal wieder Bier für den Vater kaufen, und die leeren Flaschen zurückgeben. Sie mochte es nicht, wenn noch andere Leute im Laden standen. Sie fürchtete den derben Humor der Männer, spitze Bemerkungen wegen ihres
Vaters. Ihre Familie war im Dorf nicht sehr angesehen. Der Vate arbeitete nur gelegentlich, und ihre Mutter wurde allgemein bemitleidet.
Es half alles nichts. Marie holte tief Luft und stemmte die schwere Tür auf. Abrupt stand sie im Nebel zahlreicher Zigaretten, im Geruch nach Schweiß. Die Männer unterbrachen ihr Gespräch und sahen sie an. Das kleine Mädchen mit den vielen Flaschen. Sie suchte den Blick der kräftigen Frau hinter dem Tresen. Tante Anna, wie sie von allen genannt wurde, war die Ladeninhaberin. Sie war ein gütiger, warmherziger Mensch. Mit freundlichen Blicken ermunterte sie die Kleine vorzukommen, und die Flaschen auf den Tresen zu stellen. Immer noch schwiegen die Männer und beobachteten Marie. Das aber machte sie noch nervöser, ließ ihren Atem noch flacher gehen.
"Na Marie? Was willst du denn?"
Das Mädchen konnte nicht sprechen. Zu viele Augen waren auf sie gerichtet, und sie wusste, das ihr Ansinnen, die Bitte nach Bier, einen Makel darstellte.
"Nu sag' doch Marie. Sollst du wieder Bier holen? Wieder sechs Stück? Wart' mal, hier schenke ich dir erst mal einen Lutscher!"
Tante Anne wusste sehr gut, wie dem Kind zumute war. Sie kannte die Familie und das Unglück dieser Familie. Sie mochte Marie und war stets darauf bedacht besonders freundlich zu ihr zu sein. Marie ging eigentlich sehr gern zu Tante Anna. Aber nicht, wenn es so voll war.
Marie empfing den Lutscher. Doch die Wärme dieser Geste drang nicht in ihr Herz, das weiterhin viel zu schnell schlug.
Schließlich geschah es.
"Wenn ich mehr saufe und nicht arbeiten gehe, schenkst du meinem Kleinen dann auch einen Lutscher?" hörte sie sarkastisch einen der Männer sagen. Die anderen lachten.
Tante Anna warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu und seufzte. Dann griff sie die leeren Flaschen, verstaute sie, nahm neue und tat diese in eine Tasche. Marie grabbelte in ihrer Jacke nach dem Geld, und beförderte schließlich ihre mit kleinen Münzen prall
gefüllte Hand zutage.
"Oh Gott! Viel Spaß beim Zählen!" sagte ein anderer.
Marie öffnete die Faust, das Geld, vermischt mit Bröseln und Staub, klingelte auf den Tresen.
"Dann schauen wir mal!" sagte Tante Anna geduldig und begann zu zählen. "Hier, das kannst du schon mal nehmen!"
Ungelenk griff Marie nach der Tasche, die viel zu schwer für sie war. Ihre Muskeln zitterten, schließlich öffnete sich ihr Griff und die Tasche fiel mit einem klirrenden Geräusch zu Boden. Sofort roch es nach Bier und ein schaumiger See bildete sich. Alle starrten sie noch deutlicher an, einige schüttelten der Kopf.
"Jetzt trink erst mal einen!" lachte jemand.
In dieser Sekunde wäre das Mädchen am liebsten vom Erdboden verschwunden. Aber das geschah nicht. Sie rannte weinend aus dem Laden, ließ Bier und Geld, Gelächter und Scham hinter sich. Auf der Strasse rannte sie weiter und weiter. Es begann bereits dunkel zu werden. Das war ihr recht, denn sie wollte nicht gesehen werden. Sie bog um eine Ecke, und lief bis zur kleinen Kirche, wo sie sich hinter einem Baum verbarg. Ihr Atem ging schnell, Tränen rannen über ihr Gesicht.
"Jetzt ist alles aus!" dachte sie. Sie wusste, dass sie auf keinen Fall ohne das Bier nachhause gehen konnte. Ihr Vater hätte einen Wutanfall bekommen, mit Sachen nach ihr geworfen und geschrieen. Nichts fürchtete Marie mehr, allein der Gedanke daran ließ sie einen panischen Ausdruck annehmen. Weinend wäre ihre Mutter ihm in den Arm gefallen, bittend und bettelnd. Und sie, Marie, wäre an all dem Schuld gewesen. Nein! Das war ausgeschlossen! Genauso ausgeschlossen, wie umzudrehen, um den Laden erneut zu betreten.

Mittlerweile war es dunkel geworden. Ohne zu wissen weshalb und wohin begann sie loszugehen. Aus den Häusern fiel warmes Licht und beleuchtet ihr verweintes Gesicht für kurze Zeit. Der Ort war klein, der Ortsrand bald erreicht. Weiter trugen sie ihre Füße über Feldwege, über Stock und Stein. Marie war vollkommen in sich versunken, nahm ihr Gehen kaum wahr. Es wurde still um sie herum, das Dorf lag schon weit hinter ihr. Ein lauer Wind strich über die Felder und entlockte den Ähren ein sanft Wispern. Der Mond tauchte alles in eine helles blau. Stunde um Stunde legte sie legte sie Meter für Meter zurück.
Erst das kühle Wasser eines Flusses, den sie durchschritt, ließ ihre Sinne wieder erwachen. Verwundert blickte sie sich um, als habe sie lange geschlafen. Marie befand sich mitten in einem dunklen Wald. Sie hörte das plätschernde Rauschen des kleinen Flusses, der ihre Füße umspielte, den Wind der die Baumkronen wiegte, aber auch viele kleine Geräusche die ihr unheimlich waren. Rascheln, Knacksen. Ihr kleines Herz wurde ganz kalt vor Einsamkeit und Angst. Sie konnte kaum etwas erkennen, nur schemenhaft waren einzelne Bäume zu unterscheiden.
„Was soll ich nur tun? Ob ich weitergehe? Oder umdrehe?“
In diesem Moment erschien auf dem Wasser, wie in einem Spiegel, das Bild der hämisch lachenden Männer im Laden. Es versch- wamm. Darauf folgte das Bild des wütenden Vater, und schließlich die weinende Mutter.
„Es hat ja doch keinen Sinn!“ sagte Marie laut. „Soll mit mir werden was will!“ sprach’s und schritt voran in den flachen Fluss. Aber es war, als würde sich das andere Ufer mit jedem Schritt den sie tat, weiter entfernen. Sie strengte sich mehr an, ging schneller und schneller. Aber es nutzte nichts. Sie blickte sich um und sah nun auch hinter sich kein Ufer mehr. Es war zum verzweifeln! Welch merkwürdiger Fluss! Da tauchte ein kleiner roter Fisch vor ihr auf. Er glitzerte im Mondlicht und sagte freundlich:
„Du musst Lebewohl sagen, mein Kind!“ um sofort wieder wegzutauchen. Da dreht sie sich um und sagte „Lebewohl!“ Jetzt gelang es ihr endlich, das andere Ufer zu erreichen. Erschöpft setzte sie sich auf einen Felsen. Ihr war kalt und sie war hungrig. Aber vor lauter Müdigkeit glitt sie hinab auf den harten Kiesel und schlief gleich ein.

