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Manfred Fuchs: "Schwule Räuber und der Tischerlwirt"
Auszüge aus dem Leben von Manfred Fuchs: Der Tischerlwirt
Jetzt muss ich schon wieder was erzählen und du wirst nie erraten was!
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Manchmal im Leben passiert es ja, dass es Zusammenhänge gibt, die glaubst du gar nicht. Natürlich gibt es auch Zusammenhänge, die du glauben wirst. Wenn Glasscherben auf dem Boden liegen nachdem du ein Glas hinuntergeschmissen hast, wirst du wahrscheinlich nicht lange überlegen, wo die Glasscherben hergekommen sind. Du wirst auch nicht lange überlegen, wieso der Hase, den du überfahren hast, tot ist. Da gibt es physikalische Gesetze oder wie das heißt, die bestätigen das alles.
Du wirst dafür um so länger überlegen, warum dich deine Freundin verlassen hat. Da gibt es nämlich gar keine Zusammenhänge. Nicht einen einzigen. Weder zu deinem Verhalten, noch zu deinem Einkommen, deiner Liebe, deiner Treue. Da hast du Jahre für sie geopfert, hast ihr den Himmel auf Erden gezeigt, hast sie sogar nach Rom geführt, wo sie für 20.000 Schilling auf deine Kosten eingekauft hat, du hast ihr immer wieder zärtlich über ihr blondes Haar gestrichen, wenn ihr Fernsehen geschaut habt, hast ihr alles gegeben, nur für einen einzigen Kuss, für eine Berührung, für einen Blick, warst sogar beim Palmers Unterwäsche für sie kaufen, hast dich ihren Shoppingorgien hingegeben, hast das dümmste Gewand für sie angezogen, bist mit ihr auf Bälle gegangen, auf den Life-Ball!!!, weil sie das für eine gutgemeinte Aktion hält, hast etliche Fußballspiele verpasst, hast sogar den Geschmack von Bier vergessen, hast keine Freunde mehr, weil du alles für eine gemeinsame Zukunft hergegeben hast, du...
Naja, da will ich jetzt gar nicht zu sehr abschweifen. Was ich eigentlich sagen wollte ist, dass...
Der Life-Ball ist echt furchtbar, weißt du? Lauter Schwule! Ich habe ja nichts gegen Homosexuelle, da will ich jetzt gar keine warme Diskussion entfachen, da gibt es viel zu viele Vorurteile und so. Das ist schon schlimm! Die können ja eigentlich gar nix dafür, dass sie halt Menschen lieben, die so sind wie sie selbst. Da gibt es viel Schlimmere. Da gibt es Menschen die lieben überhaupt nur sich selbst. Das finde ich viel schlimmer, Homosexuelle dagegen... Ich hab sie sehr gern! Auf eine freundschaftliche Art und Weise habe ich sie sehr gern!
Manchmal sind sie allerdings schon komisch, das muss ich nun einmal sagen, da hilft nichts! Am Life Ball zum Beispiel. Ziehen sich an wie im Fasching, führen sich auf wie auf einer großen Orgie und so. Das rückt natürlich alle in ein schlechtes Bild.
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Aber ich kenne zwei schwule Männer, die sind ganz anders. Die leben und lieben zwar gemeinsam, sind sonst aber ganz normal. Der eine heißt Rudolf und der andere heißt Timon. Und die haben auch einen ganz normalen männlichen Beruf. Das wirst du nie erraten! Die sind nämlich Räuber.
Ich hab gesagt männlicher Beruf, nicht ehrenwerter! Das ist überhaupt nicht das selbe: Männlich und Ehrenwert. Nicht nur, dass man es anders schreibt und anders ausspricht, es bedeutet auch was ganz anderes. Nur um dir zu zeigen, dass ich das nicht befürworte, das mit dem Räuberdarsein.
Jedenfalls: Der Timon und der Rudolf sind Räuber, schwule Räuber zwar, aber trotzdem Räuber. Nicht Bankräuber, da haben die ein bisschen Angst davor, einfach in die Bank zu gehen und dann dings. Mit Geiseln und so. Das war nicht so ihre Sache. Die haben sich eher auf so kleine Läden spezialisiert, oben in Innerdorf, das kennst du vielleicht, das ist in der Nähe von Krems. In Innerdorf machen sie die Überfälle und in Krems wohnen sie. Da müssen sie zwar immer ein wenig pendeln zwischen Wohnort und Arbeitsplatz, dafür hat sie die Polizei noch nie erwischt.
