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Mai im Supermarkt

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30.04.2003
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Mai im Supermarkt

Mai im Supermarkt.

Innerlich erfrischt vom Schlummer nach Schwimmbad und Sauna will mein Äußeres noch nicht so recht voran. 74 Jahre gehen eben nicht spurlos vorüber. Am Liebsten würde ich jetzt nach Hause fahren und im Sessel Hermann Hesse lesen, der so einfühlsam und tröstlich über das Alter schreibt. Jedoch die Sonne vor dem Badeparadies Arobella wärmt mir den Rücken und vermindert den Muskelkater.
Ach ja, wir haben keine Brötchen mehr. Jane wollte sie heute holen. Das kann ich ihr doch abnehmen. Ich zücke mein Handy und drücke „Home“. Nach zweimaligem Rufton höre ich durchs Gepiepse meines Hörgerätes ihre bezaubernd fröhliche Jungmädchenstimme, die ich so sehr liebe:
„ Ja, bring eine Zehnerpackung gefrorene aus dem Rewe mit.“

Ich finde einen guten Parkplatz nahe am Stand der Einkaufswagen. In der Markthalle ist wenig Betrieb. Beim Anblick der appetitlich dekorierten Salate meldet sich mein Magen. Ach ja, der Frühstücksapfel wurde überschlagen. Ein alter Körper haßt die Unregelmäßigkeit. Ich beschließe mir zusätzlich ein Eis zu kaufen. Maple-Walnut schmeckt so köstlich. Die Truhe mit den Brötchen finde ich an gewohnter Stelle, das ist angenehm, denn dieser Markt ändert ständig sein Arrangement. Die Truhe mit den Eiswaffeln ist vor der Kasse, an der eine kurze Schlange steht.
Neben mir schiebt jemand einen Einkaufswagen nach vorn. Eine große schlanke Frau in einem weißen Pullover, der ihre wohlgeformten kleinen Brüste hervortreten läßt, geht an mir vorbei in Richtung Kasse. Bisher hatte ich die Menschen um mich herum kaum wahrgenommen, doch nun schaue ich dieser Frau nach, die mit ihren langen Beinen in Wildlederhosen auf hochhackigen Schuhen elegant schwingend vor mir hergeht. Ob ich wohl Ihr Gesicht auch noch zu sehen kriege?
Sie hat meinen Blick gefühlt, dessen bin ich sicher, denn sie bleibt stehen, wendet sich zur Seite und schaut ohne wirkliches Interesse über die aufgereihten Zeitschriften. Sie hat ein langes, bleiches und ungeschminktes Gesicht. Der kleine Mund wirkt abweisend und unfreundlich. Ihre Augen sind müde.
Die will sowieso nichts von dir wissen, denke ich und gehe zur Eistruhe, die quer vor den Kassen steht. Als ich mich zum Aussuchen hinunterbeugen will bemerke ich, dass die Frau mir nachgekommen ist und näher neben mir steht, als ich es von Fremden gewohnt bin. Mein Körper genießt ihre Nähe. Ich nehme keinen Parfüm- oder Körpergeruch wahr, aber sie sendet eine Botschaft an mich aus während sie mit unbewegtem Gesichtsausdruck vorgibt ein Eis zu suchen. Ich habe ein Nußeis gefunden, entnehme es der Truhe und wir gehen nebeneinander her zur Kasse. Ich will ihr in der Schlange den Vortritt lassen, aber sie bleibt zurück und winkt mich vor. Noch immer ist ihr Gesichtsausdruck unbewegt-unfreundlich, aber als ich „Danke“ sage verwandelt er sich in ein anziehendes Lächeln.
Ich zahle, verlasse den Supermarkt und entblättere meine Eiswaffel. Es dauert eine Weile, bis ich endlich einen Papierkorb für die Hülle gefunden habe. Während ich im Wagen mein Eis futtere, sehe ich meinen Flirt aus der Automatiktür kommen und ihren Einkaufswagen abstellen. Sie ist wirklich eine attraktive Frau mit ihrer guten Figur und den eleganten Beinen. Was für ein Auto wird sie besteigen? Sie besteigt kein Auto, sondern hängt sich die Einkaufstasche um und wandert gemächlich zur Hauptverkehrsstraße.
Ich starte den Wagen und fahre ihr ohne Hast nach, um mich noch ein Weilchen an ihrem Anblick zu erfreuen. Du solltest sie ansprechen und nach Hause fahren! Ja, wenn ich 30 wäre und nicht so eine wundervolle Frau zu Hause hätte, dann vielleicht.
Ich fahre langsam an ihr vorüber und als sie mich erkennt, winke ich ihr zu. Sie winkt zurück und schenkt mir noch einmal ihr Lächeln, das ich im ganzen Körper spüre.