Während sie fest schlief, meinte sie etwas warmes, und weiches zu fühlen, ja sich geradezu daran zu schmiegen. Das bereitete ihr Wohlbehagen, und machte sie lächeln.
Vogelgezwitscher drang nach Stunden der Ruhe an ihr Ohr. Es dämmerte bereits. Marie gähnte, streckte sich und griff nach dem weichen. Plötzlich riss sie erschrocken die Augen auf!
„Was ist das?“ fragte sie bang.
Jetzt erkannte sie, da lag ein Tier bei ihr! Wie vom Blitz getroffen schoss sie in die Höhe und sah einen großen Fuchs! Dieser aber schien genauso entsetzt, und schoss mit ebenso geweiteten Augen in die Höhe. Beide schrieen auf, der Fuchs raste schnell wie eine Kanonekugel in den Wald.
„Hahahaha!“ hörte das Mädchen aus dem Baumwipfel dringen. Zwei Raben saßen dort auf einem Ast.
„Mach’ dir keine Sorgen. Das war nur Schreck, der ängstliche Fuchs. Mit dem Mut hat er es nicht so!“ sagte einer der Raben.
„Man sagt es läge daran, dass er irrtümlich von Wölfen großgezogen wurde. Er hält sich deshalb für recht klein!“ fuhr der
andere fort und lachte.
„Einmal mussten wir ihm sogar vor einem wütenden Kaninchen retten! Der arme ernährt sich nur von toten Mäusen, denn er scheut den Kampf. Und diese verspeist er auch nur dann, wenn ihn niemand dabei sieht. "Schüchtern ist er nämlich auch noch!“ fügte der erste Rabe amüsiert an.
„Wieso könnt ihr denn sprechen?“ fragte Marie schüchtern.
„Du bist in Anderland. Hier können alle Tiere sprechen“
„In Anderland? Davon habe ich noch nie gehört!“
„Als du den Fluss überquert hast, hast du die Grenze überschritten. Aber nicht jeder der den Weg geht, den du gegangen bist, kommt nach Anderland! Gevatter Fisch entscheidet, wer passieren darf!“ sagten die Raben.
„Und was soll ich hier?“
„Das wird dir der weise Meister-unter-der-Erde sagen!“
„Und wo finde ich den?“ frage Marie weiter.
„Tja, da wären wir schon bei der ersten Aufgabe. Schreck wird dich zu ihm führen!“
„Aber wo ist Schreck?“
„Genug gefragt. Den Rest musst du selber machen!“ sprachen die Raben, und flogen davon.
Marie ging in den Wald und rief nach Schreck. Und versicherte, das sie ihm nichts tun würde. Aber der Fuchs wollte nicht auftauchen. Sie suchte nach ihm, blickte hinter Bäume, in leere Höhlen und durchstöberte Sträucher. Ohne Erfolg.
Mittlerweile hatte sie großen Hunger, weshalb sie Beeren und Nüsse aß, von denen es viele gab.
Marie überlegte, wie sie wohl den ängstlichen Fuchs fangen könnte, wenn er schon nicht freiwillig kam. Sie beschloss, sich wieder an derselben Stelle schlafen zu legen, wie schon zuvor.Und hoffte, Schreck würde wiederum ihre Wärme suchen. Sie brach einen biegsamen Ast von einer Weide, an dem sie Schreck
anleinen wollte.
Der Abend dämmerte. Und wie beschlossen, legte sie sich nieder. Sie schlief ein. Dieses mal jedoch erwachte sie, bevor es dämmerte. Und tatsächlich, im Schutze der Nacht hatte Schreck sich wiederum zu dem Mädchen gelegt. Marie umgriff ihn fest. Sofort erwachte der Fuchs. Panisch versuchte er sich zu entwinden und gab winselnde Laute von sich. Aber es gelang ihm nicht.
„Ich will dir doch gar nichts tun! Du sollst mich nur zum Meister-Unter-der-Erde führen!“ versuchte Marie den Ängstlichen zu beruhigen. Der jedoch strampelte wie wild, geriet aber zusehends außer Atem. Rasch band das Mädchen die biegsame Weide um den Hals des Tieres.
„So! Nun gib’ auf, und führe mich zum Meister!“
„Mach’ mich los! Mach mich los!“ bettelte Schreck.
„Nein! Wir gehen jetzt!“ erwiderte Marie.
Und so geschah es. Der Fuchs zog wie wild an Weide, und er hörte nicht auf zu winseln. Schnell kamen sie voran. Nach zwei Stunden
fragte Marie:
„Wann sind wir denn endlich da?“
„Woher soll ich das wissen? Ich versuche nur zu fliehen!“
„Was?! Du sollst mich doch zum Meister-unter-der-Erde bringen!“
„Ich will aber frei sein!“ gab Schreck trotzig zurück.
„Aber wenn du sowieso fliehst, dann könntest du doch zum Meister fliehen! Dort lasse ich dich auch frei!“
Der Fuchs blieb stehen und überlegte kurz.
„Na gut. Wenn es nicht anders geht. Ich bringe dich zu ihm!“
Schweigend gingen sie nun noch eine weitere Stunde. Der Wald wurde immer dichter. Äste schlugen dem Mädchen ins Gesicht, Insekten umschwirrten sie. An einer Lichtung angekommen sagte Schreck:
„So, bei der großen Eiche in der Mitte, dort wohnt der Meister.
Zwischen den Wurzeln findest du eine Tür, das ist der Eingang zu seiner Höhle. Und nun mache mich los!“
Marie gehorchte. Der Fuchs wünschte ihr viel Glück und trollte sich.
Unsicher näherte sie sich dem Baum, der recht einsam auf der Lichtung stand. Sie fand die Tür. Diese war sehr klein, höchstens gebückt, hätte sie hindurchgehen können. Marie nahm allen Mut zusammen und klopfte zaghaft.
„Was ist denn nun schon wieder?“ hörte sie eine gereizte Stimme. „Kann man denn nicht einmal in Ruhe seinen Bart waschen?“
„Ich bin es nur!“ sagte Marie schüchtern.
„Das sagen alle! Nun komm’ schon rein!“
Marie öffnete die Tür und zwängte sich hindurch. Sie konnte kaum glauben was sie sah! Ein kleiner alter Mann stand mitten in der Höhle. Er wusch seinen riesigen, grauen Bart in einer mit Seifenwasser gefüllten Wanne. Dazu hielt er eine Bürste in einer
Hand, und hatte Seifenschaum in den langen Haaren und auf seiner Nase. Der Meister trug ein merkwürdiges, buntes Gewand, das bis auf den Boden reichte. Grimmig blickte er Marie an.
Der Alte nahm ein Handtuch, und trocknete sich die Hände. Dann blickte er seinen Gast an.
"Ach ja, du bist es, Marie!"
"Woher weißt du wer ich bin?"
"Das ist nicht weiter wichtig. Setz dich erst mal hier in den Sessel!"
Marie nahm Platz. Sie sah sich in der Höhle um. Diese war recht heimelig. Eine Kerze brannte auf dem Tisch, und viele Bücher standen in einem großen Regal.
Der Meister faltete seine Hände auf dem Rücken und ging langsam auf und ab. Er dachte scheinbar nach, wozu er seinen Mund gespitzt hatte und die Augen halb schloss.
"Sicher meinst du, selber die Entscheidung getroffen zu haben, dein Dorf zu verlassen." sagte er und machte eine kurze Pause. Dann drehte er sich abrupt um, deutete theatralisch mit dem Finger auf Marie und fuhr laut fort:
"Aber das ist falsch!"
Leider stolperte der kleine Mann im selben Moment über die Wanne, die sich im Raum ergoss. Wild fluchend erhob er sich wieder, und trat wütend gegen die Wanne. Dabei tat es sich weh, mit verzogenem Gesicht hielt er sich sein Bein.
"Schon gut, schon gut, äh, nun ja. Also, was ich sagen will ist Folgendes: Es gibt Menschen, die haben eine Aufgabe, aber das wissen sie nicht. Und zu diesen Menschen gehörst du!"
Er sah sich plötzlich im Spiegel, woraufhin er seine Brust anhob und befriedigt nickte.
"Ich verstehe gar nicht..." wollte Marie bemerken.
"Deswegen erkläre ich es dir ja! Höre mir nur zu. Vielleicht hast du dich schon öfter gefragt, weshalb du in einer so unglücklichen Familie lebst!“
„Ja das stimmt.“ fügte Marie ein.
„Ich will dir sagen, mein Kind, es ist nicht eure Schuld! Vor langer, langer Zeit, als dein Vater ein junger Mann war, gab es zwei Frauen, die ihn als Ehemann begehrten. Die eine war deine Mutter, sie hat er erwählt.
„Ja ich weiß!“
„Ich weiß, das du das weißt, verflixt noch mal. Unterbrich mich nicht dauernd!“ Der Meister rollte ungeduldig mit den Augen, sammelte sich und sprach weiter.
„Nun, das Problem, um das es hier geht ist dieses: Die andere Frau, deren Herz dein Vater brach, verfügte über Zauberkräfte!“
Der Meister wurde ruhig und ernst. „Sie hat deinen Vater verflucht!“
„Nein!“ entfuhr es Marie. „Was sollen wir jetzt machen? Kannst du den Fluch von ihm nehmen? Und wer ist diese Frau?“
„Langsam, immer mit der Ruhe!“
Der Meister trat zu Marie und legte seine Hände auf ihre Schultern. Er war sehr ernst geworden. Gütig sah er ihr tief in die Augen.
„Mein Kind, ich kann ihn nicht erlösen. Ich habe zwar Zauberkräfte, aber sie werden hier nichts nutzen. Aber du kannst deinen Vater vielleicht erretten. Denn dein Herz ist rein. Und mutig bist du auch!“
„Aber wie kann ich den Fluch von ihm nehmen?“ fragte Marie.
„Wann immer ein Mensch einen anderen verflucht, geschieht etwas hier in Anderland. Es ist, als sei Anderland auf eine besondere Art und Weise mit eurer Welt verbunden. Seit der Fluch deinen Vater getroffen hat, hat sich also hier etwas verändert!“
„Was hat sich denn verändert?“ fragte Marie ungeduldig.
„Gargol hat eine goldene Kugel gefunden. Er trägt sie an einer Kette um den Hals!“
„Wer ist denn Gargol?“
„Gargol ist ein Wolf. Ein Wolf, so groß wie ein Pferd! Früher war er ein recht unangenehmer Bursche. Oft wütend, manchmal nutzte er seine Kraft aus, um Schwächere zu ängstigen, denn er war auch schadenfroh. Seit er die Kugel gefunden hat, ist er anders. Er ist freundlicher geworden, ja sogar hilfsbereit. Die Tiere laufen nicht mehr weg, wenn sie ihn sehen. Außer er ist auf der Jagd, aber das
ist ja ganz natürlich!“
„Aber was hat all das mit meinem Vater zu tun?“
„Ganz einfach. Die goldene Kugel ist das Glück deines Vaters! Hier in Andersland ist sie gelandet, nachdem der Fluch ausgesprochen wurde!“
„Dann muss er die Kugel wiedergeben! Sie gehört ihm ja gar nicht!“ sagte Marie trotzig.
„Das stimmt schon. Sie gehört ihm nicht. Aber er wird die Kugel nicht rausrücken. Denn Gargol ist das erste mal in seinem Leben glücklich. Und dieses Glück, wird er behalten wollen!“
Marie begann zu weinen.
„Dann ist alles verloren!“
„Aber nein, du liebes Kind, nun höre doch auf zu weinen!“ Der Meister konnte Tränen nicht recht ertragen, es machte ihn nervös das Marie weinte.
„Willst du vielleicht einen Lutscher? Ähh... Außerdem ist nicht alles verloren...“ Der Meister griff nach seinem Handtuch, das er Marie zum trocknen ihrer Tränen reichen wollte. Vor lauter Aufregung griff er jedoch daneben, und reichte ihr stattdessen
seinen Bart.
Marie schluchzte.
„Es ist nicht alles verloren?“
„Nein, ich habe dir doch gesagt, das du eine Aufgabe hast! Es ist deine Aufgabe Gargol die Kugel wieder abzunehmen. Deswegen bist hier. Verstehst du? Und nun höre um Gottes willen endlich auf
zu weinen!“
Marie gehorchte. Der Meister seufzte erleichtert.
„Gehe zu Gargol!“ sagte er bestimmt. „Und hole die Kugel!“
„Ich? Aber wie denn?“ fragte Marie überrascht.
„Das musst du selber herausfinden! Aber eines steht fest: du kannst es schaffen, sonst wärest du nicht hier! Willst du es wagen?“
Marie dachte kurz nach.
„Ja ich will es versuchen!“ sagte sie.
„Gut. Morgen in aller Frühe brichst du auf. Die Nacht über bleibst du hier. Du musst dich ausruhen!“
„Sage mir doch noch, wer hat meinen Vater verflucht?“
„Mein Kind, das sollst du nach Ende deiner Mission erfahren. Würde ich dir jetzt sagen, wer es war, so könnte das zuviel für dein kleines Herz sein. Es ist wirklich fürchterlich. Du musst dich vorerst
damit begnügen!“