Bis auf heute Vormittag: Da hat es sie leider getroffen. Das ist nämlich so: Der Timon geht immer in den kleinen Laden in Innerdorf um ihn zu überfallen und der Rudolf wartet draußen mit dem Auto. Aber nicht dass du sagst, der Rudolf hat weniger Arbeit und so. Die sind nämlich sehr gleichberechtigt, das haben sie nämlich den Heteros voraus, die Gleichberechtigung, das möchte ich nur einmal als gesagt gewusst haben.
Also der Rudolf hat nämlich die Aufgabe, nicht nur dass er schnell fährt, denn die Polizei von Innerdorf ist gar nicht schnell wie die Innerdorfer Zeitung immer sagt, sondern, dass er sich von dieser nicht erwischen lässt. Im parkenden Zustand meine ich. Denn da kannst du sagen was du willst: Aber wenn es um Falschparker geht, ist die Polizei schlau wie der Fuchs. Nicht ganz so wie der Manfred Fuchs, eher wie das Tier...
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Apropos Manfred! Ich wollte ja eigentlich das neueste vom Manfred Fuchs erzählen! Also der Manfred, der hat das Bundesheer schon hinter sich und so. Du weißt ja, nichts aufregendes passiert. Zuerst Götzendorf, dann Wien, dann an der Grenze und dann wieder Wien. Exerzieren, Kämpfen, Beobachten, Exerzieren, bla bla bla. Aber eines musst du wissen, wenn der Mensch Extrembelastungen ausgesetzt ist, wie der unheimlich großen Fadesse beim Bundesheer, dann kann es sein, dass sich irgendetwas ändert in einem, ganz tief drinnen. So dass man es gar nicht merkt.
Und so ist das beim Manfred passiert, da hat sich nämlich etwas geändert und das hat er auch gemerkt. Später jedenfalls, jetzt, wie er beim „Tischerlwirt“ sitzt und seine Abrüstfeier feiert, hat er das noch nicht gewusst.
Da hat er es auch noch gar nicht gebraucht, denn er hat sich nur mit dem Killinger, einem alten Schulfreund getroffen. Er will nämlich nicht die große Abrüstfeier in der Wiener Innenstadt feiern, sondern wollte nur auf ein Bier gehen und dabei mit seinem alten Freund plaudern.
Und jetzt musst du wissen, dass der Manfred sein Vorhaben leider nicht erfüllt konnte, denn anstatt auf ein Bier zu gehen, ist er gleich auf acht gegangen. Und „gegangen“ gar kein Ausdruck, auf acht Bier gesprintet, muss ich da schon sagen. Und du weißt was passiert, wenn man auf acht Bier sprintet: man wird ein wenig lustiger als sonst, ein bisschen lockerer als sonst und ein bisschen vulgärer als sonst. Da hat dem Manfred das mit dem Bundesheer schon sehr geholfen, das mit dem Vulgären meine ich. Denn der hat auf einmal Witze erzählen können, das glaubst du gar nicht. Da ist sogar der Tischerlwirt zu den beiden rübergekommen. Aber nicht dass du glaubst, der hat geschimpft, wegen den anderen Gästen und der Etikette des Gasthauses und so. Der „Tischerlwirt“ hat nämlich keines von beiden gehabt.
Also hat sich der Wirt zum Manfred und zum Killinger dazugesetzt und hat mit denen schmutzige Witze erzählt und frage nicht!, der hat erst Witze erzählen können.
„Oh mein Gott! Ich habe ihn gefressen!“, sagte der Manfred mit gekünstelt hoher Stimme. Und die anderen haben gelacht, denn das war der Schluss von einem lustigen Witz, denn der Manfred da erzählt hat. Der war sicher der lustigste, den der Killinger und der Tischerlwirt je gehört haben, denn die haben ungefähr eine viertel Stunde lang gelacht. Schade dass wir den jetzt nicht gehört haben. Aber ich habe ja das mit dem Tischerlwirt unbedingt erzählen müssen, sonst hättest du dich noch gefragt, wer denn der dicke, glatzköpfige Mann sei, der mit dem Manfred und dem Killinger an einem Tisch sitzt.