 

Hallo Alex,

herzlich willkommen auf kurzgeschichten.de.

Ich habe deinen Text mit großem Interesse gelesen und kann nicht umhin, ihn als sehr gelungen zu bezeichnen. Du baust durch eine Beobachtung, die alltäglich stattfinden kann, eine wunderbar ruhige Geschichte auf.
Ein kleiner, aber sensibel geschriebener Alltagssplitter, den zu lesen, sich wirklich lohnt.

Liebe Grüße - Aqua

 

Hi

Hihi, das spürt wohl jemand seinen zweiten Frühling :-)
Deine Geschichte hat mir gut gefallen, bis auf ein, zwei Sätze, die sich nicht so flüssig gelesen haben.
Vom Inhalt her ist es witzig zu erfahren, was so ein Mittsiebziger noch für Gefühle hat. Wenn ich mir da meinen Grossvater vorstelle...;-).

LG!
Berian

 

hi!
ja, wenn ich mir da meinen grossvater so vorstelle, er passte genau in dieses bild, auch wenn er es nie im leben zugeben würde.
sehr schön beschrieben, vielleicht könnte man die aufregung des mannes noch etwas mehr hervorheben?
mfg onida

 

Guten Morgen Herr Elversfeld!
So, soviel zur Formalie, jetzt wird gedutzt. Eine alltägliche Geschichte ohne Leid und Action. das ist gut so, und zudem ist sie auch fehlerfrei geschrieben ( was eigentlich immer öfter vorkommt, zum Glück ) und auch sprachlich auf einem gewissen Niveau.
Ein gelungener Erstling, erzählt aus einer Perspektive, die der Masse von uns wohl noch verschlossen bleibt.
Grüße,
...para

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Jedoch die Sonne vor dem Badeparadies Arobella wärmt mir den Rücken und vermindert den Muskelkater.
Flüssiger wäre meines Erachtens: "Jedoch wärmt..."

Ein alter Körper haßt die Unregelmäßigkeit.
Könnte es nicht genau begründen, aber ich mag diesen Satz.

Frau nach, die ihre langen Beinen in Wildlederhosen auf hochhackigen Schuhen elegant schwingend vor mir hergeht.
Wie wäre: "die, ihre langen (...) elegant schwingend, vor mir hergeht"?
Fände ich einfacher zu lesen.

Sie hat meinen Blick gefühlt, des bin ich sicher, denn sie bleibt stehen,
"des"? Meinst du "dessen"?

aber sie sendet eine Botschaft an mich aus während sie mit unbewegtem Gesichtsausdruck vorgibt ein Eis zu suchen.

Wie wäre ein Komma vor "während"?

Was für ein Auto wird sie besteigen? Sie besteigt kein Auto, sondern hängt

Bei "besteigen" muss ich immer an Pferd denken. mE ist eine zweimalige Wiederholung des Wortes hier zuviel.

 

Hi Para, danke für die gute Kritik. Bin mit den Änderungen in den Zitaten einverstanden. Geschichte entstand am Tag nach dem Ereignis einfach so hingeschrieben. Gibt es denn keine Autoren meiner Altersklasse bei Euch? Im Inneren bleibt man immer 24 Jahre alt, ob du's glaubst oder nicht. Gruß Alex

 

hi alex & herzlich willkommen,

ein alltagsschnappschuss - tja, das ist für einen mann jeden alters wohl eine bekannte sache. da schmelzen wir hin für ein lächeln *smile*.
die geschichte ist vom inhalt solide - das ende fand ich ausgesprochen geeignet. irgendwie erinnert mich das an ein altes lied. irgendein altdeutscherschlager, der von einem mann sang, der eine zeit lang auf der autobahn einer jungen frau hinterherfuhr, ohne sie zu überholen, bis ... ja bis sie die bahn verliess, und er fuhr weiter.
die männer können ihre triebe nicht verleugnen, aber der geist bleibt bei der einzigen frau!
schönes ende und einigermassen solider schreibstil.
aber ... leider zu viele fehler! aber diese kann man ja locker korrigieren. unterhalb deiner geschichte kannst du den entsprechenden knopf drücken!
bis dann

barde

74 Jahre gehen eben nicht spurlos vorüber.

es ist geschmackssache - aber ich würde zahlen so weit wie möglich ausschreiben.