Am nächsten morgen hatte Meister-unter-der-Erde bereits ein Frühstück bereitet, als er Marie aufweckte. Marie war recht aufgeregt, wusste sie doch um die Wichtigkeit und Gefährlichkeit des kommenden.
„Also, Kleine...“ sagte der Meister laut schmatzend. „...du brauchst nur dem Bach hinter der Lichtung folgen. Er führt dich direkt zur Höhle Gargols. Der Bach mündet in einen kleinen See, dort wirst du den Eingang gleich erkennen. Sei vorsichtig bei allem was du tust! Denke nach, übereile nichts! Geduld ist oft wichtiger als Mut! Hast du das verstanden?“
„Ja, ich werde Acht geben !“ erwiderte das Mädchen.
„Ich habe dir... schmatz... einen kleinen Rucksack gepackt. Drinnen sind eine Decke, eine Speckseite und ein Fässchen Eselsmilch und dies und das!“
„Wie? Das ist ja schlimm! Gib’ mir doch lieber etwas von dem Brot hier mit!“
„Und diesen Helm hier...“ der Meister grabbelte ein merkwürdiges Gebilde von seinem Schrank, „...gebe ich dir auch noch mit. Er ist aus einer halben Kokosnuss gefertigt!“
Flugs setzte er den Helm auf Maries Kopf.
„Ich will diesen Helm aber nicht. Brot und Decke sind genug!“
„Aber wieso denn?“ beharrte der Meister. „Einen Helm kann man doch immer gebrauchen! Aber gut, wie du meinst!“
Der Meister straffte sich.
„Nun wird es Zeit!“
Marie stand auf und packte Brot in den Rucksack. An der Tür verabschiedeten sich beide.
„Danke Meister!“
„Gern’ geschehen, und nun los!“
Marie ging gerade erst einige Schritte.
„Halt!“ rief der Meister. „Komm’ noch mal her!“
Marie gehorchte. Der Meister drückte sie fest an sich.
„Gib’ auf dich acht!“
„Das verspreche ich!“ erwiderte Marie schüchtern.

