Maisonne
Maisonne
Weiße Segel ziehen über das ruhige, sich nur leicht wellende Wasser. Ein herrlich blauer Himmel bildet den passenden Rahmen für die so wunderschön strahlende Sonne. Endlich kann ich wieder in der Sonne liegen, mich ganz und gar meinen Gedanken und Gefühlen hingeben, mein Kind beim Baden beobachten und alles um mich her genießen. Hier am Strand, der mir bereits aus der Kindheit bekannt ist, habe ich den Platz gefunden an dem ich abschalten kann, vom Stress des Alltags, von den Sorgen des Lebens, meine Seele baumeln lassen und ganz mit mir und der Natur allein sein. Hier fühle ich mich wohl und stark, ziehe die Kraft aus der Sonne, die ich so brauche, wie die Blume das Licht, und schrecklich vermisst habe, während der langen Zeit des Winters.
Wir haben unsere Sachen zusammen gepackt, eine Decke, etwas zu trinken, Sonnencreme, mein Buch, einen Ball, haben unsere Räder aus dem Keller geholt und sind zum Strand gefahren, denn endlich, jetzt in den letzten Maitagen, ist es warm geworden, so warm, dass es uns ans Wasser zieht. Die Sonnenbrillen auf der Nase, fahren wir durch die Altstadt, Jenny immer vor mir her, in Richtung Badestelle. Dort wo wir schon viele Jahre, jeden schönen Sommertag verbringen und Freunde treffen. Es gibt einen Sandstrand und auch einen Abschnitt mit Rasenfläche, wir liegen meist vorn am Wasser, dort lassen sich die Kinder besser beobachten und man ist schneller im kühlen Nass.
Unsere Decke breiten wir wieder im Sand aus und cremen uns dann gegenseitig den Rücken ein. Jenny geht gleich das Wasser testen, ich lege mich erst mal in Ruhe hin, und beobachte die Leute, heute sind besonders viele Jugendliche hier, wenige Familien am Strand, es ist Feiertag, da werden viele zu Besuch bei Verwandten sein.
Durch die Decke spüre ich den warmen, feinen Sand, der leichte Wind streicht durch mein Haar, ich spüre ihn auch auf der Haut.
Jenny ist nicht zu bremsen, nach anfänglicher Zurückhaltung vor dem doch noch sehr kalten Wasser, springt sie dann doch hinein, und schwimmt hinaus auf den See. Sie ist mit ihren 11 Jahren, obwohl sehr zierlich, schon eine gute Schwimmerin.
Die kleinen Segelboote ziehen ihre Kreise im Wasser, das selbe geschieht in der Luft mit den Segelfliegern, der Flugplatz ist nicht weit entfernt, vom Strand lässt sich gut beobachten, wie die Segler nach oben gezogen werden und dann lange in der Thermik gleiten. Wie zum Wettstreit mit den Booten und den Segelfliegern kreist gerade ein Kranich am Himmel, später im Sommer zeigt sich hier auch der rote Milan.
Jenny planscht im Wasser, sie hat sich eine blaue aufblasbare Rolle mit rein genommen und springt über sie hinweg, wirft sie in die Luft, taucht unter ihr durch oder zieht sie beim Schwimmen hinter sich her. Sie ist unglaublich wendig, das Wasser ist ihr Element.
Die Blätter der Bäume ringsum rauschen im Wind, das frische satte Grün ist der herrlichste Anblick im Frühling. Ich liebe den Frühling, er lässt mein Herz erblühen, so wie auch die Natur erwacht aus dem endlos erscheinenden Winterschlaf. Ewig könnte ich hier so liegen bleiben, die Menschen, das Wasser, die Natur und meine Gedanken genießen, alles um mich spüren und jede Sekunde bewusst erleben.
Noch 10 Minuten, dann muss ich Jenny aus dem Wasser rufen, sie wird schnell krank und es ist tatsächlich noch sehr kalt. Aber schon kommt sie von allein zu mir, holt sich ihr Badetuch und rubbelt sich trocken. Dann setzt sie sich zu mir, und kuschelt sich eng an mich, ich wärme den kleinen, schmalen Körper, und bin etwas traurig, wenn ich bedenke, dass sie dies nicht mehr lange tun wird, bald beginnt die Zeit, in der die Mutter nicht mehr der wichtigste Mensch im Leben ist. Dann lasse ich sie ziehen, leite sie noch in die richtige Richtung und bin glücklich, wenn sie glücklich ist.
Wir haben uns ein kleines Spiel mitgenommen, Logiktrainer, wir spielen drei Partien. Als sie nicht mehr möchte, nehme ich mein Buch zur Hand und versuche etwas zu lesen, ein interessantes Buch, „Der Wanderchirurg“ im Stil Noah Gordons geschrieben, nur irgendwie kann ich mich nicht auf die Handlung konzentrieren, also lege ich es wieder beiseite, zu viel ist rund herum auch zu sehen, was soll ich da lesen?
Meine kleine Maus buddelt ein Loch, auch das wird sie bald nicht mehr tun, sie will das Grundwasser finden, bald ist sie in der tiefen Grube kaum noch zu sehen.
Nun wird mir doch sehr warm, und ich beschließe, eine Runde schwimmen zu gehen. Jenny begleitet mich ins Wasser, hui, das ist erschreckend kalt, aber ich überwinde mich und gehe langsam, Meter um Meter, weiter hinein, bis ich mich ausstrecke und hinaus schwimme. Ich fühle mich frei und grenzenlos, könnte ewig so weiterschwimmen, vielleicht rüber ans andere Ufer, quer durch die Segelboote. Jenny wartet im flachen Wasser auf mich und so kehre ich um, wir spielen bis zu den Hüften im Wasser stehend mit dem Ball, werfen ihn uns gegenseitig zu und fangen ihn auf.
Ausgetobt, legen wir uns, in die Handtücher eingewickelt, wieder auf die Decke und wärmen uns gegenseitig, ziehen uns dann wieder an, bleiben aber noch etwas in der Sonne sitzen. Mein Kind schaufelt mit den Händen das Grundwasserloch wieder zu, räumt ihr Spielzeug zusammen, schnappt sich die Sachen und die Decke, nimmt ihre Mutter bei der Hand und geht mit ihr zu den Rädern.
Wir fahren den bekannten Weg wieder zurück, nach Hause, zum Abendessen.
Ich wünsche mir noch viele solcher Tage, die wir an unserem Lieblingsstrand verbringen werden, in diesem Sommer.