Mann und Mädchen
"Wohin gehst du?
Das kleine Mädchen sah in fragend an. Was sollte er ihr antworten? Die Wahrheit würde sie nicht verstehen. Verstand er sie denn? Eigentlich nicht. Sie verlangten nur, dass er verstand.
"Das darf ich dir nicht sagen ...es ist nicht für die Ohren eines kleinen Kindes bestimmt."
Die Antwort klang gut in seinen Ohren. Zwar nicht die Wahrheit, aber sicherlich ein Teil davon. Wahrheit ließ sich so ausschweifend definieren.
"Aber warum gehst du dorthin? Willst du denn überhaupt?"
Die Augen des Kindes blickten wieder fragend zu ihm hinauf. Wie unschuldig sie aussah. Er könnte ihr nie die Wahrheit sagen, niemals. Es würde sie zerstören, er war sich ganz sicher. Sie war noch so jung, so unschuldig. So glücklich. Noch kannte sie das Leben nicht. Kannte er es?
"Ich muss."
Ja, das war es. Er musste es. Das war eine gute Ausrede, nun würde das Kind sich zufrieden geben. Er ebenfalls.
"Aber du willst nicht?"
Darüber hatte er nicht nachgedacht. Er ging doch die ganze Zeit irgendwohin, dann wieder an einen anderen Ort, und immer so weiter. Den Sinn davon hatte er nie gesehen. Er würde am liebsten immer an einem schönen Ort bleiben, sich ausruhen, vielleicht ein wenig arbeiten, mit seiner Tochter und seiner Frau leben. Das würde schon genügen.
"Du gehst dorthin ohne es zu wollen. Dann tust du Dinge, die du nicht willst."
Diesmal war es keine Frage, es war eine Feststellung. Und sie hatte recht. Er hatte nicht darum gebeten, dass sie ihn dorthin schickten. Eigentlich wollte er nur seine Ruhe. Nicht das tun, was er dort tun musste.
"Findest du es nicht unfair denen gegenüber, die jetzt wegen dir leiden müssen?"
Meinte sie damit seine Frau und seine Tochter? Wahrscheinlich. Ja, er wusste, er ließ sie allein. Ununterbrochen. Aber er hatte es sich doch nicht ausgesucht. Er wurde gezwungen.
"Aber ich muss doch."
Hatten sie die Rollen getauscht? Wann war er das Kind geworden, das Befehle ausführte? Er hatte einfach nicht nein gesagt.
"Gemein! Und ich muss jetzt leiden! Schau doch, was du gemacht hast."
Er sah das Kind an. Natürlich, er wusste doch, er kannte sie. Es war das kleine Kind, dass er erschossen hatte, als er dorthin geschickt wurde. In den Krieg. Er hatte es nicht gewollt, sie war vor sein eigentliches Ziel gelaufen. Und er hatte sich doch auch nur verteidigen wollen.
Das Arm des Kindes war zerfetzt worden. War es verblutet? Anscheinend.
Stumme Tränen rannten ihm über die Wangen, als das Kind auf ihn zulief und ihm sein kleines Spielzeugmesser in die Brust rammte. Er hatte doch keine Wahl gehabt. Sie hatten es so gewollt und er hatte sich nicht gewehrt.
Er sah die Menschen nicht, die ihn eigentlich umbrachten. Die Eltern des Kindes. Mitten in der Ödnis hatte er sich verlaufen und sein Ziel verfehlt. Unschuldige hatte er nie töten wollen, aber sie wollten ihm keine Nahrung geben. Und hatte man ihm nicht beigebracht, dass die Menschen ihm helfen mussten? Schließlich kämpfte er. Für wen?
Nicht alle Menschen kommen in den Himmel.