Der Bach war rasch gefunden. Er führte wieder in den Wald hinein. Marie folgte seinem Lauf, und pfiff dabei ein Lied. Damit wollte sie sich selber aufmuntern. Denn eigentlich hatte sie Angst. Einem Wolf, so groß wie ein Pferd, etwas stehlen? Ganz allein? Hätte
sie jetzt darüber nachgedacht, so wäre ihr Mut dahingeschmolzen.
Erinnerungen an Daheim kamen ihr stattdessen in den Sinn. Die verzweifelte Mutter, der merkwürdige Vater. Meistens saß er im Sessel, stumm in sich blickend. Erst am Abend, wenn er getrunken hatte, wurde er etwas lebendiger. Aber auch das war nicht schön. Wie schnell konnte er wütend werden! Und wie groß war dann die Furcht der Mutter! Marie kannte all das nicht anders. Sollte es möglich sein, das sich so etwas verändern kann? Und wie würde es dann sein? Sie konnte es sich einfach nicht vorstellen.
Und daran war nur dieser Fluch schuld! Wie kann man nur so gemein sein! „Na warte!“ sagte sie laut und trat nach einem Stein. Ihre kleinen Hände ballten sich zu Fäusten, wütend schob sie ihr Kinn vor. Auf diese Art versunken, ging sie ihren Weg.
Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als sie beschloss, eine Rast einzulegen. Sie aß von dem Brot, und fand dabei allerlei Krimskrams in dem Rucksack. Eine Schnur, ein Messerchen, ein Taschentuch, und andere Dinge, die ihr nicht besonders nützlich erschienen. Sie wollte nicht allzu lange rasten. Denn im Wald gab es so viele Geräusche, das machte ihr Angst. Wer weiß? Vielleicht ist der Wolf ja auf der Jagd? Oder ein anderes Tier? Sie stand auf. Lieber in Bewegung bleiben!
Langsam begann sie das Gewicht des unförmigen Rucksacks zu spüren. Auch ihre Füße schmerzten. Soviel wie in den letzten Tagen war sie noch nie gegangen. „Wäre doch jemand bei mir!“ dachte
sie. „Selbst Schreck wäre schon genug!“ Die Sonne begann herabzusinken, es war bereits später Nachmittag. Marie spürte, wie ihre Kräfte nachließen, als sie einer Biegung folgend plötzlich den See sah! Schlagartig war sie hellwach! Sie verbarg sich schnell in einem Gebüsch. Dort kauerte sie, und sah sich um. Der See lag still da. Die rötliche Sonne spiegelte sich in ihm. Aber wo war der Eingang zu Gargols Höhle? Da! Genau auf der anderen Seite. Eine große Öffnung in einem Felsen! Oh Gott! Jetzt nur die Ruhe bewahren!, befahl sich das Mädchen. Erst mal tief Luft holen. An etwas schönes denken. Den Meister, Tante Anna, den lustigen Fuchs.
Marie beschloss sich langsam durch Sträucher und Gebüsche zur anderen Seite zu schleichen. Wie ein Indianer. Und so begann sie auf allen Vieren, sich vorzuarbeiten. Dabei vermied sie jedes Geräusch und machte Pausen um zu lauschen. Es schien ihr Ewigkeiten zu dauern, auch nur eine kleine Strecke zurückzulegen.
Aber sie kam immerhin voran, wenn sie auch nicht wusste, was sie, erst mal angekommen, dort überhaupt tun wollte.
„Hast du etwas verloren?“ hörte sie auf einmal hinter sich eine tiefe Stimme fragen. Marie fuhr herum und sah über sich den Wolf Gargol! Mein Gott, ein Riese! Das Mädchen erstarrte.
„Was ist denn kleine Maus? Soll ich dir suchen helfen?“ fuhr der Wolf fort. „Nun habe doch keine Angst! Ich kann nichts dafür das ich so groß bin. Außerdem fresse ich keine Menschen!“ Der Wolf lächelte, fuhr seine gewaltig Pranke aus und berührte sanft Maries Gesicht. Dazu sagte er:
„Kille, kille, kille!“ und blickte vergnügt.
Marie sah die goldene Kugel auf seiner Brust. Sie schimmerte im Glanz der untergehenden Sonne. Die Kugel war nicht größer als
eine Murmel.
„Ich bin Marie!“ stammelte das Mädchen.
„Ich bin Gargol!“ Gargol schnüffelte. „Ah! Du warst beim Meister! Und Schreck rieche ich auch! Früher habe ich mir oft einen Spaß daraus gemacht Schreck in Furcht zu versetzen. Aber das ist vorbei. Er ist mit seiner, äh, sagen wir mal ‚Störung’, schon genug gestraft!“
Marie spürte, dass sie nicht in Gefahr war, und setzte sich auf. Sie fühlte sich wohl bei Gargol. Er war wirklich gutmütig.
„Ja Schreck ist komisch! Er hat sich in der nacht an mich gekuschelt, und am morgen ist er weggelaufen!“
Beide lachten.
„Es wird bald dunkel kleine Maus! Wo willst du denn schlafen? Zum Meister ist es weit! Aber du kannst gerne bei mir bleiben!“
„Ja, das will ich gerne!“ antwortete Marie.
Es schien als habe Marie ihre Aufgabe ganz vergessen. Sie freute sich einfach über den netten Wolf.
„Achtung! Jetzt kommt’s!“ sagte Gargol, griff mit der Schnauze Maries Jäckchen, und trug sie zur Höhle. Als der Wolf ging, bebte die Erde, so schwer war er. Das machte Marie aber keine Angst, sie genoss das Schaukeln, und quiekte vor Vergnügen.
Die Höhle war angenehm warm, groß und mit Bärenfellen ausgelegt. Gargol legte das Mädchen ab.
„Hm!“ machte dieser.
„Was ist denn?“ fragte Marie.
„Irgendetwas stimmt nicht mit dir!“
„Wie meinst du das?“ Sie war besorgt.
„Ich merke, du trägst sehr viel Kummer in dir! Das ist nicht gut!“
Wieder griff er das Mädchen und legte es an seine Seite.
„Das haben wir gleich!“ sagte er.
Gargol holte tief Luft, und ließ seinen warmen Atem dann gegen Maries Kopf strömen. Wieder und wieder. Als gelte es, etwas Eisiges in ihr aufzutauen.
Das Mädchen fühlte sich unbeschreiblich wohl. Das Fell des großen Tieres, sein beruhigender Herzschlag, der strömende Atem.
Es war, als sei sie heimgekommen. Nach einer ganzen Weile sagte sie:
„Ich habe eine Idee! Wer den ängstlichen Gesichtsausdruck von Schreck am besten nachmachen kann, der hat gewonnen!“
„Na gut, aber ich fange an!“ erwidert Gargol.
Er riss seine Augen auf und öffnete zu Tode erschrocken sein Maul. Sein ganzer Kopf zitterte vor Anstrengung.
„Du siehst blöd aus!“ sagte Marie übermütig.
„Ich weiß!“ gab Gargol zurück.
Beide kugelten sich vor lachen.
Der Abend wurde lang. Man alberte herum, erzählte sich Geschichten. Noch nie in ihrem Leben war Marie so glücklich.
Sehr spät erst, beschlossen sie, das es jetzt Zeit sei zu schlafen. ‚Jetzt bin ich wie Schreck.’ dachte sie, als sie sich müde an Gargol kuschelte. ‚Ich werde hier bleiben’ beschloss sie selig. ‚Und ich werde ihm sein Glück nicht rauben...’ Marie schlief ein.