„Der war nicht schlecht!“, sagte der Tischerlwirt mit Tränen in den Augen, teils weil er so gelacht hat, teils weil er ein bisschen beleidigt war, dass der Halbwüchsige da einen besseren Witz erzählt hat als er.
„Aber pass auf, jetzt erzähl ich dir einen!“, sagt der Tischerlwirt und holt zum alles vernichtenden Witze-Schlag aus. „Also, pass auf! Fahren zwei Schwule mit dem Auto! Pass auf! Die fahren also mit dem Auto auf der Autobahn. Langsam, wie Schwule eben fahren...“
Der Teil hat aber nicht ganz zum Witz dazugehört! Das mit dem langsam fahren, meine ich. Nicht nur, dass es Witzologisch unkorrekt ist, es ist auch überhaupt nicht richtig.
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Denn das musst du dir einmal anschauen, wie schnell der Rudolf auf einmal gefahren ist, heute Vormittag, als der Timon den Laden überfallen hat.
Der Timon ist nämlich in den Strumpfhosenladen gegangen und hat mit dem Kassierer gesprochen. Da hat es der Timon gar nicht so leicht gehabt, einen Schwulen zu imitieren, denn obwohl er ja eigentlich schwul ist, ist das Bild von Schwulen in den Köpfen der Nicht-Schwulen ein anderes. Jetzt hat der Timon also ein bisschen durch die Nase geredet, hat die Hand etwas mehr angewinkelt und hat des öfteren ein bisschen dumm gelacht.
Der Kassier in dem Strumpfhosengeschäft hat natürlich gleich gewusst, dass der Kunde schwul ist, bringt ihm sofort die geforderte rosa Strumpfhose aus dem Regal und gibt sie dem Timon. Jetzt: Was macht der Timon? Der zieht sich die Strumpfhose übers Gesicht und verlangt das Geld aus der Kassa. Wie der Timon da die Strumpfhose über das Gesicht zieht hat der Kassier gleich gar nicht mehr gewusst, wie der Räuber ausschaut. Auch die versteckte Kamera hinter dem Spiegel hat da ein bisschen blöd geschaut, aber leider: Video Aufnahmen, frage nicht!
Und weil der Mann mit der Strumpfhose im Gesicht so garstig ausgeschaut hat, gab der Kassier auch gleich das ganze Geld her.
Der Timon, sehr erfreut über die 500 Schilling, wollte rausrennen, als er einen Polizisten mit dem Rudolf sprechen sah. Zuerst wie gelähmt, dann wie von der Tarantel gestochen rannte der Timon zu dem Polizisten, haute ihm um und sprang ins Auto.
„Fahr los!“, brüllte der Timon den Rudolf an, der noch immer ein bisschen blöd geschaut hat, wie der Timon einfach so den Polizisten umhauen hat können.
„Bist du wahnsinnig?!“, brüllte der Rudolf zurück, „Der hat doch nur Geld fürs Falschparken gewollt!“
„Fahr los!!!“, brüllte der Timon und der Rudolf der im Rückspiegel schon den Kassier des Strumpfhosengeschäftes gesehen hat, wie der versucht, seine Pistole zu entsichern, fährt so schnell los, dass die Reifen der kleinen Ente zu quietschen begonnen haben.
Und jetzt: Flucht, keine Frage. 100 km/h im Ortsgebiet, 190 auf der Autostraße. Flucht total, da braucht der Tischerlwirt gar nicht sagen, dass die Schwulen langsam fahren!
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Doch zurück zum Manfred. Der ist also mit dem Killinger und dem Tischerlwirt dagesessen und hat sich von den Witzen berieseln lassen.
