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Made in Hong Kong
Made in Hong Kong
(Eine alte Geschichte in neuem Gewand, frei nach dem Original von Franz Hohlers)
Wie viele andere Geschichten, beginnt auch diese mit:
Es war einmal...
vor nicht allzu langer Zeit, da lebte in Hamburg eine Made namens Willi.
Es war schon etwas spät am Nachmittag, der Himmel war mit schweren Wolken verhangen und es wehte ein kühler Wind. Willi saß zusammengekauert vor dem einzigen Fenster in ihrem kleine Häuschen, und schaute hoch zum dunklen Himmel, um nicht vielleicht doch eine Stelle zu erblicken, wo die Sonne durchbrechen konnte. ...Nichts.
Er wollte unbedingt zum spielen, weil er genau wußte, daß heute Marinda wieder da sein würde. Obwohl ihm seine Mutter verboten hatte heute nach draußen zu gehen, schlich sich Willi davon. Er rannte schnell zum Spielplatz, und da war sie. Er hatte noch nie zuvor eine so schöne Made gesehen! Sein kleines Herz schlug ihm bis zum Hals, als er sich ihr und seinen Freunden näherte. Er versuchte cool zu wirken, aber Willi war viel kleiner als alle andere Maden in seinem alter, deswegen wurde er immer gehänselt. Sie bemerkte ihn gar nicht.
Oh nein! Er hatte gar nicht gesehen, daß Peter auch da war! „Peter die Drecksmade“ nannten sie ihn alle, weil er immer so gemein zu allen war, das taten sie natürlich nur wenn Peter selbst nicht da war!
„Haha, sieh mal an, der Willi die Pfeife!“ Das war die übliche Begrüßung von Peter. „Hat Dich Deine Mamma heute aus dem Haus gelassen?“ Alle lachten sie ihn wieder aus, alle außer Marinda. Er wußte nicht was er sagen sollte, und wurde nur wütend. „Mach daß Du verschwindest Willi, für solche Versager wie Dich, haben wir heute keine Zeit.“ „Ich bin kein Versager!“, brüllte es aus Willi heraus, „ich werde es schon noch zu etwas bringen!“ Erschrocken über sich selbst, stand Willi da, zum äußersten bereit. „Ha, so wie Dein Vater? Ist einfach abgehauen, und hat Euch im stich gelassen! Er war auch ein Versager und hat es zu nichts gebracht.“ Keiner lachte mehr, nur Peter lächelte während er sprach.
„Ich bringe es zu was“, stammelte Willi,“eines Tages bringe ich es bis ...bis...“ „Ja?“, bohrte Peter die Drecksmade. „Hong Kong!“, rief Willi, „Ja, eines Tages bringe ich es bis nach Hong Kong!“ Alle lachten, und Willi rannte davon...
Oh je, was hatte er da nur gesagt, wenn sie ihn das nächste mal treffen, und er nicht in Hong Kong war, würde
er wirklich ein Versager sein! Also machte er sich auf den Weg nach Hong Kong.......
Es hatte bereits mit regnen begonnen, als Willi am Hafen ankam. Er verkroch sich in einer Ecke und
beobachtete wie riesige Kräne die noch riesigeren Schiffe beluden. Oft war er mit seinem Großvater hier gewesen, und sie haben dem regen Treiben im Hafen zugesehen. Endlich, er sah eine Kiste auf der in großen Buchstaben stand: NACH HONG KONG
Willi zwängte sich durch einen kleinen Spalt in die dunkle Kiste. Es schaukelte mächtig, als die Kiste vermutlich mit einem der riesigen Kränen, verladen wurde. Rumms! Unsanft wurde die Kiste im Frachtraum abgesetzt, es knirschte und eine der Holzlatten löste sich von der Kiste. Erschrocken und mit weit aufgerissenen Augen zwängte sich Willi in der Kiste zusammen. Seine Angst legte sich rasch, als er sah, daß durch den Spalt nun etwas mehr Licht in die Kiste viel. Müde von den Strapazen schlief er bald ein.
Er wußte natürlich nicht wie lange er geschlafen hatte, als er vom schaukeln des Schiffes wach wurde. Erst jetzt sah er, wo er sich eigentlich befand. Mit großen Augen sah er sich um. Durch das einfallende Licht glitzerte es um ihn herum in den tollsten Farben. Es dauerte ein Weilchen, bis er endlich begriff, wo er eigentlich war.
Willi befand sich inmitten einer Schmuckkiste, es wimmelte nur so von Brillanten, Diamanten, Uhren und Ketten. Schmugglerware, schoß es ihm sofort durch den Kopf. „Das muß ich unbedingt dem Kapitän melden!“, dachte er sich, und war schon auf dem Weg.
Mühsam war der Aufstieg vom unteren Frachtraum nach ganz oben auf die Brücke. Schließlich war er ein blinder Passagier, und durfte nicht erwischt werden, bevor er dem Kapitän Meldung machen konnte.
Endlich beim Kapitän angekommen, erzählte er seine ganze Geschichte, angefangen bei Marinda, über das
Wortgefecht mit Peter, bis hin zu dem Erlebnis in der Kiste. Sofort machten sie sich auf den Weg in den Frachtraum, der Kapitän ließ die Kiste aufbrechen. Und tatsächlich: Schmuggelware! Die Kiste wurde nach einer gründlichen Untersuchung wieder sorgfältig verschlossen. Der Kapitän setzte sich mit Hong Kong in Verbindung, und berichtete der dortigen Polizei von dem Fund.
Willi durfte den Rest der Reise in der Kapitänskajüte verbringen, und beim Essen durfte er sogar immer neben dem Kapitän an dessen Tisch sitzen!
Als sie dann nach vielen Tagen in Hong Kong eintrafen, hatte die Polizei den Schmugglern eine Falle gestellt.
Es wurden alle Verbrecher geschnappt. Es stellte sich heraus, daß es sich bei den Gaunern um eine lange gesuchte Schmugglerbande handelte. Es gelang der Polizei den gesamten Schmugglerring festzunehmen.
Ein großer Artikel wurde in der Hong Kong-Zeitung veröffentlicht: Made aus Germany gibt entscheidenden Tip!
Willi wurde groß gefeiert, er durfte sich in das goldene Buch der Stadt Hong Kong eintragen. Er bekam viele Ehrungen und mußte viele Interviews geben. Und weil er der Stadt einen großen Dienst erwiesen hatte, bekam er eine dicke Belohnung. Nun hatte er viel Geld und war in Hong Kong sehr bekannt. Aber wie sollte er Mirande und seinen Freunden, und vor allem Peter mitteilen, daß er es tatsächlich bis nach Hong Kong geschafft hatte.
Zu dieser Zeit wurde in Hong Kong eine große Spielwarenfabrik verkauft, die ihre Spielsachen in die ganze Welt lieferten. Da auf dem Spielplatz, wo alle seine Freunde spielten, immer eine Menge Spielsachen rumlagen,
war er sich sicher, daß auch das Spielzeug aus dieser Fabrik, den Weg nach Hamburg, zu seinem Spielplatz finden würde. Kurzer Hand kaufte Willi die Fabrik auf und von da an ließ er auf alle Spielsachen Made in Hong Kong aufdrucken.