„Nein! Nein, nein und nochmals nein!“ tobte Meister-unter-der-Erde als er in seinem magischen Spiegel alles mit ansah.
„Ich Idiot!“ fuhr er fort. „Ich hätte es wissen müssen! Sie war zu ausgehungert!“ Wütend trat er um sich. „Der Fluch muss aufgehoben werden!“ schimpfte er weiter. Grimmig ging er auf und ab. „Was könnte ich jetzt tun?“ Der Meister dachte angestrengt nach, murmelte dabei in seinen Bart.
„Ob das klappen könnte?“ fragte er sich nach einer Weile. „Hm..., ich muss es versuchen!“
Er griff einen kleinen Beutel und sprach etwas in ihn hinein, fast so, als gelte es den Beutel zu überzeugen. Als er damit fertig war, trat er vor die Tür.
„Eule!“ rief er in die Nacht hinein. „Eule, komm’ her!“
Fast sofort kam durch die Dunkelheit eine Eule angerauscht.
„In Gargols Höhle liegt ein Mädchen. Nimm diesen Beutel, und streue den Traum über ihr aus! Beeil dich!“
Die Eule nahm den Beutel, und flog davon. In der Höhle angekommen schüttelte sie den Beutel über Marie aus. Winzige, silberne Sterne sanken auf sie herab. Lautlos entschwebte die Eule wieder.
Die Sterne sanken in Marie ein. Und sie begann zuräumen. Sie sah den Meister, der zu ihr sprach:
„Mein Kind! Lasse dich nicht verführen! Bedenke, das Glück das du erfahren hast, gehört zu deiner Familie! Die Güte und das Lachen Gargols gehören deinem Vater, der schon so lange leidet! Vergiss ihn nicht! Was du am Abend erfahren hast ist nicht Gargol.
Es ist nicht seine Natur. Denke an die schönen Zeiten, die kommen werden, wenn du deinen Vater vom Fluch befreist. An all die Liebe und all das Lachen. Ihr werdet eine richtige Familie sein!
Und nun werde ich dir sagen, wer den Fluch ausgesprochen hat. Denn es scheint, das du etwas Wut brauchst, um das zu tun, was richtig ist. Tante Anna war es, die das Leben deines Vaters zerstört
hat!“
Marie fuhr hoch.
„Nein!“ flüsterte sie entsetzt. „Tante Anna?“ Sie musste weinen. Niemals hätte sie das gedacht! Die nette Tante Anna? Sie hatte sich doch immer nach ihrem Vater erkundigt! Und ihr Süßigkeiten geschenkt! Und freundliche Worte für sie gehabt! Leise war ihr weinen. Denn sie wollte Gargol nicht wecken. Gargol. Sie besah sich das mächtige Tier. Wie sich seine gewaltige Brust hob und senkte. Und sah die goldene Kugel. Sie wusste nicht, ob sie diese Kugel wirklich nehmen wollte. Denn sie fühlte sich einfach nur leer traurig. Dennoch griff sie danach, zerriss die Schnur an der sie um Gargols Hals hing. Sie hielt die Kugel in ihrer Hand.
Zwar erwachte Gargol nicht. Aber sein Atem wurde sofort viel kälter und unruhiger. Ganz leise vernahm sie klagende Laute aus seinem Maul, er begann sich hin- und herzuwälzen, als habe er einen Alptraum. Schließlich knurrte er, noch immer schlafend, und
fletschte die Zähne. Marie bekam Angst, erhob sich und rannte aus der Höhle, in die dunkle Nacht hinein. Kaum hatte sie einige Schritte zurückgelegt, hörte sie ein markererschütterndes Winseln aus der Höhle dringen. Gargol schien erwacht und hatte wohl gemerkt, dass ihn das Glück verlassen hatte. Er trat vor die Höhle.
Wie hatte er sich verändert! Wutschnaubend stand er über ihr, und blickte auf sie herab.
„Die Kugel! Gib sie mir wieder!“ Elend und Schmerz schwangen in seiner dröhnenden Stimme.
„Sie gehört doch meinem Vater!“ erwiderte Marie ängstlich.
„Gib sie mir wieder, oder ich fresse dich auf!“
In diesem Moment machte es „puff“, und eine rosafarbene Wolke erschien, aus welcher der Meister-unter-der-Erde stieg.
„Jetzt darf ich dir helfen!“ sagte dieser bestimmt.
„Was geht dich das an, du kleiner alberner Mann?“ grollte Gargol.
„Die Kugel gehört dir nicht!“ erwiderte der Meister entschlossen.
„...kleiner alberner Mann in einem lächerlichen Kostüm! Weißt du, wie schnell ich töten kann? Mit einem einzigen Hieb schlage ich
dich entzwei!“
„Unterschätze meine Zauberkraft nicht, Gargol! Du weißt wer ich bin!“ gab der Meister zurück, und erhob drohend seinen Arm.
„So? Willst du mich mit deinem Kochlöffel verzaubern?“
„Wieso Kochlöffel?“ fragte der Meister erstaunt und blickte auf seine Hand. „Verflixt!“ zischte er. Und augenblicklich machte es wieder „puff“ und der Meister war verschwunden.
„Ach Gargol! Ich habe dich so lieb !“ sagte Marie mit Tränen in den Augen.
„Warum hast du mich dann verraten? Ich hasse dich dafür und ich glaube ich will dich töten!“
Puff!
„Aber jetzt!“ diesmal schwang der Meister seinen Zauberstab.
„Gargol.“ zärtlich sprach Marie seinen Namen aus. Sie hatte Mitleid mit ihm. Dieser jedoch schrie so laut, das man Angst hatte der Himmel würde hinabfallen:
„Ich will gut und glücklich sein! Gib’ die Kugel oder ich fresse dich!“
Der Meister hörte den Worten Gargols interessiert zu. Ein Verdacht keimte in ihm.
„Halt Gargol!“ sagte er „Ich glaube ich kann dir helfen!“
„Wie denn?“ fragte der Wolf misstrauisch.
„Ein Wolf ist unglücklich, wenn er kein Wolf sein will. Du aber bist ein Wolf! Wenn du das hinnimmst, so wirst du in Frieden mit dir Leben. Und wer in Frieden mit sich lebt, der ist nicht
bösartig!“
„Und was soll ich tun?“ fragte Gargol.
„Ich werde jetzt ein Wesen zaubern, das dem entspricht was du sein willst. Dieses Wesen, diesen dummen, dummen Traum musst du zerstören, dann wirst du in Frieden leben!“
Der Meister murmelte einige fremdartig klingende Worte, schwang sein Zauberstab. Dann sagte er:
„Sei!“
Wie aus dem nichts erschien eine grotesk aussehende Kreatur. Der Körper war der eines Schafs, der Kopf der eines Wolfes, der eine bunten Hut trug. Mit jedem Pulsschlag zeichnete sich ein riesiges, rotes Herz auf der Brust des Wesens ab, das zudem noch dümmlich lachte.
„Das willst du sein! Sieh’ es dir nur an!“ sagte der Meister anklagend.
Gargol schien gebannt von dem Anblick seines Wunsches.
„Hast du genug gesehen?! Glaubst du, das dieses Vieh deine Natur ist? Nein! Niemals, du bist ein Wolf! Und nun reisse das Vieh! Wie ein Wolf!“
Gargol tat wie ihm geheißen, stürzte sich auf die Kreatur, die abscheulich quiekte, packte sie am Hals, rang sie zu Boden und biss fest zu, bis sie tot war.
„Gut gemacht Gargol! Jetzt wirst du in Frieden mit dir leben!“
„Ja, es fühlt sich gut an!“ gab Gargol erschöpft zurück.
„So, mein Kind, wir puffen uns jetzt nachhause. Ich glaube, ich bin doch langsam etwas zu alt für solche Dramen!“ sagte der Meister zu Marie.

