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- Anmerkungen zum Text
Das ist Teil 2 meiner Electra Heart Serie. Man muss Teil 1 nicht gelesen haben, um folgen zu können. Die Texte basiert auf der Figur der Electra Heart, erschaffen von Marina auf dem gleichnamigen Album.
Macht & Kontrolle
Licht blendet mich.
Ich drehe mich zur Seite, strecke meinen Arm nach ihm, schmiege mich an seinen nackten Körper. Noch einen Moment möchte ich die Lüge leben. Noch einen Moment möchte ich, dass alles perfekt ist.
Er öffnet die Augen, blinzelt ins Licht. Und sieht mich an.
»Guten Morgen«, sage ich und kann die Angst in meiner Stimme nicht verbergen.
Wortlos entwindet er sich meinem Griff, rückt ein Stück von mir weg.
»Guten Morgen –« Er überlegt.
»Electra.«
»Oh ja«, sagt er und kichert. »Ich hab nur noch gewusst, dass es ein ungewöhnlicher Name war. Aber da war dann gestern doch viel Alkohol im Spiel.«
Ich lächle ihn an. Die Sonne bringt die feinen Konturen seines Gesichts voll zur Geltung. Er sieht süß aus, wie er jetzt dasitzt, peinlich berührt. Bemüht, sich zu bedecken.
»Aber es war sehr schön mit dir«, sagt er. »Das weiß ich noch.« Er grinst.
»Und jetzt musst du gehen.«
Da ist er. Der verwirrte Gesichtsausdruck, vor dem ich mich gefürchtet habe. Der Arme. Er tut mir Leid.
»Ich dachte« Er räuspert sich, um seiner Stimme mehr Entschlossenheit zu verleihen. »Vielleicht könnten wir noch gemeinsam frühstücken. Ein bisschen quatschen. Ich … ich lade dich ein, wenn du magst. Was sagst du?«
Wieder muss ich schmunzeln. So naiv, so unschuldig ist er. Er glaubt, er kann mich kaufen. Ich streichle ihm über seine seidenglatte Wange und bringe seine Augen zum Leuchten.
»Ich werde mich jetzt anziehen«, sage ich.
Unter seinem anhimmelnden Blick schwinge ich mich aus dem Bett und verschwinde im Badezimmer. Während ich mich frisch mache, meine Haare richte, Rouge, Eyeliner, Lippenstift auftrage und mein Sommerkleid anlege, schlägt er aufgeregt Cafés vor, die wir besuchen könnten. Er spricht darüber, wie schön der Tag sei und dass wir danach, nach dem Frühstück, noch einen Spaziergang wagen sollten. Er ist ein hoffnungsloser Romantiker, offensichtlich. Wen glaubt er, in mir gefunden zu haben? Egal – er liegt falsch. Aber auch er soll für einen Moment die Lüge genießen dürfen.
Ich trete aus dem Bad. Gut, er ist angezogen.
Er sieht mich an mit großen Augen. Dann dreht er sich verlegen weg und sagt:
»Du … du bist wunderschön.«
»Du musst jetzt wirklich gehen.«
Sein Blick; als hätte ich ihn brutal aus dem schönsten Traum gerissen.
»Ich dachte, wir wollen frühstücken?«, sagt er entgeistert.
Ich gehe zu ihm, küsse ihn sanft, küsse ihn wach.
»Das war ein Abschiedskuss«, sage ich. »Und jetzt, geh.«
»Ich verstehe dich nicht«, sagt er. Es ist endlich zu ihm durchgedrungen – er wird wütend. »Willst du mich verarschen oder so?«
Ich schüttle den Kopf. »Nein, im Gegenteil. Du verrennst dich in etwas, was nie passieren wird. Du und ich – wir werden nie zusammen sein.«
Er tritt einen Schritt zurück, schaut beinahe angeekelt.
»Aber … davon spricht doch keiner? Ich wollte bloß frühstücken gehen, dass wir uns kennenlernen. Ich rede nicht von heiraten.«
»Natürlich tust du das«, sage ich und muss lachen. Männer. Sie haben von sich selbst keine Ahnung. »Und du wärst dumm, würdest du das nicht wollen. Jemanden wie mich, auf dem Silbertablett serviert, wie oft passiert das schon? Aber ich gehöre dir nicht. Ich gehöre niemandem.«
»Du bist verrückt«, sagt er und versucht, sich an mir vorbeizudrängen. Ich packe ihn am Handgelenk.
»Oh ja, es sind immer die anderen schuld«, sage ich. Er starrt mich nur an. »Was glaubst du, wie das für mich ist? Glaubst du, es ist angenehm, dich enttäuschen zu müssen?«
»Was ist falsch mit dir?«, fragt er und befreit seine Hand. »Ach, was interessiert es mich?«
Er geht.
»Vergib mir!«, rufe ich ihm nach.
Die Tür fällt ins Schloss.
Die Dunkelheit hat den Tag wieder eingeholt. Heute Abend bleibe ich zu Hause. Der Fernseher erhellt das Zimmer und die Stimmen darin lachen, aber sie können mich nicht aufheitern.
Wozu das alles?
Tränen rollen über meine Wangen, als ich mich ins Bett lege. Ich muss noch immer an ihn denken – und kenne nicht mal seinen Namen. Aber ich weiß, dass auch er gerade weinend zu Hause in seinem Bett liegt. Meinetwegen. Und so wie ich fühlt er sich alleine. Der Unterschied ist, dass er nicht versteht. Jetzt liebt er mich und kann nicht daran glauben, dass er das eines Tages nicht mehr tun würde. Aber Liebe ist niemals für immer. Sie löst sich auf wie die Wolken am Himmel und hinterlässt eine Leere, die Freiheit verspricht, die man nie erreichen kann.
Ich trockne mein Gesicht. Der Mond hebt sich über die Häuser. Sein Licht blendet mich.