Am Liebsten würde ich jetzt nach Hause fahren und im Sessel Hermann Hesse lesen, der so einfühlsam und tröstlich über das Alter schreibt.

"Liebsten" klein
schöner wäre hier: "etwas von Hermann Hesse lesen"

Doch das kann ich ihr doch abnehmen.

"doch" ist ein mal zu viel.

„ Ja, bring eine Zehnerpackung Gefrorene aus dem Rewe mit.“

"Gefrorene" hier klein
"Rewe" so weit wie möglich verhindere "schleichwerbung" *smile*.

Ich beschließe mir zusätzlich ein Eis zu kaufen.

hinter "beschließe" ein komma

die ihre langen Beinen in Wildlederhosen auf hochhackigen Schuhen elegant schwingend vor mir hergeht.

"...die mit ihren langen Beinen..."

Sie hat meinen Blick gefühlt, des bin ich sicher,

"des" >> "dessen"

und näher neben mir steht als ich es von Fremden gewohnt bin.

hinter "steht" ein komma

aber sie sendet eine Botschaft an mich aus während sie mit unbewegtem Gesichtsausdruck vorgibt ein Eis zu suchen.

hinter "aus" und hinter "vorgibt" ein komma

Noch immer ist ihr Ihr Gesichtsausdruck unbewegt-unfreundlich, aber als ich „Danke“ sage verwandelt er sich in ein anziehendes Lächeln.
"Ihr" ist zu viel
der gedankenstrich ist zu viel
hinter "sage" ein komma

Während ich im Wagen mein Eis futtere sehe ich meinen Flirt aus der Automatiktür kommen und ihren Einkaufswagen abstellen.

hinter "futtere" ein komma

 

Danke, es war ein Schnellschuss direkt nach dem Erlebnis. Bei der nächsten Geschichte wird vor dem Absenden sorgfältiger korrigiert.

 

Ohje,
Schande auf mein Haupt. Ich bilde mir immer was drauf ein auf meine Kritiken, aber Barde hat ja noch Dutzendfach Sachen bemängelt. Schock! Mein Weltbild!
In meinem Inneren, Alex, bewahre auch ich meine Jugend.
Autoren deiner Altersklasse? Schwierige Frage. Außer der "Goldenen Dame" oder so ähnlich fällt mir jetzt niemand ein. Meine Theorie: Ältere Generationen haben nicht viel mit dem Internet zu schaffen.
Grüße,
...para

Tip für dich:
Zumeist erhält derjenige mehr Kritiken, der selber welche schreibt.

 

Hi Para, ja daran liegts. In meiner Altersklasse ist die Internetträgheit weit verbreitet. Ich schreibe an einem Roman über zwei Zwangsarbeiterschicksale, die ich als 16 jähriger im Krieg miterlebt habe und romanhaft verändert. Hättest du Lust mich kritisch zu begleiten? Gruss Alex

 

Tolles Angebot, warum nicht?
Über mein "Profil" kannst du mich per epost erreichen.
...para

 

Hallo Alex!

Herzlich willkommen auch von mir :)

"Am Liebsten würde ich jetzt nach Hause fahren und im Sessel Hermann Hesse lesen, der so einfühlsam und tröstlich über das Alter schreibt." - :) jetz weiß ich, was ich in 50 Jahren lesen...

"Ich starte den Wagen und fahre ihr ohne Hast nach, um mich noch ein Weilchen an ihrem Anblick zu erfreuen. Du solltest sie ansprechen und nach Hause fahren! Ja, wenn ich 30 wäre und nicht so eine wundervolle Frau zu Hause hätte, dann vielleicht."

- meine beiden Lieblingsstellen in diesem Text.

Ich habe diese kleine Geschichte sehr gern gelesen, sie ist angenehm flüssig und gut fomuliert, fließt vor sich hin udn beschreibt eine kleine Alltagsbegebenheit alles andere als langatmig.
Du schreibst: innerlich bleibt man immer jung... das ist etwas, wa ich mir und allen anderen sehr wünsche. Es ist schön, dass es hier auch ältere Menschen gibt.

schöne Grüße
Anne

 

Hallo Anne, Dein Kommentar hat mir gutgetan und Mut zu weiterem Schreiben gegeben. Was gibt es von dir? Gruss Alex

 

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