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Manni

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12.02.2004
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Manni

Böse Zungen behaupten, er sähe aus wie der Hund, den er täglich Gassi führt. Dabei sind die beiden weder verwandt noch verschwägert.
Der Hund gehört einem Restaurantsbesitzer, der keine Zeit hat, ihn täglich auszuführen, und Manni ist ein alleinstehender Mittfünfziger, der diese Zeit hat.
So kommt es, dass die beiden ihre Vormittage gemeinsam verbringen und außer ausgedehnten Spaziergängen auch noch die verschiedensten Botengänge für alle möglichen Leute machen.
Am Nachmittag trifft man Manni dann in seiner Stammkneipe. Gleich vorne am ersten Tisch sitzt er und löst seine Kreuzworträtsel. Die Brille ist ihm auf der Nase vorgerutscht, und seine sorgfältig nach hinten gefönten Locken sind auseinandergefallen. In diesen Momenten hat er was von einem Denker, der Manni.
Gegen Abend tauscht Manni seinen Platz dann gegen einen Barhocker am Tresen. Redselig vom Weizenbier wartet er auf die, die von der Arbeit kommen, um ihr Feierabendpils zu trinken.
Gleich wird sich jemand neben Manni setzen, und wer immer es auch sei, er wird die nächsten Stunden nicht vergessen.
Stellen Sie sich vor, Sie sind heute derjenige.
Sie begrüßen Manni wie gewohnt. Dabei fällt Ihnen auf, dass er eine neue Jacke anhat. Sie gefällt Ihnen, und das sagen sie ihm auch. Damit haben Sie das Vorwort geschrieben für ein Psychodrama, in dem Sie selber das Opfer sein werden.
Manni beginnt zu erzählen: "Woaßt, des wor aso...".
Keine Angst, Sie sind nicht etwa an einen exotischen Ausländer geraten, sondern an Manni, den Franken.
Er will Ihnen mit diesem Satz, der übersetzt bedeutet: "Weißt du, das war so...," nur andeuten, dass er Ihnen die Geschichte der Jacke von Anfang an erzählen wird.
Und dies heißt, dass Manni jetzt beginnen wird an jenem denkwürdigen Tag, an dem er sie Intuition hatte, er müsse einmal in seinen Briefkasten schauen.
"Normalerweise", so wird er Ihnen sagen, "normalerweise ist ja nie was drin im Briefkasten, aber ich hatte so ein Gefühl, dass es heute anders sein würde. Also hab‘ ich nachgeschaut, und tatsächlich, da war dieser Prospekt vom Versandhaus."
Damit ist das Thema für Sie erledigt. Sie gehen davon aus, dass Manni dort seine Jacke entdeckt und sich bestellt hat.
Aber weit gefehlt; er ist noch lange nicht mit Ihnen fertig.
"Woaßt...," wird er fortfahren, "da war auf der ersten Seite so eine blonde Frau drauf, mit so einem lila Rock und einer gestreiften Bluse. Ich weiß nicht, hast du sie gesehen, sie trug eine Sonnenbrille?"
"Nein," werden Sie noch höflich sagen, "nein, ich kenne den Prospekt nicht".
Das fränkische "r", das unentwegt in Ihr Ohr "rollt", wird Ihnen langsam zur Tortur, und es ärgert Sie, dass Sie das Gespräch der anderen Gäste über den schlimmen Verkehrsunfall, der gestern passiert ist, nicht verfolgen können.
Aber Manni wird nicht aufgeben.
"Und auf der Seite, da war so eine Jeanshose mit so eichenblattförmigen Lederbesätzen." Dabei wird er sich leicht erheben, um Ihnen anzudeuten, wo diese Besätze verlaufen.
"Die hat mir so gefallen, die wollte ich mir unbedingt bestellen, aber die war in meiner Größe nicht zu kriegen. Normalerweise trage ich Größe 48, aber..."
Ihnen wird’s zuviel, und Sie gehen mal austreten, in der Hoffnung, dass Manni inzwischen ein anderes Opfer findet.
Als Sie zurückkommen, versuchen Sie, sich an der mittlerweile stattfindenden Diskussion über die Tennisschlacht, die der Boris gestern geliefert hat, zu beteiligen.
Wenn Sie denken, dass Sie Manni damit aus dem Konzept bringen könnten, irren Sie gewaltig.
"Woaßt", wird er Ihnen den Aufschlag aufnehmen, und auf der Seite 48, da war diese Jacke. Und die gab’s in weiß und in blau und in gelb und in rot. Weiß wollte ich nicht, das wird so schnell dreckig, und das Gelb hat mir auch nicht gefallen. Aber ich wusste nicht, ob ich blau oder rot nehmen sollte. Da bin ich zu Sabine gegangen und habe Sie gefragt, zu welcher Farbe Sie mir raten würde. Und die hat gesagt..."
Sagen sie, irre ich mich, oder platzt Ihnen gleich der Kragen?
Mögen Sie Manni etwa nicht?
Oder seine Geschichte?
Kennen Sie sie etwa schon?
Ach, Sie glauben zu wissen, wie sie weitergeht.
Tja, warum zahlen Sie dann nicht einfach und gehen nach Hause?