„50 km/h auf der Autobahn!“, sagt der Tischerlwirt jetzt, „Die fahren nur 50 Kilometer in der Stunde. Und dann pass auf! Dann haben die einen Anhalter auf der Straße gesehen. Und natürlich: ,Den nehmen wir mit, Ingo!’, so hat der eine nämlich geheißen. Der eine Ingo, der andere Rolfi! Also, pass auf! Jetzt sind die beiden Schwuchteln stehen geblieben und haben den Mann einsteigen lassen, das war ein großer Mann, nämlich mit Jacke und Hut und Stock...“, das alles erzählt der Tischerlwirt, das musst du dir einmal vorstellen! Der hat sich so sehr in seinen Witz hineingeredet, hat sich so sehr auf seinen Witz konzentriert, dass er sogar erzählt hat, dass der Anhalter gerade von seiner Freundin verlassen worden ist.
Und jetzt: Manfred und der Killinger waren gar nicht mehr so konzentriert, denn da ist es mit den Witzen genauso wie mit Geschichten, wenn man da nicht gleich zum Punkt kommt, wenn man da über alles drum herum redet, wenn man nie das sagt, was wichtig ist, wenn man nie die Pointe erkennen lässt, nie irgendwelche Highlights hineinbringt, sondern von etwas zu erzählen beginnt, was eigentlich niemanden interessiert, was vielleicht nicht einmal viel dings hat, und das nur, weil man den anderen beeindrucken will, dann kann es passieren, dass man die Aufmerksamkeit des Publikums verliert.
Und darum hat der Manfred auch mitten im Witz den Tischerlwirt gefragt: „Hearst Wirt, warum hast du eigentlich keine Frau?“
Jetzt musst du dir vorstellen, der Tischerlwirt war gerade bei der Freundin der Großmutter des Anhalters, als der Manfred das fragt. Da kannst du dir vorstellen, dass der ein bisserl gebraucht hat, damit er die Frage versteht.
„Warum willst denn das wissen?“, fragt er nach einer kleinen Pause.
„Ich weiß nicht, ich hab dich noch nie mit einer Frau hier gesehen. Ich meine mit einer festen Freundin, mit, weißt eh, mit... Nur halt mit so leichten Frauen hab ich dich gesehen, verstehst du?“
„Na glaubst ich nimm mir eine Übergewichtige?!“, brüllt der Tischerlwirt und krümmt sich vor lachen, aber der Manfred hat da gar nicht so lachen müssen, denn er hat schon gemerkt, dass der Tischerlwirt sich rausreden will. Da braucht der gar keine blöden Witze machen.
Das hat dann auch der Tischerlwirt selbst gemerkt und hat gesagt: „Weist du, Bub: Frauen sind das größte Problem der Menschheit. Die sind falsch, alle miteinander. Da brauch ich wirklich keine feste Freundin. Nein, ich nicht. Die nutzen dich ja eh nur aus, wollen dein Geld, dein Haus, deine... wasweißich was die noch so brauchen. Und das nehmen sie sich dann und du stehst dann mit nichts in der Traufe. Frauen sind alle die selbe! Da brauch ich keine, wirklich nicht, wenn die alle die selbe sind“, jetzt musst du wissen, dass der Tischerlwirt schon ein bisschen betrunken ist und darum ein bisschen eine seltsame Grammatik bekommen hat, „ Frauen sind wie Polizisten: Zuerst sagen sie ,Hey, halt, was ist da?´ und dann kommen sie mit der Rechnung!“, der Tischerlwirt schweigt kurz um seine Philosophie ein wenig wirken zu lassen, dann wiederholt er: „ Frauen sind alle die selbe!“
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Tja, da ist der Manfred jetzt aber schon ein bisschen selber Schuld, dass der den Tischerlwirt sowas gefragt hat. Da braucht er gar nicht die Augen zu verdrehen, gefragt ist gefragt. Außerdem hat er den Vergleich mit den Polizisten nicht ganz verstanden. Matura mit Auszeichnung hin oder her, aber die Philosophie des Tischerlwirt geht über seinen Horizont.
Aber das musst du dir einmal vorstellen, der Tischerlwirt hat da gar nicht so unrecht gehabt, denn der Polizist der dem Timon heute Nachmittag entgegengekommen ist, war wirklich eine Frau, also: Polizistin. Und die hat auch wirklich gesagt: „Hey, halt, was ist da?“ Doch warum sagt die Polizistin das zum Timon? Der Polizei von Innerdorf sind sie ja entkommen, frage nicht, denn Fahren hat der Rudolf gut können.
