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Macht
Er sitzt auf einem Stuhl in der Mitte des Raumes. Das dunkle Holz der Wände verschluckt den letzten Rest des spärlichen Lichts und ertränkt die dicken Luftteilchen in einen Schimmer aus Karamell. In der glasigen Flüssigkeit der Öllampe verirrt sich eine Fliege und kämpft leise. Das Zimmer unter dem Dach birgt Schwüle, der Boden unter ihm knistert, als ginge er in Flammen über.
Seine Handflächen hält er auf die Oberschenkel gelegt, er trägt ein helles Hemd und matte, schwarzschimmernde Schuhe. Ich stehe hinter ihm, in meiner rechten Hand das Messer. Ich muss die Klinge vorsichtig ansetzen, ihre Spur hinterlässt einen scharfen Nachklang. Mit der linken Hand lenke ich seinen Kopf, halte ihn am Kinn achtsam, aber bestimmt, fest. Neben uns steht ein kleiner Hocker, auf ihm eine kleine weiße Schüssel, in ihr lauwarmes Wasser und in diese getränkt ein Tuch. Mit ihm bessere ich Stellen nach und überprüfe meine Arbeit. Ich mache sie gut, weiß, was ich tue. Manchmal aber, wenn ich absetze, dirigiert er mich. Ich lasse es mir gefallen, bin glücklich darüber, dass er das Lächeln, das manchmal aufblitzt, nicht sieht. Ich bin seine Dienerin und gehorche. Doch wissen wir beide, dass ich ihm genauso gut die Kehle aufschlitzen könnte. Ob er weiß, dass ich ihm nichts tun würde? Ich lebe von seinem Herzschlag. Habe Mühe, meine Hand stillzuhalten, bin aufgeregt. Ich lasse mir nichts anmerken, bewahre Fassung. Ein gefährliches Spiel auf das ich mich einlasse, habe vergessen, wer die Regeln gemacht hat. Habe vergessen, wer führt.
„Ist gut.“
Mit etwas Druck arbeite ich eine dünne Fettschicht in seine Haut ein, ihre Herznote trägt einen Hauch des Orients.
Ich hätte es nie gewusst, führte er mich nicht dort hin.