©1993 Gabi Mast

 

Moin Gabi,

erstmal herzlich Willkommen auf KG.de

Deine Geschichte läßt mich zweigespalten zuück. Auf der einen Seite gefällt mir die Figur des Manni ziemlich gut (den Dialekt hättest du mMn übrigens ruhig in seiner wörtlichen Rede beibehalten können - ich mag sowas). Auch die Situation an sich hast du gut geschildert.
Was mir aber leider nicht so gefällt, ist die gewählte Erzähkperspektive. Ich persönlich mag keine Geschichten, die den Leser auf diese Art so direkt ansprechen. Dadurch und durch die Tatsache, daß der Text im Präsens (eigentlich sogar Konjunktiv) verfaßt ist, wirkte er auf mich irgendwie nicht wirklich lebhaft.
Ich hätte es vielleicht besser gefunden, wenn du das Gespräch der beiden aus der Ichperspektive von Mannis Gesprächspartner geschrieben hättest ("gestern ging ich in die Kneipe und da habe ich diesen Typen getroffen...") - aber das ist nur mein persönlicher Geschmack und ich will dir gewiß nicht reinreden.

Abgesehen davon ist das meiner Meinung nach aber eine nette Geschichte "für zwischendurch", die mich ganz gut unterhalten hat.

 

Hallo gnoebel,

vielen Dank für Deine Meinung zu meiner "Manni"-Geschichte. Zu deinem Wunsch, den Dialekt in der direkten Rede weiter zu führen, kann ich nur sagen, dass ich dies absichtlich nicht getan habe, da Lektoren üblicherweise davon abraten. Dialekt soll nur angedeutet, nicht durch eine Geschichte geführt werden. Sicherlich gibt es auch hier Ausnahmen; diese Geschichte allerdings würde, glaube ich, dadurch nicht gewinnen, da es ja nicht um die Herkunft Mannis, sondern um sein geschwätziges Wesen geht.
Sicher hätte ich die Geschichte auch in der Ichperspektive schreiben können, aber das schien mir das Naheliegendste. Ich habe mir Gedanken gemacht, wie ich eben dies vermeide. Schade, dass es Dir nicht so gut gefällt. Aber wie Du schon sagst, persönlicher Geschmack ist natürlich immer berechtigt. Ansonsten Danke für die Anregungen; ich werde sie sicher zukünftig im Hinterkopf haben.
Gruß
Gabi Mast

 

Hallo Gabi!

Ich habe die Geschichte gelesen, weil ich die ersten beiden Sätze ganz ansprechend und lustig fand. Je weiter ich allerdings gelesen habe, desto mehr wurde ich enttäuscht.

Texte, die den Leser direkt ansprechen, mag ich überhaupt nicht. Auf mich wirkt das bestenfalls einfallslos.

Das Thema fand ich belanglos. Dass dem Protagonisten ein Bekannter von seinem Jackenkauf erzählt, ist nicht lustig, nicht einmal seltsam, sondern schlicht langweilig. Du schreibst:

Sie gehen davon aus, dass Manni dort seine Jacke entdeckt und sich bestellt hat.
und kommentierst es mit einem:
Aber weit gefehlt
Wieso? Er hat seine Jacke in dem Katalog entdeckt und sich bestellt.

Dass du Dialekt einbaust, ist nett. Aber der Satz

Er will Ihnen mit diesem Satz, der übersetzt bedeutet: "Weißt du, das war so...," nur andeuten, dass er Ihnen die Geschichte der Jacke von Anfang an erzählen wird.
wiederholt den Sinn des vorherigen nicht nur mehrfach, sondern drängt sich auch ziemlich besserwisserisch und belehrend auf. Das finde ich unschön. Sogar ich habe diesen Satz ohne das geringste Problem verstanden, und ich verstehe normalerweise nur reinstes Hochdeutsch.

Insgesamt halte ich die Geschichte leider für nicht gelungen.

dayvs GE-ve
Stefanie

 

Hallo Gabi,

merkwürdigerweise hat es mich überhaupt nicht gestört (im Gegensatz zu den vorherigen Kommentatoren), direkt angesprochen zu werden. Warum soll das nicht gehen? Du hast (denke ich jedenfalls) hier bewiesen, dass es sehr gut geht.

Ich würde empfehlen, den Anfang zu streichen. Der Hund kommt ja in der Geschichte gar nicht vor. Reite lieber noch etwas auf der Zudringlichkeit von Manni herum. Lass ihn z. B. mit auf Toilette gehen und da weitererzählen. Usw.

Fazit: der Manni hat mir gefallen. Weiter so!

Beste Grüße
knagorny

 

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