Das Gute war, dass die beiden Räuber durch einen Umweg von vier Stunden die Polizei abgehängt hatten.
Das Dumme war, dass die Polizei vor den beiden zu Hause war. Und als der Timon gerade zu seiner Wohnung in dem Mietsgebäude in Krems hinaufgehen wollte, kam eine Polizistin aus seiner Wohnung herausspaziert. Jetzt: Der Timon rennt hinunter, wieder zurück auf die Straße und die Polizistin hinter ihm: „Hey, halt, was ist da?“
Und somit waren der Timon und der Rudolf wieder auf der Straße, genauer gesagt auf der Autobahn. Nun fuhr der Rudolf nur das was erlaubt war, denn die Polizisten, die ihre gemeinsame Wohnung durchsucht hatten, hatten sich nicht die Mühe gemacht die beiden zu verfolgen.
„Und wo sollen wir jetzt hinfahren“, fragte der Rudolf den Timon, denn du musst wissen, dass es bereits vier Uhr Nachmittags war und dass es und diese Jahreszeit und um diese Uhrzeit bereits finster wurde.
„Weiß ich nicht. In welche Richtung fährst du?“, fragte der Timon.
„Richtung Wien. Irgendwohin. Wo sollen wir denn heute schlafen? Was sollen wir essen? Was sollen wir tun?“
„Ich weiß es nicht, frag mich nicht...“, sagte der Timon. Ein bisschen entmutigt war er schon. Frage nicht. Die beiden haben eigentlich keinen Ausweg gehabt. Nach Krems konnten sie nicht, da war die Polizei. Nach Innerdorf schon gar nicht, da war noch mehr Polizei und sonst konnten sie sich gerade mal ein Hotel suchen um zu übernachten. Das würde die Hälfte von dem Geld das sie hatten, verbrauchen. Alles was ihnen blieb war ihre gelbe Ente und Benzin für 70 Kilometer.
Naja, eigentlich war alles was ihnen blieb Benzin für 40 Kilometer, denn 30 Kilometer weiter weg von dem Ort, wo der Rudolf den Timon nach dem Weg gefragt hatte, hat der Timon auf einmal auf die gelbe Ente eingetreten und das nur, weil der Motor plötzlich nicht mehr funktioniert hat.
„Scheißdreck! Scheiße! Scheiße! Scheiße!“, brüllte der Timon das Auto an. „Scheiße“
„Beruhige dich Timon, hör auf damit!“, sagte der Rudolf, der ein paar Meter weiter im Wald stand, „Davon wird es auch nicht besser!!!“
„Du Scheißdreck!“, brüllte Timon aber weiterhin.
„Wo sind wir eigentlich?“, fragte Rudolf, aber Timon wollte nicht ganz zuhören.
„Scheidreck! Scheißiger Scheißdreck, du Scheißdreck!!!“ schrie Timon und trat wieder auf die Ente ein, die sich aber auch nichts gefallen ließ und nun gar nichts mehr sagte.
„Komm Timon, wir müssen weitergehen. So kommen wir auch nicht weiter. Es ist bald sechs Uhr ich habe Hunger und schlafen müssen wir auch! Ich schlage vor wir suchen uns eine Bleibe für die Nacht und morgen sehen wir weiter.“
„Scheeeeeeeeiiiiißßßßßßßdredck!“, schrie Timon und trat wieder auf das Auto ein, „Scheißdreck!“
„Timon!“, brüllte jetzt Rudolf und packte Timon am Kragen. „Hör jetzt endlich auf damit!“
Timon sah ihn eine Weile an. „Du hast ja recht“, sagte er dann ruhig, „Du hast recht, ich liebe dich!“
„Ich liebe dich auch!“, dann küssten sie sich.
„Ich schlage vor wir gehen in diese Richtung“, sagte Rudolf und deutete gen Osten. „Ich weiß nicht warum, aber mir kommt diese Gegend bekannt vor“
„Gut, wenn du es sagst, dann gehen wir!“, sagte Timon, und sie begannen ihren Marsch. Sie gingen ruhig nebeneinander her, wie zwei Spaziergänger. Man konnte ihnen die Geschehnisse des Tages gar nicht anmerken. Nur wenn man ganz genau sah. Aber wer schaut heutzutage schon ganz genau?