Am morgen. Müde aber zufrieden, sitzen beide im Heim des Meister bei einer Tasse Tee.
„Wie alt bist du denn eigentlich?“ fragte Marie.
„Lassen wir das! Viel wichtiger ist:Ich werde die Kugel einschmelzen, und zwar so heiß, das sie ganz und gar verdampft. Dieser Dampf wird von allein seinen Weg zu deinem Vater finden!“
„Und was wird aus Tante Anna?“ wollte Marie wissen.
„Tja, die wird es nicht sonderlich leicht haben. Denn der Hass ihres Fluches wird zu ihr zurückkehren. In Form von Trauer. Die Trauer, die sie sich nicht eingestehen wollte. Sie wollte lieber hassen
und vernichten, anstatt sich ihre Schwäche einzugestehen. Schaden wird sie euch nicht mehr können!“
„Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es zuhause sein wird. Ich meine, ich kann all das nicht fassen!“
„Es wird sich so ähnlich anfühlen, wie bei Gargol in der Höhle. Obwohl natürlich klar ist, das man nicht ständig herumalbert. Freue dich jetzt einfach auf etwas großartiges, auf etwas neues!“
„Und werde ich dich wiedersehen?“
„Nein, mein Kind! Das ist auch nicht nötig. Und nun wird es Zeit Abschied zu nehmen!“ sagte der Meister und gähnte.
„Ich danke dir für alles Meister! Ich habe das Gefühl, als habest du mein Leben gerettet!“
„Sicher nicht! Schließlich hast du allein deine Aufgabe erfüllt!“
"Dann gehe ich jetzt!"
"Gehen? Wieso denn? Du fährst natürlich mit dem 'Puff'-Express!"
PUFF!

