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Manchmal
Manchmal starre ich aus dem Fenster, schaue den Vögeln zu, wie sie singen und zwischendurch miteinander schnäbeln. Das Zimmer entschwindet, löst sich auf, das Fensterkreuz verschwimmt, der Blick hängt an der Amsel, fokussiert, wie sie auf dem verlorenen Ast neben ihrer Freundin sitzt. Dann vergesse ich alles um mich herum, vergesse zu denken, nehme nur auf.
Manchmal gehe ich nachts in das Zimmer meiner Tochter und schaue ihr beim Schlafen zu. Der Mond erleuchtet die Umgebung, im fahlen Licht sind auch Details gut zu sehen. Ein Stück von mir. Sie strahlt Frieden aus, Unschuld. Beim Streicheln über ihre Wange, seufzt sie und dreht sich auf die Seite. Auch sie wird eines Tages ein Kind haben, das Wunder der Natur selbst bewundern lernen.
Manchmal genieße ich das Gespräch mit Freunden, die gegenseitige Toleranz. Zwangloses Zusammensitzen und ein Meinungsaustausch mit Niveau. Jeder legt seine Ansicht dar, begründet sie und hört gern andere Gesichtspunkte dazu, die seinen Blickwinkel erweitern können. Zwischendurch geht man auf den Balkon, entflieht der rauchigen Atmosphäre und atmet frei durch. Dort zählt man scherzend die drei noch erleuchteten Fenster und philosophiert über die Geschehnisse dahinter.
Manchmal höre ich mir eine Klassik-CD an. Bach, Grieg, Vivaldi. Schalte andere Einflüsse aus. Ziehe mich zurück, allein in ein abgeschlossenes Zimmer. Das Leben dringt über das Ohr zu mir. Musikalisch übertragene Emotionen. Mal gewaltig, mal eindringlich, mal sanft.
Manchmal bin ich wie jedermann. Sitze vor dem Fernseher, esse Chips, lache bei Komödien, weine bei Dramen, nehme meine Frau in den Arm und streichele die Katze. Hin und wieder öffne ich eine Flasche Wein, um Eindrücke mehrerer Sinne erhalten und mischen zu können.
Einmal war ich anders. Ich drückte auf den Auslöser der Bombe.
Manchmal versagt die Gesellschaft.