Als sie bereits zwanzig Meter gegangen waren, sahen sie ein Schild.
Timon blieb stehen und las es sich dreimal durch.
Rudolf der schon Böses ahnte, versuchte noch die Situation zu retten, aber frage nicht, unmöglich.
„Timon, 20 Kilometer bis zum nächsten Ort, das ist nicht weit!“
Doch Timon hörte nicht zu, drehte sich um und lief zum Auto zurück. „Du Scheeeeiiiiißdreck!!!“
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Jetzt muss ich aber fairness halber schon wieder zum Manfred zurückkommen, denn da ist ja gerade der Tischerlwirt dabei, seinen Witz zu erzählen. Und wenn du den Tischerlwirt während eines Witzes unterbrichst, frage nicht! Da hat der schon einige Gäste um fünf Schilling betrogen. Da kennt der keine Gnade.
„Also, pass auf! Die drei Fahren also mit dem Auto, ca. 50 Kilo auf der Autobahn. Jetzt hat aber der Ingo Blähungen, ha! Pass auf! Jetzt muss der also pfurzen! Aber nicht pfurzen so wie ein richtiger Mann, nein, so pfurzen wie nur Schwuchteln pfurzen können, so zirka so:“, und jetzt musst du dir vorstellen, dass der Tischerlwirt seufzt, aber dabei nicht den Mund öffnet. Das klingt ein bisserl wie das Schnauben eines Pferdes. „Der Ingo pfurzt also, wie nur ein Schwuler pfurzen kann. Und das klingt mächtig schwul! Und da sagt natürlich der Rolfi gleich ,Ach Schatzerl, das kannst du doch nicht machen!’, aber, ihr kennt ja so Schwuchteln. Wenn da einer was Anales macht, muss der andere das gleich nachmachen, das ist bei denen sowas wie eine Ehrensache. Also macht der Rolfi auch einen Pfurz, so zirka so:“ und wieder dieser schnaubende Seufzer des Tischerlwirts, „Aber pass auf, dass is noch gar nicht die Pointe, nur weil die beiden so schwul pfurzen. Jetzt müsst ihr euch vorstellen, dass das Auto mit dem sie so langsam fahren nicht besonders groß war und da hat es dann auch dementsprechend gestunken! Und jetzt, pass auf! Der Anhalter, der nicht schwul ist, dem sind die beiden Schwuchteln natürlich zu viel. Und er denkt sich ,Muss ich mich hier eigentlich verstinken lassen?! Ich glaube nicht!’. Und jetzt pass auf! Der denkt sich also, was die können, das kann ich schon lange und er holt ganz tief Luft und lasst einen Pfurzer los, den ihr noch nie im Leben gehört habt. So zirka so:“
Und der Tischerlwirt imitiert nun den Anhalter und das musst du dir so vorstellen: Der Tischerlwirt streckt seine Zunge heraus und presst die Lippen ganz fest um diese. Und dann bläst er so viel Luft wie nur möglich heraus. Und da ist dann der Manfred und der Killinger ein bisschen nach hinten gerutscht mit dem Barhocker, denn der Tischerlwirt hat gespuckt, das glaubt du gar nicht! Der ganze Tisch war voll Spucke, und das hat wirklich grauslich ausgesehen. Aber dem Tischerlwirt hätte das nichts gemacht, denn für einen guten Witz macht man auch dings.
Aber leider hat der Tischerlwirt seinen Witz gar nicht zu Ende erzählen können, denn da sind sie unterbrochen worden. Hätte der Tischerlwirt das vorher gewusst, dann hätte er gar nicht seinen Tisch anspucken müssen. Aber er hat das nicht gewusst, und darum imitiert er noch immer die Methanausdünstungen des Anhalters.
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Jetzt weißt du bestimmt noch, wie ich am Anfang erzählt habe, dass es Zufälle gibt, die glaubst du gar nicht. Und darauf möchte ich jetzt wieder zurückkommen. Denn wenn man was anfängt, dann muss man auch dings.