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo bassimax!

Ein wunderschönes kleines Abenteuer voller süßer Details (Das "Lebewohl" sagen, der Zauberer mit dem Kochlöffel, der schüchterne Fuchs, usw. :D ) Sprachlich finde ich vieles noch verbesserungsbedürftig: Etwa erzählst Du gerade am Anfang viel "frontal", was Du besser zeigen könntest:

Geschrieben von bassimax
Sie fürchtete den derben Humor der Männer, spitze Bemerkungen wegen ihres
Vaters. Ihre Familie war im Dorf nicht sehr angesehen.
Du zeigst doch die spitzen Bemerkungen sehr schön! Warum noch so erzählen? Es gibt eine Reihe von solchen Stellen, insgesamt finde ich der Geschichte würden ein paar weitere Überarbeitungen gut tun.

Den Schluß finde ich einerseits angenehm überraschend (mit der Tante Anna als der Bösen etwa) andererseits zu abrubt: In einem ordentlichen Märchen erwarte ich, auch noch die Ankunft zu hause mit dem Happy End präsentiert zu bekommen. Hach sie wird zu hause doch schon soooo sehnlich erwartet, ihre Eltern werden soooo glücklich sein *schnüff*

Insgesamt aber ein echtes Lesevergnügen! :thumbsup:
Viele Grüße, Niels

 

hallo niels!

schön das dir die geschichte gefallen hat.
nun zur ersten anmerkung:
"Du zeigst doch die spitzen Bemerkungen sehr schön! Warum noch so erzählen? Es gibt eine Reihe von solchen Stellen, insgesamt finde ich der Geschichte würden ein paar weitere Überarbeitungen gut tun."
ich habe schlicht nicht verstanden was du meinst.
sei so gut, und mache das noch deutlicher, damit ich
die geschichte unter diesem blickwinkel noch einmal
überlesen kann.

das mit dem ausfürlicheren ende, der glücklichen
familienzusammenführung ist so eine sache. ich hatte
sie ganz bewusst vermieden. die geschichte sollte
nicht zu sehr dem gängigen märchenschema folgen.
ausserem mochte ich es schon als kind nicht, wenn am ende der "waltons" alle lachend vor dem haus standen.
und zudem: der meister hatte gesagt, sie würden einander nicht wiedersehen, er hat marie sozusagen entlassen. und auch ich wollte sie entlassen.

viele grüsse
sebastian

 

Geschrieben von bassimax
"Du zeigst doch die spitzen Bemerkungen sehr schön! Warum noch so erzählen? Es gibt eine Reihe von solchen Stellen, insgesamt finde ich der Geschichte würden ein paar weitere Überarbeitungen gut tun."
ich habe schlicht nicht verstanden was du meinst.
sei so gut, und mache das noch deutlicher, damit ich
die geschichte unter diesem blickwinkel noch einmal
überlesen kann.