Denn genau so ein Zufall ist dem Timon und dem Rudolf gerade passiert. Denn du weißt ja: Flucht vor Polizei, Auto kaputt und dann noch 20 Kilometer bis zum nächsten Ort. Aber es gibt da ein Sprichwort und zwar geht das so in etwa, dass wenn man glaubt, dass es nicht mehr geht, dass dann irgendwo ein Licht erleuchtet, oder so irgendwas. Das muss sich natürlich dann reimen, so dass es auch alle Leute verstehen.
Aber wahr ist es schon und außerdem ein riesiger Zufall, dass der Rudolf den Ort, indem sie jetzt angekommen sind wirklich woher gekannt hat.
Die beiden waren nämlich gerade am Ortsbeginn, oder Ortsende, kommt halt darauf an von welcher Seite du kommst. Jedenfalls dort, wo das Ortstafelschild steht. Wo du mit dem Auto normalerweise abbremsen musst.
„Wo gehen wir denn jetzt schon wieder hin?“, fragt der Timon den Rudolf, denn der hat schon gemerkt, dass sein Lebensabschnittspartner ein bisschen ein Geheimnis daraus macht.
„Mir ist wieder eingefallen woher ich diesen Ort kenne. Ich war schon einmal hier, dass muss vor zirka fünfzehn Jahren gewesen sein. Da war ich neunzehn, oder so“, sagt der Rudolf.
„Achja? Toll! Freut mich! Find ich total Klasse! Das ist das schönste was du mir heute erzählt hast! Ich finde das echt super!“ Zynismus pur!
„Hör auf damit!“, sagte der Rudolf ein bisschen bestimmt, denn der ist es jetzt schon leid, dass sich der Timon immer beschwert „Du weißt ja noch gar nicht, warum ich diesen Ort kenne!“
„Dann erzähl’s mir doch! Aber nicht so lange bitte, ich habe dann noch etwas vor!“, lästert Timon.
„Hör auf zu lästern, Timon!“, sagt der Rudolf, „Und sei nicht so zynisch! Ich kenne jemanden hier, der uns bestimmt weiterhelfen kann. Er ist ein alter Bekannter von mir, der hat hier in der Nähe ein Hotel! Zehn Minuten von hier.“
„Ehrlich!?“, jetzt ist der Timon doch ein bisschen freudig überrascht, „Der hat ein Hotel? Warum kenne ich den nicht?“
„Weil ich dir noch nie von ihm erzählt habe!“, jetzt ist der Zynismus auf der Seite vom Rudolf. Man sieht ihn fast von einer Seite auf die andere springen, den Zynismus. „Es war vor so fünfzehn Jahren oder so. Da war ich neunzehn und ich habe hier Urlaub gemacht. Und hier lernte ich diesen Mann kennen, den Franz, Franz hat er geheißen. Ich habe mich zum ersten mal in meinem Leben so richtig verliebt und das nur, weil ich mich sonst immer bemüht habe, mich in ein Mädchen zu verlieben. Aber diesmal hatte es mich erwischt und es war ein Mann. Franz hat mich in die richtige Liebe eingeführt, in eine Liebe, die nur ein Mann empfinden kann. Ein richtiger Mann, meine ich. Weißt du warum es so viele Heteros auf der Welt gibt? Weil so wenige Männer Franz getroffen haben. Hätte es Franz nicht gegeben, dann würde ich glaube ich, noch immer versuchen, mich in eine Frau zu verlieben und als Alte Jungfer sterben!“
„Wie war er denn so, dein Franz?“ fragt der Timon, und, frage nicht! Der war jetzt eifersüchtig, wie der Rudolf von seiner ersten Liebe schwärmt.
„Er war groß, blond und breitschultrig. Er war der netteste Mann, der anständigste Mann des ganzen Ortes. Der ganzen Welt! Er war mein Vorbild damals und ich wäre nie von seiner Seite gewichen!“
„Und warum bist du dann nicht mehr bei deinem Franz?“, typische Eifersuchtsfrage!
„Wir mussten uns trennen, denn der Ort hier, weißt du, der ist nicht gerade aufgeschlossen punkto Homosexualität. Ganz und gar nicht. Damit der seine Gastronomie nicht verliert hat der Franz Schluss machen müssen mit mir. Er wollte es nicht, aber ich wollte nicht, dass er sein Hab und Gut verliert und darum habe ich ihn verlassen. Eines morgens war ich weg und ich kam nie wieder“
„Na sehr nett von dir“ sprang der Zynismus wieder zum Timon zurück. Rudolf hört auf zu erzählen und der Timon war direkt froh darüber. Nicht nur deshalb weil sein Freund auf einmal so geschwärmt hat, sondern auch, weil er sauer war, dass er ihm noch nie davon erzählt hat.
Also gehen die beiden durch den Ort und nach etwa einer halben Stunde waren sie da. Rudolf hat zwar recht gehabt, als er sagte, dass es nur zehn Minuten entfernt war, aber er hat einen kleinen Umweg gemacht. Weil: Lange her oder nicht, nervös ist er schon, dass er seine erste große Liebe wiedersieht.
„Wir sind da!“, sagt der Rudolf als die beiden vor einem Gasthaus stehen bleiben.
„Das sieht mir aber nicht wie ein Hotel aus!“, sagt der Timon.
„Es ist auch kein Hotel, es ist ein Gasthaus, wir haben es damals nur Hotel genannt. Es war das ,Hotel der Liebenden’. Soll ich reingehen?“
„Nein, bleiben wir doch bis morgen früh vor der Türe stehen, was meinst du?“ Der Zynismus hat sich jetzt ein bisschen beim Timon ausgeruht, denn springen kann so richtig anstrengend sein.
„Na gut ich gehe hinein“ Rudolf holt einmal tief Luft und öffnet die Türe.
Und das war genau der Moment, in dem der Tischerlwirt seinen Tisch vollspuckt.
Der Rudolf bleibt in der Türe stehen und fragt schüchtern: „Franz?“
Der Tischerlwirt etwas grantig weil im Witz unterbrochen: „Wer will das wissen?“
„Rudolf will das wissen, kennst du mich noch?“
Das wirst du nicht glauben, wie sich ein Mensch verändern kann! Soeben hat er noch einen vulgären Witz erzählt und auf einmal ist er der netteste Mensch auf der Welt. Und auch der anständigste.
Er wischt sich seinen Speichel vom Kinn und sagt: „Rolfi, bist du’s?“
„Ja ich bin’s! Lange ist’s her!“
Und jetzt musst du dir vorstellen, wie sich der Manfred und der Killinger gewundert haben müssen, als der Tischerlwirt zu dem fremden Mann gelaufen ist und den umarmt hat. Aber der Manfred hat sich gar nicht gewundert, der hat sich nämlich nur gefreut, dass der Tischerlwirt seinen Witz nicht zu Ende erzählt hat, denn langweilig war der schon. Außerdem hat ihn der Manfred schon gekannt.
„Komm! Wach auf! wir gehen!“, sagt der Manfred zum Killinger, der schon eingeschlafen war. Es ist schon sehr spät und sie waren beide schon müde. Morgen würden sie sowieso einen Kater haben, da sollten sie noch die Zeit genießen, in der sie einen klaren Kopf behalten können.
Die beiden sahen nicht mehr, wie der Tischerlwirt die beiden Fremden in den ersten Stock zu den Freien Zimmern begleitete und sie sahen auch nicht, dass der Tischerlwirt die ganze Nacht bei ihnen verbrachte, um sich Geschichten anzuhören und um welche zu erzählen. Das einzige was der Manfred dann eine Woche später sieht ist, dass es den „Tischerlwirt“ gar nicht mehr gibt. Der Tischerlwirt hat sein ganzes Hab und Gut verkauft und ist weggezogen.
„Tja, schade ist es schon, war ein guter Wirt. Mit schlechten Witzen, aber mit einem guten Bier!“, denkt sich der Manfred, als er vor dem geschlossenen Lokal steht. „Vielleicht sollten sie einen Würstelstand herbauen“, denkt der Manfred weiter.
Und hätte er gewusst, dass der Tischerlwirt genau in diesen Moment gerade ein Wiener Würstelstand überfällt, dann hätte er sich sicher gedacht: Manchmal gibt es Zusammenhänge, die glaubst du gar nicht!
[Beitrag editiert von: Peter Hrubi am 12.12.2001 um 18:15]