Generell ist es eine allgemeine Stilregel, dass man möglichst nichts erzählen soll , was man besser zeigen kann :teach: : Also wenn Du etwa einen arroganten Typen in Deiner KG hast, besser ihn einfach arrogantes sagen/tun lassen und die anderen sich darüber ärgern lassen, als einfach zu sagen: "XY war ein arroganter Typ." Letzteres ist besonders dann schlecht, wenn Du XY bereits entsprechend hast sich verhalten lassen, und es dann noch einmal sagst, weil Du dann den Leser etwas mitteilst, was er schon weiß und unnötige Längen in die KG bringst.
In deiner Gesichchte etwa hier gleich zu Anfang:

Geschrieben von bassimax
Bereits durch das Fenster des kleinen Ladens konnte Marie sehen, das wieder mal ein paar Männer am Tresen rumstanden. Ältere und jüngere, in Arbeitskleidung. Sie wollten wohl nicht gleich nach der Arbeit nachhause gehen.
Marie war erst zehn Jahre alt. Sie sollte mal wieder Bier für den Vater kaufen, und die leeren Flaschen zurückgeben. Sie mochte es nicht, wenn noch andere Leute im Laden standen. Sie fürchtete den derben Humor der Männer, spitze Bemerkungen wegen ihres
Vaters. Ihre Familie war im Dorf nicht sehr angesehen. Der Vate arbeitete nur gelegentlich, und ihre Mutter wurde allgemein bemitleidet.

Zum Vergleich folgender Vorschlag:
Bereits durch das Fenster des kleinen Ladens konnte Marie die vielen Männer am Tresen sehen. Ältere und jüngere, noch in ihrer Arbeitskleidung.
Marie sollte mal wieder Bier für den Vater kaufen und die leeren Flaschen zurückgeben, aber sie fürchtete den derben Humor der Männer, die spitzen Bemerkungen wegen ihres Vaters, die immer dann kamen wenn der Laden voll war wie jetzt. ...

Neben ein paar sprachlichen Vorschlägen habe ich im Kern einige Sätze ersatzlos gestrichen, in denen Du "erzählst" was Du im übrigen Text eigentlich schön zeigst: Die Szenerie wird auch so klar und der Leser bekommt eine gute Vorstellung von der Situation. Dass Marie noch klein ist muß auch nicht erzählt werden, es ergibt sich aus ihrer Reaktion und ist spätestens weiter unten, als sie den Lolli bekommt geklärt. Ihr genaues Alter interessiert niemanden. Das Bild, das Du meinst (das durch den Spott der Männer gedemütigte Kind aus einer kaputten Familie) ergibt sich allein aus ihrer Reaktion und der Interaktion in der Kneipe!

Stephen King sagte einmal, Autoren die zu viel erkären, vertrauen entweder ihrem eigenen Text nicht, oder halten den Leser für dumm - beides ein schwerer Fehler. Lerne vom Meister! :D

Geschrieben von bassimax
das mit dem ausfürlicheren ende, der glücklichen
familienzusammenführung ist so eine sache. ich hatte
sie ganz bewusst vermieden. die geschichte sollte
nicht zu sehr dem gängigen märchenschema folgen.
ausserem mochte ich es schon als kind nicht, wenn am ende der "waltons" alle lachend vor dem haus standen.
und zudem: der meister hatte gesagt, sie würden einander nicht wiedersehen, er hat marie sozusagen entlassen. und auch ich wollte sie entlassen.

Hier hast Du recht - das mit dem Ende ist auf jeden Fall letztlich eine Geschmacksfrage, wenn Du davon überzeugt bist, dann lass es so - Viele Leser werden etwas anderes ertwarten, weil die Form des Märchens nun mal andere Erwartungen auslöst, aber Literatur wäre furchtbar langweilig, wenn sich alle nur nach den Erwartungen der meisten richten und nichts überraschendes machen. ;)

Viele Grüße, Niels

 

Hi Niels!

ich stimme dir nicht ganz zu. es ist wichtig zu wissen,
wie alt das mädchen ist. ihren reaktionen nach könnte
sie locker zwischen 7 und 12 jahren alt sein. wie
gross aber ist der unterschied, allein zwischen einer
7 und 9 jährigen! dieses alter hatte ich bewusst gewählt. sie sollte noch nicht vorpubertär sein (also
11 jahre alt) aber auch kein kleines kind, ohne schmackes.
zur ausführlichkeit. früher war es wirklich eine
grosse schwäche von mir, die wirklich aufgeblasene
formen annahm, alles ganz deutlich zu machen. viel
zu viele worte hatte ich gebraucht.
ich denke diese neigung überfällt mich nur noch
gelegentlich. eine gewisse ausführlichkeit, ein
gewisses mass an ausschmückung ist erlaubt. theoretisch könnte man jede geschichte sehr minimalistisch ausführen.sich fast nur auf die wirklich notwendigen fakten konzentrieren. das ist mir
zu wenig. manchmal wirkt dieser stil eilig. ausserdem habe ich habe freude am erzählen. andrerseits, superausschweifige autoren, kann ich selber nicht ausstehen. sie rauben zeit. als beispiel
fällt mir hier "Moby dick" von melville ein. es
ist furchtbar diesen aufgepusteten schinken zu lesen.
letztendlich: es ist einfach geschmacksache. neben offensichtlichen fehlern, die ich natürlich auch mache,
bleibt es jedem selbst überlassen, wie er es mag.
dick, dünn, oder irgendwas dazwischen...
viele grüsse
sebastian

 

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